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Wie weit damals die Türken auch in Böotien und Attika eindrangen, ist unbekannt. Sie streiften schon bis zum Isthmos hin, hinter welchem sich der Despot von Misithra voll Bestürzung zum Widerstande rüstete. Aber die Triumphe der Osmanen hemmte plötzlich die Kunde, daß Sigismund, der König von Ungarn, welchen der Kaiser Manuel zu seiner Rettung aufgerufen hatte, und die mit ihm vereinigten Streitkräfte Frankreichs und Deutschlands, ein gewaltiges, vom Adel der abendländischen Ritterschaft glänzendes Heer, die Donau überschritten hatten. Dieser Strom war jetzt die Verteidigungslinie Europas gegen die Türken, und nach dem Falle des Serben- und Bulgarenreichs bildeten Polen, Ungarn und Österreich die Schanzen des bedrohten Abendlandes. Bajasid rief seine Scharen eilig aus Griechenland zurück und wandte sich von Gallipoli nach dem Norden, um sich dem Christenheer entgegenzuwerfen. Sein blutiger Sieg bei Nikopolis am 28. September 1396, wo die edelsten Ritter Ungarns, Deutschlands und Frankreichs niedergehauen oder gefangen wurden, entschied das Übergewicht der türkischen Waffen über die Armeen des Abendlandes und machte den Großherrn zum unbestrittenen Gebieter der Länder unterhalb der Donau.
Die Folge der Schlacht bei Nikopolis war ein Streifzug der Türken nordwärts dieses Stromes, aber statt Ungarn zu erobern, beschloß der Sultan Bajasid, zunächst dem schattenhaften Rest des byzantinischen Reichs ein Ende zu machen und zugleich die abgebrochene Unternehmung gegen Altgriechenland fortzusetzen. Während er selbst Konstantinopel belagerte, schickte er seinen Feldherrn Jakub, den Pascha von Europa, und Evrenosbeg mit 50 000 Mann nach dem Peloponnes.Chalkokond. lib. II, Chron. Breve hinter dem Dukas, und Phrantzes. Es war das erste Mal, daß osmanische Heere über den Isthmos in das hellenische Land eindrangen. Argos ergab sich am 3. Juni 1397; die Stadt wurde geplündert, das unglückliche Volk in die Sklaverei fortgeschleppt. Nur auf dem festen Palamedes Nauplias konnten sich die Venezianer behaupten.In einer den Pregadi überreichten Denkschrift der Argiver von 1451 heißt es: »Turchi prexe Argos in 1397 adi 3. zugno, e tolse 14 milia anime e poi bruxo la terra.« (Arch. Ven., Senato, Mar fol. 76). Das Chron. Breve gibt das Datum richtig an.
Das fränkische Morea gehorchte damals dem navarresischen Vikar Superan, als rechtmäßigem Fürsten Achaias. Denn dazu hatte ihn der König Ladislaus im Jahre 1396 durch ein Diplom ernannt, wie er früher Nerio Acciajoli zum Herzoge Athens gemacht hatte. Superan wich dem Sturme aus, indem er den Türken tributbar wurde.
