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Der Sturm raste jetzt fürchterlich. Die Blitze fuhren hin und wieder, wie feurige Schlangen, und unaufhörlich rollten, krachten und knatterten die furchtbarsten Donnerschläge. Alle erwachten von dem Ungestüm der empörten Elemente; selbst die Kinder fuhren schreiend aus dem Schlafe auf, und konnten nur mit Mühe wieder zur Ruhe gebracht werden. In Strömen goß der Regen vom Himmel und durchdrang schon an mehreren Stellen die Leinwand; heulend und brausend zog der Sturm einher, preßte mit furchtbarer Gewalt wider die Zeltwände, und drückte sie bald einwärts, bald in bauschigen Bogen nach außen zu. Die Stricke, welche sie festhielten, schienen in jedem Augenblick zerreißen zu wollen. Dazu war das Dunkel der Nacht undurchdringlich, und vermehrte noch die Schrecknisse und das Entsetzen dieser fürchterlichen Stunden.
Es mogte ungefähr Mitternacht sein, und der Wind stürzte mit noch größerer Gewalt, als bisher, gegen die Zelte los, als plötzlich Hurtig und Herr Seagrave ein lautes Krachen, und gleich darauf ein wehevolles Angstgeschrei von Madame Seagrave und Juno vernahmen, deren Zelt am meisten dem Wüthen des Sturmes preisgegeben war. Die Pfosten desselben hatten nachgegeben, waren zum Theil zerbrochen, zum Theil aus der Erde gerissen, und hatte die armen Frauen und Kinder der ganzen Wuth der Elemente blosgestellt. Ohne Besinnen stürzten die beiden Männer und William hinaus, um Hilfe zu leisten. Der Wind aber und das Schlagen des Regens war so entsetzlich und die Finsterniß so undurchdringlich, daß es ihren vereinten Kräften nur mit unendlicher Mühe gelang, Frauen und Kinder unter den umgestürzten Zeltwänden hervorzuziehen. Tommy war der Erste, welcher von Hurtig aus seiner schlimmen Lage befreit wurde. All' sein Muth war dahin; er brüllte vor Angst und zappelte mit Händen und Füßen. William ergriff den kleinen Albert und trug ihn in das andere Zelt, wo Tommy im bloßen Hemde noch immer kläglich weinte und jammerte. Herr Seagrave brachte Karoline in Sicherheit, und rettete endlich mit Hurtig seine Gattin und Juno.
Zum Glück fand sich, daß Niemand beschädigt war, doch konnten die erschrockenen Kinder auf keine Weise zur Ruhe gebracht werden, und erfüllten das Zelt mit Tönen des Jammers und Wehklagens. Tommy heulte, Karoline wimmerte und der kleine Albert schrie aus Leibeskräften. Dazu denke man sich nun noch das Brausen des Sturmes, der fort und fort die Wände des Zeltes erschütterte, und man kann sich eine schwache Vorstellung von der Verwirrung machen, welche der eben beschriebene Unfall hervorgebracht hatte.
Herr Seagrave stellte endlich die Ordnung wieder her, indem er die Kinder nahm und alle drei in ein Bett steckte. Da krochen sie zusammen und gaben zuletzt den Trostesworten ihrer Mutter und Juno's, welche sich neben ihnen niedersetzten, ein geneigtes und Williges Gehör. Die Uebrigen saßen und lagen still umher, und lauschten in traurigen Gedanken dem Heulen des Windes, dem Donner der Brandung und dem lauten Plätschern des Regens gegen die Zeltwände.
