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Man fragte Tommy am andern Morgen, was ihn eigentlich dazu verführt habe, das Boot zu besteigen.
»Ich habe damit zu den Zelten fahren wollen,« antwortete er zum Erstaunen der Uebrigen, »und habe nach den Bananen sehen wollen, ob sie noch nicht reif wären, und habe welche essen wollen, und dachte doch wieder zum Abendbrode hier zu sein. Ich glaubte nicht, daß Ihr es merken würdet.«
»Na, Tommy,« erwiederte Hurtig lachend, »ich meine, du wärest hübsch hungrig geworden, ehe du eine Banane zu essen bekommen hättest. Danke Gott, daß wir noch zu rechter Zeit deine Schliche gewahr wurden.«
»Ich will nie wieder in's Boot gehen!« sagte Tommy.
»Und wirst sehr wohl daran thun,« erwiederte Herr Seagrave ernsthaft. »Laß dir von deiner Mutter erklären, in welche Gefahr du dich und Andere durch deine Unbesonnenheit gestürzt hast. Wir Uebrigen wollen indeß an die Arbeit gehen.«
Die Pallisaden waren nun beinahe fertig, und nur die Thür noch verursachte unseren Freunden viel Kopfbrechens. Sie vereinigten sich zuletzt dahin, dieselbe von starken eichenen Bohlen zu zimmern, und auf der inneren Seite, etwa einen Fuß von der ersten Thür entfernt, noch ein zweites Paar Pfosten einzurammen. Für diese sollten stets einige leicht einzulegende kurze Balken bereit gehalten werden, um auf solche Weise im Nothfalle die Außenthür verrammeln zu können.
Diese Vorrichtung wurde in's Werk gesetzt, und machte die Thür eben so stark, als alle übrigen Theile des Pallisadenzaunes.
Nach Beendigung dieser Angelegenheit war nun noch das Magazin in ein Wohnhaus umzuändern, und es mußte zu diesem Ende das leichte Geflecht von Kokosbaumzweigen und Blättern, woraus bisher die Wände bestanden hatten, weggerissen, und an dessen Stelle die Wände von Stämmen und Balken aufgeführt werden. Diese Arbeit ging ziemlich rasch von statten. Herr Seagrave, William und Juno fällten die Bäume, schnitten sie in die gehörige Länge, und brachten sie auf dem Karren an die innere Seite der Pallisaden. Hurtig aber machte sich indeß daran, das Innere des Hauses mit einem Theile der von der Rettungsbucht herüber gebrachten Bretter auf das Sorgfältigste auszudielen. Munter schritt Alles vorwärts, und nur ein einziges Mal trat in dieser Woche eine kurze Unterbrechung von zwei Tagen ein, weil unsere Freunde die nun gereiften Früchte aus ihrem Garten einsammeln und einbringen mußten. Gleich nachher ging es mit neuem Eifer wieder an das Haus.
Vierzehn volle Tage verstrichen in angestrengter, gemeinsamer Arbeit. Dann aber stand das Haus fertig da, und war viel schöner und vollständiger eingerichtet, als das früher bewohnte Gebäude. An Größe besonders übertraf es dasselbe bei Weitem. Durch nett gearbeitete Bretterwände wurde es in drei verschiedene Räume getheilt, die sammt und sonders sehr gut gedielt waren. Der mittelste Raum, zu welchem unmittelbar die Hausthür führte, hatte hinten, der Thür gegenüber, ein großes Fenster, und wurde zum gemeinschaftlichen Wohn- und Speisezimmer bestimmt. Die Räume rechts und links sollten zu Schlafkammern dienen. Eine davon wurde Madame Seagrave, Juno und den Kindern angewiesen, die andere erhielt Herr Seagrave zu seinem, Hurtigs und Williams Gebrauche, und Alle stimmten darin überein, daß diese Einrichtung das Haus sehr wohnlich und angenehm gemacht habe.
