Ferdinand Gregorovius
Gedichte
Ferdinand Gregorovius

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Toscanische Melodieen.

(Nach Texten aus dem Volk.)

An ***

diese Feldblumen.

        Wir sind Kinder der Secunde,
    Und vergehen bald;
Ueber Woche nicht und Stunde
    Haben wir Gewalt.

Holde Geister sind wir jener
    Freude die erblüht,
Als die längsten Freuden schöner,
    Wandernd im Gemüt.

In des Lebens Pilgertume,
    Seinem Leid und Glück,
Ist ja auch die schönste Blume
    Nur der Augenblick.

Rom, 10. April 1863.
 
I.
                  Ich schick' dir die Vögel als Boten,
Denn and're Diener hab' ich ja nicht;
Sie setzen sich auf die Bäume und Rosen;
Sie sind so müde von all' dem Fliegen;
Sie setzen sich auf die Bäume von Pisa;
Ich schick' dir viel Grüße, du schönste der Rosen;
Sie setzen sich auf die Bäume von Livorno,
Ich lasse dich grüßen, du Blumengesicht.
II.
        Wenn dein Bildniß wäre gemalet,
Und zum König der Heiden gesandt,
Mit seinen Schätzen hätt' er's bezahlet,
Er gäb' dir die Kron' in die Hand;
Und ließe verkünden die Lehren
Vom Herrn Jesu in seinem Reich,
Und daß sie sich sollten bekehren,
Und dich lieben zugleich;
Alle Heiden sich sollten bekehren,
Und dich lieben zugleich.
III.
        O Sonne, o Sonne, du ziehest
Wol über die Berge und Höh'n,
So grüße mein herziges Liebchen
Ich hab's heut' nimmer geseh'n.

O Sonne, dort drüben am Hause
Zwei Weiden, zwei Weiden wehn;
Vor ihrem offenen Fenster
Zwei Lorbeerrosen steh'n.

O scheidende Sonne, du ziehest
Wol über die Berge und Höh'n,
So grüße mein herziges Liebchen,
Die dunkeln Augen mir schön.

IV.
        Ich gehe des Nachts, wie der Mond thut gehn,
Ich suche, wo den Geliebten sie haben;
Da hab' ich den Tod, den finstern, gesehn,
Er sprach: such' nicht, ich hab' ihn begraben.
V.
        Ich bin klein, und hab' noch nicht zehn Jahre,
Bin geschrieben schon in's Buch der Liebe.
Nahmen mir das Kleid, das schöne, klare,
Gaben ein braun Kleid mir gar zu trübe;
Dunkles Kleidchen, Gürtelchen von Silber.
So wie meine, gibt's mehr keine Liebe,
Wären gleich von ihr viel hundert Arten.
Dunkles Kleidchen, Gürtelchen von Silber;
So wie meine, gibt's mehr keine Liebe,
Wenn von ihr gleich tausend Arten wären.
VI.
        Ich will ein Haus mir bauen,
Das soll von Seufzern sein;
Den Kalk mit Tränen lösch' ich,
Mit Tränenflut allein.

In's Haus will ich mich schließen,
So lange wohn' ich da,
Bis meine erste Liebe
Ich wiederkommen sah.

Und will in's Haus mich schließen,
Und klagen ungestört,
Will alle Sterne zählen,
Bis Er mir wiederkehrt.

VII.
        Liebe Schwalbe, kleine Schwalbe,
Du fliegst auf und singst so früh,
Streuest durch die Himmelsbläue
Deine süße Melodie.

Die da schlafen noch am Morgen,
Alle Liebende in Ruh',
Mit dem zwitschernden Gesange
Die Versunk'nen weckest du.

Auf! nun auf! ihr Liebesschläfer,
Weil die Morgenschwalbe rief:
Denn die Nacht wird den betrügen,
Der den hellen Tag verschlief.

VIII.
        Klagen ist der Mond gekommen
Vor der Sonne Angesicht
Soll ihm noch der Himmel frommen,
Da du Glanz ihm nahmst und Licht?

Seine Sterne ging er zählen,
Und er will vor Leid vergehn:
Zwei der schönsten Sterne fehlen,
Die in Deinem Antlitz stehn.

IX.
        Ich sah am Fenster drei Mädchen,
Die Blicke mir zugewandt;
Sie haben mir plötzlich drei Pfeile
Der Liebe hinunter gesandt.

Die eine traf mir die Stirne,
Die and're das Haupt mit Schmerz;
Das allerschönste der Mädchen,
Es traf mich mitten in's Herz.

Einen Glückwunsch send' ich der Guten
Und schönen Dank zurück;
Der Aeltesten aber der Schwestern
Empfehl' ich mein Herzensgeschick.

