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Ob man Moses weltliche und politische Gesetze zu halten schuldig sei.
Anno 1524, Feria 2. post Judica, sagete D. Martinus Luther: »Die, so da Moses Gerichtsordnung, ludicialia, Gesetze und Rechte in Welthändeln so hoch rühmen, soll man verachten; denn wir haben unsere beschriebenen kaiserlichen und Landrechte, unter denen wir leben und dazu wir uns verpflichtet haben. Wie auch weder Naaman, der Syrer, noch Hiob, noch Joseph, noch Daniel, noch andere fromme Jüden Moses Gesetz haben gehalten noch gebraucht außerhalb ihres Landes, sondern der Heiden Gesetz und Rechte, bei denen sie waren.
Moses Gesetz verbunden und verpflichten nur das jüdische Volk an dem Orte, den Gott erwählet hatte. Nun sind sie frei. Sonst, da man die ludicialia, Gesetze von Gerichts- und Welthändeln, Mose müßte halten, so müßten wir uns auch beschneiden lassen und die Ceremonialia und mosaischen Ceremonien halten; denn da ist kein Unterschied, wer eins als nöthig hält, der muß die andern auch halten. Darum sei man zufrieden mit Mose Gesetzen; ausgenommen die Moralia, die Gott in die Natur gepflanzt hat, als die zehn Gebot, so rechten Gottesdienst und Ehrbarkeit belangen.«
Moses mit seinem Gesetz ist ein Henkermeister.
»Moses ist aller Henker Meister und Niemand ist über ihn, noch ihm gleich mit Schrecken, Aengstigen, Tyrannisiren, Dräuen und dergleichen Strafpredigten und Donnerschlägen. Denn er greift das Gewissen mit der Schärf hart an, schreckts, marterts, stockts und plockts usw., und thut solches aus Gottes Befehl als sein Statthalter.«
Das Gesetz und Evangelium recht zu unterscheiden, ist keines Menschen Kunst.
»Kein Mensch auf Erden ist, der da kann und weiß das Evangelium und Gesetz recht zu unterscheiden. Wir lassen es uns wohl dünken, wenn wir hören predigen, wir verstehens; aber es fehlet weit, allein der Heilige Geist kann diese Kunst. Dem Manne Christo hats auch gefehlet am Oelberge, also, daß ihn ein Engel mußte trösten; der war doch ein Doctor vom Himmel und der Heilige Geist war in Gestalt einer Tauben auf ihm gesessen, noch ward er durch den Engel gestärkt. Ich hätte auch wohl gemeinet, ich könnte es, weil ich so lange und so viel davon geschrieben hab; aber wahrlich, wenn es ans Treffen gehet, so sehe ich wohl, daß mirs weit, weit fehlet! Also soll und muß allein Gott der heiligste Meister und Lehrer sein.«
Warum man das Gesetz lobet.
»Jedermann, der Verstand und Ehrbarkeit lieb hat, lobt und liebt das Gesetz, Mosen und Jesus Sirach, darum, daß sie feine, gute Lehre geben, wie man sich halten soll. Aber so lang haben wir sie lieb, bis es an uns auch kömmet; denn wenn wirs thun sollen, so werden wir ihnen feind.«
Gesetz, was es sei.
»Das Gesetz ist ein rechter Labyrinthus, das die Gewissen nur verirret und verstrickt, und die Gerechtigkeit des Gesetzes ist ein Minotaurus, weder Hund noch Röd, das ist, ein lauter Gedicht oder Fabel, das zur Seligkeit nicht führet, sondern ziehet und schleppt nur zur Hölle zu.«
Das Evangelium bringt Armuth, aber falsche Lehre Reichthum.
»Wo das rechte Evangelium ist, da ist Armuth; wie geschrieben stehet: Ich bin gesandt, den Armen das Evangelium zu predigen (Jes. 61, I). Vor Zeiten hat man können ganzen Klöstern vollauf geben, jetzt will man gar nichts geben! Superstition, falsche Lehre und Heuchelei gibt Geldes genug; Wahrheit gehet betteln!«
Lügen.
»Eine Lüge ist wie ein Schneeball; je länger man ihn wälzet, je größer er wird.«
Gottlose gehet das Evangelium nicht an.
»Die Gottlosen saugen nur aus dem Evangelio eine fleischliche Freiheit und werden ärger draus, darum gehört das Evangelium nicht für sie, sondern das Gesetz. Gleich als wenn ich meinen jungen Sohn nicht hätte gestrichen, sondern hätte über Tisch von seiner Untugend nur gesaget, und ihm Zucker und Mandelkern dazu gegeben; so hätte ich ihn ärger gewachet, verzogen und verderbet. Darum gehöret das Evangelium eigentlich für die erschrockenen, betrübten und geängstigten Gewissen; das Gesetz aber für die gottlosen, sichern, rohen Leute und Heuchler, denen soll mans predigen.«
Ein Anders.
