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28. Kapitel.
Fischfang.

In der Nacht, die diesem Tage folgte, blieb Hurtig noch zwei bis drei Stunden auf, und arbeitete fleißig bei Lichte, um die Angelschnüre mit dem nöthigen Blei und mit Haken zu versehen. William leistete ihm dabei Gesellschaft, bis zwei Angeln vollständig fertig und brauchbar waren.

»Was wollen wir nun zum Köder nehmen?« fragte William.

»Ich denke, einige von den Schalthieren, die in Menge am sandigen Ufer des Meeres umherliegen,« erwiederte Robinson; »doch thut uns ein Stück fettes Schweinefleisch am Ende bessere Dienste.«

»Und wo wollen wir fischen, Hurtig?«

»Der beste Platz, meiner Meinung nach, ist das äußerste Ende der Küste, da, wo ich das Boot immer durch die Riffe steuere. Das Wasser ist dort, gleich dicht am Ufer, tief genug.«

»Sagt, Hurtig,« fragte William nach einigem Stillschweigen, »könnten wir denn nicht die Rothgänse und die übrigen Seevögel auch essen? Ich habe schon manchmal darüber nachgedacht.«

»Nein, William,« entgegnete Robinson; »alle Seevögel haben ein zähes Fleisch und einen widerlich thranigen Geschmack. Wenn wir freilich nichts Besseres hätten, müßten wir's auch mit ihnen versuchen – aber wir leiden ja nicht Noth. Doch laß uns nun zu Bette gehen; denn morgen müssen wir, da nun die Kartoffeln glücklich in die Erde gebracht sind, in aller Frühe schon dran, die Balken zu behauen und fortzubringen. Dein Vater wird wohl mit mir die Axt handhaben, während Ihr, du und Juno, die behauenen Stämme auf dem Karren und nach dem Platze schafft, wo wir das Haus bauen wollen. Morgen werd' ich dir zeigen, wie du es machen mußt, jetzt aber leg' dich zur Ruhe und sammle frische Kräfte. Gute Nacht, mein Junge!«

Der alte Hurtig entfernte sich; William aber hatte sich eines Andern entschlossen. Er wußte, daß seine Mutter sich sehr über ein Gericht Fische freuen würde, und hatte sich daher vorgenommmen, den Fang vor dem Schlafengehen zu versuchen. Der Mond schien hell, und er vermuthete deßhalb, daß ihn das Glück begünstigen werde.

Eine ganze Weile verhielt er sich still und ruhig, bis er glaubte, daß der alte Hurtig, wie die Uebrigen, fest eingeschlafen sei. Da stand er auf, ging mit der Angel an die Bucht hinab, suchte einige Schalthiere, zerbrach ihre Schale zwischen zwei Steinen, zog die Thiere heraus, und steckte eins davon als Köder an seinen Angelhaken. Hierauf begab er sich mit schnellen Schritten an den von Hurtig deutlich genug bezeichneten Platz.

Es war eine wunderbar schöne Nacht, die duftig und durchsichtig über der Erde lag. Das Wasser war vollkommen ruhig, und die Strahlen des Mondes tauchten tief und leuchtend hinab beinahe bis auf den Grund des Meeres.

William warf seine Angel aus. Als das Blei derselben den Boden berührte, zog er die Schnur, nach Hurtig's Anleitung, wieder etwa einen Fuß hoch herauf, und erwartete nun gespannt und mit klopfendem Herzen den Erfolg. Kaum eine halbe Minute verging, so fühlte er, daß heftig an seiner Angel gezupft wurde. Der plötzliche Ruck zog ihn, da er sich dessen gar nicht vermuthete, beinahe in's Wasser hinab; der Fisch zerrte ihm die Schnur durch die Hand, verwundete ihn auf diese Weise am Finger, und hätte sie ihm bei einem Haare gänzlich aus der Hand gerissen. Doch faßte sich William noch zu rechter Zeit, zog die Leine langsam wieder an, und brachte endlich einen prächtigen, mit silberglänzenden Schuppen bedeckten Fisch an's Land, der mindestens seine zehn bis zwölf Pfund wiegen mußte. Er zog ihn hoch auf den Strand hinauf, so daß er ihm nicht mehr entwischen und wieder in's Wasser springen konnte, tödtete ihn, und machte darauf seine Angel von Neuem zum Auswerfen fertig.

Es dauerte kaum so lange, als das erste Mal, da zerrte es wieder gewaltig an der Schnur; aber dießmal war William darauf vorbereitet, gab mit der Leine ein wenig nach, und ließ den Fisch so lange umherzappeln, bis er müde und kraftlos geworden war. Da erst zog er ihn aus dem Wasser, und fand zu seiner Freude, daß er noch größer als der Erstgefangene sei. Zufrieden mit diesem günstigen Erfolge, wickelte er seine Schnur zusammen, band ein Stück Bindfaden um die Kiemen der Fische, schleppte sie zu den Zelten, und hing sie hier an einem Pfosten auf, damit sie die Hunde nicht fressen mögten. Darauf endlich begab er sich zu Bette, und schlief sehr bald fest und ruhig ein.

