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Der Herzog Franco blieb zunächst unangefochten in seinem Lehen Theben, während auch den beiden Palaiologen Thomas und Demetrios noch ein Rest ihrer Besitzungen in Morea gelassen war. Ihr alter wahnsinniger Haß entzweite sie aufs neue; denn kaum hatte sich der Sultan entfernt, so fiel der eine über des andern Städte her, und der Bruderkrieg dieser kleinen Tyrannen regte wieder das unglückliche Land auf. In Thomas lebte das stolze byzantinische Bewußtsein seiner Abkunft von Kaisern; er verschmerzte es nicht, fortan von der Gnade des barbarischen Sultans abhängig zu sein. Seine eitlen Hoffnungen, das eiserne Joch dieser Knechtschaft abzuwerfen, wurden durch den rhetorischen Enthusiasmus des Papsts Pius II. genährt, welcher die Machthaber Europas zum Kreuzzuge wider den Erbfeind der Christenheit aufrief, während der kühne Georg Kastriota, der einzige Held in dem Untergange des gesamten Griechenlands, den Türken in Albanien empfindliche Niederlagen beibrachte. Die feindlichen Brüder versöhnten sich sogar miteinander und wagten es, nochmals zu den Waffen zu greifen. Diese letzte, verzweifelte Erhebung des Peloponnes ehrte den Freiheitssinn der Skipetaren und der Griechen, aber sie endete mit schrecklichem Verderben.
Nachdem der Sultan, noch im Jahre 1459, seine Generale Hamsa und Saganos Pascha mit Kriegsvölkern in Morea hatte einrücken lassen und dort der Vernichtungskampf entbrannt war, zog er selbst im folgenden Jahre über Korinth noch einmal nach dem beklagenswerten Lande, um dieses dann in einen rauchenden Schutthaufen zu verwandeln. Städte und Burgen wurden erstürmt, die Einwohner zu Tausenden niedergemetzelt. Der entmutigte Despot Demetrios, welchen sein Bruder Thomas treulos verlassen hatte, ergab sich zuerst in Misithra im Mai 1460. Er lieferte seine Gattin und Tochter in den Harem des Sultans ab, um fortan seine Tage als Pensionär der Pforte zu beschließen. Die Städte des Peloponnes, die alten Lehnburgen der ausgestorbenen Frankengeschlechter, fielen eine nach der andern in die Gewalt der unmenschlichen Sieger, bis auch der letzte Palaiologe, Thomas, sein Land für immer verließ. Im Juli 1460 schiffte er sich im Hafen von Pylos nach Korfu ein.Das Haus der Palaiologen verkam auf klägliche Weise. Demetrios starb als Mönch zu Adrianopel 1470; Thomas starb zu Rom 1465. Von seinen Söhnen ging Manuel nach Konstantinopel, wo seine Nachkommen Türken wurden, Andreas nach Rom, wo er in Verkommenheit 1502 starb. Von seinen Töchtern starb Helena, die Witwe des Serbenkönigs Lazar, als Nonne in Leukas und vermählte sich Zoe im Jahre 1472 mit dem Großfürsten Ivan III. von Rußland. Hertzberg, Gesch. Griechenlands II, p. 578.
So war der ganze Peloponnes den türkischen Waffen unterworfen, bis auf die venezianischen Kolonien Koron und Modon und das durch seine feste Lage geschützte Monembasia (Napoli di Malvasia). Diese berühmte Stadt hatte noch unter dem Regiment der byzantinischen Despoten ihre durch kaiserliche Freibriefe gesicherte Autonomie bewahrt; sie suchte ihre Unabhängigkeit selbst noch in dieser Stunde zu retten, allein der Untergang Moreas erschütterte auch ihren Heldenmut. Erst nahm sie einen katalanischen Korsaren, Lupo de Bertagne, als Tyrannen auf, verjagte ihn jedoch bald wieder; sodann landete dort ein Abenteurer Zanoni mit einer Schar ursprünglich päpstlicher Kreuzzugssöldner. Auf seinen Rat stellten sich die Monembasioten unter die Schutzherrschaft des Papstes, der ihnen einen Kommandanten mit einer kleinen Kriegerschar schickte.G. Voigt, Enea Silvio Piccolomini III, p. 650. Bald darauf, 1462, übergab sich Monembasia der Republik Venedig (Annali di Stef. Magno, p. 204).
