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36. Kapitel.
Hurtig erzählt weiter.

Nun, Robinson,« fragte Herr Seagrave am andern Tage, »was soll nun unser nächstes Geschäft nach dem Frühstück sein?«

»Nach meiner Ansicht ist es am Besten,« erwiederte Hurtig, »daß wir Alle uns daran machen, Zweige und dürre Blätter unter den Kokosbäumen aufzusuchen, und in einen tüchtigen Haufen aufzuschichten. Tommy und Juno haben bereits einen guten Anfang gemacht, und wenn wir fleißig sind, könnten wir bis zum Einbruch der Nacht eine hübsche Menge zusammen lesen, und dergestalt unterbringen, daß der Regen nicht tief darin eindringen kann. Nachher wollen wir, falls es das Wetter erlaubt, eine Salzpfanne aushauen, und einen Fischteich anlegen. Das wird uns wohl eine volle Woche hindurch beschäftigen, und dann haben wir draußen nicht mehr viel zu thun. Die größten Regenschauer werden überdieß nun bald vorüber sein, so daß wir, wie ich hoffe, schon in vierzehn Tagen eine Wanderung durch die Wälder unternehmen und ausschauen können, was wir von dem Wrack Alles gerettet und in Sicherheit gebracht haben. Dann gibt es genug zu arbeiten. Die verschiedenen Gegenstände müssen zur Einschiffung hergerichtet werden, damit wir sie, sobald die eigentlich schöne Jahreszeit wieder eintritt, in das Boot laden und herüber bringen können, um unser Magazin damit anzufüllen.«

»Und wollen wir nicht, wie schon verabredet ist, nachher auch die Insel durchsuchen?« fragte William. »Mich verlangt sehr darnach.«

»Gewiß, das wollen wir auch, aber es wird wohl so ziemlich unser letztes Geschäft sein;« erwiederte Robinson. »Zu einem solchen Streifzuge gebrauchen wir Zeit, müssen mindestens zwei oder drei Nächte ausbleiben, und daher vor allen Dingen gute Witterung abwarten. Doch mag es immerhin geschehen, ehe wir unsere Vorräthe im Boote herüberschaffen.«

»Wie aber wollen wir die Salzpfanne machen, Robinson? Wir müssen sie doch in den Felsen einhauen?«

»Gewiß, William, ich habe zu diesem Ende auch schon drei oder vier tüchtige Meißel, kurze, dicke, harte, an einem Ende geschärfte Eisenstücke nämlich, im Magazine liegen. Mit diesen Meißeln und einem tüchtigen Hammer werden wir geschwinder vorwärts kommen, als du denkst, da die Korallenfelsen auf ihrer Oberfläche zwar sehr hart sind, mehr nach unten zu aber immer weicher werden.«

Sie gingen hinaus, und brachten den ganzen Tag damit zu, das abgefallene Gezweig und Geblätter zusammen zu lesen. Gegen Abend ward es über einander geschichtet, und Robinson machte daraus einen ordentlichen Schober zurecht, dessen zugespitztes Dach er mit den breitesten Aesten und Blättern bedeckte, um dem Regen das Eindringen zu verwehren.

»So,« sagte er, als er die Leiter wieder herunter stieg, »das soll unser Vorrath für das nächste Jahr sein. Vor der Hand haben wir früher schon genug gesammelt, um damit auszureichen, so lange die jetzige nasse Witterung noch dauert, und wenn es ja fehlen sollte, so können wir noch mehr zusammenbringen, wenn uns ein heiterer Tag begünstigt. Für die nächste Regenzeit sind wir jedenfalls geborgen.«

Bei diesen Worten seufzte Herr Seagrave tief, und blickte schwermüthig vor sich nieder. Hurtig bemerkte es, und wußte sogleich, wo seinen braven Freund der Schuh drückte.