Endlich brach der lang ersehnte Morgen an, und erhellte mit seinem Lichte die Finsterniß der schreckensvollen Nacht. Hurtig trat mit Tagesanbruch aus dem Zelte, blickte umher, und fand, daß die heftigste Gewalt des Sturmes sich endlich gebrochen hatte. Dennoch wehte der Wind noch immer scharf genug, und es dämmerte heute keineswegs einer jener glanzvollen Morgen auf, an die sich unsere Freunde seit der Ankunft auf ihrer Insel gewöhnt hatten. Der Himmel blickte noch finster, und düstere Wolkenmassen, vom Sturme gejagt, zogen wild und ungestüm hinter einander her. Weder die Sonne noch die Bläue des Himmels schimmerten auf die dunkle Erde herab, und noch immer strömten von Zeit zu Zeit einzelne Regengüsse aus den Wolken nieder. Der Boden war aufgeweicht und schlüpfrig, und die Bucht, welche Tags zuvor noch in so lieblicher und glänzender Schöne dalag, zeigte sich jetzt als ein Bild des wildesten Ungestüms. Die Wellen schäumten, thürmten sich auf und wälzten sich übereinander, die Brandung schlug über die Ufer hinweg, und der ganze Strand war mit weißem Schaume bedeckt. Der Horizont war trübe und unklar; man konnte Wasser und Himmel nicht von einander unterscheiden.
Hurtig warf einen Blick nach der Stelle, wo der gestrandete Pacific auf dem Felsen gelegen hatte. Er sah das Wrack nicht mehr, wohl aber schwammen seine Trümmer zerstreut auf den Wogen umher und wurden von der Strömung gegen das Ufer getragen.
»Ich hab' es gedacht,« sagte er, sich umwendend, zu Herrn Seagrave, der ihm gefolgt war, und wies mit dem Finger auf das Meer hinaus. »Sehen Sie, der Sturm hat es vernichtet, und uns zugleich eine Warnung gegeben, nicht länger noch hier zu verweilen. Wir müssen so viel als möglich das schöne Wetter benutzen, das diesem Sturme, welcher nur ein Vorläufer der in vier oder fünf Wochen eintretenden Regenzeit ist, folgen wird, und haben wahrhaftig nur wenig Zeit mehr zu verlieren.«
»In der That,« stimmte Herr Seagrave bei; »und das niedergeworfene Zelt ist ein Beweggrund mehr, uns so wacker als möglich zu tummeln, um erst ordentlich unter Dach und Fach zu kommen. Ich danke nur Gott, daß Niemand bei dem Unglücksfalle beschädigt ist.«
»Sie haben auch alle Ursache dazu, lieber Herr,« sagte der alte Hurtig. »Uebrigens legt sich der Sturm immer mehr, und wir wollen darum sehen, was vor der Hand mit dem Zelte anzufangen ist.«
Beide gingen an die Arbeit und befestigten das leichte Zelt wieder mit neuen Stricken und Pflöcken. Dieß war bald gethan, aber nun fand sich, daß alle Betten und Matratzen vollkommen durchnäßt waren, und daher zum Trocknen auseinander gebreitet werden mußten. Es geschah, und nun endlich begaben sich die beiden Männer zum Frühstück, zu welchem Juno sie bereits gerufen hatte.
»Weiter läßt sich für den Augenblick hier nichts thun,« sagte Robinson zu Herrn Seagrave, als sie gespeist hatten. »Erst gegen Abend, wenn es ein wenig trocken geworden ist, können wir mehr schaffen. Sehen Sie, die Wolken spalten sich schon, und ein bischen blauer Himmel blickt durch! Das verspricht herrliche Witterung. Ja, der Sturm war zu heftig, als daß er lange hätte anhalten können. Lassen Sie uns einstweilen an den Strand gehen, und dort von den Trümmern des Schiffes retten, was zu retten ist. Es war ein tüchtiges Fahrzeug und hatte herrliche Balken, die uns noch zu Statten kommen werden.«
»Willst du mit, Tommy?« fragte er freundlich den Kleinen, der vor dem Zelte stand.
Tommy aber schüttelte den Kopf, ohne eine Antwort zu geben, denn die Ereignisse der vergangenen Nacht hatten ihn sehr übellaunig gestimmt.
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