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Am nächsten Morgen, gleich nach dem Frühstück, wendete sich Herr Seagrave zu Hurtig und sprach:
»Da wir jetzt eine so große Fülle von Geschäften haben, werther Freund, so ist meine Ansicht, daß wir für die Zukunft einen regelmäßig zu befolgenden Arbeitsplan entwerfen, indem Ordnung und Pünktlichkeit bei jedem Thun die halbe Arbeit ist. So bestimmt also, auf welche Art und Weise sich ein Jeder von uns im Laufe der nächsten Woche beschäftigen soll, und laßt nur den morgigen Tag frei, weil es der heilige Tag des Herrn ist. Konnten wir ihn auch bisher nicht feiern, wie es einer christlichen Familie geziemte, weil die dringendste Arbeit uns davon abhielt, so muß es doch jetzt und in der Folge immer geschehen, und wir dürfen uns auf keine Weise davon abhalten lassen.«
»Wohl, Herr Seagrave!« entgegnete Robinson. »Sie sprechen da nur meine eigene Ansicht aus, und ich will mich nicht weigern, nach bestem Wollen und Können meine Vorschläge abzugeben. Morgen also feiern wir zunächst einen Ruhetag, an welchem wir Gott um seinen Segen für die andern sechs Tage in der Woche anflehen wollen. Ehe wir aber ein Weiteres festsetzen, lieber Herr Seagrave, wollen wir hören, was Ihre gute Frau etwa vorzubringen hat.«
»Oh, um mich kümmert Euch weiter nicht, Hurtig,« sagte Madame Seagrave. »Ich fühle mich Gottlob mit jedem Tage wohler und kräftiger, und denke mich in Zukunft, wie Ihr Andern Alle, nützlich zu beweisen. Auf jeden Fall will ich Juno in den häuslichen Geschäften unterstützen, das Kochen, Waschen, den Unterricht und die Aufsicht der Kinder, das Ausbessern der Kleidungsstücke und was sonst in der Wirthschaft nöthig ist, übernehmen, und mich bemühen, Alles so gut als möglich zu machen, damit Ihr die Kräfte unserer Juno, wenigstens für die größere Hälfte des Tages, benutzen könnt. Vermag ich späterhin noch mehr zu thun, so soll's gewiß und gern geschehen.«
»Nein, nein, das ist mehr als übergenug,« rief Hurtig aus. »Wir können vollkommen damit zufrieden sein, und nun zur Erörterung unserer eigenen Geschäfte übergehen. Meiner Ansicht nach bestehen, außer dem Hausbau, unsere dringendsten und nothwendigsten Arbeiten in dem Umgraben eines Stückchen Landes zur Aussaat für unsere Kartoffeln und Sämereien, und außerdem in der Anlegung eines Schildkrötenteichs und im Fangen der Schildkröten, ehe die rechte Zeit dazu vorübergeht.«
»Gut!« sagte Herr Seagrave. »Was soll nun zuerst geschehen?«
»Nach meiner Ansicht muß zuerst der Behälter für die Schildkröten gemacht werden, da er Ihnen, William und Juno nur etwa zwei Tage Arbeit kosten wird, und ich selbst Ihre Hilfe für die nächste Woche nicht bedarf. Ich will nämlich nicht weit von hier einen Platz aussuchen, wo die Bäume im Walde am dichtesten stehen, und will deren so viele niederhauen, bis wir eine Lichtung und Raum für unsere anzulegenden Vorrathshäuser gewonnen haben. Wenn dann die Regenzeit vorüber ist, so können wir unsere Vorräthe von dem andern Ende der Insel herschaffen und in den Häusern unterbringen. Das Fällen der Bäume, so wie das Behauen der Stämme zu Balken wird mich die ganze Woche beschäftigen. Nachher müssen wir alle unsere Kräfte zusammen nehmen, und unverzüglich anfangen das Wohnhaus für uns aufzurichten. Werden wir auch nicht ganz fertig damit, so kommen wir doch wenigstens unter Dach und Fach, und brauchen das Ungestüm des Wetters nicht zu fürchten.«
»Gedenkt Ihr wirklich und ernstlich das Werk noch zu Stande zu bringen, Hurtig?« fragte Herr Seagrave zweifelhaft. »Wie lange ist's denn noch hin bis zur Regenzeit?«
»Noch drei bis vier Wochen,« erwiederte Robinson. »Genau läßt es sich nicht bestimmen, und auf jeden Fall werde ich wohl Euer Aller Beistand bedürfen, wenn wir fertig werden wollen. Ich denke eben ein wenig über die Sache nach, und da fällt mir ein, daß ich noch einmal nach der Bay hinüberrudern muß.«
»Weßhalb das, Robinson?« fragte Herr Seagrave.