»Kümmern Sie sich nicht, Herr Seagrave,« sagte er gutmüthig und treuherzig. »Es ist ja nicht gerade gesagt, daß wir die Vorräthe durchaus brauchen müssen. 'S ist nur, daß wir sie haben, wenn wir sie wider Erwarten gebrauchen sollten. Sehen Sie, ich zweifle nicht daran, daß Kapitän Osborn, wenn er noch am Leben ist, zu unserer Aufsuchung Leute aussendet. Ja, ich glaube sogar, daß Macintosh es thun wird, wenn er glücklich an's Land gekommen ist. Doch dürfen wir freilich auf der andern Seite nicht außer Acht lassen, daß sie Alle untergegangen sein können, während wir auf so merkwürdige Weise von der Vorsehung gerettet worden sind. Es ist eine mißliche Sache, mit einem kleinen offenen Boote viele hundert Meilen weit durch den Ocean zu steuern, und wenn die Leute untergegangen sind, so mag vielleicht noch manches Jahr vergehen, ehe unsere Insel hier entdeckt und wir selbst wahrgenommen werden. Doch das darf uns nicht niederschlagen! Der alte Gott lebt noch, und auf seine Hülfe müssen wir unser Vertrauen setzen.«

»Ja, das ist wahr,« sprach Herr Seagrave, wieder gefaßt. »Gegen seinen Willen dürfen wir nicht murren. Ich habe auch gewiß so viel als möglich mit mir gekämpft und gerungen, aber noch immer tauchen, trotz meiner ernsten Bemühungen, solche trübe Gedanken manchmal in meiner Seele auf.«

»Und das ist nicht zu verwundern, lieber Herr,« erwiederte Robinson; »Sie müssen nur immer das Beste hoffen. Sich diesen trüben Gedanken hingeben ist nicht gut, und sündlich obendrein.«

»Ja, ja, ich fühle das, Hurtig!« rief Herr Seagrave aus; »und wenn ich meine Frau ansehe, wie sie bei allen Entbehrungen doch immer zufrieden und glücklich ist, so zürne ich recht oft mit mir selbst.«

»Eine gute Frau, Herr Seagrave, erträgt alles Ungemach besser, als ein Mann. Sie ist immer nur Liebe und Zärtlichkeit, und wenn sie ihren Mann und ihre Kinderchen gesund und in ihrer Nähe sieht, so kann sie sich fast unter allen Verhältnissen glücklich fühlen. Bei den Männern ist das anders. Sie vermögen es kaum zu ertragen, aus dem lebhaften Gewirre und Getümmel der Welt hinausgeschleudert, und auf eine stille, ruhige und einsame Beschränktheit angewiesen zu werden, wie wir jetzt. Trotzdem aber mögten sie in ihr vielleicht wahrhaft glücklicher sein, als im Gebraus volkreicher Städte, wenn sie sich nur an die stille Einsamkeit mit starkem Willen gewöhnen könnten.«

»Hurtig, der Ehrgeiz ist es, der uns unglücklich macht,« erwiederte Herr Seagrave. »Doch laßt uns nicht weiter davon reden. Der Himmel möge über mich verfügen, wie es ihm gut dünkt. Kommt, laßt uns nach Hause gehen! Komm, William! die Sonne ist schon untergegangen, und es ist Zeit.«

Sie gingen dem friedlichen Hause zu, und nahmen ihr Abendbrod ein. Als der Tisch abgeräumt war, erinnerte William den alten Hurtig an seine Erzählung, und dieser war gleich bereit, sie augenblicklich fortzusetzen.

 

»Wenn ich nicht irre,« so begann er, »blieb ich das letzte Mal dabei stehen, wie der Hottentotte die Paviane verscheucht hatte, und wir uns unter den Felsen setzten, um Raths zu pflegen. Romer war der Meinung, wir sollten wieder nach der Kapstadt zurückkehren, und uns selber von Neuem der Gefangenschaft überliefern. Es wäre lächerlich, sagte er, ohne Waffen in einem Lande umher zu laufen, wo wir jeden Augenblick den gefährlichen Angriffen wilder Thiere blos gestellt seien. Es könne recht gut geschehen, daß wir über kurz oder lang auf noch viel schlimmere Feinde als die Paviane stießen, und daß wir dann allesammt verloren wären. – Und darin hatte er nicht ganz Unrecht, und wir hätten kaum etwas Gescheiteres thun können, als seinem Rathe zu folgen. – Hastings war jedoch anderer Meinung. ›Wenn wir zurück kommen, werden wir ausgelacht!‹ sagte er. Und dieser Gedanke brachte uns zu dem unsinnigen Entschlusse, nicht umzukehren.

