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XX. Tischreden D. M. Luthers von Anfechtungen

 

Arznei wider unnütze Gedanken.

»Wenn ich,« sprach Doctor Martinus, »in Gedanken bin, so das weltlich oder Hausregiment belangen, so nehme ich einen Psalm oder Spruch Pauli, und schlafe drüber ein. Aber die Gedanken, so vom Teufel kommen, kosten mich etwas mehr; da muß ich einen starken Possen reißen, bis ich mich heraus reiße.«

 

Fromme Christen müssen viel leiden.

»Die Gerste muß viel leiden von Leuten. Denn erstlich wird sie in die Erde geworfen, daß sie verweset. Wenn sie nun gewachsen und reif worden ist, schneidet oder häuet man sie ab. Darnach drischt und quellt man sie ein, und dörret und kocht Bier oder Kofent draus, das wird von den Bauern gesoffen und wieder gegeben unten und oben und an die Zäune gepinkelt.

Deßgleichen Märtyrer ist der Lein oder Flachs auch. Wenn er reif ist, so räuft, röstet, dörret, bläuet, bricht, hechelt, spinnet, wirket man ihn, und machet Leinwand draus zu Hemden und Kitteln usw., die werden zerrissen. Darnach braucht mans zum Wischen, schmieret Pflaster drauf, die legt man auf die Wunden und Schwären. Item die Lumpen nimmt man draus, legt sie in Stämpfel auf der Papiermühl, zerstösts klein. Daraus macht man Papier zu Kartenspiel, zum Schreiben, zu Drucken. Das Papier wird zerrissen und zu den allergeringsten Werken gebraucht.

Diese und dergleichen viel Creaturen, davon wir viel Nutzen haben, müssen sich leiden. Also müssen alle gottselige und fromme Christen viel leiden von den Gottlosen und Bösen. Da ist David ein wunderauserwählter Mann gewest und wüst gerollet worden. Aber ein solcher Mensch ist Gott lieb. Gerste, Wein, Korn usw. haben doch vor dem Lein und Flachs einen Vorteil, werden zu Fleisch und Blut und ererben in den Gottfürchtigen und Christen das Reich Gottes. Aber am jüngsten Gericht werden sie über die gottlosen Bauern, Bürger, Edelleute usw. schreien und sie verklagen, daß sie ihrer so schändlich mißbraucht haben.«

 

Anfechtungen können nicht Alle gleich ertragen.

»Nicht Alle tragen gleiche Anfechtungen. Sie könnens auch nicht, sondern etliche müssen Knochen und Beine sein, die das Fleisch können tragen und erhalten. Darnach gleich wie am Leibe des Menschen, wenn eitel Fleisch da wäre, so fiel es in einen Haufen. Die Knochen und Nerven oder Spannadern halten das Fleisch. Also müssen in der christlichen Gemeine etliche sein, die gute Püffe müssen herhalten dem Teufel, als wir drei: ich, Philippus Melanchthon und Doctor Pommer. Aber Alle könnens und vermögens nicht zu ertragen, darum bitten wir in der Kirche immer Einer für den Andern, und für Alle. Das Gebet thuts auch!«

 

Der Jugend Anfechtung und eines jeglichen Alters.

»Junge Leute ficht an die Liebe und Brunst. Der gemeine Mann und Pöbel wird mit andern Lastern geplaget. Ein Mann von dreißig und vierzig Jahren usw. strebt nach Ehr und Gut. Wenn er sechszig Jahre erreichet, so hat er seine Anfechtung, und gedenkt: Wäre ich nun fromm!«

 

Wie man sich wehren soll wider geistliche Anfechtung.

