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Der nächste Morgen brachte die unruhigste Geschäftigkeit mit, indem Alles für die Abreise eingepackt und vorbereitet werden mußte. Juno ward bald hierhin, bald dorthin gerufen, und mußte endlich Karolinen den Auftrag ertheilen, nach dem Kessel zu sehen und sie zu rufen, sobald er etwa überkochen sollte. Tommy war wie gewöhnlich Allen im Wege, und hinderte bei all' seiner Geschäftigkeit mehr als er nützte. Weil er es aber gut meinte, so kam er ohne Schelte davon, und Hurtig schickte ihn nur, um ihn sich wenigstens vom Halse zu schaffen, mit einem Bündel Sachen an's Ufer hinunter. Tommy unterzog sich des Auftrags mit vieler Wichtigkeit, packte das Bündel auf die Schulter und schleppte es davon. Als er aber zurückkam, und von der Anstrengung sehr erhitzt war, wollte er von keiner Arbeit mehr wissen, sondern setzte sich still in einen Winkel und blieb da ruhig sitzen, bis die Frühstückszeit herankam, und Alles fertig geworden war. Nach dem Frühstück packten Madame Seagrave und Juno das Geschirr in einen Handkorb, und traten in Gesellschaft Herrn Seagrave's und der ganzen kleinen Familie den Rückweg durch den Kokoswald an. Der kleine Albert konnte noch nicht recht fort, und mußte von Zeit zu Zeit getragen werden. Karoline ging neben ihren Eltern, Tommy lief unbändig bald vorn bald hinten, und die Hunde spielten lustig bellend neben der kleinen Karavane her.
William und Hurtig verloren indeß keine Zeit, um so schnell wie möglich mit ihrer Arbeit fertig zu werden. Zunächst luden sie das irdene Geschirr, die Küchengeräthschaften, die Tische und Stühle in's Boot, schafften dann auch die Ziege hinein, und fuhren so mit einer tüchtigen Ladung davon. Lange, bevor die Fußgänger ankamen, erreichten sie die Bay, luden die Sachen am Ufer aus, und fuhren ohne weiteren Aufenthalt wieder zurück, um auch noch die Betten, das Einzige, was sie bei den Zelten gelassen hatten, herüber zu holen. Gegen drei Uhr Nachmittags kamen sie glücklich in der Bay wieder an, fanden daselbst die Waldgänger bereits vor, und bemerkten, daß Herr Seagrave und Juno es sich sehr angelegen sein ließen, die Sachen von dem Ufer zum Hause hinauf zu schaffen.
»Na, William,« sagte Hurtig, »das ist unsere letzte Fahrt für eine lange Zeit, und es ist mir lieb wegen unseres kleinen Bootes, das auf jeden Fall ausgebessert werden soll, sobald ich nur ein bischen Zeit erübrigen kann.«
»In der That, Hurtig, es hat wacker seine Schuldigkeit gethan,« erwiederte William. »Es ist mir aber doch jetzt, wo wir die Bay wieder erreicht haben, gerade zu Muthe, als ob wir in unsere, eigentliche Heimath zurückgekehrt wären. Wer hätte das früher wohl jemals gedacht? Nimmer, so glaubte ich, würde ich mich an den Aufenthalt auf dieser einsamen Insel gewöhnen können, und nun ist's mir, wie wenn ich hier geboren wäre. Ordentlich froh fühle ich mich, daß wir die Zelte verlassen haben! – Uebrigens fällt mir eben ein, Hurtig, daß ich die Tauben in unseren Erbsen gefunden habe, und daß wir unsere Ernte daher so bald als möglich einbringen müssen. Sie haben sich ungemein vermehrt, und ich glaube wirklich, daß ihrer mehr als zwanzig da waren. Nächstes Jahr können wir am Ende schon Taubenpastete essen.«
»Ja, wenn es Gott gefällt, uns lebend und gesund zu erhalten!« erwiederte Hurtig, indem er seufzend seine Augen über das weite Meer schweifen ließ.
Noch vor Nacht befand sich jedes Ding im Hause an seinem Platze, und das Ganze war wieder so behaglich geworden, wie früher. Doch begaben sich Alle, da sie sich nicht wenig ermüdet fühlten, sofort zur Ruhe, nachdem die morgigen Arbeiten genugsam besprochen worden waren. Madame Seagrave hatte sich erboten, die Küche zu besorgen und auf die Kinder Acht zu geben, damit Juno anderweitig beschäftigt werden könne.
Bei Tagesanbruch begaben sich Hurtig und William zum Schildkrötenteiche hinab, und spießten eine Schildkröte. Sie brauchten eben jetzt nicht zu sparsam damit umzugehen, indem die Fangzeit wieder heran gekommen war, und sie daher ihren Vorrath allnächtlich wieder erneuern und vermehren konnten. Die Schildkröte wurde zerlegt, und ein Theil davon Madame Seagrave übergeben, welche ihn sogleich in den Topf steckte. Hierauf wurde das Frühstück eingenommen, und dann endlich begaben sich unsere Freunde nach dem Magazine im Kokoswalde.