Daraus magst du lernen, William, daß die Furcht, ausgelacht und bespöttelt zu werden, nicht nur Knaben, sondern auch öfters erwachsenen Männern Veranlassung gibt, dumme und schlechte Streiche zu machen. Wir hatten Unrecht gethan, sahen es ein, und konnten uns dennoch nicht entschließen, unsern Fehler wieder gut zu machen, blos aus Furcht, belacht zu werden. Wir entschlossen uns lieber, unser Leben auf's Spiel zu setzen und jeder Gefahr, jedem Ungemach zu trotzen, als mit vernünftiger Ruhe das Gelächter einiger Thoren zu ertragen. Es war wirklich die unsinnigste Handlungsweise, die wir befolgen konnten, und hat uns späterhin Reue und Thränen genug gekostet. Laß dich daher niemals von der Furcht, lächerlich zu erscheinen, verleiten, eine thörichte und unrechte Handlung zu begehen, William; und noch weniger laß dich dadurch abhalten, zu deiner Pflicht zurückzukehren, wenn du sie jemals verletzen solltest.«

»Herzlichen Dank für diesen trefflichen Rath, Hurtig!« rief Herr Seagrave aus. »Ich hoffe gewiß, William wird ihn niemals vergessen, da ich aus eigener Erfahrung weiß, daß mehr Menschen durch Spöttelei und höhnisches Auslachen, als durch Ueberredung zu Irrthümern und bösen Thaten verlockt wurden.«

»Gewiß, lieber Herr,« erwiederte Robinson. »Jedenfalls war es der Grund, warum wir unbesonnene Knaben unser tolles Vorhaben nicht fahren ließen. Als wir einen festen Entschluß gefaßt hatten, beriethen wir zunächst, auf welche Weise wir uns Schießbedarf und Flinten verschaffen könnten, da wir ohne Waffen auf keinen Fall weiter gehen konnten. Als wir uns noch darüber besprachen, schaute ich zufällig hinter unserem Felsen hervor, und bemerkte, daß unser schon öfters erwähnte Hottentotte sich niedergelegt, und sich fest in seinen Mantel von rauhen Schaffellen, wie sie dort zu Lande getragen werden, gewickelt hatte. Dieser Anblick freute mich; denn früher schon war uns nicht entgangen, daß der Mann, wie alle Hottentotten, die nie anders als bewaffnet in's Freie gehen, eine Flinte bei sich trug. Ich sagte sogleich meinen Kameraden, wie die Sache stand, und machte sie darauf aufmerksam, daß wir uns der Flinte ganz prächtig bemächtigen könnten, wenn der Hottentotte erst einmal eingeschlafen sei.

Dieser Gedanke wurde höchlich belobt, und Hastings erbot sich sogleich, auf allen Vieren zu dem Manne hinzukriechen, während wir hinter dem Felsen Wache stehen sollten. Ohne Zögern machte er sich auf den Weg, und wir sahen ihm sonder Besorgniß nach, da wir wußten, daß Hottentotten, wenn sie erst fest eingeschlafen sind, nur mit der größten Mühe wieder aufgeweckt werden können.

Hastings kam glücklich an, nahm vor allen Dingen dem Schlummernden die Flinte weg, und legte sie außer dem Bereiche seiner Hand nieder. Dann kehrte er wieder zu ihm zurück, um den ledernen Riemen durchzuschneiden, an welchem er sein Pulverhorn und seinen Kugelsack befestigt hatte. Das Wagstückchen gelang ihm herrlich. Ohne den Mann in seinem süßen Schlummer gestört zu haben, kehrte er zu uns zurück, und zeigte uns triumphirend die errungene Beute.

