Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Künftiger Mangel an gelehrten Leuten.
»Ehe etliche wenig Jahr vergehen, so wird man erfahren, daß mangeln wird an gelehrten Leuten, daß man sie würde aus Brettern schneiden, und aus der Erde graben, wenn man sie nur haben könnte; es wird aber nicht helfen, man versündiget sich jetzt zu sehr an Gott.«
Welt kann ohne gelehrte Leute nicht regiert werden.
»Weisheit, Verstand und gelehrt sein, und die Schreibfeder, die sollen die Welt regieren. Wenn Gott zürnete und alle Gelehrten aus der Welt wegnähme so würden die Leute gar zu Bestien und wilden Thieren; da wäre kein Verstand noch Witz, kein Recht, sondern eitel Rauben, Stehlen, Morden, Ehebrechen und Schaden thun. Wer den Andern vermag, der steckt ihn in den Sack. Der Pöbel wollt, daß keine weisen, verständigen, gelehrten Leute und Prediger wären, daß sie möchten leben, wie sie wollten. Wenn das geschähe, so verginge die Welt; denn ohne Verstand, Weisheit und Gesetze können weder Türken noch Tartarn leben und haushalten. Sind es Menschen, so müssen sie Rechte, Gesetze und Ordnung haben; wo nicht, so werdens Bäre, Wölfe, Löwen und Bestien, ohne Oeconomei und Polizei, da kein häuslich und weltlich Regiment und Zucht ist.«
Von Cicerone et Aristotele.
»Cicero übertrifft Aristotelem weit in Philosophia und mit Lehren. Officia Ciceronis sind viel besser, denn Ethica Aristotelis. Und nachdem Cicero in großen Sorgen im Regiment gesteckt ist, und große Bürde, Mühe und Arbeit auf ihm gehabt hat, doch ist er weit überlegen Aristoteli, dem müßigen Esel, der Geld und Gut, und gute faule Tage genug hatte. Denn Cicero hat die feinsten und besten Quaestiones in der Philosophia gehandelt: Ob ein Gott sei? Was Gott sei? Ob er sich auch menschlicher Händel annehme, oder nicht? und es müsse ein ewig Gemüthe sein usw. Aristoteles ist zwar ein guter und listiger Dialecticus gewest, der den Methodum und richtigen ordentlichen Weg im Lehren gehalten hat; aber die Sachen und den rechten Kern hat er nicht gelehrt, wie Cicero. Wer die rechtschaffene Philosophia lernen will, der lese Ciceronem.
Cicero ist ein sehr weiser Mann gewest, hat mehr geschrieben, denn alle Philosophi, und alle Bücher der Griechen durchlesen. Mich wundert, daß der Mensch, in so viel großen Geschäften und Händeln, so viel hat können lesen und schreiben. Die Episteln Ciceronis verstehet Niemand recht, er sei denn 20 Jahr in einem vortrefflichen Regiment gewest.
Cicero, ein weiser und fleißiger Mann, hat viel gelitten und gethan. Ich hoffe, unser Herr Gott werde ihm und seines Gleichen gnädig sein. Wiewohl uns nicht gebühret, das gewiß zu sagen, noch zu definiren und schließen, sondern sollen bei dem Wort, das uns offenbart ist, bleiben: Wer gläubet und getauft wird, der wird selig (Marc. 16, 16); daß aber Gott nicht könnte dispensiren, und einen Unterschied halten unter andern Heiden und Völkern; da gebühret uns nicht zu wissen Zeit und Maaße. Denn es wird ein neuer Himmel und eine neue Erde werden, viel weiter und breiter, denn sie jetzt ist. Er kann wohl einem Jeglichen geben nach seinem Gefallen.«
Von Aesopo.
Da D. M. L. seine Vorrede über den Aesopus seinen Gästen las, lobete er überaus sehr dasselbe Buch, daß es voll feiner guter Lehre, Sitten, Zucht und Erfahrung wäre, und sagte: »Wer wohl reden kann, der ist ein Mann. Denn reden ist Weisheit, und Weisheit ist Reden. Reden kömmt von rathen, a consilio; sonst heißt es gewaschen, und nicht geredet. Also redet Aesopus, wäscht nicht; legt ein Ding und die Wahrheit vor unter einer andern Gestalt, als Fabeln, wie ein Narr. Noch muß er drüber verfolget werden.«
Von etlichen Gelehrten unsrer Zeit.
»Ein Prediger im Thüringerlande, N. N., war etwa durch Beiwohnung und Gemeinschaft bei Herrn Carln von Miltitz, des Papsts Gesandten, und D. Croten, dahin gerathen, daß er nicht gläubte, daß ein Gott wäre, auch nicht, daß Christus sei, weder Wort, Evangelium, Gesetz, Polizei, oder ein ander Leben. Also war er von den welschen Buben beredet. Nun aber ist er durch Gottes Gnade davon erlöset; jene aber sind dahin in Nobiskrug gefahren. Denn sie, die Romanisten, hatten ein Geschrei gemachet und ausbracht, wie ich, D. M. L., vor großer Armuth sollt verzweifelt sein, und mich mit Gift selbst umbracht haben, und hätte hinter mir gelassen ein Buch meiner unnützen falschen Religion, das ich bei meinem Leben nicht hätte dürfen öffentlich lassen ausgehen.
