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Das Zeichnen der Bäume erwies sich bei der Rückkehr als eine vortreffliche Maßregel. Auf der Strecke Weges, zu der unsere Freunde den Tag zuvor acht volle Stunden gebraucht hatten, bedurften sie heute nicht mehr als zwei.
Sie näherten sich schon dem Ausgange des Waldes, als sie ein dumpfes Rauschen in den Bäumen hörten, worauf Hurtig nicht ohne Besorgniß umherschaute.
»Höre, William,« sagte er, »es wird dunkel, die Sonne verbirgt sich, und ich habe so die Ansicht, daß ein tüchtiger Sturm im Anzuge ist. Ferner bin ich überzeugt, daß sich deine Mutter furchtbar ängstigen wird, wenn wir beim Ausbruche des Unwetters noch nicht zu Hause sind, und darum schlage ich vor, daß wir uns so rasch wir können, davon machen.«
Es bedurfte hierzu keiner zweiten Aufforderung bei William, und eilig schritten daher die Freunde vorwärts. Die Blätter und Zweige der Bäume rauschten und schwankten immer stärker; heulend brausten einzelne, abgebrochene Windstöße durch sie hin, und zuweilen vernahm man aus der Ferne das dumpfe Krachen und Splittern umgeworfener Baumstämme. Mit immer hastigeren Schritten eilten Robinson und William vorwärts, und erreichten bald die Lichtung des Waldes. Sobald sie in's Freie traten und ihnen der Himmel sichtbar wurde, konnte ihnen die plötzliche Veränderung desselben nicht mehr entgehen. Sein reines, durchsichtiges und glänzendes Blau war verschwunden, und hatte düsteren, schwefeligen Dünsten und Wolkenschichten Platz gemacht, die schwer und beengend über der Erde hingen.
»Das wird schlimm, William!« sagte der alte Hurtig nach einem raschen Blicke zum Himmel. »Wir müssen unsere letzten Kräfte zusammen nehmen und rennen, so lange wir Athem haben, wenn wir zu rechter Zeit bei den Zelten ankommen wollen.«
Sie setzten sich ohne weiteres in Trab, die Hunde sprangen voraus, und nach wenigen Minuten hatten sie die Zelte erreicht. Herr Seagrave und Juno traten in diesem Augenblick heraus, und ihr lauter Freudenruf verkündigte der besorgten Mutter, daß ihr geliebter Sohn zurückgekehrt sei. Wenige Sekunden nachher lag sie in seinen Armen, und drückte die zärtlichsten Küsse auf seinen Mund.
Mittlerweile schüttelten sich Herr Seagrave und Robinson freundlich die Hände, und Ersterer gab in herzlichen Worten zu erkennen, daß ihm die Ankunft der Reisenden wegen des herannahenden schweren Ungewitters eine drückende Last vom Herzen nähme.
»Ja, ja,« sagte Robinson, »es sieht auffallend bedrohlich aus, und wir können uns auf eine stürmische Nacht gefaßt machen. Ich will deßhalb ohne Zögern an den Strand hinabgehen, um das Boot, an dessen Erhaltung mir jetzt mehr als je gelegen ist, an's Ufer und in Sicherheit zu bringen. Gut wäre es, wenn Sie nebst Juno und William mich begleiteten, damit diese Arbeit so geschwind als möglich beendigt werden kann.«
Herr Seagrave zeigte sich augenblicklich zur Hilfsleistung bereit und rief die Uebrigen herbei, während Hurtig schnell aus den abgesägten Enden der Sparren drei Walzen verfertigte. Darauf rannten alle Vier an das Ufer hinab, zogen mit vereinten Kräften das Boot auf den Sand, legten die Walzen unter, und schafften es mit deren Hilfe so hoch zwischen das Gesträuch hinauf, bis es Robinson für durchaus gesichert erklärte.
»Der Sturm kommt mir recht ungelegen, obgleich ich ihn schon seit einigen Tagen voraussah,« sagte Hurtig, nachdem die Arbeit beendigt war. »Ich wäre gern noch einmal an Bord unseres Wrackes gegangen, um noch einige nothwendige Gegenstände herüber zu holen, und um nach unserer armen Kuh zu sehen. Daraus wird aber nun schwerlich etwas werden können, wenn ich mich recht auf's Wetter verstehe. Hören Sie nur, Herr Seagrave, das dumpfe Brausen des heranziehenden Sturmes, sehen Sie, wie die Seevögel umherflattern und über die Wellen hinschießen. Sie kreischen wahrhaftig so angstvoll, als ob das jüngste Gericht bevorstände. Lassen Sie uns nur schnell noch die Zelte ein wenig sichern! Ich fürchte, sie werden einem furchtbaren Unwetter die Spitze zu bieten haben, und mögte doch gern, daß sie ihm Stand halten könnten, damit Ihre liebe Frau und die Kinderchen nicht etwa vom Sturme in die Wälder geblasen werden. Hurtig, hurtig lassen Sie uns gehen!«
Als sie wieder bei den Zelten anlangten, sprang ihnen Tommy entgegen, und schüttelte seinem Bruder William die Hand.