»Siehst du wohl, William,« sagte Hurtig, »was Alles wir mit Hülfe unserer Bretter zu Stande gebracht haben? Das Dielen des Hauses und die Bretterwände würden uns wenigstens ein halb Jahr Arbeit gekostet haben, wenn wir das Holz dazu erst hätten sägen müssen.«
»Ja gewiß, Hurtig!« antwortete William beifällig. »Wann werden wir aber nun das neue Haus beziehen?«
»Je eher, je lieber, William. Wir haben noch viel zu thun, und brauchen uns ja nicht immer innerhalb der Pallisaden aufzuhalten.«
»Was fangen wir aber mit unserem alten Hause an?«
»Das lassen wir ruhig stehen, und benutzen es so lange zu Aufbewahrung aller unserer minder werthvollen Vorräthe, bis wir innerhalb unserer Pallisaden ein neues Magazin für sie eingerichtet haben.«
»Dann könnten wir wohl diese Fässer hinbringen. Sie nehmen uns einen großen Theil unseres Hofraumes weg.«
»Ja, bis auf das Größeste davon, William. Dieß gebrauchen wir, und ich will es in einer Ecke befestigen.«
»Zu was, Hurtig?«
»Um es mit Wasser anzufüllen.«
»Aber warum? Wir haben ja hier näher zur Quelle als vom alten Hause aus.«
»Sehr richtig, mein Junge! Es könnte sich aber doch treffen, daß wir nicht aus den Pallisaden heraus dürften, und dann würde uns ein tüchtiger Wasservorrath eben nicht schaden.«
»Ach, ich verstehe! Ihr denkt doch an Alles, Hurtig.«
»Wenn ich in meinen alten Jahren nicht ein wenig zum Nachdenken gekommen sein sollte, William, dann wär's schlimm. Doch mögte ich nur erst uns Alle hinter den Pallisaden geborgen wissen! Du glaubst gar nicht, wie unruhig ich bin! Ich werde nicht eher zufrieden sein, als bis wir Alle hier sind.«
»Nun, warum ziehen wir dann nicht gleich herein, Hurtig?«
»Warum, mein Junge? Weil ich die Sache nicht gar zu eilig machen will, um deiner Mutter nicht Furcht und Schrecken vor der Gefahr einzujagen. Gefahr ist aber vorhanden, William; ich habe so eine Art Ahnung davon, die ich mit dem besten Willen nicht aus dem Sinne bringen und abschütteln kann. Mir wär's lieb, William, wenn du den augenblicklichen Umzug vorschlügest. Es ist Alles so weit fertig, bis auf die Vorhänge vor den Bettstellen, und die können noch vor Abend von mir angenagelt werden.«
»Ich will's thun, Hurtig!« versprach William, und begab sich mit seinem Begleiter zu den Uebrigen.
Gleich bei dem Mittagsessen machte William den Vorschlag, am nächsten Tage in das neue Haus hinüber zu ziehen, indem es doch viel bequemer und wohnlicher als das alte wäre. Herr Seagrave erklärte sich sogleich bereit hierzu, seine Frau aber meinte, man solle lieber so lange warten, bis Alles sauber und ordentlich im Hause wäre.
»Das ist so weit recht gut, liebe Madame Seagrave,« sagte Hurtig; »aber auf welche Weise können wir besser Alles sauber machen und in Ordnung bringen, als wenn wir selber hingehen und es einrichten. Nichts wird an seinen rechten Platz kommen, wenn Sie nicht selber dort sind und es hinstellen, wohin es gehört.«
»Das ist wahr, Hurtig,« erwiederte Madame Seagrave; »und da auch Ihr gegen mich seid, so will ich in Gottes Namen nachgeben. Morgen mag denn die Uebersiedelung vor sich gehen.«
»Gott sei Dank!« murmelte Hurtig so leise, daß nur William, der dicht neben ihm saß, seine Worte vernehmen konnte.
Der ganze folgende Tag wurde dazu angewendet, in die neue Wohnung zu ziehen, und die Betten, so wie das übrige Hausgeräth hinüber zu schaffen. Schon in der nächsten Nacht schliefen unsere Freunde innerhalb des Pallisadenzaunes.
