Timm Kröger
Des Lebens Wegzölle
Timm Kröger

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23

»Klaus im Moor, sagt man, ist ganz schlecht«, fing Johann an.

»Das ist er ja schon lange«, antwortete der Bauer.

»Aber diesmal geht es wohl zu Ende. Wieb hat Boten an den Propsten geschickt, Klaus will das Nachtmahl haben.«

Hinnerk antwortete nichts, er und Johann gingen nebeneinander her.

Hinnerk Schmidt und sein getreuer Johann gingen zum Düngerspreiten übers Feld, und es war ein nasses, ungemütliches Wetter. Das Gewitter war in einen Landregen übergegangen, nun regnete es schon mehrere Tage, und weder mit dem Dünger, den man auf die für die Wintersaat bestimmten Felder brachte, noch mit der Nachmahd hatte es rechten Fortgang.

»Anna Rühmannsch«, fing Johann wieder an, »sagt, daß Klaus falsch geflucht.«

»Es läßt sich viel sagen.«

Hinnerk Schmidt schritt noch einmal so weit aus, und hart und scharf fielen die Worte von seinen Lippen. – Rühmannsch sagts, die ganze Welt sagts. – Er preßte die Lippen fest aufeinander, als könnte er dadurch Johann und auch sein Gewissen stumm machen.

Sie gingen über die Bleicherkoppel, nahmen einen Knick und den darüber führenden Steg und waren nun auf dem Hahnenkamp.

›Was der Bauer wohl hat?‹ dachte Johann. Er konnte das unnatürliche wortlose Nebeneinanderhergehen nicht leiden, um so weniger, als er selten mit den anderen Knechten zusammen arbeitete. So wußte er denn auch nichts von seines Herrn gerichtlichen Sachen.

Und es brach wieder bei ihm durch: »Wunderlich ist doch, daß die Swind bei Klaus kommen ist, als er geschworen hat! Und was fiel er aus dem Zeug und was wurde er klein und krückelig in der Büx. Wie ne Räucherwurst in der Pelle.«

Und dem Bauern war plötzlich zumute, als ob auch er abmagern müsse, ja, als ob er schon mager geworden sei, als ob ihm jedermann von hinten am schlotternden Blauzeug ansehen müsse, daß er falsch geschworen habe.

»Andere Leute kriegen doch auch die Swind.«

Es klang beinahe bittend, wie er das sagte. Und er setzte seinen Fuß auf das nach Nachbar Sievers Moorkoppel hinüberleitende Steigbrett. Es war nichts mehr von barscher Bestimmtheit drin, es war gradezu Flehen, doch nicht alles auf den Schwur zurückzuführen.

»Dats wull wahr«, antwortete Johann.

Und sie schwiegen und gingen. Aber nach wenigen Schritten stand Johann still und zeigte auf ein ihnen entgegenkommendes Mädchen. »Süh, da ist das Frauensmensch auch ja wieder zu Gang.«

Es war die Rühmann; Hinnerk Schmidt nahm große Schritte, Johann trat in seine Spuren und dem Bauer war zumute, als sei der Knecht sein Gewissen, das aufgeplusterte Frauenzimmer aber mit seinem nackten Hals und mit den nackten Armen, als sei das die ihm nachjagende Rache.

Aber dann besann er sich darauf, daß er vor dem Richtertisch nach seiner besten Überzeugung geschworen habe. Und als er sich darauf besonnen hatte, stellte er sich wie früher das Zeugnis aus, ein Kind des Lichts zu sein.

Doch wieder weckte ihn Johann. »Es muß nicht schön sein, auf dem Letzten zu liegen, wenn man falsch Eid getan hat.«

›Wie wird mir in der Todesstunde sein!‹ dachte Hinnerk.

»In die Hölle kommen und immer brennen«, sprach Johann.

Schweigen.

»Ob ein falscher Eid wohl vergeben werden kann?« Johann gab sich selbst die Antwort: »Ich glaube nicht.«

Da wendete Hinnerk Schmidt sich um, er hatte einen roten Kopf. »Halt den Mund, Johann, versündige dich nicht. Wenn Klaus geschworen hat, wird er auch wissen, daß ers konnte.«

Hinnerk Schmidt richtete seine Augen zum Wolkendach des Himmels. ›Der weiß, Johann, der wird richten.‹ So ungefähr hatte er sagen wollen, aber er brachte den Anruf des Ewigen nicht über die Lippen.

Die Wolken zogen und ballten sich, eine stand hoch und weiß in blauer Luft. Dem Bauer von Westerhausen kam sie wie Gottes Richterstuhl vor, und der Allerhöchste saß darauf. Hinnerk Schmidt sah auch die Schale des Zorns in seinen Händen.


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