»Wenn wir vom Teufel angefochten werden im Gewissen unserer Sünden halben, so soll man sagen,« sprach D. M. L.: »Heiliger Teufel, bitte für uns: Sancte Satan, ora pro nobis! Haben wir doch nicht wider euch gesündiget, gnädiger Herr Teufel! So habt ihr uns auch nicht geschaffen, noch das Leben geben; warum klagt ihr uns denn so hart an vor Gott, als wäret ihr so gar heilig und der oberste Richter über die rechten Heiligen Gottes? Nimm den Stab in die Hand und gehe gen Rom zu deinem Diener, deß Abgott du bist!«

 

Von Anfechtungen und wie man sie vertreiben und ihnen widerstehen soll.

Da D. Martin Luther mit etlichen über Tisch redete, stand seine Hausfrau auf, ging in die Kammer und fiel in eine Ohnmacht. Da sie nun wieder zu ihr selbst kam, fraget sie der Doctor: »Was sie für Gedanken hätte gehabt?« Und erzählete viel sonderliche, treffliche und schädliche Anfechtungen und Gedanken, »welche gewisse Zeichen des Todes sind und schießen gewisser nach dem Herzen denn irgend ein Pfeil oder Büchse, und vertrocknen das Mark in den Knochen. Wie mich denn solche böse Gedanken mehr geplagt haben denn alle meine Arbeit, der doch viel und unzählig gewesen sind. Ich habe oft sonst andere Händel vor mich genommen, den Satan damit zu vertreiben; es wollt aber nichts draus werden, er wollt nicht weichen noch aufhören. Denn der Satan, als ein Stifter des Todes, hat unsere Natur also verderbet und beschmeißt, daß wir uns nicht wollen trösten lassen. Darum wer solche teuflische Gedanken fühlet, und damit angefochten wird, dem rath ich treulich, daß er sie bald austreibe, gedenk irgend an etwas Lustiges, thue einen guten Trunk, spiele und kürzweile, oder nehme sonst etwas Ehrliches und Ehrbares vor, darauf er heftig gedenke, so viel ihm möglich ist und er kann. Wiewohl das die höchste und beste Aerznei ist, gläuben an Jesum Christum; denn derselbige ist darum kommen, daß er trösten und lebendig machen will und die Werke des Teufels zerstören solle.

Und weil alle Traurigkeit und Schwermuth vom Teufel kömmt, so muß man Gott um seinen heiligen Geist bitten, welcher ein gar geherzter Verächter ist des Todes und aller Fahr. Derselbige ist der Trotz. Wenn nun der Teufel mir diese Gedanken eingibt, wohlan, wie du willt, du mußt doch sterben, so gebe ich die Antwort und spreche: Nein, ich werde nicht sterben, sondern leben. Denn wo Christus ist, da ist Freude, Friede und Leben.

Aber, lieber Gott, der Artikel will nicht ein, darum ist so viel Traurigkeit und Schwermuth bei uns, damit wir uns selbst plagen; und dürftens nicht. Ich bin oft selber auf mich zornig, daß ich nicht kann in der Anfechtung durch Christum meine Gedanken austreiben, noch derselben kann los werden, da ich doch so viel davon gelesen, geschrieben und geprediget habe, noch kann ichs nicht! Darum sagt die Schrift: Freuet euch im Herrn, lobsingt ihm usw.

Ein Christ soll ein fröhlicher Mensch sein; da wir gleich viel Plagen müssen leiden und wohl zermartert werden von außen und von innen, beide von der Welt und dem Teufel, so laß immer hingehen, sei getrost und rufe Gott an, und hab Geduld, der ist ein Nothelfer, wird dich nicht trosts- noch hülflos, noch stecken und verderben lassen in der Anfechtung. Denn sie sind uns gut und noth, auf daß Gottes Kraft in unsrer Schwachheit stärker werde. Siehe, wie die lieben heiligen Erzväter, Propheten, Apostel so kleinmüthig gewest sind: was sollen wir arme, elende und schwache Würmlein nicht sein in solchem gottlosen Wesen, das jetzt überhand genommen hat, und Gottseligkeit, Glaub und Liebe erkaltet und schier gar verloschen ist? Doch erhält Gott seine Kirche wunderbarlicher Weise!«

 

Wo das Evangelium rein gelehret wird, da folget stets Verfolgung und Anfechtung.

