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III. Tischreden v. Martin Luthers von der Schöpfung

 

Gottes Proceß in der Schöpfung und seinen Werken.

»Unsers Herrn Gottes Weise ist, daß er diesen Brauch hält, auf daß seine Kraft und Macht durch und in Schwachheit vollbracht und stark werde. Also machte er erst die Welt einen wüsten leeren Klumpen, der finster und ungestaltet war; darnach gab er einer jeglichen Creatur Form und Gestalt fein ordentlich, sichtlich und herrlich. Den Menschen schuf er nicht bald, noch zuerst, sondern die Erde zuvor. Also versteckt und verbieget er erstlich in die Erde den Strauch, der muß nicht so bald ein Baum sein. Er könnte es zwar Alles wohl alsbald nur mit einem Wort schaffen, er wills aber nicht thun, es gefällst ihm diese Weise, daß er aus Nichts Etwas mache. Also war unser Sache auch mit dem Evangelio in der Erst schwach, hat aber, Gott Lob, immer je mehr zugenommen und gewachsen, daß je mehr dazu kommen sind; wird aber wieder fallen um der großen Undankbarkeit willen und Verachtung.«

 

Gottes Schöpfung können wir nicht gründlich verstehen.

»Ich zwar,« sprach D. Martinus Luther, »bin hart krank gelegen, auch also, daß ich mein Leben Gott befahl; aber viele Einfälle und Gedanken hab ich in solcher Schwachheit gehabt. Ah, wie hab ich gedacht, was doch das ewige Leben sei, was es für Freude habe! wiewohl ich deß gewiß bin, daß es uns durch Christum geschenkt und dasselbige allbereit unser ist, weil wirs glauben. Aber dort wirds offenbar werden; hie sollen wirs nicht wissen, wenn die neue Schöpfung der Welt soll werden, sintemal wir die erste Schöpfung der Welt nicht verstehen.

Wenn ich bei Gott wäre gewesen, ehe er die Welt schuf, hätte ich ihm diesen Rath nicht können geben, daß er aus Nichts solche runde Scheibe und Kugel machen, das Firmament hätte sollen schaffen; und hat darein eine Spange, die Sonne, gesetzt, welche durch ihren sehr behenden schnellen Lauf den ganzen Erdboden erleuchtet. Item, daß er also ein Mann und Weib sollte schaffen. Das Alles hat er uns gemacht ohn unsern Rath und Gedanken. Darum mögen wir ihm auch billig die Ehre geben vom künftigen Leben und der neuen Schöpfung, wie es soll zugehen und werden, und ihn allein lassen den Schöpfer bleiben.«

 

Kinder sind Gottes sonderlicher Segen und Geschöpfe.

Da Doctor Jonas einen schönen Ast von Kirschen über den Tisch gehänget zum Gedächtniß der Schöpfung und lobete den herrlichen Segen Gottes an solchen Früchten, sprach Doctor Martinus Luther: »Warum bedenkt ihr das nicht viel mehr an euren Kindern als euers Leibes Früchten, welche übertreffen und schönere, auch herrlichere Creaturen Gottes sind denn aller Bäume Früchte? An denen siehet man Gottes Allmacht, Weisheit und Kunst, der sie aus Nichts gemacht hat; hat ihnen in einem Jahr Leib, Leben und alle Glieder so fein artig und hübsch geschaffen, gegeben und will sie ernähren und erhalten. Gleichwohl gehen wir dahin, achtens nicht viel, ja sollen wohl über solchen Gaben Gottes blind und geizig werden; wie gemeiniglich geschieht, daß die Leute, wenn sie Kinder kriegen, ärger und geiziger werden, scharren, schinden und schaben, wie sie nur können, daß sie ihnen viel mögen lassen. Wissen nicht, daß einem Kindlein, auch ehe es auf die Welt kömmst und geboren wird, sein bescheiden Teil, was und wie viel es haben und was aus ihm werden soll, allbereit zugeeigenet und versehen ist; wie die Schrift saget und das gemeine Sprichwort lautet: Je mehr Kinder, je mehr Glücks. Ah, lieber Herr Gott, wie groß ist doch die Blindheit, Unwissenheit und Bosheit an einem Menschen, der das nicht bedenken kann, sondern thut das Widerspiel in den allerbesten und herrlichsten Gaben Gottes, die mißbraucht er zu allen Sünden und Schanden nach all seinem Gefallen und Wollust; singen unserm Herrn Gott nicht ein Deo gratias dafür!«

 

Vom Mißbrauch Gottes Creaturen.