»Um den zweirädrigen Karren zu holen, der, wie sie sich erinnern werden, in Matten eingepackt von den Wellen an's Land geworfen wurde. Damals lachten Sie über ihn, und meinten, er werde uns nichts helfen können, aber jetzt finde ich, daß Räder und Achse desselben prächtige Dienste leisten dürften. Wir brauchen nur bis zu dem Orte, wo ich die Bäume fällen will, einen Fahrweg zu machen, und haben dann ein leichtes und bequemes Mittel, die Balken und Stämme an Ort und Stelle unseres Hausbaues zu bringen.«
»Ei, das ist wahr,« rief Herr Seagrave. »Auf diese Weise wird uns der verachtete Karren herrliche Dienste thun, und uns einen großen und schwierigen Theil der Arbeit ersparen.«
»Deßhalb eben muß ich am Montage in aller Frühe hinüber, um ihn zu holen,« sagte Robinson. »Jetzt aber wollen wir zunächst die Plätze für unsern Garten und den Schildkrötenteich aussuchen, und darauf den Fleck bestimmen, wo die Bäume gefällt werden sollen.«
Ohne Zögern gingen Herr Seagrave und Hurtig an die Bucht hinunter, und schauten sich sorgfältig die Riffe an.
»Herr Seagrave,« sagte Robinson, »wir brauchen im Grunde nicht sehr viel Wasser zu unserem Teiche; denn je tiefer er ist, desto mehr Mühe haben wir, die Thierchen zu fangen, wenn wir einmal eins essen wollen. Darum glaube ich, daß diese Untiefe da für unseren Zweck ganz passend ist. Das Riff dort würde die eine, das Ufer der Bucht die andere Seite bilden, und wir hätten weiter nichts nöthig, als die beiden andern Seiten mit einer Mauer zu verschließen, die nur ganz lose aus großen Steinen aufgeführt zu werden braucht.«
»I nun, wenn wir lose Felsstücke genug finden können, so wird diese Sache bald abgethan sein,« sagte Herr Seagrave.
»Es liegen ihrer in Menge umher,« entgegnete Hurtig. »Sehen Sie nur, dort und da und hier, überall! Die zu schwer und zu groß sind, zerbrechen wir mit Meißel und Stemmeisen, und können sie, auf solche Weise verkleinert, leicht von einer Stelle zur andern schaffen. Rufen Sie nur William und Juno, lieber Herr Seagrave. Wir wollen gleich noch diesen Vormittag ein wenig Arbeit auf die Seite bringen.«
Herr Seagrave rief, und schwenkte winkend seinen Hut so lange, bis es Juno und William bemerkten und eiligst herbeigesprungen kamen. Juno mußte in aller Geschwindigkeit die nöthigen Werkzeuge herbeiholen und darauf ging man sogleich an's Geschäft. Als ihre Hilfe nicht mehr nöthig war, ließen Herr Seagrave und Hurtig die beiden Andern dabei zurück, und wanderten langsam auf der Landspitze fort, um einen zweckmäßigen Platz für den Garten aufzusuchen und abzustecken.
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