»Das Evangelium kann nicht ohne Verfolgung sein. Denn der Mann, der Christus heißt, muß Blut kosten; wie Mosis Weib zuvor zu ihrem Manne Mose saget (Exod. 4, 24): Du bist mir ein Blutbräutgam. Denn der Antichrist kann nicht Christi Freund sein, wie wir jetzt bei unsern Zeiten aus Erfahrung sehen, wie der Papst wider das Evangelium tobet und donnert. Wenn ich nicht wäre beißig gewest, so hätte mich der Papst gefressen: Nisi ego fuissem mordax, Papa fuisset vorax. Er hätte uns Alle gefressen und verschlungen. Ich bin des Papsts Kaulepers (Kaulbars), der stachlichte Schuppen hat, den er nicht verschlingen kann. Er hat einen Igel an mir gefunden zu käuen!«

 

Wie man wehren kann der Anfechtung.

»Man sagt, und ist wahr: ubi caput melancholicum, ibi diabolus habet paratum balneum. (Wo ein melancholischer und schwermüthiger Kopf ist, der mit seinen eigenen und schweren Gedanken umgehet und damit sich frißt, da hat der Teufel ein zugerichtet Bad.)« Und sprach D. Luther: »Ich habe aus Erfahrung gelernet, wie man sich in Anfechtung halten soll. Nämlich wer mit Traurigkeit, Verzweifelung oder andern, Herzeleid geplaget wird und einen Wurm im Gewissen hat, derselbige halte sich erstlich an den Trost des göttlichen Worts, darnach so esse und trinke er, und trachte nach Gesellschaft und Gespräch gottseliger und christlicher Leute, so wirds besser mit ihm werden.«

Und erzählete darauf eine Historie von einem Bischoffe, »der hatte eine Schwester in einem Kloster, die vom Geist der Traurigkeit und von bösen Träumen und Anfechtungen übel geängstiget ward und sich gar nicht wollte trösten lassen. Nun zog sie zum Bruder und klaget es ihm. Der Bruder ließ ein köstlich Abendmahl zurichten, und bat die Schwester zu Gaste und vermahnete sie, daß sie flugs essen und trinken sollte. Das thäte nun die Nonne. Des Morgens fragte sie der Bischofs, wie sie geschlafen hätte, ob ihr auch Träume und Anfechtungen wären vorgekommen des Nachts? Nein, sagte sie, ich hab gar wohl geschlafen und keine Anfechtung gehabt. Da sprach der Bischofs: »Liebe Schwester, zeuch wieder heim, und warte deines Leibes wohl mit Essen und Trinken dem Teufel zum Verdrieß, so wirst du der bösen Träume und Anfechtungen wohl los werden.« »Darum,« saget D. M. L. »soll man traurige Leute mit Essen und Trinken erquicken. Aber Allen möchte dieß Remedium nicht nütze sein, sonderlich jungen Leuten. Mir alten Manne aber möchte ein starker Trunk vertreiben Anfechtung und einen Schlaf machen. Darum hat S. Augustinus in seinen Regeln weislich geredet: Non omnia aequaliter omnibus, quia non aequaliter valetis omnes

 

Doctor Martini Luthers Anliegen unterm Papstthum.

»Doctor Staupitzen habe ich oft gebeichtet, nicht von Weibern, sondern die rechten Knoten. Da sagte er: Ich verstehe es nicht! Das heißt recht getröstet! Kam ich darnach zu einem Andern, so ging mirs auch also. In Summa, es wollt es kein Beichtvater nichts drum wissen. Da gedacht ich: die Tentatio und Anfechtung hat Niemand denn du. Da ward ich als eine todte Leich. Zuletzt hub D. Staupitz an zu mir über Tisch, da ich so traurig und erschlagen war, und sprach: Wie seid Ihr so traurig, Frater Martine? Da sagte ich: Ah, wo soll ich hin? Sprach er: Ah, Ihr wisset nicht, daß Euch solche Tentatio gut und noth ist, sonst würde nichts Guts aus Euch! Das verstand er selbst nicht, denn er gedachte, ich wäre gelehrt, und wenn ich nicht Anfechtung hätte, so würde ich stolz und hoffärtig werden. Ich aber nahm es an, wie Paulus sagt (2. Kor. 12,7): Mir ist ein Pfahl ins Fleisch gegeben, daß ich mich der hohen Offenbarung nicht überhübe. Darum nehme ichs auf als ein Wort und Stimme des Heiligen Geistes.