»Guten Abend, Tommy,« sagte Hurtig, »wie geht dir's?«
»Oh, ich bin ganz wohl und die Mama auch,« erwiederte Tommy. »Während du fort warest, habe ich für Alle gesorgt, und es war daher gar nicht nothwendig, daß du so schnell wieder kamest.«
»Glaub' es, glaub' es, daß du dich, sehr nützlich gemacht hast und die Stütze deiner Eltern gewesen bist!« sagte Robinson herzlich lachend. »Nun mußt du aber auch mir ein wenig Hilfe leisten, und Stricke und Leinwand aus der Vorrathskammer holen, damit wir deiner Mutter Zelt vor dem Regen schützen. Tummle dich, Jüngelchen, und du, William, geh' wieder zu deiner Mutter und erzähle ihr ein bischen von unseren Abentheuern.«
Die beiden Knaben gingen davon, und Hurtig machte sich mit Herrn Seagrave an die Arbeit. Die beiden Zelte wurden mit einem doppelten starken Ueberzuge versehen, um dem Regen das Eindringen zu verwehren, und darauf mit Seilen und Tauen an den nächsten Bäumen befestigt, damit der Sturm sie nicht vom Boden reißen und in die Lüfte führen mögte. Juno vertiefte indessen mit einer Schaufel die Gräben, welche man rings um die Zelte gezogen hatte, um den strömenden Regengüssen ungehinderten Abfluß zu verschaffen.
Während der Arbeit erzählte Robinson Herrn Seagrave die Ergebnisse der Entdeckungsreise, und Beide lachten recht herzlich, als das Abentheuer mit den Schweinen berichtet wurde. Mittlerweile aber arbeiteten sie rüstig fort, und ließen nicht eher die Hände ruhen, als bis Alles auf's Genaueste vollendet war. Da erst setzten sie sich zum Abendessen nieder.
Als die Sonne unterging, drohte das Unwetter näher und heftiger; der Wind wehete scharf und peitschte die weiß schäumenden Wellen gegen die Felsen in der Bucht; mit dumpfem Gebrüll strömte die Brandung heran, und ergoß sich brausend über den Sand des Gestades.
Die ganze Familie begab sich zur Ruhe. Nur der alte Hurtig blieb wach und erklärte, daß er erst noch vor dem Schlafengehen das Wetter ein wenig beobachten wolle.
Der alte, wackere Mann ging an die Bucht hinab, lehnte seinen Rücken an den Schnabel des gesicherten Bootes, und schaute mit kühnem, furchtlosem Auge in die See hinaus (Titelbild). Wasser und Himmel waren schon zu Einer dunkeln Masse verwoben, und die finsterste Nacht brütete darüber, aus welcher mit grellem Lichte nur die weißen Schaumflocken der brausenden Wogen hervor schimmerten. Robinson stand da in tiefen Gedanken, die sich endlich in halblauten Worten Luft machten.
»Ja,« murmelte er vor sich hin, »ja, Sturm und Wogen wirken zusammen, und braust der Eine, so brüllen die Andern, und ihre Wuth geht mit ihrer Macht Hand in Hand; aber Gott leitet sie Beide. Hätte sein Hauch nur wenige Tage früher die Elemente erregt, wo würden dann die sein, die jetzt meiner schwachen Hilfe anvertraut sind? Vater, Mutter, Kinder und mit ihnen ich selbst, der altersschwache, grauköpfige Greis – wir lägen alle zusammen in den Tiefen des Meeres, und unsere Seelen ständen vor Gottes Throne, um gewogen zu werden auf der Wage des Gerichts. Aber des Allmächtigen gewaltige Hand hielt uns aufrecht und leitete uns durch Sturm und Klippen an den rettenden Strand. Dank sei dir dafür gebracht, mein Gott in der Höhe! Ich preise und lobsinge deinen Namen.«
So sprach er und wendete dann seinen Blick zu dem Wracke, das umstürmt von den mächtig andrängenden Wogen auf den Klippen lag. »Das Gebraus des Sturmes läutet dir zu Grabe, wackerer Pacific,« dachte er. »Was sind deine eisernen Nägel und Klammern gegen die Gewalt der Elemente. Sie werden zerreißen gleich Spinneweben, und morgen werden meine Augen vergebens nach dir ausschauen und nichts erblicken, als deine zerbrochenen und zersplitterten Trümmer, willenlos getrieben und umhergestoßen von der wüthenden Brandung. Aber auch das ist ein Segen des Himmels! die Elemente arbeiten für uns, und die schweren Balken und Planken, die keine menschliche Kraft zu tragen vermögte, spielen die Wogen leicht und mühelos für uns an den Strand.«
Ein flammender Blitzstrahl blendete in diesem Momente die Augen des alten Mannes, und der krachende Donner erweckte ihn aus seinen Träumereien.
»Der Sturm wird bald seine ganze Höhe erreicht haben, und es kann daher nicht schaden, wenn ich wieder nach den Zelten schaue, und untersuche, wie sie seiner Gewalt Stand halten,« murmelte er und wandte sich zur Rückkehr. Noch war er aber nicht bei den Zelten angelangt, als unendlicher Regen stromweise herabstürzte und der Wind furchtbarer heulte, als je zuvor. Zugleich senkte sich eine so undurchdringliche Finsterniß auf die Erde herab, daß er kaum seinen Weg erkennen konnte. Dazu peitschte ihm der Regen in's Gesicht, der Donner rollte, und die Blitze mit ihrem schwefeligen Lichte blendeten seine Augen zu sehr, als daß er die Zelte hätte besichtigen und untersuchen können. So trat er denn hinein, und beschloß, sich auf keinen Fall bei diesem fürchterlichen Aufruhre in der Natur zur Ruhe zu legen. Auch die Uebrigen waren, mit Ausnahme Tommy's und des kleinen Albert, in ihren Kleidern geblieben.
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