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XXXIII. Tischreden D. M. Luthers von der Oberkeit und Fürsten

 

Die Oberkeit ist ein Zeichen göttlicher Gnade.

»Die weltliche Oberkeit ist ein Zeichen göttlicher Gnade, daß Gott barmherzig sei und habe nicht Lust noch Gefallen am Morden, am Metzeln und Würgen; sonst ließ ers Alles hingehen unter Türken und andern Heiden und Völkern ohne Regiment, so richteten sie sich unter einander selbst hinweg und fressen einer den andern auf nach dem Sprüchwort: Wer stark ist und es vermag, der steckt den andern in den Sack.«

 

Unterschied unter Aeltern und der Oberkeit.

»Aeltern bewahren ihre Kinder mit größerm Fleiß und Sorgen denn die Oberkeit ihre Unterthanen. Daher spricht Moses: Hab ich euch gezeuget? Vater und Mutter sind natürliche und freiwillige Herrn, eine selbst gewachsene Herrschaft. Die Oberkeit ist aber ein erzwungener Herr, das ist, sie gehet mit Gezwang um und ist eine gemachte Herrschaft. Wenn Vater und Mutter nicht mehr kann, so muß es der Henker ausrichten und ziehen. Darum sind die Oberkeiten Hüter des vierten Gebots wie die Katzen über die Mäuse.«

 

Obrigkeit soll über ihren Gesetzen und Ordnungen halten.

»Fürsten und Regenten sollen über ihren Mandaten, Befehlen und Ordnungen halten, sonst werden sie verachtet. Darum meinen die Bauern, Bürger und die vom Adel, wenn ein Fürst nicht selbst redet und mündlich befiehlt, so sei es nicht des Fürsten Wort oder Mandat und Befehl. Also gehets unserm Herrn Gott auch. Wenn Doctor Pommer, ich oder ein andrer treuer Lehrer predigt, so gehen die Verächter dahin und verachtens, sprechen: Es hat unser Pfarrherr geprediget, merken, noch gläuben nicht, daß es Christus Worte sind, der durch sie selbst redet, wie er sagt: Siehe, ich sende euch usw. Wer euch höret, der höret mich (Luc. 10,3.13). Darum, wo unser gnädigster Herr nicht über der Visitation halten wird, so wirds mit uns nichts sein.«

 

Von der Todesstrafe.

»Herzog Friederich, der löbliche Kurfürst zu Sachsen, war sehr furchtsam und blöde, die Übelthäter zu strafen, sonderlich die armen Diebe. Ja, sprach er, es ist leicht, einem das Leben zu nehmen, aber man kann es nicht wiedergeben. Und Herzog Johann, Kurfürst zu Sachsen, pflegte allwegen zu sagen: Ei, er wird noch fromm werden! Und mit solchem Weichsein und durch die Finger sehen ward das Land voller Buben. Also waren sie von Mönchen überredet, daß sie sollten gnädig, gütig und friedsam sein. Aber Oberkeit, Fürsten und Herrn sollen nicht gelinde sein.

Denn siehe Gott an, der doch der Allergütigste und Barmherzigste ist, welch ein ernst und gestreng Gesetz und Recht hat er gegeben und im Mose gesaget, Exod. 21 (17): Wer seinem Vater oder seiner Mutter flucht, der soll getödtet werden, auch auf dem Altar; flugs Kopf ab, Kopf weg, auf daß das Land nicht voll Gottloser werde. Und sagt der Text: Du sollst dich ihrer nicht erbarmen; also wirst du gerecht sein. Ja, Juristen tödten mit Lehren, Lesen und mit Urthelsprechen. Der Henker müßte sonst wol zufrieden sein und würde keinen nicht richten, wenn sie (die Juristen) ihn nicht zuvor verdammt und verurtheilt hätten durch ihre Rechtsprüche. Doctor Hieronymus Schurf, der vornehmsten und besten Juristen einer, und dazu ein Christ, ist noch so weit nicht kommen, daß er einen Uebelthäter mit gutem Gewissen könnte zum Tode verdammen und übers Blut Urtheil sprechen.«

 

Oberkeit und Juristen bedürfen Vergebung der Sünden in ihrem Amte.

»Fürsten und alle Regenten und Oberkeit, da sie gleich fromm und gottfürchtig sind, können in ihrem Amt und weltlichen Regiment ohne Sünde nicht sein; sie thun bisweilen Manchem Unrecht, wenn sie sich gleich aufs Allerfleißigste hüten. Denn sie könnens nicht allzeit also schnurgleich treffen und fadenrecht machen, wie etliche Klüglinge meinen; drum bedürfen sie am allermeisten Vergebung der Sünden.«

 

Gottlose Obrigkeiten können wohl feine Weltregenten sein.

Zu D. Martin Luthern ward ein Mal gesagt, daß ein Fürst, so dem Evangelio sehr entgegen war, dennoch ein feiner Weltregent gewesen wäre, drum er billig hoch gelobet sollte werden. Da sprach D. Luther: »Was liegt unserm Herrn Gott daran? Er pfleget mit dieser Larve die Welt zu bethören. Es waren Saul, Ahab und andere gottlose Könige in Israel glückselig genug, und ihre Rathschläge und Vornehmen gingen wohl hinaus und ihre Königreiche standen in großen Würden, im Wachsen und Zunehmen. Dagegen siehe Davids Regiment an, der war doch ein frommer und gottfürchtiger König und hatte wider seine auswendigen Feinde groß Glück, denn er bezwang die Philister, den Moab, Edom und die Syrer; aber in seiner Haushaltung da war alles eitel Ärgerniß um ihn – um seines Ehebruchs willen. Da folgete darauf Mord, der Kinder Aufruhr, böse Nachrede und daß ihm das Königreich durch seinen eigenen Sohn Absalom genommen wurde. Aber ob David wohl in seiner Regierung nicht ist so glückselig gewesen als andere gottlose Könige, so viel die äußerliche Gestalt anlanget, so hat er doch unserm Herr Gott können gute Worte geben und sagen: Misere mei, Deus; das konnten die Andern nicht thun, und damit brach er auch unserm Herrn Gott das Herz.«

 

Was für Leute zum Regiment gehören.