Am andern Morgen war er wieder der Erste, der aufstand, und mit großer Freude dem alten Hurtig seinen herrlichen Fang verkündete und zeigte.

Hurtig schüttelte darüber mißmuthig den Kopf. »William,« sagte er vorwurfsvoll, »du thatest sehr Unrecht, dich in eine so große Gefahr zu begeben. Wenn du zu fischen entschlossen warest, so mußtest du es mir sagen, und ich wäre gern mit dir gegangen. Du sagst selbst, der gefangene Fisch hätte dich beinahe in's Wasser gezogen; – bedenke nun einmal, wenn statt dieses Tapper's, wie wir Seeleute ihn nennen, ein junger Haifisch angebissen und dich mit sich fortgezerrt hätte, was in der That kein Ding der Unmöglichkeit ist; du wärest doch wahrhaftig unfehlbar verloren gewesen. Lagest du einmal im Wasser, so kamest du nimmermehr wieder heraus, indem die Ufer grade an der Stelle, wo du fischtest, sehr hoch und steil sind. Bedenke, welcher Schmerz dieß für deine Eltern, für mich, für uns Alle gewesen sein müßte! Bedenke die Verzweiflung, die Todesangst deiner Mutter, wenn wir dich nickt mehr gefunden, nicht mehr gesehen hätten! Bedenke das Alles, William, und dann frage dich selbst, ob du nicht tadelnswerth handeltest.«

»Gewiß, ja, ich habe gefehlt, Hurtig!« sagte William beschämt. »Ich seh' es ein, und werde mich in Zukunft hüten; aber ich wollte meiner Mutter so gern eine Freude machen.«

»Der Grund genügt, um dir Verzeihung zu verschaffen, mein Junge,« sagte Robinson. »Aber ich bitte dich, geh' fernerhin nicht ohne mich auf ähnliche Abenteuer aus; du weißt ja, daß ich dich immer und jederzeit von Herzen gern begleite. Doch genug davon! Wir wollen nicht weiter von der Sache sprechen, und Niemandem ein Wort davon sagen, in welcher Gefahr du geschwebt hast. Mir altem Manne aber mußt du das bischen Schelten zu Gute halten, William, denn es war herzlich gut gemeint.«

»O nicht doch, Robinson!« rief William reuevoll. »Ich habe noch viel mehr verdient, da ich jetzt recht gut einsehe, wie unbesonnen ich gehandelt habe. Nur, daß der Fischfang so gefährlich wäre, davon hatte ich keine Ahnung.«

In diesem Augenblicke trat die Mutter aus dem Zelte, und wünschte freundlichen guten Morgen.

»Sehen Sie hier, Madame Seagrave,« sagte Robinson; »sehen Sie, was William in der vorigen Nacht für Sie gethan hat. Sind's nicht ein Paar herrliche Fische? Ich kann Sie versichern, daß sie ganz köstlich schmecken werden.«

»Ei, ich bin ganz entzückt darüber,« sagte Madame Seagrave, mit vergnügtem Blick den Fang beschauend. »Tommy, Tommy! komm schnell her! Hattest du nicht Lust zu gebratenen Fischen?«

»Ja, und habe noch,« antwortete der Knabe.

»Nun, dann schau einmal nach dem Pfosten da!«

Tommy schaute, klatschte vor Vergnügen in die Hände, tanzte jubelnd umher, und rief unzählige Male: »Fische! Fische! Gebratene Fische zum Mittagsessen! Die werden schmecken!«

Juno aber sprach lächelnd: »Karoline Mittagessen haben heute sehr gut!«

Man frühstückte nun, und ging nachher in den Wald an den Ort, wo von Hurtig die Bäume gefällt waren. William hatte das Gestelle des Karrens und ein Paar starke Taue mitgenommen. Die Stämme wurden von Hurtig und Herrn Seagrave ausgeladen, und William fuhr sie mit Juno auf den Platz, wohin das Haus gebaut werden sollte.

Keiner von ihnen war betrübt darüber, daß die Mittagsstunde herankam; denn die strenge Arbeit hatte sie hungrig gemacht. Niemand aber aß mehr als Tommy, obgleich er den ganzen Morgen, wie gewöhnlich, gefaulenzt hatte. Er speiste mit solcher Gier, daß man ihn endlich vom Tische entfernen mußte.

Den Rest der Woche beschäftigte man sich damit, noch immer neue Kokosbäume zu fällen, und sie aus dem Walde zu schaffen, bis man eine hinreichende Menge zum Baue des Hauses gesammelt zu haben glaubte. Den Sonntag brachte die Familie in stiller Andacht zu. Am Montag fingen Hurtig und William noch viele Schildkröten, und am Dienstage endlich wurde der Grund zu dem neuen Hause gelegt.

*


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