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LV. Tischreden D. M. Luthers von Landen und Städten

 

Von Deutschland.

Doct. Martinus Luther und Philippus Melanchthon zogen mit einander gen Torgau, den dritten Aprilis 1537, und redeten von mancherlei Dingen. Da lobte Philippus die Chronik Cornelii Taciti, der zur Zeit des Kaisers Caligulä gelebt, und Deutschland sehr fein beschrieben hatte und hoch lobete von wegen der Beständigkeit und Glaubens; denn Deutsche wären beständig und hielten Glauben, sonderlich in der Ehe, damit sie alle andere Nationen überträfen und vortrefflich wären. »Ja,« sprach D. Martinus Luther, »bei den Alten ists wohl etwa gewesen, da sind feine Leute gewesen; aber, leider, jetzund in den letzten Zeiten haben sie sehr abgenommen, sind aus der Art geschlagen, und zu Unfläthern worden. Vor der Sündfluth, da ist die beste Zeit gewesen, daran zweifelt Niemand, da die Leute lange gelebet, und sehr alt worden sind, haben sich fein mäßig gehalten mit Essen und Trinken, nicht geschlemmet, nicht gekrieget, nicht gezankt, haben mit Fleiß Gottes Creaturen angesehen, beide himmlische und irdische, und daran ihre Lust und Freude gehabt. Da ist ihnen ein frischer, kühler Brunn lieblicher gewesen, hat ihnen besser geschmeckt, denn jetzt alle köstlichen Weine und Malvasir. Ah was,« sagte der D., »was soll doch jetzt solch Schlemmen, Fressen und Saufen! Germania ist eine schöne Nation, und mich dünkt, das H sei verwandelt ins G; vorhin haben Germani geheißen Hermanni.«

 

Deutschland fehlets an einem guten Regenten.

»Deutschland ist wie ein schöner, weidlicher Hengst, der Futter und Alles genug hat, was es bedarf. Es fehlet ihm aber an einem Reiter. Gleich nun wie ein stark Pferd ohne einen Reiter, der es regiert, hin und wieder in der Irre läuft; also ist auch Deutschland mächtig genug von Stärke und Leuten, es mangelt ihm aber an einem guten Haupt und Regenten.«

 

Aenderung der Kleider, was es bedeutet.

Es ward gedacht der Veränderung mit Kleidern und anderm Geschmuck, so jährlich vorgenommen wird und geschieht. Da sprach D. Martinus Luther: »Die Veränderung der Kleider wird auch bringen eine Veränderung der Regiment und Sitten. Wir ringen leider allzu sehr darnach.

Der Kaiser Carl soll gesagt haben: Die Deutschen lernen von Hispaniern Stehlen, so lernen die Spanier von Deutschen Fressen und Saufen.«

 

Deutschland verachtet.

»Es ist keine verachtetere Nation, denn die Deutschen. Italianer heißen uns Bestien; Frankreich und Engeland spotten unser, und alle anderen Länder. Wer weiß, was Gott will und wird aus den Deutschen machen; wiewohl wir eine gute Staupe vor Gott wohl verdienet haben.«

 

Von Erfurt.

»Erfurt liegt am besten Orte, ist eine Schmalzgrube; da muß eine Stadt stehen, wenn sie gleich wegbrennte. Wenn Nürnberg da stünde, sie sollte das ganze Land unter sich reißen. Denn wo böse Nahrung ist, da sind witzige Leute, die müssens suchen; wo aber genug ist, da mästet man sich, wie die Säue, und bauet nicht.

Erfurt ist ein sehr fruchtbar Bethlehem gewest; aber man hat mit dem Weiden die Aecker also verderbt, daß der Segen nun in einen Fluch gerathen ist. Die Thaler thun den Bauern zu wohl. Gott wird ihnen Thaler geben, und das liebe Korn nehmen; alsdenn wird Hunger und Theurung folgen.«

»Thüringerland hat ein schwarz, schleimig Erdreich, macht den Fuhrleuten, wenns geregnet hat und naß ist, schwer fahren, und bösen Weg. Also in Westreich und im Niederlande da ist das Erdreich wässerig, sind aber gute Aecker, köstlich Vieh, das gute Milch gibt mit Menge. Das will gut, wacker und fleißig Gesinde haben, das sein wohl wartet, nicht verschlafen sein, denn die Melkerinnen sollen singen, daß sie nicht schlafen und die Kühe verderben.