Auch Sparta entging dem drohenden Schicksal. Hier wie in andern festen Plätzen konnte sich der Despot Theodor noch halten; denn die Kräfte der Türken reichten doch nicht aus, Lakonien zu unterwerfen. Mit Beute beladen, zog der Feind endlich über den Isthmos zurück. Trotzdem war die Lage Theodors, welcher übrigens dem Sultan Tribut zu zahlen gelobt hatte, so verzweifelt, daß er sich im Jahre 1400 entschloß, Korinth den Rhodesiern zu verkaufen, um so die »starke, schöne und große Stadt« vor den Ungläubigen zu retten.Corinthiacae Eccl. Memorabilia, Lami, Del. Erud. IV, p. 126. Er schiffte sich zu diesem Zweck mit seinen Schätzen auf einer Galeere ein, die ihn nach Rhodos brachte. Der Orden der Johanniter hatte damals eine innere Krisis glücklich überstanden, denn auch er war durch das große Kirchenschisma in zwei einander bestreitende Hälften zerspalten worden. Der berühmte Heredia starb im Jahre 1396 im Exil zu Avignon, worauf Philibert von Naillac, sein Nachfolger auf dem Stuhl des Großmeisters, die Brüderschaft der Johanniter wieder vereinigte. Während das Königreich Zypern nach der Ermordung Peters I. durch seine rebellischen Großen im Jahre 1369 und infolge der Eroberung Famagustas durch die Genuesen im Jahre 1373 unter den letzten Lusignan in Verfall geriet, glänzte der Orden des Hospitals noch immer als eine selbst den Türken furchtbare Soldatenrepublik. In dieser Zeit des Niederganges der Lateiner und Griechen in der Levante nahmen die Ritter von Rhodos ihre kühnen Absichten auf den Peloponnes wieder auf. Sie besetzten das von ihnen erkaufte Korinth, und der verzweifelte Despot Theodor trat ihnen sogar Sparta für eine Geldsumme ab.Diesen schimpflichen Handel hat später Theodors Bruder, der Kaiser Manuel, als ein diplomatisches Meisterstück gepriesen. Siehe seine Leichenrede bei Combefis, Hist. haeresis Monolethar. II, p. 1132
Wie Misithra war glücklicherweise auch Athen in jenem Kriegssturm der Türken verschont geblieben. Zwar sprechen osmanische Geschichtsschreiber von einer Einnahme der Stadt im letzten Jahre des 8. Jahrhunderts der Hedschra (1397 nach Christi Geburt), allein die abendländischen Chronisten schweigen davon.Zinkeisen, Gesch. des osman. Reichs I, S. 339, leugnet diese Einnahme, welche Hammer I, S. 206, festhält. Hier ist wohl an die Besetzung Athens durch Timurtasch im Jahre 1395 zu denken.
Die Venezianer regierten unterdes Attika durch ihre Podestaten und Kapitäne. Auf Albano Contarini war dort im Jahre 1397 Lorenzo Venier, diesem 1399 Ermolao Contarini gefolgt; im Jahre 1400 war Kapitän Athens Niccolo Vetturi.Albano Contarini, der erste venez. Regent Athens, wurde am 18. Juli 1398 Podesta und Kapitän von Argos, wo ihm die Signorie befahl, Albanesen als Kolonisten aufzunehmen (Misti XLIV, fol. 26 , 115). Die Wahl der athenischen Rektoren Venedigs fand durch ein viermaliges Skrutinium des großen Rates statt. »Vadit pars, quod potestas et capitaneus Sitines fiat per quatuor manus ellectionum in ipso consilio cum salario et condicione quibus erat Ser Hermolaus Contareno ibi defunctus.« (Maggior Consiglio, Leona fol. 105). Die Republik behandelte übrigens den Besitz Athens nicht als etwas für ihre Staatsinteressen besonders Wichtiges, wenn sie auch die Gefahr erkennen mußte, die ihr dort drohte. Denn wie einst sein Vater in Korinth getan hatte, so wartete in Böotien der Bastard Antonio Acciajoli auf die passende Gelegenheit, die ihn nach Athen zurückführen konnte. Er sammelte Kriegsvolk in Levadia, dem stärksten Ort jenes Landes. Die Türken, mit denen er im Einverständnis war und an deren Raubzügen gegen die Venezianer, seine ärgsten Feinde, er sich beteiligte, reizte er auf, die Küsten Euböas und Attikas zu überfallen. So kläglich aber war, trotz des venezianischen Regiments, die Lage Athens, daß diese Gemeinde am Ende des Jahres 1396 Gesandte an den Dogen schickte, um bei ihm Hilfe zu suchen. Der Bastard Nerios und andre Freibeuter, so klagten diese Boten, durchstreiften das Land mit fünfzig bis sechzig Reitern, gegen welche die Athener machtlos seien, da ihre Stadt durch diese fortgesetzten Angriffe verödet und verlassen sei. Sie verlangten eine Verstärkung von mindestens 50 Pferden und 25 Bogenschützen, und so klein waren die militärischen Verhältnisse jener Zeit, daß der venezianische Senat es für ausreichend hielt, den Athenern dreißig Reiter zu bewilligen.Misti XLIV, fol. 33, 30. Jan. 1347.
