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Friedrichs III. erster Statthalter in Griechenland war noch von der früheren Regierung her Ramon Bernardi, welcher sich so unfähig zeigte, daß die dortigen Städte den König ersuchten, ihn durch einen andern, womöglich im Herzogtum eingeborenen Großen zu ersetzen. Sie bezeichneten als ihnen besonders erwünscht einen der Brüder Jayme und Juan Fadrique oder Orlando de Aragona, einen Bastard Friedrichs II. von Sizilien.Friedrich III. an seinen Justitiar Artalus de Aragona, Messina, 27. Jan. IX. Ind. (1355), bei Gregorio IV, App. p. 64. Das Regiment fremder, mit den Verhältnissen des Landes unbekannter Vikare erwies sich überhaupt als unheilvoll, zumal der wachsende Trotz und Ehrgeiz der großen katalanischen Lehnsherren ihre Regierung hemmte. Attika und Böotien, wo das Los der Griechen eine fortgesetzte Knechtschaft war, verwilderten wie Morea unter den angiovinischen Statthaltern.’Αθηναι̃οι γε μὴν καὶ Θηβαι̃οι καὶ οι κατοικου̃ντες τὴν Πέλοπος... τη̃ς παλαια̃ς ευδαιμονίας τὴν αγροικίαν ηλλάξαντο... δουλείαν τὴν εσχάτην υφισταμένους... Athanasios Lepanthrenos an den Geschichtsschreiber Nikephor. Gregoras (I, XCIV).
Der König Friedrich willfahrte den Vorstellungen der Städteboten, indem er Jayme Fadrique von Aragona, den Sohn Alfonsos, zum Generalvikar ernannte, und dieser verwaltete das Amt von 1356 bis 1359. Übrigens mußte der Besitz des Herzogtums in der Wertschätzung des sizilianischen Monarchen schon tief gesunken sein, wenn es wahr ist, was der Annalist der Krone Aragon berichtet, daß Friedrich, in seinem Lande von den Neapolitanern und der Faktion der Chiaramonti hart bedrängt, die Hilfe Pedros von Aragon nachsuchte und dafür Athen und Neopaträ seiner mit diesem vermählten Schwester Leonora abzutreten gesonnen war. Dies Vorhaben unterblieb, weil der König von Aragon keine Hilfe leisten konnte.Zurita, lib. IX, p. 287.
Der Nachfolger Jaymes wurde für kurze Zeit Gonsalvo Ximenes de Arenos.Hopf II, S. 13. Sodann schickte Friedrich als Vikar nach dem Herzogtum den Seneschall Matteo Moncada, Grafen von Aderno und Agosta, einen der angesehensten Barone Siziliens. Die Moncada waren ein altes Geschlecht Kataloniens, welches von der Burg Montecateno bei Barcelona seinen Namen führte. Sie glänzten in der Geschichte dieses Landes seit dem 11. Jahrhundert; in ihrem Hause war das Amt des Seneschalls erblich geworden. Guillermo Ramon war mit Pedro von Aragon nach Sizilien gekommen, wo er Lehen erhalten und die sizilianische Familie der Moncada gegründet hatte.Über dies Geschlecht (in Urkunden des Archivs Palermo stets Montecateno genannt): Lengueglia Ritratti della prosapia et Heroi Moncadi, Valenza 1657 (von mir in der Nationalbibl. Palermos benutzt). A. Rubio y Lluch, Don Guiliermo Ramón Moncada, gran senescal de Cataluña, Barcelona 1886, mit Benutzung eines handschr. Werks: Genealogia y sucesion de las familias de el Lignage de Moncada im Archiv der R. Acad. de Buenas Letras in Barcelona. Dieser gehörte Matteo an. Der neue Vizekönig trat mit Entschiedenheit für die Wahrung der Rechte der Kompanie ein.Er erscheint als »vicar. general. ducatus Athenarum et Neopatrie« persönlich in einem Akt zu Theben am 1. Jan. 1360 (Commem. VI, fol. 104). Friedrich belieh ihn sogar mit Argos und Korinth, wenn er diese Länder würde erobert haben.
