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Vom Studieren.
Anno 39. am 28. Jan. sagte D. M. L., »wie jetzt die Jugend so gute Zeit und Bequemlichkeit zu studiren hätte, denn alle Künste würden fein ordentlich und richtig gelehret, daß mans wohl und leichtlich bald fassen könnte, wer nur nicht gar ein Tölpel wäre. So hielte man die Knaben nicht so hart. Vor Zeiten ward die Jugend allzu hart gezogen, daß man sie in der Schulen Märtyrer geheißen hat; sonderlich hat man sie mit dem Lupo und Casualibus und Temporalibus wohl geplaget, das doch gar kein nütze war, sehr verdrießlich und beschwerlich, auch unlustig, damit man nur die gute Zeit zubrachte, und manchen feinen geschickten Kopf verderbte; hat aber auch über sechs Jahre nicht gestanden. Nun, zu dieser Zeit, da Gott wiederum gute Künste, und die sie fein richtig lehren können, gegeben hat, so will die Jugend nicht studiren, ist faul, nachlässig und verdrossen.« Und las dem jungen Hanns von A. einen guten Text um seines Ungehorsams und Unfleißes willen, da er doch einen feinen Kopf und Ingenium zum Studiren hätte, und die Aeltern viel auf ihn wendeten, wollten gern, daß er etwas lernete; und da er sich nicht würde bessern, so wollte er ihn selbst mit Füßen treten. »Denn ich will,« sprach er, »in meinem Hause und über meinem Tische solche Exempel des Ungehorsams nicht wissen noch leiden, wenn du gleich Grafen-Güter hättest; darnach richte du dich, ich wills von dir, noch Keinem leiden.«
Von der Universität zu Erfurt.
»Die Universität zu Erfurt war etwa in solchem Ansehen, und so berufen, daß alle anderen dagegen für kleine Schützenschulen angesehen worden; aber nun ist dieser Ruhm und Majestät dahin, und ist diese Universität gar todt. Wie war es eine so große Majestät und Herrlichkeit, wenn man Magistros promovirte, und ihnen Fackeln vortrug, und sie verehrte; ich halte, daß keine zeitliche, weltliche Freude dergleichen gewesen sei. Also hielt man auch ein sehr groß Gepräng und Wesen, wenn man Doctores machte; da ritt man in der Stadt umher, dazu man sich sonderlich kleidete und schmückte; welches alles dahin ist, und gefallen. Aber ich wollte, daß mans noch hielte.«
Von der Deposition.
Und da er, D. M., samt etlichen vortrefflichen Gelehrten auf einer Deposition war, absolvirt er drei Knaben und sprach: »Diese Ceremonie wird darum also gebraucht, auf daß ihr gedemüthiget werdet, nicht hoffärtig und vermessen seid, noch euch zum Bösen gewöhnet. Denn solche Laster sind wunderliche, ungeheure Thiere, die da Hörner haben, die einem Studenten nicht gebühren und übel anstehen. Darum demüthiget euch und lernet leiden und Geduld haben, denn ihr werdet euer Lebenlang deponiret werden. In großen Aemtern werden euch ein Mal die Bürger, Bauern, die vom Adel, und eure Weiber deponiren und wohl plagen. Wenn euch nun solches widerfahren wird, so werdet nicht kleinmüthig, verzagt und ungeduldig, dieselbigen lasset euch nicht überwinden; sondern seid getrost, und leidet solch Kreuz mit Geduld, ohne Murmelung; gedenkt dran, daß ihr zu Wittenberg geweihet seid zum Leiden, und könnt sagen, wenns nun kömmt: Wohlan, ich habe zu Wittenberg erstlich angefangen deponirt zu werden, das muß mein Lebenlang währen. Also ist diese unser Deposition nur ein Figur und Bild menschlichen Lebens, in allerlei Unglück, Plagen und Züchtigung. Goß ihnen Wein aufs Haupt, und absolvirte sie vom Bean und Bachanten.«
Anmerkung. Depositio hieß der vormals auf Akademien übliche Gebrauch, den von den Schulen angekommenen Neulingen von einem dazu bestellten Manne, den man Depositor nannte, auf allerhand lächerliche Art zusetzen und sie vexiren zu lassen, ehe sie in die Zahl der akademischen Bürger aufgenommen wurden, damit sie theils an ihren Beruf erinnert, theils ihr Hochmuth gleich Anfangs gedämpft würde.