Unter Hurtigs Anleitung wurde nun noch in aller Geschwindigkeit ein kleines Nebengebäude aufgeführt und zur Küche für Juno eingerichtet, und dann machten sich Alle daran, die Vorräthe zu vertheilen, und je nach ihrem besondern Werthe an Ort und Stelle unterzubringen. Die Salz- und Mehl-Vorräthe, die Gartenfrüchte, die Pulverfässer, der größte Theil der Patronen und anderes mehr wurden in's alte Haus, und nur ein Faß Rindfleisch, ein Faß Schweinefleisch, eine Tonne Mehl, alles Eisenwerk an Nägeln und Werkzeugen, und endlich die Leinwand-Vorräthe wurden in das neue Haus geschafft, in dessen unterem Raume sich eine Art Lagerplatz für die Vorräthe befand. Dieser Platz hatte, wie wir uns erinnern werden, zu dem Aufenthaltsorte der Schafe und Ziegen gedient, und war bei Errichtung des Hauses unverändert gelassen worden. Es fand sich Raum genug, alles Nöthige hineinzustellen, und der Platz war so trocken, daß ein Verderben der Vorräthe nicht befürchtet zu werden brauchte.
Hierauf trug Hurtig Sorge, das große Wasserfaß nach und nach anzufüllen, und brachte dicht über dem Boden desselben einen Hahn an, um das Wasser jederzeit mit Bequemlichkeit ausströmen lassen zu können.
»Na, lieber Herr,« sagte Hurtig am Sonnabende zu Herrn Seagrave, »das war eine schwere und mühevolle Woche, aber es wird auch vor der Hand die letzte sein, die so große Anstrengung erfordert. Wir sind nun bequem im neuen Hause eingerichtet, haben unsere Vorräthe unter Dach und Fach gebracht und auf diese Weise gegen das Wetter geschützt, und können's uns nun ein bischen leichter machen. William und ich wollen noch ein paar Schildkröten fangen, da ihre Zeit bald vorüber sein wird, dann will ich das Boot frisch kalfatern, und endlich will ich noch eine Fahrt nach der Südseite hinüber machen, um einmal wieder nach unseren Heerden und dem Yamsfelds zu schauen.«
»Und nach den Bananen und Guyaven!« setzte Tommy hinzu.
»Richtig, die haben wir ganz vergessen,« sagte seine Mutter.
»Ja, das ist kein Wunder, liebe Madame Seagrave,« erwiederte Hurtig. »Wir sind hier so beschäftigt gewesen, daß wir keine Zeit hatten, daran zu denken. Jetzt aber, mein' ich, sind wir so weit, und sobald das Boot wieder im Stande ist, will ich hinüber, und Alles, was ich vorfinde, herauf bringen.«
»Wie steht's aber mit den Sämereien und Kartoffeln, Hurtig?« fragte Herr Seagrave. »Müssen wir sie nicht noch vor Beginn der Regenzeit in die Erde bringen?«
»Freilich wär's gut, wenn wir Zeit dazu fänden;« erwiederte Robinson. »Das schlechte Wetter nahet heran, und wir werden nicht mehr viel schöne Tage haben. Im schlimmsten Falle säen und pflanzen wir in den Zwischentagen der Regenzeit, wo das Wetter heiter und schön ist. Aber nun muß ich fort, und nach den Schildkröten ausschauen! Gute Nacht, lieber Herr, gute Nacht, Madame Seagrave! William, komm, alter Junge!«
Als Hurtig und William nach dem Ufer hinunter gingen, begegnete ihnen Juno, und Hurtig befahl ihr, so viel Brennholz zu sammeln, als sie nur finden könne, und es in einer Ecke innerhalb der Pallisaden aufzustapeln, damit man es immer bei der Hand hätte.
»Ja, ja, Massa Hurtig!« erwiederte Juno. »Ich verstehen sehr gut! Nichts gehen über fertig sein, wenn was vorfallen!«
»Richtig getroffen, Juno!« entgegnete William. »Gute Nacht!«
Hurtig und William waren so glücklich, sechs Schildkröten zu erwischen, welche ihrem Vorrathe im Teiche hinzugefügt wurden. Hierauf beobachteten sie noch mit dem Fernrohre die ganze Fläche des Meeres, so weit sie dieselbe zu überschauen vermogten, kehrten, als sie nichts Verdächtiges gewahr wurden, nach Hause zurück, schlossen die Thür der Pallisaden, und begaben sich zur Ruhe.
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