Die Argolis befand sich noch immer im Besitze der Brienne oder seit 1356 ihrer Erben. Denn auch den letzten dieses berühmten Heldengeschlechts hatte das Schicksal seines Hauses, der Tod auf dem Schlachtfelde, ereilt. Walter, welcher sich nicht als Herzog von Athen, sondern als Tyrann von Florenz einen unsterblichen Namen zweifelhaften Ruhms erworben hatte, fiel als Konnetabel Frankreichs in der mörderischen Schlacht bei Poitiers am 19. September 1356.Der Haß der Florentiner verfolgte ihn noch nach dem Tode. Boccaccio, De casibus viror. ill. (Augsburg 1595, c. 23, p. 268), schildert ihn wie Villani als Feigling und fabelt, daß er schimpflich fliehend von einem florentinischen Söldner umgebracht worden sei. Zwei Jahre früher war seine Mutter, die letzte Herzogin Athens aus französischem Hause, zu Troyes gestorben, wo sich ihr Grabmal in der Kirche der Jakobiner erhalten hat.»Cy gist madame Jeanne de Chastillon Duchesse d'Athènes, Comtesse de Brene et de Liche, qui fut fille de Mons. Gaucher seigneur de Chastillon Comte de Porcien, jadis connetable de France, la quelle trepassa l'an de grace M.CCC. LIIII le XVI. Janvier. Priez pour l'ame de ly.« Du Cange, Hist. de Cp. II, p. 152. – Walters Grabschrift in der Abtei Beaulieu, ibid., p. 207. Da der einzige Sohn Walters aus seiner ersten Ehe schon lange gestorben und auch die zweite Ehe mit Jeanne, der Tochter des Grafen Raoul von Eu, kinderlos geblieben war, so gingen seine Erbrechte auf die Enghien von Lecce-Brienne über, die Söhne seiner Schwester Isabella, die sich im Jahre 1320 mit Walter III. von Enghien in der Grafschaft Hennegau vermählt hatte. Durch das Testament Walters war dieselbe zur Universalerbin aller seiner Güter in Frankreich, Apulien, Zypern und Romanien ernannt worden.Testament aus Hesdin, 18. Juli 1347 (Arch. stor. Ital. 1872, p. 39ff.). Walter wollte begraben sein in der Abtei Beaulieu in seiner Grafschaft Brienne; er erweiterte die von seinem Vater gemachte Stiftung der Kirche S. Leonard zu Lecce, beschenkte Kirchen und Klöster auch in Argos und Nauplia und die dortigen Burgvögte und Sergeants. Von den Söhnen Isabellas führte zuerst Sohier den Titel des Herzogs von Athen.
Die einzigen griechischen Besitzungen, in welchen die Erben Walters von Brienne fortdauernd Herren bleiben konnten, waren die Burgen Argos und Nauplia. Die katalanische Kompanie hatte wiederholt, aber erfolglos Versuche gemacht, diese starken Festungen zu erobern, und auch den Isthmos von Korinth hatte sie nicht in ihre Gewalt zu bringen vermocht. Ihre Unternehmungen gegen den Peloponnes wurden sowohl durch die Anjou als die Griechen in Misithra gehemmt.
Hier aber, im alten Sparta, war seit 1349 ein byzantinisches Despotat entstanden, unter einem Prinzen des edlen Hauses der Kantakuzenen, welches infolge der Zerrüttung des Staats durch Parteiwut und Palastränke den Kaiserpurpur erlangte und sich für einige Jahre in die Reihe der Palaiologen eindrängte, ohne diese Dynastie zu stürzen. Dem Großdomestikus Johannes Kantakuzenos hatte der lasterhafte Andronikos der Jüngere während seiner Kämpfe mit seinem Großvater, den er dann im Elend als Mönch sterben ließ, den Sieg und den Kaiserthron zu verdanken gehabt. Er bot dem treuen Anhänger die Würde des Augustus, doch Kantakuzenos lehnte diese ab, übernahm aber, als Andronikos im Jahre 1341 gestorben war, die Regierung des Reichs für dessen erst neunjährigen Erben Johannes Palaiologos, den Sohn der Anna von Savoyen. Seine Feinde, der Patriarch Konstantinopels und der Großadmiral Apokaukos, bewirkten seinen Sturz am Hofe der argwöhnischen Kaiserin, und Byzanz spaltete sich in die beiden Parteien der Kantakuzenen und Palaiologen. Ein fünfjähriger Bürgerkrieg, an welchem die damals gewaltigsten Feinde des griechischen Reichs, der Sultan Orchan und der Serbenkral Stephan Dusan, als herbeigerufene Parteigänger teilnahmen, zerrüttete die Provinzen. Nach dem eigenen Geständnis des Kantakuzenos überlebte das Reich diesen entsetzlichen Krieg nur als schwache Schattengestalt.Cantacuzeni Hist. III, p. 12. Der merkwürdige Mann schrieb am Ende seines Lebens als Mönch Joasaph im Kloster seine Memoiren, eine geschickte Selbstapologie. Trotz der Weitschweifigkeit, namentlich der Reden, gehört sie zu den besten und einfachsten Geschichtswerken der Byzantiner. Die Angaben des Kaisers bestätigt vielfach der Zeitgenosse Nikephoros Gregoras.