Von der Universität Wittenberg.
»Ach, wie bitter feind ist der Teufel unserer Kirchen und Schulen, die er vor andern anficht, und zu ihr einstürmet. Diese hat das liebe Brod, Semmel geheißen, darum wird sie allenthalben von inwendig und außen gräulich angefochten; Tyrannei und Secten nehmen überhand mit aller Gewalt, da alle Glieder des Leibes in der Kirchen wider einander sind, auch wir, so ein Stück des Herzens sind, plagen uns einer den andern. Ich halte, daß viel böser Buben und Laurer hie sein, die auf uns lauschen, und freuen sich, wenn Aergerniß und Uneinigkeit entsteht, darum soll man fleißig beten und wachen; wird uns Gott nicht erhalten, so ists aus. Es läßt sich wohl also an. Betet, betet! Diese Schule ist gleichwie ein Fundament und Grundfest der reinen Religion, darum wird sie billig erhalten mit Lectionibus und Besoldung, wider des Satans Toben und Wüthen.«
Anno 39. aß ein Italiener von Senis mit D. M. L., redte viel mit ihm, und blieb etliche Wochen da, vielleicht sich zu erkunden, wie es hie stünde; da sprach D. M. L.: »Wir haben sie gerne, denn wir handeln öffentlich und scheuen das Licht nicht; vielleicht ist er von frommen gottfürchtigen Leuten hieher abgefertiget, daß er erkundete und sähe, ob solch schändlich Ding bei uns geschehe und begangen würde, wie man davon sagt und uns austrägt.
Ich habe es D. Pommer zuvor gesagt: Daß, wer nach meinem Tode die Autorität dieser Schule wird verachten, da sie anders nur also bleibet, wie sie jetzt ist, beide Schule und Kirche, derselbige ist ein Ketzer und verkehrter Mensch. Denn Gott hat in dieser Schule am ersten sein Wort wiederum offenbaret und gereiniget, und mag jetzund diese Schule und Stadt, beide in der Lehre und Leben, mit allen andern verglichen werden; ob wir wohl nicht gar vollkommen, sondern noch gebrechlich sind im Leben. Die jetzt die höchsten und Vornehmesten Theologi und Gelehrten sind, die Haltens mit uns, als Amsdorf, Brentius, Regius, begehren unsere Freundschaft, schreiben uns; und Alle, die uns fliehen, heimlich auf uns stochern und uns übel Nachreden, die haben den Glauben verlassen und sind abgefallen, als Jäckel und Grickel, die könnens allein, und haben nichts von uns gelernet, wie Zwingel auch rühmet. Wer konnte etwas vor 25 Jahren? Wer stand mir bei vor 21 Jahren, da mich Gott wider mein Wissen und Willen ins Spiel führete? Aber Ladünkelein hat das Unglück.«
Von Graden und Promotionen in Universitäten, und von guten Künsten.
Anno 38. den andern Tag nach dem h. Christtage vermahnete D. M. L. das Volk in der Kirche, »daß sie die Ceremonien, so in Universitäten und Schulen gehalten und gebraucht würden, wollten ehrlich halten, Gotte zu Ehren und Ruhm, der Religion und dem Regiment zu Nutz; auf daß die Jugend erkenne und sehe, wie und wozu gute Künste nütz und noth sind;« und sagte, »wie einer vergleicht hätte einen Ungelehrten einem Todten, einen Gelehrten aber einem Lebendigen. Dazu zeuget die Erfahrung, daß Alle, die nicht studirt haben, klagen, und ist ihnen leid, daß sie gute Künste verachtet und in ihrer Jugend dieselben nicht gelernet haben, daß sie doch zum wenigsten hätten schreiben und lesen gelernet. Die Sprachen, sonderlich die lateinische, wissen, ist Allen nütze, auch Kriegs- und Kaufleuten, auf daß sie mit fremden Nationen sich bereden, und mit ihnen umgehen können, ohne Dolmetscher, und nicht allein deutsche Brüder bleiben. Ihr Aeltern (sprach er weiter,) könnt euren Kindern keinen bessern noch gewissern Schatz lassen, denn daß ihr sie lasset studiren und gute Künste lernen, Haus und Hof verbrennet und gehet dahin, Kunst aber ist gut zu tragen, und bleibt. Wenn man weit von einander ist mit dem Leibe, doch kann man mit Briefen und Schreiben gegenwärtig sein, und Einer mit dem Andern reden und sein Herz anzeigen; ich kann hie mit einem zu Rom reden durch Briefe.«
Gott erhält gute Künste und Schulen.