X.
                O Rose, o Rose, o Rose so klar,
Wie dich so schön doch die Mutter gebar!
Sie gebar dich so schön, sie steckt dir in's Haar
Eine Blume, und stellt' dich an's Fenster,
An's Fenster, um Liebe zu kosen.
Sie gab dir in's Haar eine Rosen,
Eine Rose in's Haar, und stellt' dich an's Fenster,
Den Bräutigam dir zu erlosen.
XI.
              Er.
Sprich, o Mädchen, wer wird erben
Deine Schönheit vor dem Sterben?
Laß mich diesen Schatz erwerben,
Weil ich doch so lieb dich habe.
        Sie.
Keiner, keiner soll ihn erben,
Mag die Schönheit nur verderben,
Und zergehn in lauter Scherben,
Will sie tragen bis zum Grabe.
XII.
        Eh' du, Liebliche, die Augen
Lachend zu den meinen lenkst,
Eh' du wieder sie mit einmal
Auf den Busen sinnend senkst:
Woll's mit Zeichen mir verkünden,
Daß ich mag mein Herze binden,
Und mit Kraft es zügelnd halten;
Denn es möchte sonst vor Lust,
Vor den großen Liebgewalten
Mir entspringen aus der Brust;
Daß derweil ich's möge binden,
Eh' mir's jauchzend will entschwinden.
XIII.
        Ich sah ein lichtes Wölkchen
In blauen Lüften wehn,
Das that aus Liebe wandern,
Zur Sonne reisen gehn.

Und seh' ich dich, o Jüngling,
Spazieren dort und hier,
So denk' ich auch, du thust es
Allein aus Lieb' zu mir.

Und trittst du aus dem Hause,
Dann werfen dir im Nu
Die Rosen auf der Straße
Die Blumenschlingen zu.

XIV.
        Willst du todt sehn deinen Sklaven,
Laß dein Haar unaufgerollt,
Laß es fließen um die Schulter,
Lockenströme wie von Gold.

Goldne Fäden sind die Locken,
Schön das Haar, und wer es trägt,
Goldne Fäden, feine Seiden,
Schön das Haar, und wer es strählt.

XV.
                  Zwei herbe Limonen hab' ich gesehn,
Sie reiften durch Liebe der Sonnen:
Zwei Schlangen sah ich durch's Wasser gehn,
Sie schwammen in Liebe und Wonnen.

Durchs Wasser wollt' ich wol schießen,
Als wie der bewegliche Aal;
Für einen von deinen Grüßen,
Da grüß' ich dich tausend Mal.

XVI.
        Und ob du mich ließest
So Nächte wie Tag,
Und ob du mich fliehest,
Ich folge dir nach.

Und ob du auch eilest,
Und wanderst so sehr,
Weit über dem Meere,
Ich folg' dir auf's Meer;

Mit Nöten und Kummer
Durch Meere und Welt,
Durch Welten und Meere,
Wohin dir's gefällt.

XVII.
        Ob du, Täubchen, deinen Flug genommen
Durch die Lüfte, bis zum Himmelszelt;
Ob du schweifest durch die weite Welt,
Mußt doch einmal in die Hand mir kommen.
XVIII.
        Wenn's die Bäume könnten klagen,
Wenn die Blätter Zungen wären,
Und die Welt Papier zum schreiben,
Tint' das Wasser in den Meeren,
Federn, Blumen nicht zu zählen,
Möchte doch manch Blatt mir fehlen,
Meine Liebe dir zu sagen.
XIX.
        Will dich lehren was von Liebe,
Stehe auf am Morgen früh,
Eine Lilie aus dem Garten
Von dem Stengel breche sie.

Setz' an's Feuer sie ein Stündchen,
Laß sie länger kochen nicht:
Und dann wasche mit den Händchen
Dir dein liebes Angesicht.

XX.
        Junger Knabe, der du gehest
Auf und ab am Fenster hier,
Laß dein Wandern nur, o Knabe,
Denn ich singe nicht zu dir.

Meine Weise gilt dem Liebsten,
Der ist gangen ans dem Tal;
Seine Schönheit blühet schöner,
Als die deine tausend Mal.

Heller blühet seine Farbe,
Als die Au, die er verließ;
Auf die Erde ist er kommen,
Und er kam vom Paradies.

XXI.
        Richten will ich Tisch und Gastmal,
Laden die unselig lieben;
Und mein Herz geb' ich zu essen,
Und zu trinken ihnen Tränen.
Seufzer, Klagen sind die Diener,
Die Verliebten zu bedienen;
Und der Schenk soll schwarzer Tod sein;
Weint ihr Steine, seufzt ihr Mauern!
Heil'ger Tod, das soll der Schenk sein;
Steine, seufzt, und rufet Ach! nur.
XXII.
        Die Turteltaube ist blieben allein,
Nun sucht sie den Bulen der Liebe;
Kommt sie an's Bächlein, taucht sie darein,
Ist es ein klares, macht sie es trübe.

Dann schlägt sie das Herz mit den Flügeln,
Und eilet hinweg, und klaget: o Liebe!
Und schlägt sich an's Herz mit den Flügeln,
Und jammert und klagt: unselige Liebe!

XXIII.
        Blaues Sternlein, du sollst schweigen,
Das Geheimniß gib nicht kund,
Sollst nicht allen Leuten zeigen
Unsern stillen Liebesbund.