Da des Doctors Hausfrau hatte ihr Teichlein im Garten fischen lassen und allerlei Fische gefangen, Hechte, Schmerlen, Forellen, Kaulbärsche, Karpfen usw. und derselben etliche gesotten auf den Tisch brachte und mit großer Lust, Freude und Danksagung davon aß, sagte Doctor Martinas Luther zu ihr: »Käthe, du hast größer Freude über den wenig Fischen denn mancher Edelmann, wenn er etliche große Teiche und Weiher fischet und etliche hundert Schock Fische fähet. Ah, der Geiz und Ehrsucht machen, daß wir Gottes Creaturen nicht können recht und mit Lust brauchen; es sitzet mancher Geizwanst und lebet in großer Wollust, hat überflüssig genug, und kann dennoch desselben nicht mit Lust und Nutz genießen. Es heißet: Der Gottlose wird Gottes Herrlichkeit nicht sehen; ja, er kann auch nicht die gegenwärtigen Creaturen erkennen. Denn Gott überschüttet uns zu sehr damit, und weil es so gemeine ist, achtet man es nicht; wenn es seltsam wäre, so achtet mans höher, aber wir können nicht bedenken, was für Lust und Freude an den Creaturen sei.

Sehet doch nur, wie fein ein Fischlein leichet, da eines wohl tausend bringet; wenn das Männlein mit dem Schwanz schläget und schüttet den Samen in das Wasser, davon empfähet das Fräulein. Sehet an die Vöglein, wie fein rein gehet doch derselben Zücht zu; es hacket die Siehe in das Häuptlein, leget sein Eierlein säuberlich in das Nest, setzet sich darüber, da gucken die jungen Küchlein heraus; siehe das Küchlein an, wie gar stekts doch im Ei? Wenn wir ein solch Ei niemals gesehen hätten und eines würde aus Kalekuthen bracht, so würden wir uns alle darüber verwundern und entsetzen. Kein Philosophus, noch gelehrter Naturkundiger kann gewisse Ursache anzeigen, wie es mit solchen Creaturen zugehet und wie sie geschaffen werden, allein Moses zeigets an, da er saget: Und Gott sprach, da wards; er befahls, da stunds da. Wachset und mehret euch. Aus diesem Sprechen und Gebieten kommen und mehren sich noch heutigen Tages allerlei Creaturen und werden ersetzet bis an den jüngsten Tag.«

 

Ein anders.

Auf einen Abend sah Doct. Mart. ein Vögelein auf einem Baum sitzen und die Nacht über darauf ruhen; sprach er: »Dieß Vögelein hat sein Nachtmahl gehalten und will hie fein sicher schlafen, bekümmert sich gar nicht, noch sorget für den morgenden Tag oder Herberge, wie David saget (Ps. 91, 1): Wer unter dem Schirm des Allerhöchsten wohnet usw. Es sitzt auf seinem Zweigelein zufrieden und lässet Gott sorgen.

Ach, wenn Adams Fall nicht alles verderbet hätte, wie eine schöne herrliche Creatur Gottes wäre doch der Mensch, gezieret mit allerlei Erkenntniß und Weisheit! Wie seliglich hätte er gelebet ohn alle Mühe, Unglück, Krankheit, und wäre darnach ohne alles Fühlen des Todes verwandelt worden, hätte dieß zeitliche Leben abgeleget, an allen Creaturen seine Lust und Freude gehabt und wäre ein feine lustige Veränderung und Verwechseln aller Ding gewesen! Wie in diesem elenden Leben Gott in vielen Creaturen die Auferstehung der Todten entworfen und abgemalet hat.«

 

Wein oder Salz verschütten.