Nachdem er im Jahre 1341 in Didymoteichos den Purpur genommen, gelang es ihm mit Hilfe des Türkensultans, welchem er seine Tochter Theodora vermählt hatte, die Gegner zu besiegen und im Februar 1347 in Konstantinopel einzuziehen. Johannes Kantakuzenos, als Kaiser anerkannt, machte mit Anna von Savoyen einen Vertrag, wodurch deren Sohn Johannes V. sein Eidam und Mitkaiser wurde, er selbst aber für zehn Jahre die Alleinregierung übernahm. Unter allen Palastrevolutionen in Byzanz gibt es keine, in der ein siegreicher Rebell – und Kantakuzenos wurde dazu nur durch den Zwang der Verhältnisse – gleiche Mäßigung und gleichen Edelsinn gezeigt hätte. Er folgte nicht dem Beispiele des Gründers der Palaiologendynastie, welcher den jungen Laskariden durch Blendung unschädlich gemacht hatte. Seinem zweiten Sohne Manuel verlieh er Lakonien oder Misithra als Despotat. Dies byzantinische Fürstenturn umfaßte bereits den größten Teil des Peloponnes mit Ausnahme der Besitzungen der Lateiner in Elis und Messenien; denn schon im Jahre 1320 waren die einst mächtigen Baronien Karytena und Akowa in die Gewalt der Griechen gefallen. Die unausgesetzten Bedrängnisse durch die Türken und die innere Anarchie brachten die Städte in Morea sogar zu dem Entschluß, dem Kaiser Kantakuzenos das Regiment anzutragen. Er wäre mit Freuden diesem Rufe gefolgt, da er hoffen durfte, nach der Herstellung der griechischen Herrschaft in Morea auch die Katalanen in Attika und Böotien zur Unterwerfung zu zwingen. Allein dazu kam es nicht.Cantacuz. Lib. III, c. 11, p. 74, c. 12, p. 80. In Misithra aber hat Manuel bis 1380 mit Weisheit und Kraft regiert. Er zwang die moreotischen Franken, mit ihm Frieden und ein Bündnis zu schließen; er half ihnen Türken und Katalanen abwehren und machte mit den Lateinern vereint sogar einen Streifzug nach Böotien, wo Roger de Lauria bis vor den Mauern Thebens bekämpft wurde.Cantacuz. Lib. IV, c. 13, p. 90.
Dieser katalanische Große vom Hause des in den ersten Vesperkriegen unsterblich gewordenen Admirals war Marschall des Herzogtums Athen und Nachfolger Moncadas geworden, dessen Dienste der König Friedrich in Sizilien nötig hatte. Die Katalanen wurden übrigens in den heftigen Krieg hineingezogen, welcher seit 1350 zwischen Genua und Venedig um die Herrschaft im Mittelmeer entbrannt war. Auf der Seite Venedigs standen der Kaiser Kantakuzenos und der König von Aragon. Katalanische Truppen aus dem Herzogtum Athen vereinigten sich, wohl als Mietlinge, mit den Venezianern und Aragoniern, und sie bekämpften die Genuesen, als diese Oreos und Negroponte angriffen. Demnach war das Verhältnis der Republik von S. Marco zu dem Katalanenstaat damals, wenn auch nur vorübergehend, ein freundliches geworden.Über diese Beteiligung der »Lateiner in Athen und Theben« am Kriege wider Genua: Nikeph. Gregoras XXV, p. 47ff.
In derselben Zeit erwuchs den Katalanen ein neuer Feind in Korinth. Die unausgesetzten Raubzüge der türkischen Korsaren aus Anatolien, der Griechen des Peloponnes sowie der Spanier Athens wurden für jene handeltreibende Stadt und das Isthmosgebiet so verderblich, daß der dortige Erzbischof und der Burgvogt an ihrer Erhaltung verzweifelten. Die Korinther schickten deshalb im Februar 1358 Abgesandte an ihren Landesherrn Robert, den Titularkaiser von Konstantinopel und Fürsten Achaias, mit dem dringenden Gesuch, ihren Bedrängnissen endlich abzuhelfen. Diesem Fürsten erschien kein anderer Mann geeigneter, die Stadt zu schützen, als der reiche Großseneschall Niccolo Acciajoli, welcher in Morea große Ländereien besaß und seit 1357 auch Graf von Malta und Gozzo war. Robert belieh ihn und seine Nachkommen am 23. April 1358 zu Bari mit der Kastellanei Korinth als erblicher Baronie.Akt, bei Buchon N R. II, p. 143ff. Sie umfaßte die Gebiete des alten Pallene und Phlios sowie Teile der Argolis bis nach Troizen hin.Fallmerayer, Gesch. Moreas II, S. 259.
