|
Ninfa, versunkene Stadt, lenzgrüne Gruft,
Behausung für die Kinder nun der Luft,
Die dich in Epheuschleier ganz verhüllen,
Mit Blumenwäldern deine Trümmer füllen,
Und Blätterharfen halten aufgespannt,
Drauf Lieder spielt des Windes Meisterhand
In Tönen wunderbar: könnt' ich dich malen,
Wie dich der Abend malt in Purpurstralen,
Verhaucht er sein phantastisch Glutenbild
Auf deine Türme schauerlich und wild!
Pontinische Haiden hier, wo dunkle Seen
Mit wellenlosen Fluten dampfend stehn,
Und Moore brodeln schwarz und rostig rot,
Wie Kessel, darin ekle Hexen Tod
Giftmischend brau'n und Pest und faule Fieber.
Kaum streift ein Vogel an dem Pfuhl vorüber,
Und kaum erschallt ein Ton. Hier warf der Tag,
Daß nichts fortan ihr mehr entquellen mag,
Verzweifelnd seine Urne in den Sumpf.
Hier wittern die Jahrhunderte so dumpf
Wie Stunden leeren Schlafs; der Zeit nur richten
Sie Pyramiden auf ans Moderschichten.
Nun wieder Wälder hoch und wipfelprächtig,
Gedankenstill, von Schatten mitternächtig,
So tief, so ernst, als wandelten allein
Erinnyen in ihrem Purpurschein.
Es drückt in heißer Liebewut Entflammen
Bacchantischer Epheu wild den Forst zusammen,
Und Winde häufen Blätter dürre, bleiche
Als Bahre für des holden Sommers Leiche,
Die durch den Wald am Blumenhaar sie schleifen,
Und klagend dann im tiefsten Sumpf ersäufen.
Sieh' moosige Türme, die gen Himmel glühn
Und Mauern, die vom Ginster lachend blühn,
Und Kirchen, die in Rankendämmerungen
Der epheuarmige Tod so fest umschlungen!
Dies ist Ninfa! einst eine Stadt voll Glanz,
Verlassen nun und leer, ein welker Kranz,
Den einst das thatenvolle Leben wand,
Und dann die Zeit wegwarf aus ihrer Hand.
Feind war der Lenz, der sie im Sturm verheert;
Ja, Blumen haben diese Stadt zerstört.
Rings Ranken, die den goldnen Tag verdüstern,
Es rauscht und weht ihr unablässig Flüstern;
Hier ist Prophetenzunge jedes Blatt,
Von Blumenglocken hallt die ganze Stadt.
Verfallene Kirchen, geisterstill und grün,
Durch deren Hallen Winde pilgernd ziehn!
Der Epheu kriecht um blasse Heil'ge schon
Und deckt ihr Angesicht mit leisem Hohn,
Blickt es erzürnt noch auf des Nimbus Glanze
Den Blumen zu und ihrem frohen Tanze;
Denn in des Dufts mänadenhaften Schleiern,
Sieht es die ketzerischen Rosen feiern
Den Dienst im Tempel, draus der Mönch entflohn.
Noch ragt am Kreuz auf morschem Leidenstron
Das hohe Bild empor vom Gottessohn.
Es schweben auch, dem Herrn zu jeder Seite,
Die Schacher noch, sein trauriges Geleite,
Wie graue Habichte, die an die Wand
Der Jäger schlug, die Flügel ausgespannt.
Der Dornbusch wildert um die faulen Stämme,
Dran hangen Flechten, Venushaar und Schwämme.
Die Kreuze neigen sich – sie sinken linde,
Sie werden fallen bei dem nächsten Winde.
O Christentum, wirst du vergehn gleich allen
Religionen, die vor dir gefallen
Und nur im Marmor und im Namen fort
Noch dauern sowie im entseelten Wort,
Gedächtniß nur? der längst vergangnen Zeit
Zerstörter Palast, ein entfärbtes Kleid,
Darein sich Denken nimmer hüllt? Und bleichen
Im Staub dereinst die altehrwürd'gen Zeichen,
Vor denen einst im gläubigen Gebet
Die Menschheit sich ein himmlisch Heil erfleht?
Ja, werden sie dann sein verschollne Sagen,
Wie jene Götter aus der Vorwelt Tagen,
Nur Forscher reizend auf des Wissens Spur,
Nichts mehr als Isis und Osiris nur?
Wird einst aus des Sanct-Peters hohen Mauern
Der Dornstrauch wehn, der bleiche Grashalm trauern?
Und werden ragen sie dereinst aus Moder,
So düster wie Ruinen Balbecks, oder
Die Burg des Palatin und Zions Trümmer,
Wenn einst bei eines Fackellichtes Schimmer
Neugierig dort der Fremdling steigt umher
In Hallen still und schauerlich und leer,
Und staunt, wie auch des Priestertumes Macht
Bedeckt die zweite Katakombennacht,
Und lauscht, wie es dort wankt durch's Labyrint?