Doct. Martin zerbrach ein sehr helles Glas voll Weins auf dem Tisch; da sprach er: »Das ist dahin, es ist ein schwach Gefäß.« Und sagte, »es wär eine große Superstition und Aberglaube in der Welt, daß die Leute lieber sehen, daß man den Wein, denn das Salz verschütte. Man kann ihm aber noch also helfen, daß noch leidlich ist: wenn man den Wein verschüttet oder wegnimmt, so kann man gleichwol ohne denselben leben; wenn man aber Brod und Salz verschütten will und den Leuten entziehen, da wills Mühe und Arbeit gewinnen, da beginnet man sauer zu sehen, das will allererst arg werden.«

 

Vom Kometen.

»Ein Komet ist auch ein Stern, der da läuft und nicht haftet, wie ein Planet, aber er ist ein Hurenkind unter den Planeten. Ist ein stolzer Stern, nimmet den ganzen Himmel ein; thut, als wäre er allein da; hat eine Natur und Art, wie die Ketzer, welche wollens auch alleine sein und vor andern stolziren, meinen, sie seien allein die Leute, die es verstehen.«

 

Gottes Geschöpf und Werk versteht ein Mensch nicht.

»Wir wissen nicht, wie unser Herr Gott seinen Bau zurichtet, wir sehen nur das Gerüste von Stangen und bästenen Stricken zugerichtet, darum achten wir Gottes Willen nicht, sondern schlagens in den Wind, fragen nicht viel darnach. Aber wenn wir in jenem Leben Gottes Gebäu und Haus sehen, werden wir uns verwundern und freuen, daß wir in Anfechtungen ausgestanden haben. Gott ist wunderbar und wird auch wunderbarlicher Weise von seinen Heiligen erkannt, wie Paulus sagt durch närrische Predigt, nämlich von Christo dem Gekreuzigten, an dem sich die Welt zu Tode ärgert.«

 

Reden scheidet einen Menschen von allen Thieren.

»Unter allen Gaben Gottes ist Reden die allerschönste und herrlichste, dadurch allein der Mensch von allen andern Thieren unterschieden ist. Sonst sind etliche Thier, die in andern Gaben einen Menschen übertreffen; etliche mit dem Gesicht, etliche mit dem Gehör, etliche mit Riechen, aber keins kann reden. Wiewohl das ein Anzeige ist, daß das Wort einer hohen Art und Verstandes muß sein.«

 

Was für ein Wesen und Sinn im Paradies gewest wäre.

Es waren bei Doct. Mart. M. Spalatinus und der Pfarrherr zu Zwickau, M. Lenhart Beier, da scherzte der Doctor fein freundlich mit seinem Söhnlein Martinichen, der wollte sein Bühlichen ehrbarlich vertheidigen, sie ehrlich kleiden und lieben; sprach er: »Also wären wir im Paradies gesinnet gewest, schlecht, einfältig, aufrichtig ohn alle Bosheit und Heuchelei, und wäre rechter Ernst gewest, wie dies Kind von Gott redet und ist deß gewiß.

Darum sind solche natürliche Possen und Scherze die allerbesten an Kindern, das sind die lieblichsten Närrlein. Angenommener Scherz und Poßwerk an den Alten hat solch Gnade nicht, fleußt und gefällt nicht so wohl; denn was gefärbet und gedichtet ist, das verleuret Gunst, haftet nicht und macht wenig Lust als das, so von Herzen natürlich zugeht. Darum sind die Kinderlein die feinsten Spielvögel, die reden und thun alles einfältig, von Herzen und natürlich. Ein solcher ist Claus Narr gewest, der in die Stiefel hofirte, und da er beschuldiget ward, entschuldiget er sich und sprach, die Mäuse hätten es gethan.«

 

Von Kindern und derselben Leben.

Doct. Mart. Anno 38 den 17. Augusti hörte, daß sich seine Kinder unter einander zankten und haderten, und bald wiederum vertrugen und versöhneten; sprach er: »Lieber Herr Gott, wie wohl gefällt dir doch solcher Kinder Leben und Spielen? Ja, alle ihre Sünde sind nichts denn Vergebung der Sünden.«

 

Ein anders.