»Diese zwo Lehren, Gesetz und Evangelium sind hoch von Nöthen, die muß man beinander haben und wohl treiben, doch unterscheidlich mit großer Bescheidenheit, sonst werden die Leute entweder vermessen, oder verzweifeln, sonderlich wenn der Teufel aus dem Evangelio ein Gesetz machet. Darum beschreibet Moses diese beiden Lehren sehr fein und wohl durch einen obern und untersten Mühlstein. Der oberste Stein poltert und stößt, welcher ist das Gesetz, aber er ist von Gott recht gehänget, daß er nur treibt. Der untere Stein aber ist still und ruhet, das ist das Evangelium. Unser Herr Gott hat den Oberstein fein gehänget, daß er nicht gar zerreibe und zermalme, sondern hat beide an den obern und untern Stein Gnade gehänget.«
Des Evangelii Art.
»Cassia ist Zimmetrinden gleich, hat die Kraft, daß es die Augen purgiret und reiniget, und ist gut wider Ottern- und Schlangenbisse. Ist ein Bild des Evangelii, welches die Finsterniß vertreibt und bringet das Licht wieder, und ist ein gemein Aerznei, so man brauchen soll wider alle Bisse und Stechen der giftigen Würmer, das ist, des Teufels und seiner Schuppen und Diener.«
Wider die Gesetzstürmer.
Anno 38 den 13. Octobris, da der Doctor daheim im Hause das Evangelium Luc. 14 predigte, weil er um Leibes Schwachheit willen nicht konnte in der Kirchen predigen, verwunderte er sich überaus sehr, daß die Antinomer so unverschämt wären und dürften die Lehre des Gesetzes, so doch nöthig wäre, verwerfen, und sähen derselbigen Effect, Nutz und Frucht nicht. »Darum,« sagt er, »hat S. Augustinus die Kraft, Amt und Wirkung des Gesetzes durch ein schön Gleichniß abgemalet, nämlich, daß es uns die Sünde, so in uns ist, und den Zorn Gottes wider die Sünde offenbare und vor die Augen stelle und mehre, nicht, daß es des Gesetzes Schuld ist, sondern unserer verderbten Natur und bösen Art; gleich wie der Kalkstein ruhet und still liegt, aber wenn man Wasser drein geußt, so sähet er an zu rauchen und zu brennen; nicht, daß es des Wassers Schuld wäre, sondern des Kalksteins Natur ist, daß er kein Wasser leiden kann; geußt man aber Oel auf den Kalkstein, so liegt er still und brennet nicht. So hält sichs mit dem Gesetz und Evangelio. Es ist ein schön, herrlich Gleichniß.«
Eine wunderliche Geschichte.
Anno 1540 hat Doctor Martinus Luther eine Collation angerichtet, dazu er die Vornehmsten der Universität geladen. Darunter ist auch M. E. gewest, von welches wegen denn solches angefangen worden. Da man nun hatte gegessen und Jedermann fröhlich war, da ließ ihm Doctor Martin Luther ein Glas reichen, welches drei Reifen hatte; dasselbe brachte und trank er mit Wein den Gästen zu. Und als sie hatten alle Bescheid gethan, da kam die Reihe auch an M. E. Demselbigen zeigete Doctor Martinus das Glas und sprach: M. E., Lieber, ich gebe Euch dies Glas mit Wein, bis an den ersten Reif, die zehn Gebot; an den andern, den Glauben; an den dritten, das Vater Unser des Katechismi gar aus. Wie er das gesagt, trank er, D. Martin Luther, das Glas gar aus und ließ es wieder voll schenken und gabs M. Eißleben. Derselbige, da er das gemalete Glas empfing und anhub zu trinken, war es ihm unmöglich, daß er über den ersten Reif hätte trinken können, setzte derhalben das Glas nieder, und hatte darnach ein Gräuel, dasselbige anzusehen. Da sagte Doctor Martinus Luther: »Ich wußte es vorhin wohl, daß M. E. die zehn Gebot saufen könnte, aber den Glauben, Vater Unser und den Katechismum würde er wohl zufrieden lassen!« Denn er hatte auch die Antinomiam angerichtet, daß man das Gesetz aus der Kirchen aufs Rathhaus thun sollte.
Darbei ist M. Johann Spangenberg, Pfarrherr zu Nordhausen, gewesen, als sich dies in D. Martin Luthers Hause hatte zugetragen, und hat auch solche Geschichte in seine Bibel verzeichnet gehabt.