Mehmed II. konnte den zermalmten Peloponnes wieder verlassen, wo er den illyrischen Renegaten Saganos Pascha zum Befehlshaber einsetzte und ihm befahl, auch die letzten noch glimmenden Funken des griechischen Lebens auszutreten.
Er nahm seinen Rückweg wiederum über Athen. Da diese Stadt von seiner Heerstraße weit abgelegen war, er selbst aber seine Neugierde, sie zu sehen, bereits befriedigt hatte, so mußten es dringende Ursachen sein, die ihn zu einem zweiten Besuch bewogen. Von seinem Befehlshaber auf der Akropolis war ihm gemeldet worden, daß auch Franco in Theben während des Kampfes in Achaia auf Abfall gesonnen habe. Es ist ungewiß, ob die Verschwörung mit Anhängern des alten Regiments der Florentiner in Athen, deren der Herzog beschuldigt wurde, tatsächlich begründet oder nur von den Türken erdichtet war, um auch diesem letzten Überrest der Frankenherrschaft für immer ein Ende zu machen.Den Zusammenhang der athenischen Ereignisse mit den Unabhängigkeitsversuchen Serbiens, Albaniens und des Peloponnes deutet sehr dunkel an die ›Cronica di Benedetto Dei‹ bei Pagnini, Della Decima III, p. 251. Wenn die Athener in den Augen des Großherrn wirklich für schuldig galten, mit ihrem ehemaligen Gebieter die Überrumpelung der Akropolis geplant zu haben, so hätte er sich doch wohl nicht damit begnügt, zehn angesehene Bürger der Stadt nach Konstantinopel abführen zu lassen. Franco diente damals im türkischen Heer mit böotischer Reiterei und sollte gerade gegen Leonardo Tocco ins Feld ziehen.Origine della famiglia..., p. 178. Es scheint, daß er sich nach Athen begeben hatte, um dem Sultan persönlich zu huldigen und seine Befehle zu empfangen. Mehmed schickte ihn nach Theben zurück, wo damals Sagan mit Kriegsvölkern stand, und diesem gab er den Befehl, Franco zu töten. Der Pascha lud den Herzog in sein Zelt; freundlich unterredete er sich mit ihm bis zur Nacht; nachdem er ihn entlassen hatte, umringten den Arglosen die türkischen Leibwächter, und der letzte Herzog Athens vom Hause der Acciajoli erbat sich als eine letzte Gunst, den Todesstreich in seinem eignen Zelte empfangen zu dürfen.Chalkokond. IX, p. 483.
Zaganus qui patribus ortus
Illyriis Christi cultoribus, et puer olim
Moratto turpi Ganymedes junctus amore...
Francos drei kleine Kinder Matteo, Jacopo und Gabriele schickte der Pascha mit ihrer Mutter nach Konstantinopel, wo sie als Türken erzogen wurden und unter den Janitscharen verschwanden. Seine Witwe, noch jung und von hoher Schönheit, entflammte in Stambul die Begierde des ehemaligen Protovestiarius Georg Amirutzes, des Verräters an dem Kaiser von Trapezunt David, welcher im Jahre 1461 sein kleines Reich an Mehmed verloren hatte. Die letzte Herzogin Athens wurde durch Ränke des Serails gezwungen, die Gattin jenes niedrigen Menschen zu werden.Eine romanhafte Geschichte, erzählt in: Hist. Patriarchica post Constantin. a Turcis expugnatam (›Turcograecia‹ des Crusius, lib. II, p. 121ff.). Der übrigens durch Bildung und Talent ausgezeichnete Trapezuntiner kann zum Typus des verknechteten, heuchlerischen Rajah dienen. In einem Briefe an Bessarion hatte er den Fall Trapezunts bitter beklagt, aber er selbst schwor seinen Glauben ab; er verherrlichte den Sultan als neuen Achill und Alexander, als Sohn der griechischen Muse und richtete an ihn Gedichte im Stil der christlichen Marienhymnen.Spir. Lambros hat solche abgedr. im Deltion der hist. u. ethnol. Gesellschaft Griechenlands II, p. 275ff.