Ich war sehr fromm im Papstthum, da ich ein Mönch war, und doch so traurig und betrübt, daß ich gedachte, Gott wäre mir nicht gnädig! Da hielt ich Messe und betete und hab kein Weib, da ich im Orden und ein Mönch war (so zu reden), förder gesehen noch gehabt. Jetzt muß ich andere Gedanken vom Teufel leiden. Denn er wirft mir oft vor: O, wie einen großen Haufen Leute hast du mit deiner Lehre verführt! Bisweilen tröstet mich und machet mir wieder ein Herz ein schlecht Wort in der Anfechtung. Es sagte ein Mal mein Beichtvater zu mir, da ich immer närrische Sünde vor ihn brachte: Du bist ein Narr! Gott zürnet nicht mit dir, sondern du zürnest mit ihm; Gott ist nicht zornig auf dich, sondern du bist auf ihn zornig! Ein theuer, groß und herrlich Wort, das er doch vor diesem Licht des Evangelii sagte!

Darum wer mit dem Geist der Traurigkeit geplaget wird, der soll aufs Höchste sich hüten und vorsehen, daß er nicht alleine sei. Denn Gott hat die Gesellschaft in der Kirche geschaffen, und die Brüderschaft gebeten, daß sich ihre Glieder sollen zusammen halten, wie die Schrift sagt: Weh dem Menschen, der allein ist; denn wenn er fällt, so hat er nicht, der ihm aufhilft. (Pred. 4, 10.) Auch gefällt Gott die Traurigkeit des Herzens nicht, ob er wohl weltliche Traurigkeit zulaßt; er will aber nicht, daß ich gegen ihm betrübt sei, wie er spricht: Ich hab nicht Lust am Tode des Sünders usw. (Ezech. 33, II.) Item: Freuet euch im Herrn. (Philipp. 4, 4.) Er will nicht einen solchen Diener haben, der sich nichts Guts zu ihm versiehet. Wiewohl ich aber das weiß, doch werd ich einen Tag wohl hundert Mal anders gesinnet, widerstehe aber dem Teufel.

Zuweilen halt ich ihm den Papst vor und sage: Was ist denn dein Papst, wenn du es gleich groß machst, daß ich ihn feiern soll? Siehe, was hat er für einen Gräuel angerichtet, und hört noch heutigen Tags nicht auf! Also halt ich mir vor Vergebung der Sünden und Christum, dem Satan aber werfe ich vor und stelle ihm vor die Nase des Papsts Gräuel. So ist denn die Abominatio und der Gräuel so groß, daß ich muthig drüber werde und bekenne frei, daß des Papsts Gräuel nach Christo mein größter Trost ist. Darum sind das heillose Tropfen, die da sagen, man solle den Papst nicht schelten. Nur flugs gescholten, und sonderlich, wenn dich der Teufel mit der Justification anficht! Er greift mich oft mit einem Argument an, das nicht ein Dreck werth ist; aber in der Tentation und Anfechtung sehe ichs nicht; wenn ich aber wieder genesen bin, so sehe ichs fein.«

 

Wie D. M. L. den alten Meister Lucas Cranach, Malern zu Wittenberg, getröstet, da ihm sein Sohn Johannes in Italien gestorben war.