Im Jahre 1399 gingen nochmals Boten des Podesta und der Stadt nach Venedig mit dringenden Bitten um Abhilfe ihrer Not.»Cum sicut habetur tam per literas, quam per relationes nuntii potestatis et capitanei ac comunitatis nostre Sethines... dicta civitas propter insultus crebros Turchorum et continuos stimulos Anthonii de Azaiolis... magno subjacet periculo.« (Misti XLIV, fol. 102, 16. Mai 1399). Die Akropolis war damals mit 26 Armbrustschützen bewehrt; der Senat befahl, sie durch dreißig andre zu verstärken und den 30 Reitern, welche der Kapitän hielt, noch 25 neu im Lande auszuhebende beizufügen. Später wurde dem Nachfolger Contarinis, Niccolo Vetturi, die Summe von 200 Hyperpern zugewiesen, um die Mauern und Zinnen wieder herzustellen.Misti XLV, fol. 109, 1401, 20. Sept. Es geschah wohl auch aus dem Bedürfnis, mit ihrem Regiment Unzufriedene zu beruhigen, wenn die Signorie demselben Podesta gebot, öffentlich in Athen ausrufen zu lassen, daß jeder, der sich über die venezianischen Rektoren zu beklagen habe, seine Beschwerde vor den Syndici in Negroponte oder in Nauplia vorbringen dürfe.
Ein Anhang des Hauses Acciajoli mußte in Athen zurückgeblieben sein, und mit diesem konnte sich Antonio verständigen. Am Ende des Mai 1402 gelang es ihm, auf einem neuen Streifzuge nach Attika die Stadt in Besitz zu nehmen, worauf er die Akropolis belagerte. Der überraschte Podesta Vetturi und derselbe Matteo de Montona, welcher diese Burg ehedem gegen die Türken mit Erfolg verteidigt hatte, forderten schleunigen Entsatz von Venedig. Die Kunde des Ereignisses gelangte dorthin, als der große Rat eben Rainerio Venier zum neuen Podesta Athens ernannt hatte; er hielt denselben jetzt von seiner Abreise zurück.»Supervenientibus novis de casu amissionis civitatis Sythines, licet dicatur quod castrum adhuc se tenet.« (Avogaria del Comune: Maggior Consiglio, Delib. 1309–1417, A. io, fol. 10 ). Am 22. August 1402 erklärte der Senat Antonio als Feind des christlichen Glaubens in die Acht und befahl dem Bailo Negropontes, einen Preis von 8000 Hyperpern auf seinen Kopf zu setzen.Sathas, Mon. Hist. Hell. II, n. 311. Da vom Golfkapitän und von Negroponte dringende Mahnungen eingegangen waren, daß Athen auf jede Weise wiederzuerobern sei, damit nicht Euböa und andre Besitzungen Venedigs in Gefahr kämen, so befahl die Signorie demselben Bailo, Söldner anzuwerben, die Akropolis mit Kriegsvolk, Munition und Proviant zu versehen und die Stadt mit Gewalt dem Feinde zu entreißen. So maßlos war die Aufregung der venezianischen Regierung, daß sie demselben Bailo gebot, Theben in einen Trümmerhaufen zu verwandeln, wenn dasselbe bei dieser Gelegenheit von ihm erobert werden sollte.Ibid., n. 310, 22. Aug. 1402. »Et si casus daret, ut est sperandum, quod possit capi... locus Thebarum, qui est dicti Antonii... mandetur dicto regimini, quod debeat facere ruinari et destrui totam dictam terram.«