Thüringen war etwan ein sehr fruchtbar Land; jetzt aber ist es in äußerster Vermaledeiung, vielleicht um des großen Geizes willen der Bauern. Unser sandig Ländlein hie hat noch den Segen, daß es jenem weit überlegen und fruchtbar ist. Es ist ein göttlich Wunderwerk. Gott gäbe uns ja gern Allen genug, wenn wir seine Gaben nicht so schändlich mißbrauchten, und mit unserm Geiz verderbeten.«

 

Von Schwaben und Bayerlande.

»Wenn ich,« sprach Dr. Martinus Luther, »viel reisen sollte, wollte ich nirgend lieber, denn durch Schwaben und Bayerland ziehen, denn sie sind freundlich und gutwillig, herbergen gerne, gehen Fremden und Wandersleuten entgegen, und thun den Leuten gütlich und gute Ausrichtung um ihr Geld. Hessen und Meißner thun es ihnen etlicher Maße nach, sie nehmen aber ihr Geld wohl drum, Sachsen ist gar unfreundlich und unhöflich, da man weder gut Wort noch zu essen gibt; sagen: ›Liue Gast, ick weit nit, wat ich ju te eten geuen sol, dat Wif ist nit daheimen, ick kan jhu nit herbergen.‹ Ihr sehet hie zu Wittenberg, wie unfreundlich Volk es hat, fragen weder nach Ehrbarkeit und Höflichkeit, noch nach der Religion, denn kein Bürger läßt seinen Sohn studiren, da sie doch ein groß Exempel sehen und Anzahl der fremden Studenten und Gäste. Ah, das Land trägts nicht!«

 

Von Walen und Italiänern.

»Italiäner sind die allerlistigsten und tückischsten Leute, die muß man vornehmlich beschämen, betäuben, und ihnen ihre Schande aufdecken, daß sie schamroth werden, und andere Leute nicht so verachten, als wären sie allein klug. Denn ein böser Ast will einen harten Keil haben, man wird ihn nicht mit einem Splitterlein spalten, man muß Axt und Schlägel dazu haben. Darum ist allzeit mein Rath gewesen, daß junge Gesellen, wenn sie ihren Katechismum zuvor wohl gelernet haben, und in Gottes Wort recht unterrichtet sind, Italien besehen, ihre Tücke und Büberei erfahren, damit sie sich wissen davor zu hüten.«

Anno 28 den 14. Novembris ward viel von der italiänischen Luft geredet, welche sehr subtil wäre, also, daß man des Nachts alle Fenster und Spalten aufs Genaueste zuschlösse und verstopfte. Denn die Nachtluft wäre sehr schädlich und pestilenzisch, macht bald ein Fieber. Da sprach D. Martin Luther: »Mir und meinem Bruder widerfuhr das, da wir gen Rom zogen in Italien, und einmal die ganze Nacht mit offenen Fenstern sehr hart schliefen bis um 6; da wir erwachten, waren uns die Köpfe voller Dunst, ganz schwer und ungeschickt, also, daß wir desselben ganzen Tages nur eine Meile konnten gehen: so plagte uns der Durst, und ekelte uns vor dem Wein, daß wir ihn auch nicht riechen konnten, begehrten immerzu Wasser zu trinken, welches doch tödtlich ist. Endlich labten und erquickten wir uns wieder mit zweien Granatäpfeln, dadurch erhielt uns Gott das Leben.«

Da sprach der Engländer: »In England regiert die Pestilenz immerdar, und höret nicht auf.«

Und der Legat sagte: Die Luft in Frankreich wäre zwar am Tage ziemlich, und wäre der deutschen nicht ungleich, allein etwas weicher und feuchter, denn der Schnee im Winter läge selten über einen Tag, daß er nicht zerginge, wäre nicht so scharf und hart. Die Franzosen aber hielten sich eingezogener, lebten mäßiger, denn wir Deutschen. Ein Jeglicher über Tisch hätte sein eigen Trinkgeschirr und Glas, daraus er tränke, hüten sich fleißig vor der Luft. Und wenn ihnen gleich heiß wäre, daß sie schwitzten, so deckten sie sich nicht auf, ließen die Luft nicht an sich gehen, sondern träten vor das Feuer, trockneten sich, und legten sich in ein Bette und schwitzten, sonst, wenn sie die Luft an die bloße Haut ließen gehen, kriegten sie von Stund an ein Fieber. Sagte auch, daß nur ein Par oder zwei mit einander tanzten auf ihre Art, nicht so ein großer Haufe, als wir Deutschen; die Andern säßen und sähen zu.