Anno 1536 den ersten December besuchte D. M. L. den Bürgermeister Lucas Maler, der sehr traurig und bekümmert war über seines lieben gehorsamen Sohns Abscheiden, so mit der Aeltern und andrer Gottfürchtigen Rath, Wissen und Willen in Italien gezogen, und zu Bononien den 9. Tag Octobris auf den Abend in schönem, herrlichem, christlichem Bekenntniß gestorben war. Aber die Aeltern waren über ihre natürliche Liebe und Neigung auch im Gewissen geplaget und gemartert, gleich als wären sie seines Todes eine Ursache gewesen, weil sie ihn hätten da hinein geschickt.

Darauf sprach D. M. L.: »Wenns deß gelte, so wäre ich so hoch eine Ursache, als Ihr, denn ichs Euch und ihm treulich gerathen habe. Wir habens aber nicht der Meinung gethan, daß er sterben sollte. Unser Gewissen gibt uns Zeugniß, daß Ihr ihn viel lieber lebendig wüßtet, ja viel lieber selber stürbet und alle Euer Gut lieber verlöret. Darum leget hin diesen Stachel im Gewissen, denn beide, Herz und Wille, solchen Bedenkens zeugen viel anders, wie Ihr gegen Euren Sohn gestimmt seid.«

Darnach wandte er sich zum Vater, der da weinete, und sprach: »Lieber Meister Luca, halt stille! Gott will Euren Willen brechen, denn er greift einen gern an, da es ihm am wehesten thut, zur Tödtung unsres alten Adams. Und ob wir schon nicht die größten Anfechtungen haben, so thun uns doch die unsern, die wir fühlen, am wehesten. Gedenkt an den lieben Adam, was da für ein Herzleid gewest ist, da sich die ersten zween Brüder vor seinem Angesichte ermordeten. Gedenkt an den lieben David, der zwei ganze Jahre heulete über seinen erstgebornen Sohn Ammon, da ihn Absolon erstach (2. Samuel 13). Darnach, da er Absolon in seinen Sünden erstochen, am Baume hangend erfuhr, da ist ein Jammer angegangen; da er seinen Sohn ewig verdammt gesehen hat, da ist ein Heulen und Angst gewesen (2. Sam. 18). Für Eins.

Zum Andern, soll uns billig trösten sein Frömmigkeit und Gehorsam. Denn die Welt jetzunder so böse und ungeschlacht ist, daß auch die allerfeinsten Jünglinge zu Schanden und Sünden kommen, das denn Eurem Sohne auch hätte können widerfahren. Denn Ihr sehet, wie ungezogen und wüste die Welt ist, daß man frei sündiget und Alles aufs Läugnen thun darf, also daß man auch in öffentlichen Sünden und Übelthaten unverschämt sagen thar: Mein Nein so viel als Euer Ja!« Und sagte zumal von unserer Studenten wüsten Leben. Darnach sagte er von einem Magister zu Erfurt, »welcher ein gelehrter und frommer Mensch gewest wäre, aber darnach, da er ein Pfaff worden, fiel er in Ehebruch mit eines Steinbrechers Weibe, die doch häßlich genug war, konnte sie aber nicht lassen. Endlich begab sichs, da auf einen Tag frühe um sechs Hora, nachdem er Meß gehalten hatte, ging er zum Weib, und ward vom Manne ergriffen und erstochen. Das ist ein schrecklicher Tod! Ich habe auch fünf Kinder, die mir herzlich lieb sind; doch wenn ich an die bösen Läufte der zukünftigen Zeit gedenke, darin sie auch übel gerathen möchten; wenn ich in den Gedanken stehe, so wollt ich, daß sie alle gestorben wären! Denn es ist wenig Besserung an der Welt zu hoffen, wie vor Augen.

Zum Dritten, obs auch schmerzlich ist, daß Ihr einen frommen, gehorsamen Sohn gehabt (denn man je ehe der bösen, ungehorsamen vergessen kann, denn der frommen und getreuen), so lasset Euch seinen Gehorsam und christlichen Abschied eine Freude sein; denn er hat ein gutes seliges Stündlein, ihm von Gott erwählet, überkommen. Ah, selig und aber selig ist der, welcher mit dem Stündlein wohl zukömmt! Es ist mein tägliches Seufzen und Flehen, daß mir Gott ein seliges, fröhliches Stündlein verleihe! Alsdenn bin ich wohl hie gewesen und werde, von allem Elende und Betrübniß erlöset, mit Gott fröhlich sein!

