Ferdinand Gregorovius
Gedichte
Ferdinand Gregorovius

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Vôcero
auf den Tod des Matteo eines Arztes.

(Dieses alte Lament aus dem Jahre 1745 wurde gesungen von einer Blutsverwandten des Todten. Als Chorführerin an der Spitze der Scirrata zur Klage gehend, kommt sie an eine Brücke und begegnet hier denen, welche den Todten nach seinem heimischen Dorfe tragen, worauf sie das Lament beginnt:)

                Wie ich an die Brücke kommen,
War es wie Wolken, die dort stunden;
Doch nicht Priester mit der Stola,
das Kreuz hab' ich gefunden.
Das Mandile nur alleine
Um den Hals ihm war gebunden.
(Indem sie den Leichnam zu grüßen sich weigert, noch irgend einem
ein Zeichen der Freundschaft geben will, fährt sie fort:
)
Setzet nieder hier Matteju,
Daß ich ihm die Hand mag reichen,
Andern will ich sie nicht geben,
Denn sie sind nicht Seinesgleichen.
O Matteju, meine Taube,
Du bist todt von ihren Streichen.

Ach! erhebe dich doch, Matteju,
Deine Krankheit wolle uns klagen.
Fieber ist es nicht gewesen,
Noch hat Schlagfluß dich erschlagen.
Deine Krankheit heißt Negretti
Und Natale muß man sagen.

Wenn die Not es hatte geboten,
Tint' und Feder zu beeilen,
Wenn nicht italienisch genügte,
Schrieb lateinisch er die Zeilen.
Ach! du konntest gehn nach Sorru,
Einen Kain selbst zu heilen.

(Eine andere Blutsverwandte des Todten kommt herbei und fällt ein:)
Wenn ich denke an meinen Vetter,
Fühl' ich die Erde zerspringen;
Wenn ich denke daß er gestorben,
Will mich Schauder all durchdringen.
Gehn wir weiter, liebe Nachbarn,
Daß wir heim die Leiche bringen.

Dieser war die Turteltaube,
Einem Bruder gleich geachtet,
War ein Schatz begehrt von Fremden,
Labsal dem der arm verschmachtet.
Wo er ging von den Balconen
Hat im Dorf man ihn betrachtet

Wütender bist du gewesen,
Denn ein Hund, o Hund Natale;
Weil er seinen Arzt verraten,
Wie der Judas nach dem Male.
Weil er wähnte, daß aus dem Blute
Man den Beuteteil ihm zahle.

Doch das Blut von dem Matteju
Ungerochen darf es nicht fließen.
Schuldlos habt ihr ihn erschlagen,
Und sein Blut sollt ihr nun büßen.
Ehe will ich zur Mohrin werden,
Als es ungerochen wissen.

(Die Chorführerin nimmt den Gesang auf:)
Ja! das Blut von dem Matteju
Wird in Bälde schon gerochen;
Denn es sind schon seine Brüder
Und die Vettern aufgebrochen.
Und wenn diese nicht genügen,
Hat's der ganze Stamm versprochen.
(Während der Leichenzug durch ein Dorf von Soro zieht, kommt
ein Paesan dieses Dorfes und bietet allein eine kleine Erfrischung,
aber die Chorführerin singt:
)
Nein, von euch in Sorru droben
Sei uns Labe nicht geboten.
Wir erwiesen euch nur Gutthat,
Uebles habt ihr uns entboten.
Den wir lebend euch gegeben,
Gebt zurück ihr uns als Todten.

Esset nur von eurem Brode,
Trinket nur von eurem Weine.
Denn wir wollen das nicht haben,
Wollen euer Blut alleine.
Einen schickten wir zum Buschwald,
Daß der Rächer uns erscheine.

Ist das nicht das Dorf da droben,
Wo mein Vetter mußte erblassen?
Möge Feuer es verschlingen,
Lieg' es verödet und verlassen!

(Eine Alte fällt ein:)
Stille, stille, o ihr Schwestern,
Hört nun auf mit diesem Toben.
Denn Matteju will nicht Rache,
Er ist nun im Himmel droben.

Schwestern seht auf diese Bahre,
Seht das Kreuz darüber schweben.
Jesus Christus will uns lehren,
Unsern Feinden zu vergeben.
Stachelt nicht die Männer weiter,
Sturm genug hat ja das Leben.
Heute stehn wir noch in Gnaden,
Morgen ach! schon fluchbeladen.


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