»Die Italiäner verachten und verdammen andere Nationen, da sie doch vor Gott ein Gräuel sind, gottlos und hoffärtig. Ihr Fasten ist scheinbarlicher und besser, denn unsere herrlichsten Mahlzeiten. Ihre Kleidung ist köstlich, halten sich reinlich; tragen wir eine Elle Sammet für einen Gülden, so tragen sie eine Elle für sechs Gülden. Ihre Keuschheit ist wie zu Sodom; das beweiset und zeuget die That. Sind in einen verkehrten Sinn gegeben, denn sie achten der Ehe nichts, die doch natürlichen und göttlichen Rechtens ist, ja verbieten sie noch. Sie sollen auch das Schmeißen verboten haben.

Italiäner halten nicht über menschlicher Gesellschaft und Gemeinschaft. Keiner traut dem Andern; kommen nicht frei zusammen, wie wir Deutschen; gestatten auch nicht, daß Jemand öffentlich rede mit ihren Weibern, oder sie anspreche.«

Italia ist ein sehr fruchtbar, gut und lustig Land, sonderlich Lombardia ist ein Thal 20 deutscher Meilen Wegs breit, mitten dadurch fließt der Eridanus, gar ein sehr lustig Wasser, so breit als von Wittenberg gen Brate ist, auf beiden Seiten sind die Alpes und Apenninus-Gebirge.

Italiäner fürchten sich mehr vor S. Antonius und Sebastian, denn vor dem Herrn Christo, der freundlich und gütig ist; und solches um der Plage willen. Drum, wenn einer sein Haus will sicher haben, daß die Walen nicht dran pinkeln, so läßt er dran malen S. Antonius mit einem feurigen Spieß. Also lebt Italia ohne Gottes Wort, in großem Aberglauben und Abgötterei, gläubet weder der Tobten Auferstehung, noch ein ewiges Leben, fürchtet sich nur allein vor zeitlichen und leiblichen Plagen.«

 

Von Venedigern.

Doct. M. Luth. gedachte der Venediger, und sagte, »daß es die allerreichste Stadt wäre, hätte zwei Königreiche, Cypern und Candiam. Candia oder Creta aber wäre etwa voll Räuber gewesen, als, an 6000 verdorbene Kaufleute, die Bankerott gemacht hätten, und wären dahin geflohen. Weil aber diese Insel sehr bergig ist, könnte man sie mit Gewalt nicht wohl reine halten vor den Räubern und Strötern; drum ließen die Venediger ein Ausschreiben öffentlich ausgehen und anschlagen, daß sie alle Räuber wollten versichern und annehmen, daß sie möchten sicher drinnen wohnen, und sich enthalten, wenn nur ein Jeglicher des andern Räubers Haupt ihnen zubrächte und überantwortete. Also stäupten sie einen Buben mit dem andern, und die Insel ward ihrer auf die Weise los. Das war ein guter, weiser Rath.

Daß Gott alleine uns ernähret, nicht Geld und Gut, denn dasselbe, da es vorhanden ist, machet uns faul und sicher, deß sind die Venediger, das doch die allerreichste Stadt ist, ein Exempel, die bei unsern Zeiten große Theurung erlitten haben, also, daß 24 Galeeren voll Getreide ihnen vom Türken zugeschickt worden. Da hielt die Braut nicht Glauben; denn das Meer halten sie für ihre Braut, mit welchem sie sich alle Jahr von Neuem, durch den Herzog, vermählen und versprechen, wie Braut und Bräutigam; zum Mahlschatz wirft der Herzog einen güldenen Ring hinein, mit einem großen Gepränge, und einer sonderlichen zierlichen Oration und Rede.«


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