Zum Vierten. Lieber Meister Luca, befehlet dies Gott, dem höchsten Vater, der mehr Recht an Eurem Sohne hat denn Ihr. Denn Ihr seid nur sein leiblicher Vater, habt ihn nur ein Zeitlang erzogen und ernähret, Gott aber hat ihm Leib und Seel gegeben, bisher behütet und bewahret, ist viel, viel näher Vater denn Ihr seid. Der weiß und kann ihn baß erhalten, versorgen und ernähren denn Ihr und die ganze Welt!

Zum Fünften. Macht des Härmens und Traurens ein Maaß; vergessets immer säuberlich; befehlets Gottes Willen, der besser ist denn unser! Euerm Sohne ist wohl geschehen! Esset und trinket, labet Euch und kränket Euch nicht also ab, denn Ihr sollet noch mehr Leuten dienen! Traurigkeit und Kümmerniß aber vertrocknet die Beine.«

 

Trost für einen Kranken.

Zu Torgau besuchte D. M. L. einen Canzleischreiber, der ein frommer, fleißiger Mensch war und lag krank an der Wassersucht; tröstet ihn, »daß er unbekümmert sollte sein, um diese seine Krankheit, nicht sich mit Traurigkeit noch dazu selber plagen, sondern sollte sich halten nach der Aerzte Regel, daß durch Kümmerniß und Herzleid nicht verhindert würde Gottes Segen. Denn, wie man saget: Guter Muth ist halber Leib; wenn's Herz fröhlich ist, so hat es mit dem Leibe nicht noth! Und daß er sich wollte halten nach dem Rath S. Petri, und seine Seele dem treuen Schöpfer befehlen. Wir sollen gerne sterben,« sagte er, »denn wir haben uns genug gelebt, allein daß wir noch eine Weile um der Andern willen müssen leben.«

 

Ein anderer Trost für eine sehr kranke Person.

Doctor M. L. besuchte gar eine ehrliche Matrone, die hart krank lag, und tröstet sie also: »Muhm Lene, kennet Ihr mich auch und vernehmet Ihr mich?« Und da sie ihn verstand und kannte, sprach er zu ihr: »Euer Glaube stehet ja ganz und gar auf dem Herrn Christo!« Darnach sagt er drauf: »Derselbige ist die Auferstehung und das Leben! Euch wird nichts gewähren, Ihr werdet nicht sterben, sondern wie in einer Wiege entschlafen; und wenn die Morgenröthe aufgehen wird, sollt Ihr wieder aufstehen und ewig leben.« Da sprach sie: O ja! Da fragt sie der Doctor und sprach: »Habt Ihr keine Anfechtung?« Nein, sagt sie. »Wie? Thut Euch denn nichts weh?« Ja, sprach sie, ums Herz ist mir weh. Da sagt er: »Der Herr wird Euch bald erlösen von allem Übel. Ihr werdet nicht sterben!« Und wandte sich zu uns, und sprach: »O, wie wohl ist der! Denn das ist kein Tod, sondern ein Schlaf.« Und ging alsbald allein an das Fenster, und betete. Und ging also von ihr wieder weg um zwölfe nach Mittag; auf den Abend aber um sieben entschlief sie in Christo fein sanft ein.

 

Anderer Leute Vermahnungen die trösten einen in Anfechtungen.