»Wir waren natürlich über den gelungenen Streich sehr erfreut, und beschlossen sofort, jetzt möglichst vorsichtig nach einer dem Hottentotten entgegengesetzten Richtung fortzuwandern, damit wir, im Falle er über kurz oder lang erwachen sollte, nicht mehr von ihm entdeckt werden mögten. Aengstlich nach allen Richtungen umherspähend, um jeder drohenden Gefahr sogleich ausweichen zu können, rückten wir ungefähr eine Meile gegen die Tafelbucht vor, und trafen hier zu unserem Entzücken ein kleines Flüßchen an. Mit Jubel begrüßten wir es, denn wir wurden von dem fürchterlichsten Durste gequält. Ohne Zögern stiegen wir zum Flußbette hinab, erquickten unsere brennenden Gaumen mit dem kühlenden Naß, und warfen uns dann an den Boden, um von unsern mitgenommenen Vorräthen ein Mittagsmahl zu halten.«

»Hurtig, war es aber nicht unrecht, daß ihr dem Hottentotten die Flinte stahlet?« fragte William.

»Nach meiner Ueberzeugung nicht ganz, mein Junge, da der Raub des Gewehres unter vorliegenden Umständen nicht als ein Diebstahl angesehen werden kann. Wir waren in Feindesland, und standen zu ihm in noch eben dem Verhältnis als damals, wo wir als Gefangene eingebracht worden waren. Man konnte daher nicht sagen, wir hätten die Muskete gestohlen, so wenig, als wir sagen konnten, die Franzosen hätten unser Schiff gestohlen. – Hab' ich nicht Recht, Herr Seagrave?«

»Ich denke wohl, daß die Umstände eure That entschuldigen,« erwiederte der Angeredete. »Wenn zwei Völker im Kriege begriffen sind, so nehmen sie einander weg, was sie irgend bekommen können. Daher waret auch ihr berechtigt, euch Alles anzueignen, was ihr irgend erhalten und behaupten konntet, um eure beabsichtigte Flucht zu unterstützen, wogegen es, wie ich glaube, nicht zu entschuldigen gewesen wäre, wenn ihr muthwillig und ohne Noth geraubt oder wohl gar gemordet hättet.«

»Davon bin ich selbst überzeugt,« entgegnete Hurtig. »Doch hatten wir immerhin das Recht zu tödten, wenn wir auf keine andere Weise unsere Freiheit behaupten konnten.«

»Ja,« stimmte Herr Seagrave bei, »und zwar deßhalb, weil ihr, da man euch gefangen nahm, von diesem Augenblicke an zu jeder Nothwehr berechtigt waret, um eure Freiheit wieder zu erlangen.«

»Richtig, Herr Seagrave! Aber nun will ich fortfahren.

Wir blieben bis zum Abende bei dem Flusse liegen, und setzten erst, als es völlig dunkel geworden war, so schnell als möglich unseren Weg nach der falschen Bucht fort. Es war uns bekannt, daß es dort an den Abhängen der Hügel und in den Thälern viele Landhäuser gab, und wir gaben uns der dunkeln Hoffnung hin, daselbst auf irgend eine Weise zu noch einer oder zwei Flinten zu gelangen.

Mitternacht kam heran, ehe wir bei hellem Mondenscheine zum ersten Male die Gewässer der falschen Bucht schimmern sahen. Bald darauf vernahmen wir das dumpfe Bellen eines großen Hundes, und vermogten endlich nicht gar zu fern von uns einige Gehöfte von zwei oder drei Wirtschaftsgebäuden nebst Viehställen und Obstgärten zu unterscheiden. Zufrieden mit dieser Entdeckung, sahen wir uns vorläufig nach einem Verstecke um, wo wir die Nacht bis Tagesanbruch verborgen bleiben konnten, und fanden sehr bald zwischen einigen Felsblöcken einen recht passenden und behaglichen Platz. Wir legten uns nieder, und Hastings, der gar nicht müde zu sein behauptete, übernahm freiwillig das Geschäft der Nachtwache. Am andern Morgen weckte er Romer und mich, und wir frühstückten.