»Zum Regiment gehören nicht gemeine, schlechte Leute, noch Knechte, sondern Helden, verständige, weise und geherzte Leute, denen man vertrauen kann und die da sehen auf gemeinen Nutz und Gedeihen, und nicht suchen ihren eignen Genuß, und folgen ihren Begierden. Wie viel aber sind Regenten und Juristen, auch Räthe, die daran gedenken? Sie machen nur ein Handthierung und Handwerk aus der Obrigkeit. Salomon spricht: Ein Mann, der seinem Sinn steuren und den brechen kann, ist besser, denn der Städte stürmet und erobert usw. (Spr. 16, 32). Es ist ein schön Buch, hat viel feiner Sprüche, Proverbia Salomonis. Scipioni, dem ehruchen Helden, möcht ich wohl gönnen, daß er im Himmel wäre, der konnte regieren. Sich selbst überwinden, und seinen Sinn brechen und steuren können, ist der höchste und löblichste Sieg. Herzog Friederich, Kurfürst von Sachsen usw. war ein solcher Fürst; der konnte viel verdauen und ihm selbst steuren, ob er gleich von Natur zornig war, aber er hielt an sich.«

Doctor M. Luther sagte Anno 1546 über Tische zu Eisleben, »daß der weise und kluge, verständige Mann, Friederich von Thuna, Ritter, von Kurfürst Friederichen zu Sachsen ein Mal hatte Urlaub gebeten; da hätte der Kurfürst gesaget: Lieber Thun, Du siehest, daß Regieren ein schwer Ding ist, und ich bedarf dazu geschickte Leute, ich kann Deiner nicht entbehren. Wiewohl es Dein Alter nicht länger ertragen will, daß Du zu Hofe seiest, so mußt Du doch Geduld haben, gleichwie ich auch muß geduldig sein. Denn wenn ich es nicht thun will und Du auch nicht, wer wills denn thun? Darum kann ich Dich nicht von mir lassen!«

Sonst sagete ein Mal D. M. Luther, »daß ein junger Jurist wolle haben summum jus, ein junger Theologus summam sanctitatem, und ein junger Magistratus summum obedientiam.« Item D. Luther sagte auf ein ander Mal, »daß junge Regenten meineten, sie wollten einen Wacken aufheben wie einen Kieselstein.«

 

Böse Obrigkeit thut den Unterthanen Schaden.

Doctor M. Luther sagte ein Mal: »Eine böse Obrigkeit, so tyrannisch handelt, die ist wie ein Dumetum, das ist, wie eine Dornhecke um einen Garten: denn wo man durch diese Hecke oder Zaun in den Garten steigen will, so sticht und kratzet man sich, nicht daß die Dornhecke steuren und wehren wollte, daß man nicht die Aepfel und Birnen aus dem Garten stehlen sollte, sondern daß es des Dornbusches Art, Natur und Eigenschaft ist, daß, wer ihn angreift, der muß sich an ihm stechen und verletzen. Also sticht, verwundet, plaget und drücket eine böse Obrigkeit auch ihre Unterthanen, nicht daß sie Gottes Ehre suchete und die Kirche Gottes liebete, oder ein Disciplin und Zucht erhalten und dem Bösen steuren wollte; sondern, daß dieses aller Tyrannen Eigenschaft und Natur ist, daß sie sich befleißigen, den Leuten Leid zu thun und Schaden zuzufügen.«

 

Liebe und Gehorsam der Unterthanen gegen die Obrigkeit ist das höchste Gut und Kleinod.

Dominus Philippus Melanchthon sagte ein Mal D. M. Luthern über Tische: Daß er in seiner Jugend gehört hätte, daß auf einem Reichstage etliche Fürsten gerühmet hätten von den Gaben und Herrlichkeiten ihrer Fürstenthümer und Länder. Und hätte der Herzog zu Sachsen gesagt, daß er silberne Berge in seinem Lande hätte und also sein Bergwerk gerühmet, welches damals große Ausbeute gab. Der Pfalzgraf aber hatte seine guten Weine gelobet, die ihm am Rheinstrom wüchsen. Als nun Herzog Eberhard von Würtenberg auch sagen sollt, was er für Herrlichkeit in seinem Lande hätte, da antwortet er: Ich bin wohl ein armer Fürst und Euer Liebden beiden nicht zu vergleichen, jedoch hab ich auch ein groß Kleinod in meinem Fürstenthum, daß, wenn ich mich verritten hätte und auf dem Felde gar alleine wäre, so kann ich doch in eines jeden meiner Unterthanen Schoß sicher schlafen. Wollt sagen, daß seine Unterthanen ihn so lieb hätten, daß er bei ihnen hausen und herbergen könnte und sie ihm alles Liebes und Gutes thun würden. Und seine armen Leute haben ihn auch gehalten für den Patrem patriae. Als solches die andern Fürsten, als Sachsen und Pfalz, gehört hatten, da hatten sie selbst bekannt, daß dies das edelste Kleinod und Gut wäre.


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