Er sahe seiner Kinderlein Einfalt und lobte ihre Unschuld, daß sie im Glauben viel gelehrter wären denn wir alte Narren; denn sie glaubten aufs Einfältigste, ohn alle Disputation und Zweifel, Gott sei gnädig, und daß nach diesem Leben ein ewiges Leben sei. »Wie wohl geschieht den Kindern, die in solcher Zeit sterben; wiewohl mirs ein groß Herzleid wäre, denn es stürbe ein Stück von meinem und ein Theil von der Mutter Leibe, welche natürliche Liebe und Zuneigungen auch in gottseligen und rechtschaffenen Christen nicht aufhören, daß sie sichs nicht annehmen noch bewegen ließen oder ihnen nicht sollt zu Herzen gehen, wenns ihnen, ihren Kindern oder Verwandten, die sie lieb haben, übel geht, wie die störrigen und verhärteten Köpfe und Stöcke. Denn solche Bewegungen und Neigungen sind Werk der göttlichen Schöpfung, die Gott einem Menschen natürlich eingepflanzt hat, und sind an ihnen selbst nicht böse. Die Kinder leben fein einfältig, rein, ohn Anstoß und Hinderniß der Vernunft im Glauben; wie Ambrosius sagt: An der Vernunft mangelts, aber nicht am Glauben.«

 

Ein anders von Kinderlein.

Sein, des Doctors, Söhnlein, einst saß am Tisch und lallte vom Leben im Himmel, sagte, wie eine so große Freude im Himmel wäre mit Essen, Tanzen. Da wäre die größte Lust, die Wasser flössen mit eitel Milch und die Semmelein wüchsen auf den Bäumen. Da sprach D. Mart.: »Das Leben der Kinderlein ist am allerseligsten und besten, denn sie haben keine zeitliche Sorge, sehen die gräulichen, ungeheuren Schwärmer und Rottengeister in der Kirchen nicht, leiden noch fühlen keine Schrecken des Todes noch der Hölle, haben nur reine Gedanken und fröhliche Spekulation.«

 

Ein anders von Kindern.

Er, D. Mart., hatte Achtung, wie sein Kindlein von dreien Jahren spielete, und mit ihm selber lallete; sprach er: »Dieß Kind ist wie ein Trunkener, weiß nicht, daß es lebet, lebt gar sicher und fröhlich dahin, springet und hüpfet. Und solche Kinder sind gern in großen weiten Gemachen und Wohnungen, da sie Raum haben.«

 

Der Aeltern Liebe gegen die Kinder.

»Die Aeltern haben die jüngsten Kinder allezeit am liebsten,« sagte Doct. Martin. »Mein Martinichen ist mein liebster Schatz, und solche Kinderlein bedürfen der Aeltern Sorge und Liebe wohl, daß ihrer fleißig gewartet wird. Hänsichen, Lenichen, Paulichen können nun reden, bedürfen solche Sorge so groß nicht. Darum steiget die Liebe der Aeltern allzeit und einfältig niederwärts mehr denn aufwärts zu denen, so am neulichsten geboren sind.«

 

Der Aeltern und der Oberkeit Gewalt ist unterscheidlich.

»Die Aeltern sorgen viel mehr für ihre Kinder, bewahren sie auch fleißiger, denn die Oberkeit ihre Unterthanen; darum sagte Moses zu den Jüden: Hab ich euch gezeuget? Denn Vaters und Mutters Gewalt ist ein natürliche und freiwillige Gewalt und selbgewachsene Herrschaft über die Kinder; der Oberkeit Herrschaft aber ist gezwungen, ein gemachte Herrschaft. Wo Vater und Mutter nicht mehr können, das muß Meister Hans, der Henker ausrichten und ziehen, daher auch die Oberkeit nur ein Hüterin des vierten Gebots Gottes ist wie die Katze über die Maus. Darum ist der Aeltern Dignität auch größer, man soll ihnen auch mehr Ehrerbietung thun, denn sie sind die Quelle und der Ursprung des vierten Gebots.«

 

Der Kinder Zucht und Strafe ist nöthig.