Wie auch jetzt Erasmus Roterodamus ist, der thar nicht reden, was er weiß, und will nicht nach ihm ein Bekenntniß seines Glaubens lassen. Darum habe ich ihm das Maul gestopft, da ich schreib: Erasme, wer solches redet, derselbige glaubt weder, daß ein Gott noch Christus sei, das ist gewiß usw. Mit diesen Worten habe ich ihn gar bestürzt und bekümmert gemacht. Denn diese Buben wollen Alles nach ihrer Vernunft messen; meinen, da Gott allmächtig, weise und gerecht wäre, so würde er solch gottlos Wesen nicht leiden. Denn, könnte ers, wüßte ers, und wollt ers bessern, er würde wohl ein andere Welt machen, die frömmer wäre. Also gehen sie dahin.
Ich aber antwortet darauf also: Das wird Gott sparen bis in jene Welt, da wirds Alles nach seinem Willen gehen; diese Welt ist Gott nur eine Vorbereitung und Gerüste zu jener Welt. Gleich als ein reicher Bauherr muß viel Gerüsts haben zu einem Hause; wenn nun das Haus fertig ist, so reißet er das Gerüste ein. Und gleichwie ein Maler vorhin die Farbe reibet, Pinsel wäscht usw., und gleichwie ein Balbirer zuvor die Hände netzet, Messer streichet, ehe er balbiret usw., welches alles Vorbereitungen sind: also hat Gott die ganze Welt zur Vorbereitung in jenes Leben gemacht, da es allererst nach Gottes Allmacht und Willen wird ergehen.«
Res et verba.
Anno 1536. den 1. Augusti schrieb D. M. Luther auf seinen Tisch: » Res et verba Philippus; verba sine re Erasmus; res sine verbis Lutherus; nec rem nec verba Carolostadius; das ist, was Philippus schreibet, das hat Hände und Füße, die Materie ist gut, so sind die Wort auch gut; Erasmus macht viel Worte, es ist aber nichts dahinter; Lutherus hat wohl gute Materia, aber die Worte sind nicht gut; Carlstadt hat weder gute Materie noch gute Wort.«
Da kam Philipp ohngefähr dazu, lächelte D. Basilius an, und sagete: Von Erasmo und Carlstadt wäre wohl recht judiciret und geurtheilt, ihm aber würde zu viel gegeben, auch sollt man D. Luthern auch gute Wort zuschreiben, und daß er wohl reden könnte.
Von Thomas Morus.
Einer fragte: Ob Thomas Morus, ein sehr gelehrter Mann, vom Könige in Engeland, deß Canzler er war, um des Evangelii willen wäre gerichtet und umgebracht worden? D. M. L. antwortet, und sprach: »Nein, denn er war ein großer Verfolger der Kirchen, und hat viel Blut vergossen, ließ unschuldige, fromme Christen, die sich zum Evangelio bekenneten, jämmerlich ermorden, die er mit wunderbarlichen Instrumenten marterte. Erstlich examinirt er sie mit Worten unter einem grünen Baum, darnach ließ er sie erbärmlich im Gefängniß überziehen und fragen durch den Henker. Endlich, weil er der Andere nach dem König, der Vornehmste und Gewaltigste war, bäumet und legte er sich auch wider den König auf, wider das Decret und Beschluß des ganzen Reichs; darum ist er auch gestraft und gerichtet.«
Einfältige Prediger die besten.
Doct. L. sprach ein Mal, »daß Albrecht Dürer, der berühmte Maler zu Nürnberg, hätte pflegen zu sagen: Er hätte keine Lust zu Bildern, die wären mit viel Farben gemalet, sondern die da aufs Einfältigste und fein schlecht gemacht wären. Also sagt er, daß er auch Lust hätte zu Predigten, die fein einfältig einher gingen, da einer verstehen könnte, was man predigte.«
Von Aristotele und Cicerone.
»Aristoteles ist gar ein Epikurer, hälts dafür, daß Gott nach menschlichen Dingen nicht frage, achte nicht, was und wie wirs machen und treiben, lasse uns haushalten, wie wir wollen, als ging es ihn nicht an; und da ers gleich gläubet, so denkt er, Gott regiere die Welt, gleichwie eine schläferige Magd ein Kind wieget. Aber Cicero ist viel weiter kommen. Ich glaube, daß er hat zusammen gelesen und bracht, was er Gutes funden hat bei allen griechischen Scribenten und Lehrern, in ihren Büchern. Denn das ist ein sehr gut Argument, das mich oft viel und hoch bewegt hat, und mir zu Herzen gangen ist: daß er aus dem, daß die lebendigen Creaturen, Vieh und Menschen, eins das ander, das ihm ähnlich und gleich ist, zeuget und gebieret, beweiset, daß ein Gott sei. Eine Kuh gebieret allzeit eine Kuh, ein Pferd ein Pferd usw. Keine Kuh gebieret ein Pferd, noch ein Pferd eine Kuh, kein Stiglitz den Zeissen (Zeisig). Darum muß unwidersprechlich folgen, daß etwas sei, das alle Ding regieret. Wir können Gott fein erkennen aus der gewissen und unwandelbaren Bewegung, Lauf und Umgang des Gestirns am Himmel. Wir finden die Sonne alle Jahr an ihrem Orte aufgehen und niedergehen. Item, aus Gewißheit der Zeit, daß wir so gewissen Winter und Sommer haben. Aber weil solches immerdar und täglich geschieht und gemein ist, so achten wirs noch verwundern uns nicht. Aber wenn man sollte ein Kind von Jugend auf in einem finstern Ort erziehen, und darnach im 20. Jahr heraus lassen, so würde es sich verwundern über die Sonne, was es wäre, und wie sie allezeit so einen gewissen Gang hätte, wie so ein gewisse Zeit wäre; aber uns ists nichts; denn was gemeine ist und täglich geschieht, das achtet man nicht.«