Nach einer kurzen Berathung mit Herrn Seagrave bezeichnete Hurtig einen viereckigen Platz zwischen den Kokosbäumen, welche das Magazin umgaben. Er ließ auf jeder Seite des Gebäudes einen freien Raum von etwa zwanzig Ellen Breite, welcher ihnen als Hof dienen sollte, und zu diesem Zwecke groß und geräumig genug schien. Die Stämme der Bäume selbst wurden dabei als Pfosten benutzt, zwischen denen andere Stämme, die sie niederhieben, eingerammt und befestigt wurden, so daß sie einen Pallisadenzaun von etwa vierzehn Fuß Höhe bildeten, der nicht so leicht überstiegen werden konnte, und sie vor jedem Anfalle der Wilden ziemlich schützen mußte.
Sobald sie die Reihe der Bäume, welche stehen bleiben sollten, ausgemittelt und bezeichnet hatten, begannen sie alle übrigen Stämme innerhalb der Linie, so wie jene außerhalb derselben bis auf zwanzig Fuß Entfernung, umzuhauen, um sich zunächst Raum zur Arbeit zu verschaffen. Dann zimmerte Hurtig die Querbalken zurecht, welche von Baum zu Baum fest genagelt wurden. Bei diesem Geschäfte kamen ihnen die großen, hölzernen Nägel, die sie vom Schiffe gerettet und geborgen hatten, ausnehmend zu statten. Ohne ihre Hilfe würden sie die Arbeit weder so gut gemacht, noch auch so schnell beendigt haben.
Herr Seagrave fällte die Bäume, William und Juno aber sägten sie mit einer großen Säge in Stücke von gehöriger Länge, und trugen sie dann Hurtig zu, welcher sie an Ort und Stelle befestigte. In kurzer Zeit hatten sie so viele Stämme ausgehauen und zurecht geschnitten, als sie gebrauchten, räumten deßhalb die Wipfel und Zweige auf die Seite, und schichteten sie in einen großen Haufen übereinander. Diese sollten in der Regenzeit zum Brennmaterial benutzt werden. Hierauf ging es mit vereinten Kräften an das Einrammeln und Befestigen der Pallisaden, und den ganzen Tag über wurde tüchtig gearbeitet. Alle waren daher nicht sehr böse, als es zu Bette ging. Vorher aber nahm Hurtig noch Gelegenheit, mit William eine nothwendige Besprechung zu halten.
»Höre, mein Junge,« sagte er zu ihm, »jetzt, wo wir wieder hier sind, erfordert es unsere Sicherheit, regelmäßig eine Art Nachtwache zu halten, um uns vor jedem plötzlichen Ueberfalle zu verwahren. Ich für mein Theil werde nie vor neun Uhr zu Bette gehen, wo es völlig dunkel geworden ist, und vorher jedes Mal die offene See genau mit dem Fernrohre untersuchen. Wir haben nicht zu befürchten, daß die Wilden mitten in der Nacht kommen werden, wohl aber müssen wir stets vor Einbruch derselben und am frühen Morgen ihrer Ankunft gewärtig sein. Deßhalb muß einer von uns auch gegen Tagesanbruch, also etwa zwischen zwei und drei Uhr Morgens, aufstehen, und ausschauen, ob sich irgend etwas Verdächtiges spüren läßt. Zeigt sich nichts, so mögen wir ruhig wieder zu Bette gehen, indem die Wilden alsdann, der großen Entfernung wegen, erst viele Stunden später bei unserer Insel anlangen können. Ferner müssen wir Wind und Wetter fleißig beobachten, obgleich ich kaum glaube, daß Beides den Indianern vor Anfang der Regenzeit besonders günstig sein wird. Doch ist's eine leichte Mühe, und wird zu unserer Beruhigung dienen, da die Wilden nicht kommen werden, wenn ihnen der Wind in's Gesicht weht. Ueberhaupt bin ich nach vielem Nachdenken zu der Ueberzeugung gelangt, daß wir ihren unwillkommenen Besuch nicht vor Beginn der Regenzeit zu erwarten brauchen. Dann erst wechselt der Wind öfters, bläst nicht mehr aus einem Striche, und gibt den Indianern Gelegenheit, die Segel in ihren Kanoes aufzuziehen und sich herüber wehen zu lassen. Vorher kommen sie nicht, denn sie müßten ein dreißig bis vierzig Meilen weit rudern, was gegen Wind und Strömung kein leichtes Stück Arbeit ist. Diese Ansicht der Dinge darf uns jedoch nicht etwa sorglos machen, oder uns abhalten, die gehörigen Wachen zu versehen, sondern wir müssen erst recht auf unserer Hut und auf unsere Sicherheit bedacht sein. Deinen Eltern mag ich mit meinen Befürchtungen keine Sorgen bereiten, dir aber theile ich mit, was ich denke, und was zu beginnen ich für rathsam halte.«
»Ich stimme Euch ganz bei, Hurtig,« erwiederte William, »und will herzlich gern die Morgenwache übernehmen. Ehe der Tag graut, werdet Ihr mich immer auf dem Platze finden. Uebernehmt Ihr dann die Abendwache, alter Freund.«
»Gut, William,« sagte Hurtig, »das bin ich zufrieden. Ich könnte zwar leicht beide Wachen abhalten, aber ich denke, dein frühes Aufstehen wird weniger auffallend sein, als wenn ich mich so früh heraus machte, und an mein längeres Aufbleiben des Abends sind schon Alle hinreichend gewöhnt. Wir wollen's daher bei der besprochenen Einrichtung lassen.«
Nach dieser Unterredung trennten sie sich; aber von Stund an wachten sie täglich beim ersten Grauen des Morgens und bis in die sinkende Nacht hinein, und kein nahender Feind hätte ihrem scharfen Auge zu entgehen vermogt.
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