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Gen Palermo war gezogen
Auf den sanften Meereswogen
Von Neapolis mein Schiff.
Hinter mir so manches Riff
Sank und sank, vom Lande nimmer
War zu sehn ein feiner Schimmer.
Wellen nur am Horizont
Hoben magisch übersonnt
Sich auf Irisstralenschwingen,
Wie den Himmel zu umschlingen,
Und im Tanz zu tragen ihn.
Brausend fuhr der Dampfer hin,
Ließ die Räder rascher gleiten,
Ein Flamingo, der mit breiten
Feuerflügeln mächtig schwebt,
Wie als ob er sich bestrebt
Ein ersehntes Land zu finden,
Dessen Zauber ihm verkünden
Ueber Meer her lau und linde
Duftgetränkte Sommerwinde.
Schiffer, einmal wol im Leben
Eine Stelle wird es geben,
Wo das blütenschöne Land
Deinem trüben Blick entschwand,
Und die Inseln all' hinab
Deiner Freuden in das Grab
Dunkler Wogen sind gestiegen;
Wo du läßt die Blicke fliegen
Spähend einsam hin und her,
Auf dem uferlosen Meer,
Ob sich andre Küsten zeigen
In der Ferne; und entsteigen
Mag ein Hoffnungseiland dir.
Und zwei Frau'n am Borde mir
Gegenüber seh ich stehn,
Fremd und seltsam anzusehn,
Jene dunkel, ernst und bleich,
Jungem Morgen diese gleich.
Und sie blickten fort und fort
Wie zwei Ibisvögel dort
Südwärts spähend in die Ferne.
Ihrer Augen lichte Sterne
Standen lauschend auf der Wacht.
In der Wimpern schwarzer Nacht.
Mutter, sieh dort Ustica!
Rief das Mädchen freudig da,
Mit der Hand hinüberzeigend.
Gleich der Lotosblume steigend
Aus des Meeres blauem Flor
Tauchte jetzt ein Fels empor,
Höher, höher auf die Welle
Niederschimmernd wie das schnelle
Dampfschiff hin durch den Azur
Rauschend ihm entgegenfuhr,
Ringsum Meersirenen, die
Ihrer Lieder Harmonie
Sehnsuchtsvoll ihm rauschten zu.
Glücklich, wem zum Sitze du
Wurdest, Eiland still und fern,
Wie des Abends sanfter Stern
In der weiten Flut verloren.
Geister, die der Haß geboren,
Stören nimmer neidisch dort
Deinen weltentlegnen Port.
Da wol möcht' ich mich verschließen
In den schweigenden Verließen
Denkensfroher Einsamkeit,
Deren Himmel nie die Zeit
Teile und der Augenblick
Mir vergönnt vom Glück.
Aus der Vögel fremden Weisen,
Wenn zu uns daher sie reisen
Fern ans Libyens dunkelm Süd,
Aus Korallen meerentblüht,
Aus der Winde hohem Lied,
Und dem Donnersturz der Wellen,
Die am Muschelriff zerschellen,
Aus der Sterne reinem Licht,
Und dem Geist der in mir spricht,
Lernt' verstehn ich dieses Lebens
Räthseldeutung, die vergebens
In der Bücher todten Zeichen
Sucht der Forscher zu erreichen.
Ernsthaft sprach die Mutter da:
Unsre Heimat Ustica
Ist die Scholle, die uns nah;
Wohnen dort am Felsenstrande.
Zu dem lieben Vaterlande
O wie kummervoll und schwer
Ist die späte Wiederkehr!
Dieses Kindes Vater fand
An dem klippenstarren Strand
In den Wogen seinen Tod,
Auf zerschelltem Fischerboot.
Und der Leichnam mußte bleiben
Ohne Grab, und weiter treiben
In der trümmervollen See.
Doch es hat noch andres Weh
Jene Sturmflut ausgeschüttet,
Und den Frieden uns zerrüttet.
Denn der Insel Priester kamen,
Voll von Habbegier und nahmen
Alles, weil es Kloster Gut,
Und als Pfand in fremde Hut
Nur verliehn vor grauen Jahren.