In der Belehnungsurkunde wird zwar gesagt, daß die Kastellanei an den Grenzen verschiedener Feinde, der Katalanen, Türken und Griechen, gelegen und deshalb großen Gefahren ausgesetzt sei, aber in dem Hilfegesuch der Korinther selbst ist nur von den Raubzügen der Türken die Rede, wodurch das einstmals blühende Land in das tiefste Elend versetzt werde. So trat die Geldmacht des florentinischen Bankiers als Retterin Korinths ein; das Haus Acciajoli erlangte hier zuerst eine politische Stellung, welche dann auch auf die Verhältnisse des Katalanenstaats Athen von wichtigem Einfluß wurde.Niccolo nannte sich seither urkundlich »Melfie et palatinus comes magnus senescallus regni Sicilie, nobilis civitatis Corinthi dominus«. Zur Kastellanei gehörten außer der Stadt 9 Kastelle; sie sind als Besitzungen der Maria von Bourbon, der Witwe des Kaisers Robert, aufgezählt in den ›Tables de fiefs des la Morée‹ von 1364, bei Hopf, Chron. Gréco-Rom., p. 229.
Der Großseneschall hatte mit dem Besitze Korinths die höchste Stufe seines Glücks erstiegen. Der bedeutendste Staatsmann der Dynastie Anjou, welcher er in guten und bösen Tagen unermeßliche Dienste geleistet, selbst einen Teil Siziliens wiedergewonnen und den Besitz Moreas erhalten hatte, starb, 55 Jahre alt, am 8. November 1365 in Neapel. In seiner Vaterstadt Florenz, wo der demokratische Geist der Gleichheit noch keine Tyrannen emporkommen ließ, ist die Certosa San Lorenzo vor der Porta Romana sein glänzendes Denkmal. Dieser gotische Prachtbau kann zugleich als das erste Monument der geschichtlichen Beziehungen zwischen Florenz und Griechenland betrachtet werden; denn zu seiner seit 1338 begonnenen Errichtung hatte Niccolo ausdrücklich die Einkünfte seiner griechischen Besitzungen bestimmt. Er folgte darin dem Beispiel der Pisaner, die zum Ausbau ihres Domes ihre Renten aus Konstantinopel verwendet hatten.Bestimmung vom 18. März 1160; G. Müller, Docum. sulle relazioni delle città Toscane coll' oriente, Florenz 1879, p. 8. – Am 15. Juli 1338 bewilligte die Kaiserin Katharina in Neapel dem Niccolo Acciajoli im Falle seines Todes und während der Minorität seiner Kinder die Verwendung der Einkünfte seiner Länder in Achaia zum Bau der Certosa (Buchon, N. R. II, p. 104). In einer unterirdischen Kapelle der Certosa sieht man noch heute das stattliche Grabmal des Großseneschalls und anderer Mitglieder seines Hauses.Abbildung der Grabmäler im Atlas Buchons, pl. XXXVI ff., und besser in Littas Geneogie der Acciajoli. Hier auch das Bildnis des Großseneschalls von Empoli, ehemals in der Certosa befindlich, jetzt in der florent. Akademie.
Die merkwürdige Gestalt dieses schon ganz modernen Menschen von tätiger Welterfahrung ist ohne Beispiel in seinem Jahrhundert, wo er der Zeitgenosse des Cola di Rienzo, des Kardinals Albornoz, des Giotto und der ersten Humanisten Italiens war. Als Bankier und Staatsmann konnte er die Ereignisse der damaligen Welt mitbestimmen und einen Einfluß erlangen, der von Avignon bis nach Sizilien und Griechenland reichte. Nur insofern gehört er zur Geschichte Athens, als er der Gründer des später dort herrschenden Hauses Acciajoli war. Eine andere Frage, welche das kulturgeschichtliche Verhältnis Athens zum Abendlande auch nur nebenbei streift, würde diese sein, ob der Großseneschall, der Freund Boccaccios und Verehrer Petrarcas, durch seine Stellung in Griechenland dazu beigetragen hat, den Geist des hellenischen Altertums in den Umbildungsprozeß Italiens hinüberzuleiten. Ganz ohne Wirkung in dieser Richtung kann seine fürstengleiche Macht in Achaia nicht gewesen sein. Er zog einen Schwarm dienstbeflissener Griechen mit sich nach Neapel und an seinen Hof im Schloß Lettere bei Nocera. Schon Boccaccio nannte diese Parasiten verächtlich Gräculi.Brief an Francesco Nelli (Op. volg., Flor. 1834, XVII, p. 37ff.). Gegen die Echtheit desselben haben sich erklärt Hortis, Studj sulle opere latine di Boccaccio, p. 21, und M. Landau, Giov. Bocc., sein Leben und seine Werke, S. 753. Für die Echtheit sind Buchon, Hopf, Georg Voigt, Körting. Allein nicht Hellenen aus Achaia, sondern kalabrische Griechen erscheinen als erste Lehrer der italienischen Humanisten. Petrarca versuchte von einem solchen, dem Mönch Barlaam, Griechisch zu lernen, und Boccaccio ließ den Homer von dem Kalabresen Leontio Pilato ins Lateinische übersetzen. Dieser unwissende Mann wurde durch ihn im Jahre 1360 als erster Professor des Griechischen in Florenz angestellt.