Doct. Mart, wollte seinen Sohn N. in dreien Tagen nicht vor sich kommen lassen, noch wiederum zu Gnaden annehmen, bis so lang er schrieb, demüthigete sich und bats ihm ab. Und da die Mutter, D. Jonas und D. Teuteleben für ihn baten, sprach er: »Ich wollt lieber einen todten denn einen ungezogenen Sohn haben. S. Paulus hat nicht vergebens gesagt, daß ein Bischoff soll ein solcher Mann sein, der seinem Hause wohl vorstehe und wohlgezogene Kinder habe, auf daß andere Leute davon erbauet, ein gut Exempel nehmen und nicht geärgert werden. Wir Prediger sind darum so hoch gesetzt, daß wir Andern ein gut Exempel geben sollen, aber unsere ungerathenen Kinder ärgern Andere so wollen die Buben auf unsere Privilegia sündigen. Ja, wenn sie gleich oft sündigen und allerlei Büberei treiben, so erfahre ichs doch nicht, man zeiget mir nichts an, sondern man hälts heimlich vor mir. Und gehet uns nach dem gemeinen Sprichwort: Was Böses in unsern eigenen Häusern geschieht, das erfahren wir am allerletzten; wenns alle Leute durch alle Gassen getragen haben, so erfahren wirs erst. Darum muß man ihn strafen und gar nicht durch die Finger sehen, noch es ihm also ungestraft lassen hingehen.«

 

Es ist am Brauch der Güter am meisten gelegen.

Da M. Ph. (Melanchthon) sagte, daß ein reicher Bürger zu Leipzig, Simon Leubel, ein groß, schön, lustig, wohlgebaut Haus hätte, antwortet D. Martinus: »Es liegt nicht daran, daß man die Erben reich mache, sondern daran ists am meisten gelegen, daß sich die Erben darein schicken lernen und Gottes Segen recht brauchen. Und wir Aeltern sind große Narren, daß wirs uns blutsauer werden lassen, arbeiten Tag und Nacht, daß wir unsern Kindern viel Gutes lassen; aber sie in Gottes Furcht, guter Zucht und Ehrbarkeit zu ziehen und unterweisen, da sind wir sehr nachlässig. Es ist gar eine böse, verkehrte Welt.«

 

Kein Vater soll seinen Kindern bei seinem Leben seine Güter übergeben.

Einer war bei D. Martinus und klagte sein Elend, daß er von seinen Kindern, die er ausgestattet und ehrlich begabet, ja alle seine Güter auf sie gewandt hatte, nun in seinen alten verlebten Tagen verlassen und unter die Füße getreten würde. Sprach der Doctor: »Jesus Sirach gibt den Aeltern den besten Rath, der da sagt: Gib nicht Alles aus der Hand, weil du lebest, denn die Kinder halten nicht Glauben. Ein Vater (wie das Sprichwort lautet) kann wohl zehn Kinder ernähren, aber zehn Kinder können nicht einen Vater ernähren. Darum predigte man vorzeiten wider die undankbaren Kinder von einem Vater, der sein Testament hatte gemacht, welches er heimlich in einen Kasten verschloß und legte ein Zettel dazu samt einer Keule mit diesen Worten:

Welcher Vater das Seine gibt aus der Gewalt,
Den soll man todtschlagen mit der Keule bald.

So lieset man von einem Vater, der all sein Gut unter die Kinder ausgetheilet hatte, daß sie ihn sollten sein Lebenlang davon ernähren und erhalten; aber die Kinder achteten seiner nicht. Wenn er acht Tage bei einem Kinde gewesen war, so sagt es: Er sollt zum andern auch gehen, und so lange mit ihm essen. Einmal kam der Vater ohngefähr zum Eidam, der saß und aß von einer Gans; da er des Vaters gewahr ward und sah ihn, von Stund an verbarg er sie und steckte sie untern Tisch. Da nun der Vater wegging und der Sohn wollte die Gans wieder herfür thun, war eine Kröte daraus worden, die sprang dem Eidam unters Angesicht, und fraß um sich, daß er ihrer nicht konnte los werden, so hart klebet sie an ihm, bis sie an ihm Alles verzehrete ohn Aufhören, konnte nicht satt noch voll werden, daß er davon starb.

