Timm Kröger
Des Lebens Wegzölle
Timm Kröger

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8

Alle Leute nahmen für den Steinhofbauer Partei. Daß jeder seinen Knick dicht halten müsse, war im Dorf fester Brauch; Hans Rohwer hatte bei Peter angesagt, hatte ihn gewarnt – was wollte der weiter? Hatte er nicht dicht gemacht, und Hans Rohwers Kühe gingen in seinen Roggen: – es war sein Schade. Und nun gar schütten! Was die Gesetze darüber sagten, das sei ganz einerlei. Unverständig war es selbst dann, wenn die Gesetze es erlaubten. Solche Sachen machte man freundschaftlich, mit Zuziehung zweier getreuer Nachbarn ab. Und nun gar gegenüber einem Großen wie Hans Rohwer! War Hans Rohwer vom Steinhof ihm nicht sicher genug? War der ein Schusterjunge? Es blieb bestehen für und für: der Zollhauswirt war ein Stänker, ein Streitsüchtiger, er hatte einen Querkopf, und der war ihm mal ordentlich gewaschen worden. Das war ganz gut.

Die fünf Kühe vom Steinhof standen im Stall des Zollhauses. Peter fütterte sie und nahm die Milch. Das sei sein Recht, hatte Georg Heinrich Joens gesagt. Gleich am andern Tag war der Knecht vom Steinhof gekommen, das Vieh abzuholen, Peter hatte ihm aber nicht schlecht heimgeleuchtet. Man sah den Wirt noch lange ohne Rock und Mütze, in Weste und Überhemd auf windigem Weg stehen, handschlagen und für sich hinschelten.

Im Laufe des Vormittags kam ein Steinhofer Bauwagen nach dem Moor über die Brücke zugefahren, ohne anzuhalten und den Wegzoll zu zahlen. Als er zurückkam, wurde er von Peter gestellt. Der Knecht erklärte aber, von seinem Herrn ausdrücklich angewiesen zu sein, nichts zu zahlen. Peter, der noch immer ein aufgeregter Peter war, versuchte, den Pferden in die Zügel zu fallen, konnte aber von Glück sagen, daß er nicht unter die Räder kam. So rasch trieb der Knecht die sich bäumenden Rosse an.

Zwischen Zollhaus und Steinhof war Kriegszustand. Zwei Tage arbeitete Peter Holling mit dem Ortszimmermann daran, den Schlagbaum und dessen Maschinerie wieder einzurichten. Das alte im Gras liegende Holz erwies sich als angefault, es mußte ein andrer Tannenbaum herbeigeschafft und eingerichtet werden. Nun war die Sache aber auch in Ordnung.

Und als die Sache in Ordnung war, kam auf einem blauen Leiterwagen Hans Rohwer in Person. Das Zollhaus kümmerte ihn nicht, das sah er gar nichts das war für ihn nicht vorhanden; er sah gerade aus und sah nach dem neuen Baum.

Da rasselte eine Kettenschnur, der neue Baum bewegte sich, verbeugte sich, verbeugte sich tief, ganz tief, bog sich ganz hinab und schnappte mit kurzem scharfen Geräusch – dicht vor Hans Rohwers Pferdeköpfen schnappte er ein.

Der Steinhofbauer sah es mit Gelassenheit an und blickte ordentlich ruhig und wohlwollend drein. Er hielt an, steckte die Peitsche ein und stieg ab. Dem Leitpferd löste er eine Stränge, band die Leine um den Deichselhaken, räusperte sich und ging mit ruhigen, wohlwollenden Schritten nach dem Zollhaus.

Peter Holling hatte das alles hinter dem Stubenfenster beobachtet. Nun öffnete er den Fensterflügel. Und die Nachbarn sahen sich in die Augen.

»A, Peter«, bat Hans in einem Ton, worin man nichts von Erregung hörte. »Willst nicht so gut sein und den Baum losmachen?«

Peter beherrschte sich, doch fiel ein bißchen geifernder Zorn von seinen Lippen. »Jawohl«, antwortete er. »Das kostet bloß zwei Schillinge. Und die vier Schillinge vom Donnerstag krieg ich denn auch wohl gleich.«

»Da bist du im Irrtum, Peter, Weggeld kannst du nicht verlangen.

»Ja, wenn du so gesinnt bist! Dann mach ich auch den Baum nicht los.«

»Das ist gut.«

Hans Rohwer kehrte nach seinem Fuhrwerk zurück. Immer sicher und wohlwollend und ruhig. Und hinten aus seinem Wagen zog er, sicher und wohlwollend und ruhig, so zog er etwas Langes heraus. Es war ein langer Stiel. Und auf dem langen Stiel saß eine blanke Art. Und mit der blanken, scharfen Axt schlug er in zwei wuchtigen, wohlwollend aussehenden Schlägen den neuen Baum und die neue Mechanik entzwei. Und stellte die Axt auf den Wagen, dicht bei seinem Sitz, und hakte die Stränge ein und löste die Zügel und stieg auf den Wagen und tat dies alles ruhig und sicher und wohlwollend. Und fuhr langsam durch das Mal und über die Brücke, ohne sich nach dem Zollhauswirt, der sich einstweilen auf gröhlendes Schelten beschränkte, umzusehen.


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