»Gott erhält Künste, nicht die Menschen; denn er richtet nur etliche Ingenia und Leute an, und machet sie geschickt zu einer jeglichen Facultät und Kunst, wie und so viel er will, durch welche, wiewohl unter großer Undankbarkeit, eine jegliche Kunst erhalten, lieb und werth gehalten und groß geachtet wird. Denn was in der Welt nicht geachtet und hoch gehalten wird, das muß nichts sein. Ein jung Weib oder Jungfrau, sie sei so schön, als sie immer kann, wenn sie nicht Liebhaber hat, so ist doch ein kleiner Unterscheid zwischen ihr und einer häßlichen.«
Was Dialectica sei.
»Dialectica ist eine hohe Kunst, redet einfältig, schlecht und gerecht; als wenn ich sage: Gib mir zu trinken. Rhetorica aber schmückts, und spricht: Gib mir des lieblichen Safts im Keller, das fein krause stehet und die Leute fröhlich macht.«
Von der Dialectica.
D. Henning fragte: »Ob ein Dialecticus, der es aus dem Buch gelernt hat, könne von allen Händeln richtig und ordentlich lehren, oder, ob ers nicht müßte aus der Erfahrung gelernt haben.« Antwort: »Dialectica lehret noch gibt das Vermögen nicht, der sie schon gelernt hat und wohl kann, von allen Sachen zu lehren; sondern ist nur ein Instrument und Werkzeug, dadurch wir fein richtig und ordentlich lehren, was wir wissen und verstehen. Denn, daß ich sollte reden vom Bergwerk, vom Schösseramt usw., das kann ich nicht, denn ich weiß nicht, wie man senken oder schürfen soll, oder wie die Gänge streichen, als die Häuer wissen; wenn ich aber dasselbige versucht und gelernt hätte, so wollte ich daß wissen davon zu reden, denn irgend ein Steiger. Dialectica gibt nicht die Materie, davon man reden und lehren will; sondern lehret nur, wie man fein ordentlich, eigentlich und richtig, kurz und einfältig davon lehren und reden soll.«
Da sagte Henning: Ich müßte lange in Büchern studiren, daß ich von allen Dingen reden könnte. Darauf sprach D. M. L.: »Dieß ist die natürliche Dialectica, so uns angeboren ist; jene aber ist künstlich, die man aus den Büchern in der Schule lernet.
M. Ph. Melanchthon hat gute Künste illustriret und erkläret, und lehret sie also, daß sie, die guten Künste, nicht ihn gelehret haben. Ich bringe meine Kunst in die Bücher, und nehme sie nicht aus den Büchern.
Wenn nun ein närrischer Fürst, Rath, Lector und Theologus wollte Kurfürst Friederichs zu Sachsen, Herrn Fabians von Feilitzschen, M. Philippsen und meinem Rath, Verstande und Weisheit nachahmen, und meinete, er wollt es so gut machen und wohl treffen, als die hohen Wunder-Leute; das wird er wohl lassen müssen; er muß von ihnen lernen; denn solcher Leute sind nicht viel. Darum gehören die Gesetze und Rechte für den Pöbel und gemeinen Mann, und großen Haufen in der Welt, Vernunft aber, Verstand und Weisheit für sonderliche, einzele Leute. Jene werden regieret; diese regieren mit Gesetzen und nach beschriebenen Rechten. Gut wäre es wohl, daß man nur nach der Vernunft allein regierte; aber wo sind solche verständige Leute? Darum müssen wir beschriebener Rechte brauchen, und darnach regieren, Alles nach Gelegenheit der Umstände. Denn Summum ius, summa iniuria; das schärfste Recht ist das größte Unrecht, sagt man, und ist wahr; wie junge unerfahrne Regenten, Räthe, Juristen und Theologi pflegen zu thun.