Solche Exempel zeigeten sie darum an, daß man sehe, wie hart Gott der Kinder Undankbarkeit gegen die Aeltern strafet; denn der Ungehorsam und Undankbarkeit der Jugend ist überaus groß. Gerne nehmen sie, was die Aeltern mit ihrer saueren Arbeit, Blut und Schweiß erworben haben, aber sie wollen sie nicht auch wiederum nähren, da doch die Aeltern es lassen ihnen darum so sauer werden Tag und Nacht, daß sie die Kinder reich machen und ihnen viel lassen mit Gefahr Leibes und Lebens, und werden darnach so verachtet.

Ah! die Welt ist böse, hebt bald in der Jugend und Blüthe an; darum hat Gott das vierte Gebot gegeben und mit großem Fleiß und Ernst befohlen: Ehre dein Vater und deine Mutter usw., hält auch hart darüber. Aber der Papst, der Antichrist, hat mit seinen Traditionen dies Gebot Gottes aufgelöset und mit Füßen getreten.«

 

Ein anders.

»Ein Vater, der nun alt war, hatte seinen Kindern alle seine Güter übergeben, daß sie ihn sein Leben lang nähren und erhalten sollen; aber die Kinder waren undankbar und des Vaters bald überdrüssig, hielten ihn sehr kärglich und genau, gaben ihm nicht satt zu essen. Da verschloß sich der Alte, als ein gescheidter Mann, der nun gewitziget war, heimlich in eine Kammer und klingelt mit den Gülden, die ihm sein Nachbar darum geliehen hatte, als hätte er viel Gelds. Da das die Kinder höreten, hielten sie ihn darnach wohl und in Ehren, hoffeten, er würde ihnen viel Gelds lassen. Er gabs aber dem Nachbar wieder, da er sterben wollte, und betrog also die Kinder.«

 

Weiber sollen nicht beredt sein.

Ein Engländer, ein sehr gelehrter, frommer Mann, ging mit Doctor Martin zu Tisch, verstand die deutsche Sprache nicht; zu dem sagte er: »Ich will Euch mein Weib zum Präceptor geben, die soll Euch die deutsche Sprache fein lehren, denn sie ist sehr beredt, kann es so fertig, daß sie mich damit weit übertrifft. Wiewohl wenn Weiber wohl beredt sind, das ist an ihnen nicht zu loben; es stehet ihnen besser an, daß sie stammeln und nicht wohl reden können. Das zieret sie viel besser.«

 

Was den Weibern übel anstehet.

»Es ist kein Rock noch Kleid, das einer Frauen oder Jungfrauen übeler anstehet, als wenn sie klug sein will.«

 

Die Jugend bricht herfür.

»Ein junger Mensch ist wie ein neuer Most, der lässet sich nicht halten, muß gähren und übergehen, will sich immer sehen lassen und etwas sein vor Andern, kann sich nicht innen halten.«

 

Ein anders.

Doct. Martinus Söhnlein, der des Vaters Namen hat, hatte ein Hündlein, mit dem er spielte. Da das der Vater sah, sprach er: »Dieser Knabe prediget Gottes Wort mit der That und im Werk, da Gott spricht: Herrsche über die Fische im Meer und die Thiere auf Erden (Genes. 1, 28); denn der Hund leidet Alles von den Kindlein.«

 

Ob auch die Sprachen und gute Künste und andere natürliche Gaben etwas nütze seien zur Theologia und die heilige Schrift zu verstehen?

Hierauf antwortet D. Martinus, da er gefraget ward, und sprach: »Ein Messer schneidet besser denn das andere; also kann auch einer, der die Sprachen kann und gute Künste wohl gelernet hat, besser und deutlicher reden und lehren. Daß nun ihrer viele wie Erasmus, wohl gelehret und erfahren sind in Künsten und Sprachen und doch mit großem Schaden irren, das geschieht gleich also, wie der mehrer Theil der Waffen zu tödten und würgen, zu beschädigen und zu verwunden zubereitet und gemacht werden. Darum muß man die Dinge absondern und scheiden vom Mißbrauch, gleichwie Hiob unterscheidet, da er zu seinem Weibe saget, da sie sein spottete: Du redest wie eine von den närrischen Weibern, welcher Spruch mir allzeit wohlgefallen hat darum, daß er die Creaturen vom Mißbrauch unterscheidet.«


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