Mögen and're steh'n in Schmerzen,
Jeder sage, was er will;
Sind zufrieden unsre Herzen,
Sind wir beide gerne still.

XXIV.
        Am ersten Tage des Maien
Der Blumen ging ich mich freuen;
Ein Vöglein kam den Busch entlang,
Von Liebe das Vöglein sang.

O Vöglein, du kommst von Firenze,
So sag' mir von Lieb' in dem Lenze:
»Die Liebe beginnt mit Schallen und Tönen,
»Die Liebe, sie endet in Jammer und Tränen.«

XXV.
        Streust du Dornen auf die Gassen,
Gehe nicht mit nackten Füßen;
klagen soll nicht hören lassen,
Wen Verstand und Sinn verließen.

Ist der Winter angekommen,
Tau des Himmels ist gefallen;
Doch mir Armen kann nicht frommen
Keine Jahreszeit von allen.

Erde hat ihn aufgesogen,
Fiel herab der liebe Segen;
Nur für mich kommt nichts geflogen,
Weder Tau, noch Blumenregen.

XXVI.
        Fensterlein, Nachts bist du zu,
Thust auf dich am Tag mir zu Leide:
Mit Nelken umringelt bist du;
O öffne dich, Augenweide!

Fenster aus köstlichem Stein,
Drinnen die Sonne, die Sterne da draußen,
O Fensterlein heimlich und klein,
Sonne darinnen und Rosen daraußen.

XXVII.
        Seh' ich die Straße dich kommen, Geliebte,
Deine Schritte dann zähl' ich zumal.
Du machest die Schritte, ich mache die Seufzer,
So Schritte, so Seufzer, und Zahl um Zahl.

Sage, Geliebte, sind ihrer mehre,
Die Schritte der Füßchen, die Seufzer der Brust?
Sage, Geliebte, sind ihrer mehre,
Die Seufzer der Qualen, die Seufzer der Lust?

XXVIII.
        Briefchen schrieb und warf in den Wind ich,
Sie fielen in's Meer, und sie fielen auf Sand.
Ketten von Schnee und von Eise die bind' ich,
Die Sonne zerschmilzt sie in meiner Hand.

Maria, Maria, du sollst es dir merken:
Am Ende gewinnt wer dauert in Streit,
Maria, Maria, das sollst du bedenken:
Es siegt wer dauert in Ewigkeit.

XXIX.
        Selig ist das Sternlein drüben
Das dem Mond zur Seite geht;
Wol ein Engel mag es lieben,
Der in seinen Diensten steht.

Traurig ist's zu sein geboren
Freudenlos und ohne Glück,
Von den Menschen nicht erkoren,
Und verstoßen vom Geschick.

O du Schicksal: ohne Liebe!
Welche Hand ist's, die mich hält?
Nicht geliebt von keiner Liebe,
Als vom Unglück in der Welt.

XXX.
        Eine Quelle sprudelt nicht zwei Flüsse,
Kann nicht zwei auf einmal machen fließen;
Eine Kerze brennt nicht in zwei Flammen,
Kann nicht zwei auf einmal lodern machen.

Eine Glocke hallt nicht in zwei Klängen,
Kann nicht zwei auf einmal machen klingen;
Eine Schöne brennt nicht mit zwei Herzen,
Kann nicht zwei auf einmal selig machen.

Selig machen kann sie zwei Verehrer,
Den durch Worte, diesen durch Gewährung;
O so mache selig denn, Geliebte,
Ihn durch Worte, mich durch die Gewährung.

XXXI.
        Liebe Rose, Blume der Rosen,
Willst du mich meiden, so sag' es mir klar;
Dich liebt' ich seit frühesten Tagen,
Ich liebt' dich durch Monden und Jahr.

Ich liebt' dich durch Stunden und Monde,
War es in Trauer, war es in Scherz;
Liebe Rose, Blume der Rosen,
Nun gib mir zurück mein Herz.

Dich liebt ich durch Monden und Jahre,
Mit Herz, mit Mund und mit Blick;
Liebe Rose, Blume der Rosen,
Nun gib mir die Jahre zurück.

XXXII.
        Amor, Amor, lieber Seemann,
Mir dein Schiffchen leih'st du schon,
Auf die Meerflut muß ich fahren,
Denn mein Mädchen ist entfloh'n.

Wenn ich sie ersegelt habe,
Sie gefangen nehm' ich mir;
Um den Nacken will ich grimmig
Eine Kette binden ihr.

Um den Hals will ich ihr knüpfen
Schöne Dinge hier zur Hand;
Eine Lilie, vier Sterne,
Und ein Kreuzchen von Demant.

XXXIII.
        Wenn ich wüßt' du würd'st mein eigen,
Ein Matrose wollt' ich werden,
Wollt' dich malen auf die Segel,
Und dich zeichnen auf mein Schiff.

O was sagten die Matrosen,
Säh'n die Liebe sie des Schiffers
Abgemalt auf allen Segeln?

O was sagten dann die Leute,
Gingen sie vorbei und sähen,
Abgemalt des Schiffers Liebe
Auf der dunkeln Segelbarke?


 << zurück weiter >>