Von unserem Lagerplatze aus konnten wir gerade auf die Meiereien unten hinabblicken, und Alles beobachten, was auf den verschiedenen Gehöften vorging. – Uns zunächst lag ein kleineres Landhaus, auf welches wir besonders unsere Aufmerksamkeit richteten. Wir sahen die Bewohner desselben nach und nach herauskommen. Zuerst zeigten sich einige Hottentotten. Sie spannten sechs Paar Ochsen vor verschiedene Wagen, der Fuhrmann griff zu seiner Peitsche, trieb die Thiere an, und fuhr der Kapstadt zu. Ein Hottentottenjunge nebst ein paar großen Hunden begleiteten ihn. Bald darauf trieb ein anderer Hottentotte die Kühe im Thale hinauf zur Weide; dann kam eine Holländerin aus dem Hause, und dann zwei Kinder, welche das Geflügel fütterten. Endlich nach stundenlangem Warten, erschien auch der Gutsherr selbst, setzte sich auf eine Bank vor dem Hause nieder, und rauchte behaglich eine Pfeife. Als er sie ausgeraucht hatte, stopfte er von Neuem, rief in die Hausthür hinein, und ein Hottentottenweib erschien mit Licht und Fidibus. Er rauchte die Pfeife von Neuem an, und blies mächtige Dampfwirbel in die Luft.

Der ganze Vormittag verging auf diese Weise, und da wir Niemand mehr aus dem Hause kommen sahen, so schlossen wir, daß sämmtliche Bewohner desselben für den Augenblick nur in dem Gutsbesitzer, seiner Frau, den beiden Kindern und der Hottentottin beständen.

Etwa um zwei Uhr Nachmittags ging der Holländer in den Stall, führte ein Pferd heraus, bestieg es, und ritt davon. Vorher aber wechselte er noch einige Worte mit dem Hottentottenweibe, welches kurz darauf mit einem Korbe auf dem Kopfe und einem langen Messer in der Hand das Thal hinunter ging.

›Jetzt ist's Zeit,‹ sagte Hastings; ›wir müssen vorrücken. Niemand, als ein leicht zu überwältigendes Weib, befindet sich jetzt im Hause, und eine bessere Gelegenheit, uns mit Waffen und Mundvorrath zu versehen, wird sich nicht leicht wieder finden.‹

Er hatte nicht Unrecht; bei alledem aber war noch immer große Gefahr mit dem Wagestücke verbunden, indem wir zuverlässig annehmen mußten, daß die Frau Lärm schlagen, und dadurch uns in die Nothwendigkeit bringen würde, bei Tage unsere Flucht fortzusetzen, was uns sehr leicht wieder in die Gefangenschaft zurückführen konnte. Da es aber immerhin der einzige Ausweg war, Waffen und Mundvorrath zu erlangen, so beschlossen wir, uns mit der größten Vorsicht dem Landgute zu nähern, und jede sich darbietende Gelegenheit auf das Beste zu benutzen.

Wir klimmten den Hügel hinab, und gelangten nach kurzer Zeit, ohne entdeckt worden zu sein, an die Einfriedigung hinter dem Landhause. Hier hielten wir uns etwa eine Viertelstunde lang verborgen, und sahen jetzt zu unserer lebhaftesten Freude die Frau des Landwirths mit ihren Kindern aus dem Hause kommen. Sie führte die Kleinen an der Hand, und schritt mit ihnen der nächstgelegenen Meierei zu, jedenfalls in der Absicht, daselbst einen Besuch abzustatten. Kaum hatte sie sich auf ein Paar hundert Schritte entfernt, so kroch Hastings leise durch die Hecke, und ging zur Hinterthür in das Haus hinein. Nach einem Weilchen kam er wieder heraus, und winkte uns, nachzukommen. Wir säumten nicht, und fanden ihn beim Hereintreten bereits im Besitze einer trefflichen Kugelbüchse und einer Flinte, welche er von der Wand über dem Kamine weggenommen hatte. Wir machten uns nun ohne Zögern über die Pulverhörner und Jagdtaschen her, rissen sie von der Wand, und hingen sie uns um. Hierauf ward ich von Hastings als Wache an den Eingang des Hauses beordert, während er selbst mit Romer nach Mundvorrath suchte. Sie eroberten drei Schinken und einen großen Laib Brod, der wenigstens den Umfang eines kleinen Waschzubers hatte. Mit dieser Beute versehen, traten wir in vollkommener Sicherheit unsern Rückzug zu unserem Verstecke an, erreichten es, ohne gestört zu werden, und schauten uns darauf in der ganzen Gegend um. Da wir kein lebendes Wesen entdeckten, schlossen wir, und mit Recht, daß wir auch von keinem menschlichen Auge beobachtet worden seien.