So tragisch endeten in Griechenland die Acciajoli vom Geschlecht des berühmten Großseneschalls. Vielleicht ist es nur eine Sage, daß sich verkommene Nachkommen dieses Herzogshauses noch lange in Athen erhalten haben. Der französische Konsul Fauvel zeigte dort dem Reisenden Pouqueville einen Eseltreiber als Abkömmling Nerios.Voyage dans la Grèce IV, p. 70. In Florenz erlosch das Geschlecht der Acciajoli erst 1834.
Wenn die Parthenonkirche nicht schon im Jahre 1458 zur Hauptmoschee des türkisch gewordenen Athen eingerichtet worden war, so wird der erzürnte Sultan im Jahre 1460 den Befehl dazu gegeben haben.Hopf II, S. 128, setzt diese Verwandlung der Marienkirche schon ins Jahr 1458, ohne bestimmte Gründe dafür anzugeben. Für 1460 sind mit mehr Recht Laborde I, p. 5; A. Mommsen, Athenae Christ., p. 40, wo aber 1459 in 1460 zu verbessern ist; Hertzberg, Gesch. Griech. II, S. 380; Wachsmuth u. Michaelis (Parthenon, p. 35). Der Prachttempel der Pallas Athene erlitt demnach seine zweite geschichtliche Verwandlung. Wie vor neun Jahrhunderten die Christen dort den Altar der Parthenos und ihr heiliges Kultusbild vernichtet hatten, so stürzten jetzt den Altar der Jungfrau Maria die Bekenner jener zweiten semitischen Religion um, welche die Fahne Mohammeds schon längst auf der Tempelkirche in Jerusalem und eben erst auf der Kuppel der heiligen Sophia aufgepflanzt hatten. Der Mariendom Athens wurde zur Moschee.τὸ ισμαίδ (d. h. ισμαγίδιον oder τοαμί) nennt ihn bereits der Pariser Anonymus. Der Altar, die Ikonostasis verschwanden, die christlichen Malereien wurden mit Tünche zugedeckt. Im innern Raum der Kirche wurde der Mirbar, die mohammedanische Kanzel, aufgestellt und die nach dem heiligen Mekka gekehrte Gebetnische Mihrab eingerichtet. Bald erhob sich auch in der südwestlichen Ecke des Tempels, in der ehemaligen Schatzhalle der Pallas Athene, ein schlankes Minarett, welches höher als die eherne Pallas in alter Zeit und als der Frankenturm, das weithin sichtbare Wahrzeichen der Türkenherrschaft war. Auf einem aus antiken Werkstücken erbauten Treppenhause stieg seither der Muezzin zu den Galerien dieses Minaretts empor, um über die in das dumpfe Schweigen der Knechtschaft versunkene Stadt des Solon und Plato hinzurufen, daß Allah der alleinige Gott und Mohammed sein wahrer Prophet sei.
Der Parthenon war erst das Heiligtum der heidnischen Religion in ihrer geistig am höchsten entwickelten hellenischen Gestalt; dann nacheinander die schöne Kathedrale für jede der beiden großen Kultusformen, in die sich das Christentum auseinandergelegt hatte; endlich eine Moschee der über Länder und Völker Asiens, Afrikas und des Ostrandes Europas verbreiteten Religion Mohammeds. Weder in der Basilika St. Peters in Rom noch in der Hagia Sophia, welche beide Dome nicht aus Heidentempeln entstanden sind, noch in irgendwelchem Heiligtum der Erde haben Menschen so vieler Jahrhunderte und so verschieden voneinander durch Sprachen, Sitten, Kulturen, Volksstämme, Zeitalter ihre Gebete dem vielnamigen, doch ewig gleichen, unbekannten Gott dargebracht als in dieser Zelle der Pallas Athene. Dies fügt zum Zauber der Kunst und der Ehrwürdigkeit noch eine kulturgeschichtliche Weihe hinzu. So nahm dies prachtvolle Tempelgefäß die wechselnden Gebilde des sich ewig erneuernden Erdenlebens in sich auf, und der Parthenon wurde zu einem Sinnbilde der Metamorphosen nicht nur der Stadt Athen und Griechenlands, sondern eines großen Teils der Menschenwelt.