Doctor Luther sagete: »Der Teufel fürcht sich vor dem Wort Gottes; er kann es nicht beißen, die Zähne werden ihm lückicht davon.« Darum sprach er ferner: »Wenn er in Anfechtung gewesen wäre, hätte ihn oft ein Wort getröstet, so er von einem guten Freunde gehöret hätte. Denn als Anno 1535 die Universität zu Wittenberg um der Sterbensläufte willen gen Jena verleget und ich einer Sachen halben gar bekümmert und traurig ward, sprach Doctor Pommer zu mir: Unser Herr Gott gedenkt ohne Zweifel im Himmel: Was soll ich doch mit diesem Menschen mehr machen? Ich hab ihm so viel herrlicher großer Gaben gegeben, noch will er an meiner Gnaden verzweifeln! Diese Worte waren mir ein herrlicher, großer Trost, und beklieben mir fest in meinem Herzen, als hätte sie mir ein Engel vom Himmel selber gesprochen, wiewohl damals Doctor Pommer darauf nicht gedachte, daß er mit seiner Rede mir einen Trost wollte geben.«

 

Anfang in Gedanken von der Versehung (Praedestination).

Ueber die Versehung nur sich in keine Disputatio gegeben, sondern angefangen an Jesu Christo. Da findet und höret man den Vater; denn alle, die oben angefangen haben, die haben den Hals gestürzt. Also habe ich einmal von Carlstadt gehört in einer Disputation von der Versehung, daß er sagte: ›Wenn das sollte sein, so wärs eben so mehr in die Hölle gerannt, als hinein getrabt!‹ Und M. Eisleben fuhr einmal hervor mit diesen Worten: ›Ich habe Sorge, es werde Dreck regnen‹. Und Münzer, da wir ihm diesen Spruch S. Pauli Röm. 8 (30) vorhielten: ›Welche er zuvor versehen und berufen hat, die hat er auch gerecht gemacht, die hat er auch herrlich gemacht‹; sagte er: ›Ich weiß je eure Sprüche wohl!‹ Darum stießen sie sich hart in der Disputation, denn es wollte keiner an Christo anfahen. Und von dem Herrn sagte doch Gott: ›Den sollt ihr hören‹. (Matth. 17, 5.)

So spricht Christus: ›Niemand kömmt zum Vater denn durch mich‹; aber sie wollten Christum und sein Wort nicht. Wie auch Münzer sagte (daß ihm's Gott verzeihe!) ›Wenn Christus nicht mit mir reden wollte, so wollte ich ihn nicht ansehen.‹ Darum gingen sie auch alle zu Boden, und Münzer richtete die erste Secte an mit dem Geist und verachtete das mündliche Wort. Carlstadt hielt nichts vom Sacrament, kamen die Sacramentirer heraus; und die Wiedertäufer richteten auch ihre Seelen an. Es sind drei harte gräuliche Seelen, aber nach unserm Tode werden viel Seelen aufgehen! Gott helfe uns!

Ich bin mit den Gedanken von der Versehung wohl geplagt und gemartert worden, nämlich was und wie es doch Gott mit mir machen wollte? Aber zuletzt hab ich sie, Gott Lob, gar lassen fahren und verachtet, und mich wiederum geschwungen und gehalten an den geoffenbarten Willen Gottes und sein Wort. Wir könnens doch nicht höher bringen, denn der Mensch kann nimmermehr den heimlichen Willen Gottes erforschen, und Gott verbirget ihn um des Teufels willen, auf daß der kluge Geist betrogen und zu Schanden werde. Denn von uns hat er den offenbarten Willen Gottes gelernt, den heimlichen aber behält ihm Gott selber vor und verbirget ihn. Wir haben genug an der Menschheit Christi zu lernen, in welcher sich der Vater offenbart hat; wir sind aber Narren, daß wir des Worts und des offenbarten Willens des Vaters in Christo nicht achten, grübeln und forschen die Geheimnisse, so verborgen sind, die uns zu wissen Gott nicht befohlen hat. Darum stürzen ihrer auch viele den Hals drüber!«

 

Christen sollen nicht gerne alleine sein.