Um riesige Pilaster pfeift der Wind,
Die graue Eule flattert ein und aus,
Und singt ihr Nachtlied in der Päpste Haus.
Ja, deckt das alles einst in tiefer Ruh,
Wie Ninfa hier, der grüne Epheu zu?
Wer gibt mir Antwort? Tiefstes Schweigen!
Hier sind nur Halme, die sich nickend neigen;
Hier rauscht allein, Vergessenheit, dein Strom;
Hier wölbt Natur des Schweigens schönen Dom.
Der Wandrer wird, wie hier erschreckt er weilt,
Von der geheimnißvollen Nacht ereilt
Indessen Stimmen, die bald nahn, bald fliehn,
In ihren Bann geheimnisvoll ihn ziehn. |
|
Eulenschrei und Mondesstral,
Meteore wüst und fahl,
Und der Winde Geisterchor
Rütteln mich vom Schlaf empor.
Wie sieht aus die Erde, seit
Ich verträumt so lange Zeit?
Kirchentrümmer rings umher . . .
Ist das Christenreich nicht mehr?
In dem sommernden Gewilder
Die versunk'nen Götzenbilder –
Und ich selbst von Epheuranken
Rings umschwebt, die um mich schwanken,
Diese Kreuze neben mir,
Auch der Christ bemoost wie wir,
In den menschenöden Gassen
Schon vergessen und verlassen?
Bei der Sterne falbem Schimmer,
In dem Buche dieser Trümmer
Kann hohnlachend ich es lesen,
Was da kommt, und was gewesen.
Konnte Er das Heil gewähren?
Machtlos blieben seine Lehren;
Lucifer beherrscht die Welt;
Der Meduse Viper hält
Noch ihr häßlich Haupt umschlungen.
Hat der Mensch auch viel bezwungen,
Schafft ihm dennoch Götzen neu
Priesterlist und Tyrannei.
Soll die Erde ich betrauern?
Ihrer Torheit Felsen dauern
Länger als Cyclopenmauern.
Häng' ich hier noch tausend Jahr,
Bleibt der Mensch doch, was er war,
Solch ein Tropf, wie an dem Tag,
Da zum Weib die Schlange sprach.
Abels Blut strömt fort auf Erden;
Ja, zum Kain ewig werden
Muß, was in dem Staub erzeugt,
Nackt dem Mutterschoß entsteigt.
Wurm des Augenblicks, voll Gier
Nagt's der Erde Rinden hier.
Und der Herr treibt seine Welt,
Drauf er so am Faden hält
Puppen, die mit Hochgefühlen
Ihres Seins Vernichtung spielen.
Ihrer Thaten laut Gepränge,
Der Begierden wüste Menge,
Ihre Götter, ihre Kraft,
Ihre ganze Wissenschaft
Sind so abgeschmackt und klein,
Daß die Welt nur wert, zu sein
Der Geschöpfe Rabenstein.
Ich, der alte Christverächter,
Stimme ein in's Hohngelächter
Dieser Eule. – Komm', o Wind,
Wieg' in Schlaf mich ein geschwind,
Gleich dem rost'gen Wetterhahne;
Denn es führt in ihrer Fahne
Diese Menschheit ewig wol
Mich, den Schächer, ihr Symbol. |
|
Geister rufen durch die Nacht –
Aus dem Schlaf bin ich erwacht. –
Auch der Furie grimmer Sohn
Sprach vom Kreuz herab voll Hohn
Flüche, die mir nimmer rauben
An das Ideal den Glauben.
Naht sich schon die große Stunde,
Wo ich ruh' im Epheugrunde,
Wenn vom morschen Holz der Pein
Mich die Liebe wird befrei'n,
Wenn den todten Seraph hier,
Der noch duldet neben mir,
Aus dem Schlummer, der ihn deckt,
Einst der neue Geist erweckt?
Horch! Ein Bröckeln durch die Welt
Hört man, Wahn um Wahn zerfällt;
Von dem Turm der Priesterfabel,
Von dem alt' und neuen Babel
Hat die Hand der mächt'gen Zeit
Steine rings herabgestreut.
Hell und heller wird die Erde
Von den Flammen, die am Herde
Des Gedankens schaffend sprühn;
Ihre Feuerkreise ziehn
Weiter, bis das eine Licht
Alle Finsterniß durchbricht.
Ja, die Sühnung wird vollendet
Und Vergebung mir gespendet.
Frieden wird die Menschheit haben,
Wenn den Schächer sie begraben.
Dann versinket morsch und alt
Unsrer Kreuze Mißgestalt;
Ja, dann deckt zu ew'ger Ruh
Uns der Epheu endlich zu.
Morgen wird's, der Glühwurm blaßt,
Und mein leises Ohr erfaßt
Schon die Cherubim dort oben,
Die den Herrn im Liede loben. |