Während nun Antonio die Stadtburg Athens eingeschlossen hielt und ohne Erfolg bedrängte, da sie von der kleinen Zahl ihrer Bogenschützen hartnäckig verteidigt wurde, rüstete sich der Bailo Francesco Bembo, ihr Entsatz zu bringen. Er hatte eine Truppenmacht von 6000 Mann zusammengebracht, und mit diesem Heer zog er über die Brücke des Euripos nach Böotien, um sich Thebens zu bemächtigen. Aber der gewandte Bastard verstand es, die venezianischen Kriegshaufen, noch ehe sie diese Stadt erreicht hatten, in einen Hinterhalt zu locken, wo er ihnen eine vollständige Niederlage beibrachte. Der Bailo selbst geriet nebst andern Kapitänen in die Gefangenschaft des Siegers. Dann kehrte Antonio nach Attika zurück und setzte die Belagerung der Stadtburg fort.Chalkokond. IV, p. 214. Das Ereignis muß am 4. oder 5. Sept. stattgefunden haben, denn am 5. meldeten es die Räte des Bailo aus Negroponte nach Venedig: »intelleximus literas suas datas quinto Septembris, per quas significarunt nobis casum occursum« (Provisionen des Senats, bei Sathas II, p. 101).
Das Glück des verwegenen Bastards erschreckte und beschämte die stolze Republik, zumal sich das Gerücht verbreitete, daß nicht nur der Bailo mit seinem ganzen Heere gefangen, sondern auch Negroponte von Antonio eingenommen worden sei. Am 7. Oktober beschloß die Signorie, Niccolo Foscolo als Provisor und Bailo nach Negroponte abzusenden, wohin ihn der Kapitän des Golfs mit Schiffen von Modon bringen sollte. Am 8. kam jedoch die verbürgte Nachricht, daß Negroponte nicht gefallen sei, daß vielmehr die dortigen Räte diese Stadt mit Umsicht schützten und der Herzog von Kreta ihnen Kriegsvolk zur Hilfe geschickt habe.Provisiones, bei Sathas II, n. 315, 7. u. 8. Okt. 1402. Der Bailo N. Vallaresco wurde später unter Prozeß gestellt (II, n. 324, 7. Juni 1403). Der Doge sandte hierauf nach Euböa als Proveditore Tommaso Mocenigo mit dem Auftrage, von Antonio die Rückgabe der Gefangenen und der Stadt Athen zu verlangen. In allen Meeren und auf der Terra ferma beschäftigt, machte Venedig keine ernstlichen Anstrengungen, um zur Eroberung Attikas eine Kriegsflotte auszurüsten, sondern es begnügte sich vorerst, Euböa zu sichern und mit diplomatischen Mitteln den Verlust einzubringen. Der Bastard aber setzte mit aller Kraft die Belagerung der Akropolis fort. Ohne jede Unterstützung verteidigte diese der Podesta Vetturi siebzehn Monate lang mit Heldenmut. Als das letzte Pferd und das letzte Kraut auf der Felsenburg verzehrt waren, ergab sich der venezianische Kapitän.»Cum prius comederit equos et omnia alia comestibilia que reperere potuit usque ad urticam.« (Arch. Ven., Grazie lib. XX, alte Numeration XVII, fol. 31). Spätere Gnadensache vom 27. März 1409. Vetturi starb bald nach der Übergabe; seiner Witwe und Tochter wurde eine Pension zugewiesen. So zog ein zweiter Acciajoli triumphierend in das Propyläenschloß der Herzöge Athens ein. Er verdiente sein Glück, denn er war ein ausgezeichneter Mann.