Doctor Martin Luther sagte, »daß die Papisten und Wiedertäufer lehreten, wenn man Christum erkennen wollt und das Herz rein behalten, so solle man gerne alleine sein, und nicht unter vieler Gesellschaft sein; man soll ein Niclas-Bruder werden. Das ist eine teufelische Persuasion wider die erste und andere Tafel! Denn die erste Tafel erfordert Glauben und Furcht, dasselbige will er im andern Gebot geprediget und vor den Menschen gerühmet haben. Man soll unter den Leuten davon reden, und nicht in die Winkel fliehen und kriechen. Also lehret die andere Tafel, daß man dem Nächsten solle Guts thun, darum sollen wir uns zu ihm gesellen und nicht den Nächsten meiden. Darum ist das Vorgeben der Wiedertäufer wider den Ehestand, wider das Hausregiment und weltliche Regiment. So siehest du nicht, daß der Herr Christus auch ein solch Leben geführet hätte, da er auf Erden ging. Er ist nicht viel allein gewest, es war immerdar ein Lärm und Getümmel von viel Volks um ihn; er war nimmermehr allein, denn wenn er betete. Darum soll man die immerdar hinfahren lassen, die da sagen: Bleibet gern allein, so bleiben eure Herzen rein. Gott will, daß man in die Kirche gehen soll, und mit andern Christen sein Wort hören und die Sacrament empfahen.«

 

Was Einsamkeit für Schaden bringe.

»Es geschehen viel mehr und größere Sünden, wenn die Leute allein sind, denn wenn sie sich zu anderer Leute Gesellschaft halten. Da Eva im Paradies allein spazieren ging, da hatte sie der Teufel gar betrogen und verführet. Item wo Winkel sind und einsamer Ort ist, allda geschehen gemeiniglich Todtschläge, Mord, Raub, Diebstahl, Unzucht, Ehebruch und alle andere Sünden. Denn wo eine solitudo und Einsamkeit ist, da hat der Teufel locum et occasionem, die Leute in Sünde zu führen; aber wer unter Leuten und bei ehrlicher Gesellschaft ist, der schämet sich, Sünde, Laster und Schande zu begehen, oder er hat je nicht Raum oder Gelegenheit darzu. Über das, so hat der Herr Christus auch verheißen und zugesaget, daß, wo ihrer zween oder drei in seinem Namen bei einander sind, da will er mitten unter ihnen sein. (Matth. 18. V. 20.)

Also auch, da der König David einsam und müßig war, und nicht mit in Krieg zog, fiel er in Ehebruch und Todtschlag. Und ich habs von mir auch erfahren, daß ich nimmer in mehr Sünde falle, denn wenn ich alleine bin. Gott hat den Menschen zur Gesellschaft geschaffen, und nicht zur Einsamkeit. Das denn mit diesem starken Argument zu beweisen ist, daß Gott in der Schöpfung der Welt Mann und Weib geschaffen hatte, daß der Mann am Weibe eine Gesellin und Gehülfin haben sollte. So hat Gott auch die christliche Kirche gestiftet, die Gemeinschaft der Heiligen, daß die Christen zur Predigt zusammenkommen mögen und Trost aus dem göttlichen Wort anhören und die Sacramente gebrauchen.

Sonst machet die solitudo lauter Traurigkeit, und es hat einer arge, böse und beschwerliche Gedanken, wenn er allein ist. Da denkt man einem Ding emsiger nach, und ist uns etwas Widerwärtiges geschehen, so bilden wir es uns desto heftiger ein, und machen's größer und ärger, denn es an ihm ist, gedenken, als sei Niemand unglückseliger, denn als wir sind, und träumen uns davon, als werde es ein böses Ende mit unsern Sachen gewinnen. In Summa, wenn wir allein sind, so haben wir wunderbarliche Gedanken und legen ein Ding immerdar ärger aus, denn es an ihm selbst ist; meinen dagegen, daß andere Leute viel glückseliger sind, denn wir, und thut uns denn sehr wehe, daß es Andern also wohl gehet und wir dagegen in Trübsal und allerlei Noth stecken.«


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