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Das Dorf legte sich ins Mittel. Wir wissen, daß es vergeblich geschah. Und dann gings los.
Der Prozeß oder vielmehr: die Prozesse gingen los. Der Klaggründe waren mancherlei: Beleidigung, Mißhandlung, Sachbeschädigung, Entschädigung wegen Viehübertritts, Herausgabe von zu Unrecht geschüttetem Vieh, Futtergeld, Früchte! – Sodann der Wegzoll: Possessorium, Petitorium, Zulässigkeit des Possessoriums? Zulässigkeit des Rechtsweges? Zuständigkeit? ... Es ging alles wirr durcheinander, es wurde alles streitig.
Der Fall Holling-Rohwer gehörte zu den Bündelprozessen. Um alle Hefte bindet der Sekretär eine Schnur und legt bei jedem Eingang zehn Pfund Akten in den stöhnenden Aktenständer des Richters. Der tägliche Arbeitsstoff erhält dadurch ein achtunggebietendes Aussehen.
Von den Geldern, die beide Parteien nach Gericht und Anwalt trugen oder schickten, wollen wir nicht reden; Peter Holling zahlte außerdem an seinen Linksanwalt Georg Heinrich Joens. Hans Rohwer ging einher, als wenn ihn die Sache nicht kümmere, sprach nur davon, wenn er gefragt wurde, und so kühl, als wenn nicht er sondern ein Bauer im Nachbardorf mit Peter Holling prozessiere. Reisen machte er nur, wenn sein Anwalt sie für nötig hielt, Peter Holling aber knatterte mit seinem gelben Kastenwagen Woche für Woche durch Schönmoor zur Stadt und bekam ein hektisches Aussehen.
Es regnete arrestatorische und andere Verfügungen, die meisten mit einer Spitze gegen Peter; im Dorf befestigte sich die Ansicht, daß Peter verlieren werde.
Inzwischen fuhr jeder über die Brücke, ohne Wegschoß zu zahlen. Die Aufrichtung des Schlagbaumes hatte das Gericht verboten. Viele lachten. Die Wirtschaft im Zollhaus ging schlechter.
Peter kaute die Lippen, aber er tröstete sich: »Laß sie nur!« Er legte ein Buch an, worin er Tag für Tag die Wagen, die vorüberfuhren, notierte. »Wer zuletzt lacht, lacht am besten. Wenn alles vorbei ist, komm ich mit meinen Rechnungen bei den Bauern für Brückengeld, bei Hans für Kosten und Schäden. Der Rückgang der Wirtschaft, alles kommt darauf. Da soll der große Hans, den nichts kümmert, wohl Augen machen. Dann soll es wohl ein Ende haben mit seinem Tu-man-so. Seine Ruhe, sein breiter Gang, sein Hülsenstock, es ist ja alles Schein vor den Leuten. Im Grunde ist er bang, daß ihm die Büx bewert.«
Die Prozesse hatten schon ein Jahr gedauert. Das Gericht forderte von Hans Rohwer einen Schwur, daß Peter ihm versprochen habe, die Meinerskoppel zu dichten. Es war nun nichts gewisser als das, Marie Olfers hatte es schon beschworen, aber Peter hatte sich eingeredet, er habe gesagt: vielleicht werde er es tun. Hans Rohwer ließ sich nicht beirren und schwor; Peter Holling nannte ihn laut vor Gericht einen Meineidigen und erhielt dafür zehn Taler Ordnungsstrafe.
Peter fuhr wütend nach Schönmoor. Joens übernahm es, ihn zu trösten. Sein unverständliches Gedröhne richtete Peter Hollings Zuversicht wirklich auf.
»Seid man ganz ruhig, Holling«, sagte der kluge Mann. »Euch die Privilegien wegnehmen, das wäre just so, als wenn der Amtmann, der Kirchspielvogt und der Pastor sich zusammentäten. Euch überfielen. Euch knebelten und vor Euren Augen das Geld aus dem Schrank nähmen. So weit sind wir denn doch noch nicht, das tut unsere Obrigkeit nicht. Ebensowenig wird sie Eure Privilegien für ungültig erklären, die sind so gut wie bar Geld.«
Hans Rohwer war zu Fuß nach Schönmoor gegangen; ein dort wohnhafter Schwager hatte angespannt. Aus der Stadt waren sie schon zwei Stunden vor Peter gefahren; Hans Rohwer war, wie Peter in Schönmoor hörte, gleich weitergegangen, Hans Detel Schulz war ihm begegnet. »Der ist schon längst in Steinhof«, sagte Hans Detel, als Peter ihn fragte. Peter fragte danach, weil er seinen Feind auf dem Weg nicht treffen wollte. Um keinen Preis!
Es dämmerte schon, als er mit seinem Kastenwagen von Georg Heinrich Joens Hofstelle rollte.
Bei Krischan Lembkes Wirtschaft kam ihm der Gedanke, seinem Berufsgenossen Verdienst und sich selber ein Glas Grog zu gönnen. Die Einfahrt war offen, der gelbe Karren fuhr auf Krischan Lembkes Diele.