Ferdinand Gregorovius
Gedichte
Ferdinand Gregorovius

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

II.
Corsische Wanderung.
1852.

Banditen-Rast.

        Will schon den Berg von Tox die Nacht bedecken,
Darf sorglos sich das Wild zum Schlummer strecken;
Der Eber schläft im Busch, der Falk im Ast,
Auf Klippen hält das Wildschaf seine Rast.

Sie liegen sicher, Nacht wird sie behüten,
Im Berg allein sind schlaflos die Banditen,
Des Buschwalds Klausner, die von Ort zu Ort,
Die Rache jagt und haßbeschwingter Mord.

Kein Feuer brennt, es könnte sie verraten,
Die Häscher schleichen an den Felsengraten;
Der blutigrote Mond am Himmel wacht,
Aus tausend Sternen zielt auf sie die Nacht.

Die Flinte in der Faust, im Gurt das Eisen,
Pistolen auch, die ihre Läufe weisen,
Sitzt Xaver da, ein Antlitz, wild und bleich,
Scheint er dem strupp'gen Felsenuhu gleich.

Nur manchmal blickt er zum Genossen nieder,
Der neben ihm im Busche streckt die Glieder;
Sieht er des Jünglings schlummernde Gestalt,
Welch bittres Lächeln um den Mund ihm wallt!

Sein Schlaf ist Flucht; er stöhnt im bangen Traume;
So leise schläft das Blatt am Espenbaume,
Das immer lauschend schon in Aengsten bebt,
Wenn nur ein schleichend Lüftchen sich erhebt.

Es gähnt die Nacht – wie schwarz die Fichten ragen,
Am Berg die Quellen unterirdisch nagen,
Wie sich Gewissensbiß mit scharfem Zahn
Durchs Herz des Mörders frißt die dunkle Bahn.

War das ein Schrei? nun wieder dumpfes Schweigen!
Es klagt der Wind wol in den Lärchenzweigen,
Der Rabe schrie vielleicht auf dürrem Baum,
Die Seele schrie vielleicht im wüsten Traum.

Und manchmal dröhnt's in schauerlichen Schlägen,
Als wollt' der plumpe Berg sich plötzlich regen,
Und schüttelt ab von seinen busch'gen Brau'n
Der öden Einsamkeit mittnächt'ges Graun.

Kurz ist die Nacht, ihr Sandkorn will verrinnen,
Schon graut es witternd um die Bergeszinnen;
Die Magier des Osten stralen auf,
Der Tag ist nah und ungewiß sein Lauf.

Und auf die Berge tritt der junge Morgen,
Als wie ein Hirtenkind im Fels geborgen,
Das rosenwangig aus der Grotte geht,
Die Flöte an dem Mund, und lächelt sein Gebet.

Da wie die Adler, die sich plötzlich heben
Vom Felsennest, und still zu Walde streben,
Aufspringen sie; nun setzen über Fels und Schlucht
Die Rächer fort die ungeheure Flucht.


 << zurück weiter >>