Dialectica ist eine nützliche und nöthige Kunst, die man billig studiren und lernen soll, wie die Arithmetica und Rechenkunst. Und wiewohl etliche scharfsinnige Köpfe von Natur etwas in Sachen schließen und rechnen können, aus dem Sinn; doch ists ungewiß und fährlich, wo die Kunst nicht auch dazu kömmt und hilft. Denn die Dialectica weiset fein den Weg, wie man ordentlich und richtig von Sachen reden soll, woher mans nehmen, und was recht oder unrecht, eigentlich und gewiß erkennen, und richten oder urtheilen soll.«
Von Disputationen.
Doctor Martinus Luther sagte von den Disputationen in Schulen, die man Circulares nennet, und in Facultäten umgingen, ordentlich nach der Reihe, »daß dieselbigen jungen Gesellen, so studirten, großen Nutzen brächten; denn man führete die stolzen Gesellen unter die Ruthe, auf daß sie erfahren, wie geschickt sie seien. Darum gefällt mirs wohl, und lobe es, daß junge Leute und Studenten Argumenta auch Vorbringen, sie seien nun, wie gut sie können, und mir mißfällt, daß es M. Ph. so genau und scharf suchet, und die armen Gesellen so balde überrumpelt; man muß je auf der Treppen, von einer Stufen zu der andern hinauf gehen. Niemand wird plötzlich der höchste.«
Wöchentliche Disputationes.
Doctor Martinus Luther lobete sehr die circulares Disputationes, »denn solche Vorbereitung diene dazu vornehmlich, daß junge Gesellen geübet und versucht werden, den Sachen, davon man disputiret, fleißiger nachzudenken und zu suchen, wenn man nur sittig nach der Wahrheit forschet, nicht allein Ehre und Ruhm, Gezänk und Hader suchet.
Etwan bei den Alten sind solche Disputationes sehr gemein gewest, und oft gehalten worden; aber es mangelte ihnen dazumal an der Materie, wußtens nicht zu brauchen, verstanden die Händel nicht recht; wir aber haben Materie, Gott Lob, genug, und die rechte Wahrheit, liegen aber und schnarchen; darum wollen wir solche Disputationes, wills Gott, wieder anrichten. Wenn gleich junge Gesellen nicht so gar geschickt dazu seien, noch so gut machen und eigentlich treffen, was schadets? wenn nur nicht Bosheit, Stolz und Vermessenheit dabei ist, als wären sie Meister Klügel. Es ist genug, ein guter Wille, daß sie es gerne thun wollten; wie man sagt: Der Henker führe einen weg, der es besser will machen, denn er kann. In magnis etiam sat est voluisse. Keiner wird bald Doctor; denn es ist kein Baum, der zuvor nicht wäre ein Sträuchlein gewest. Es gehöret Zeit dazu: Tempus producit, non ager; Zeit bringet Rosen. Darum loben wir den guten Willen der jungen Gesellen. Also saget Augustinus: Gott krönet inwendig den guten Willen, obwohl von außen das Vermögen nicht da ist; aber Hoffart und Vermessenheit machet herwiederum den Willen und das Vermögen zu Schanden.«
Schulen erhalten die Kirche.
»Wenn Schulen zunehmen, so stehet's wohl, und die Kirche bleibt rechtschaffen; ja, so auch die Lehre rein ist. Laßt uns nur Doctor und Magister heißen; junge Schüler und Studenten sind der Kirchen Samen und Quellen. Wenn wir nun todt sind, wo wären Andere, so an unsere Statt träten, wenn nicht Schulen wären? Um der Kirche willen muß man christliche Schulen haben und erhalten; denn Gott erhält die Kirche durch Schulen, Schulen erhalten die Kirche. Sie haben wol kein hübsch Ansehen, sind aber sehr nützlich und nöthig. In Schulen haben die kleinen Knäblein dennoch das Pater noster, Vater Unser und den Glauben gelernt, und sind die Kirchen durch die kleinen Schulen wunderlich erhalten worden.«
Der Heiden Vernunft und Theologia.
»Die Philosophie ist der Heiden Vernunft und Theologia; rechtschaffene wahrhaftige Historien, auch bei den Heiden, zeigen an Gottes Willen, wie stumme Buchstaben.«