Von Athen läßt sich nicht nachweisen, daß der Verkehr der Franken mit dieser Stadt im Zeitalter der Frührenaissance irgendeinen geistigen Einfluß auf Italien ausgeübt hat. Die Besitznahme durch die Kompanie der Katalanen und das sizilianische Haus Aragon, welches den Anjou und dem Papst feindlich war, unterbrach geradezu die Verbindung Athens mit Italien. Während der spanischen Epoche gab es weder dort noch in Theben einen Fürstenhof; vielmehr hatten beide Städte die hervorragende Stellung eingebüßt, welche sie zur Zeit der La Roche gehabt hatten. Die Kunden, die von daher zu den Italienern drangen, konnten daher nur mittelbar und sehr sparsam sein.
Wie wenig die klassische Ruinenwelt Athens die Vorstellung der höchst gebildeten Geister Italiens beschäftigte, lehrt derselbe Boccaccio, welcher nebst Petrarca den glühendsten Trieb für die dem Abendlande noch mit sieben Siegeln verschlossene Literatur der Hellenen besaß. Er hat zweimal Athen als Szene für seine Dichtungen benutzt; in der siebenten Novelle des zweiten Tages des Decamerone und in der Theseide. Allein weder hier noch dort bedeutete die für jeden Dichter reizvollste Stadt des Altertums mehr für ihn als einen Namen und einen Ort. Die Theseide, das erste italienische Epos, welches den großen Dichtern Ariost und Tasso die Form der Oktave überlieferte, ist durch seinen Stoff merkwürdig. Da Boccaccio ihn in seiner neapolitanischen Lebenszeit behandelte, so konnten es die Beziehungen der Anjou zu Griechenland sein, die ihm die Bearbeitung eines hellenischen Gegenstandes nahelegten, mochte er diesen, was nicht mehr ermittelt werden kann, aus einer französischen oder griechischen Quelle geschöpft haben. In der Theseide nun, einer heute kaum noch genießbaren barocken Travestie des griechischen Altertums in die Formen des fränkischen Ritterwesens, gibt es auch nicht eine Stelle, wo sich der Dichter zu einer begeisterten Erinnerung an die ideale Vergangenheit Athens fortreißen ließ. Nicht eines der damals dort noch dauernden Denkmäler des Altertums, nicht einmal die Akropolis mit dem Parthenon, selbst nicht der Name Pallas Athene diente ihm dazu, seiner athenischen Szenerie eine glänzende Lokalfarbe und erhöhten Wert zu geben. Kurz, für Boccaccio und alle seine Zeitgenossen in Italien blieb Athen ein Ort, von dem ihnen keine Anschauung übermittelt worden war.
Dieselbe Gleichgültigkeit der Franken gegen das klassische oder monumentale Altertum Griechenlands zeigen die Verfasser der griechischen und französischen Chronik Moreas, welche Zeitgenossen Boccaccios waren. Auch sie haben auf die Vergangenheit des Peloponnes und die Denkmäler seiner berühmten Städte keine Rücksicht genommen. Die antiken Orte waren mit ihren Namen meist verschwunden oder doch verwandelt, und dem barbarischen Geschlecht der eingeborenen Nachkommen wie den unwissenden Franken erschienen die sparsamen Überreste altgriechischer Tempel und Mauern als Werke verschollener Heiden und Giganten.»L'ovre de Jaians« heißt im ›Livre de la Cq.‹, p. 44, die Burg von Arkadia, dem alten Kyparissia in Messenien. In der griechischen metrischen Chronik sind aber doch diese Riesen »Hellenen«, das heißt Heiden. – Tozer, The Franks in the Peloponnese (Journal of Hellenic studies, London 1883, IV, p. 196).