Ferdinand Gregorovius
Gedichte
Ferdinand Gregorovius

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Der sterbende Hadrian.

                                      Anima mea, vagula, blandula,
Hospes, comesque corporis,
Quae nunc abibis in loca?
Pallidula, rigida undula,
Nec, ut soles, dabis jocos.
        Dumpfe Trauer herrscht zu Bajä
In der kaiserlichen Villa,
Tiefes Schweigen, die Erwartung
Bang zu atmen wagt sie kaum.

Denn der kranke Hadrianus,
Er, der vielgereiste Kaiser,
Schickt sich an zur letzten Reise,
Dannen keine Wiederkehr.

Doch zum Acheron das Fahrzeug
Will die Seele nicht besteigen,
Will noch lösen nicht den Anker
Von des süßen Lebens Grund.

Denn der Golf, der purpurblaue,
Hält ihr vor den Zauberspiegel,
Läßt sie schaun der schönen Erde
Und des Himmels Herrlichkeit.

Treue Freunde in dem Vorsaal
Sitzen sie, die müden Häupter
Eingehüllt in ihre Togen,
Traurig harret Antonin.

Plötzlich springen auf die Thüren,
Stürzt des Kaisers Page Mastor,
Bleichen Schreckens bleiches Abbild,
Zitternd stürzt er jetzt herein.

»Weh, es rast der kranke Cäsar,
Sinnlos wütet seine Seele,
Grausam Mord und Todesurteil
Schleudert er aufs eigene Haupt.

»Diesen Dolch in meine Rechte
Zwang er mir, daß ich die Spitze
In sein tiefstes Leben tauche;
Ich erhob den Dolch, und floh.«

Jählings springt da Antoninus,
Springen bebend auf die Freunde,
Dringen alle zu dem Kaiser,
Zu beschwicht'gen seine Wut.

Doch sie sehn ihn still und heiter,
Aufrecht sitzen auf dem Lager,
Mit Sophisten-Augen lächelnd,
Mit Geberden sterbend schon.

Wie als hielt er vor den Blicken
Sich ein Liebstes, Unsichtbares,
Sich den Abgott seines Lebens,
Und er sprach verklärt zu ihm,

Sprach zu seiner eignen Seele,
Mit dem allerletzten Worte,
Mit des Sterbehauchs Geflüster
Zärtlich redend sprach er so:

»Schmeichel-Seele, Wander-Irrstern,
Festgenoß in diesem Leibe,
Wohin, sprich, wirst du jetzt reisen?
Bleich und nackt und starrend spielst du
Dein gewohntes Spiel nicht mehr.«

Nettuno, 25. Sept. 1855.

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