Und da war ich hingefahren
Nach Neapel mit dem Kinde,
Daß die Wege ich mir finde
Zu gewinnen solchen Streit.
Aber ach! das Recht ist weit,
Und wir sind vom Gut getrieben;
Nur die Hütte ist uns blieben
Auf dem nackten Fels allein,
Drin wir traurig ziehen ein,
Zu verschließen unsern Jammer
In der ausgeräumten Kammer,
Wo das Salbkraut wuchs empor,
Und der Ginster Thür und Thor
Hat verriegelt und vermauert. –
Also sprach sie schmerzdurchschauert.
Wol auf seinen Geisterschwingen
Müssen die Dämonen dringen
In die Menschenseele immer;
Wenn so stilles Eiland nimmer
Kann dem Haß und Neide wehren
Ihren Friedenstraum zu stören.
Und der wilde Wehmutschmerz
Treibt die Wurzeln in das Herz.
Sprach das Mädchen hoffnungsfroh:
Dort wol mag Eustachio
Auf der Hafenklippe stehn,
Und vorüberfahren sehn
Unser Schiff, und zweifelnd fragen,
Ob es heim uns bringt getragen.
Und ein stillbewußtes Glück
Malte sich in ihrem Blick,
Wie den Freund sie schien zu grüßen.
Wird Eustachio nicht wissen,
Daß Ihr seid zu Schiff gekommen? –
Keine Botschaft ach! vernommen
Hat er seit so mancher Zeit,
Denn das Eiland liegt so weit
In dem Meere, und es fahren
Dort von drüben kaum in Jahren
Fischer nach Neapel hin.
Ohne jede Kunde bin
Ich geblieben, ob er lebt
Ob die Meerflut ihn begräbt,
Wo sein Haus auf Klippen schwebt;
Weil nur einmal er geschrieben.
Weiß nicht, ob der Brief dem Lieben
Ist gekommen in die Hand,
Den ich letztes Jahr gesandt
Ihm durch fremde Schiffer, die
Auf der Fahrt nach Stromboli.
Eine Ahnung ward mir wach,
Plötzlich, als das Mädchen sprach:
Rollen sah das wilde Meer
Zu dem Inselstrom ich her
Eines schönen Jünglings bleiche
Meerkraut überwebte Leiche;
Und das Eiland stand verhüllt
Wie der Isis ernstes Bild
Auf der zaubervollen See.
Menschenglück, du schwankend Los,
Gleich der Barke, die sich los
Von dem Ankerseil gerissen,
Treibt dich in den Finsternissen
Pfadlos ungewisser Nacht
Die geheimnisvolle Macht.
Bösen Zufalls Winde blasen
In die Wellen, daß sie rasen
Um das fortgerissne Boot.
An dem Steuer sitzt die Not,
Ruderknecht ist Schmerz und Tod.
Doch das Hoffnungseiland immer
Sendet aus den hellen Schimmer;
Als weitleuchtendes Fanal
Zündet Liebe ihren Stral,
Weit erhellend rings die Riffe.
Und es stieß zu unserm Schiffe
Von dem Strand kein Nachen ab.
Weiter ging's, es taucht hinab
Jenes Eiland in die See.
Sprach die Mutter: Wol ein Weh
Ist es, daß wir müssen weichen
Von der Heimat, die erreichen
Wir im Boote konnten ja,
Unser nahes Ustica.
Aber wiß' es, Fremdling, nur,
Wir gelobten einen Schwur
In Neapel, daß wir ziehn
Erst zum Monte Pellegrin
An Palermo's fremdem Strand.
Mit Weihkerzen in der Hand
Wollen heut wir pilgern gehn
Auf die heil'gen Gotteshöhn,
Und mit opferfrommen Händen
Dann uns hoffend heimwärts wenden.
Und das Eiland sank und sank
In den Wellenuntergang,
Wie ein Traum, den ich gesehn
Knospen, blühen und vergehn.
In der Frauen Blick versinken
Sah sein Bild ich und ertrinken
In der Träume sanfter Flut.
Aber mir war ernst zu Mut,
Bang und schwermutsvoll und weh,
Und ich sah mich überneigend
Von dem Borde wieder schweigend
In die märchenstille See. |