Um in unserem Schlupfwinkel nicht späterhin noch entdeckt zu werden, entschlossen wir uns, einen sichereren Lagerplatz aufzusuchen, und gingen in einer engen Bergschlucht voll Steingerölls und Felsblöcken an dem Landhause vorüber. Wir entfernten uns jedoch nicht sehr weit aus seiner gefährlichen Nähe, da wir bald ein herrliches Versteck auffanden, wo wir uns sogleich niederwarfen, um den Untergang der Sonne abzuwarten und dann, vom Dunkel der Nacht verhüllt, mit größerer Sicherheit unsere Flucht fortzusetzen.

Kaum mogten wir eine Stunde an unserem Zufluchtsorte gelegen haben, als wir plötzlich das Geschrei unserer alten Freunde, der Paviane, von dem Hügel herab schallen hörten, den wir so eben erst verlassen hatten. Wir sprangen auf und beobachteten ihr Treiben. Sie gingen an das Landhaus hinab, machten sich mit außerordentlicher Geschäftigkeit darüber her, den Garten zu plündern, und warfen einander mit der größten Schnelligkeit die abgebrochenen und gestohlenen Früchte zu.

Die verschmitzten Geschöpfe hatten so gut, wie wir, bemerkt, daß das Haus völlig verlassen war, und ließen eine so günstige Gelegenheit nicht ungenützt vorüber gehen.

Noch arbeiteten sie mit großer Emsigkeit, als zufällig der Hottentotte mit seiner Viehheerde von der Weide im Thal zurückkehrte, und sich dem Landhause näherte. Dieß veränderte plötzlich die ganze Scene. Die Affen kreischten auf, und heulten wie toll. In einem Nu waren sie von den Bäumen herunter, schlüpften durch die Hinterthüre des Gartens, und setzten in eiliger Flucht mit großen Sprüngen dem Hügel wieder zu. Nach wenigen Augenblicken waren sie verschwunden.

Bald darauf kehrte die Holländerin von ihrem Besuche zurück, ging in das Haus, und stieß sogleich ein jammervolles Geschrei aus. Eine Stunde vor Einbruch der Nacht kam auch der Gutsbesitzer wieder angeritten, und wenige Minuten nachher schlossen wir aus dem durchdringenden Jammern und Wehklagen im Hause, daß er seine Frau mit einer tüchtigen Tracht Schläge regalire, weil sie das Haus verlassen und dadurch den Pavianen Gelegenheit gegeben habe, den Garten und die Stube zu plündern. Die Leute vermutheten natürlich nichts anderes, als daß die Affen sich auch der Flinten und übrigen Gegenstände, welche wir heimlicher Weise wegpracticirt hatten, bemächtigt und sie fortgeschleppt hätten.

So verderblich dieser Umstand auch für die arme Frau war, so gereichte er doch uns zum größten Vortheile, indem jeder Verdacht von uns abgewälzt wurde und wir also keine weitere Verfolgung zu befürchten hatten. Wir vergaben deßhalb auch den Pavianen alle Neckerei und Plage vom heutigen Morgen und waren ihnen für die geleisteten guten Dienste sehr dankbar.

Doch nun genug für heute,« sagte Robinson, indem er sich von seinem Sitze erhob. »Es ist spät geworden und wir müssen zur Ruhe gehen, lieber William.«

*


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