Ferdinand Gregorovius
Geschichte der Stadt Athen im Mittelalter
Ferdinand Gregorovius

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Fünftes Kapitel

Krieg um Euböa. Schlacht bei Karydi und Unterwerfung der Verbündeten. Parlament zu Nikli. Ludwig IX., Schiedsrichter im Prozeß des Fürsten von Achaia und des Herrn von Athen. Guido de la Roche am französischen Hofe. Urteil des Königs. Der Titel Herzog von Athen. Bund des Despoten von Epiros mit dem Könige Manfred und mit Villehardouin. Ihr Krieg gegen den Kaiser Michael. Villehardouins Niederlage und Gefangenschaft. Heimkehr Guidos nach Griechenland. Er wird Bail Achaias. Der griechische Kaiser und Genua. Einnahme Konstantinopels. Ende des lateinischen Kaiserreichs. Flucht Balduins. Sein Erscheinen in Athen. Verzicht Villehardouins auf Lakonien. Tod des ersten Herzogs von Athen. Sein Nachfolger Johann.

1.

In Euböa, wo Otto de Cicons und Leone dalle Carceri zu ihm standen, war Villehardouin anfangs siegreich. Die beiden Terzieri, Wilhelm von Verona und Narzotto, nahm er mit List gefangen, vertrieb den Bailo aus Negroponte und besetzte fast die ganze Insel. Die Venezianer machten hierauf die größte Anstrengung, jene Stadt wieder zu gewinnen; sie belagerten dieselbe länger als ein Jahr, bis sie Marco Gradenigo mit sieben Galeeren dorthin schickten, der dann Negroponte dem Fürsten wieder entriß.Marin Sanudo, p. 104. Chron. Andrea Dandolo (Muratori XII, p. 364). Laurentius de Monacis VIII, p. 144.

Schon war Guido von Athen offen als Verbündeter Venedigs aufgetreten; seine Truppen drangen bis Korinth, und die Moreoten streiften bis in die Nähe Athens. Der Fürst Achaias kam einmal sogar in Gefahr, in die Gefangenschaft des Megaskyr zu geraten. Da er Negroponte hatte aufgeben müssen, beschloß er, sich mit aller Macht auf diesen Gegner zu werfen und dann nach seiner Vernichtung den Kampf in Euböa fortzusetzen. Für Guido galt es jetzt darzutun, daß er sein Recht mit den Waffen zu behaupten imstande sei, aber diesen ersten Krieg um seine Unabhängigkeit mußte er gegen Landsleute und alte Waffenbrüder führen.

Auf seine Seite war, zur nicht geringen Überraschung des Fürsten, der tapferste aller seiner Ritter getreten, Gottfried von Bruyeres, das Ideal des lateinischen Adels in Griechenland, der weit und breit gepriesene Herr der arkadischen Baronie Karytena oder Skorta, welche sein Vater Hugo, ein Edler aus der Champagne, erobert und vom ersten Villehardouin zum Eigentum erhalten hatte. Sie galt nicht nur als eines der größten, sondern auch der wichtigsten Lehen in ganz Morea. Ihr hohes, gewaltiges Schloß über dem Alphiostale glänzte als eine Hauptburg des Peloponnes; noch heute beweisen das seine mächtigen Trümmer. Gottfried war der leibliche Neffe seines Fürsten als Sohn von dessen Schwester, und für ihn hatte er gegen die Venezianer auf Euböa wacker gekämpft. Aber er war zugleich der Schwiegersohn Guidos als Gemahl der Isabella la Roche. Die Tränen seines Weibes verführten den ruhelosen und leidenschaftlichen Mann zum Treubruch gegen den Oheim und Landesherrn. Als dieser auf dem Hochgefilde zu Nikli, wo einst das alte Tegea stand, seine Lehnsmannen zum Kampf mit dem hellenischen Bunde versammelte, fehlte der mächtigste seiner Barone, da er bereits zu Guido nach Theben gezogen war.

Dort vereinigte der Megaskyr ein ansehnliches Heer. Mit ihm waren seine Lehnsmannen, die drei Brüder vom Hause St. Omer, Nikolaus II., Otto und Jean, sein eigner Bruder Wilhelm, ferner Thomas II. von Stromoncourt, Herr Salonas, der Markgraf Ubertino Pallavicini von Bodonitsa, Guisbert de Cors, Gemahl Margaretas, einer Tochter des Jean de Neuilly von Passava, und einige Dynasten Euböas.Griech. Chron. von Morea, v. 121ff. Im Sommer 1258 rückte Villehardouin über den Isthmos durch Megaris, traf seine Gegner bei dem Berge Karydi auf der Straße von Korinth nach Theben und schlug sie in einer blutigen Schlacht.»Passo di Moscro detto Cariddi«, Marin Sanudo, p. 105. Berg Akra oder Karydi, 3 Stunden von Megara entfernt; Buchon, Grèce continentale, p. 556. In der Schlacht fielen Guisbert de Cors und einige ungenannte Barone. Die Flüchtlinge warfen sich nach Theben. Während nun die Peloponnesier sofort in Attika eindrangen, um dem geschlagenen Megaskyr den Weg nach Athen zu verlegen, erschien der racheflammende Sieger vor der Kadmeia. Allein vorn Sturm auf diese Burg hielten ihn seine eigenen Barone und die Ermahnungen des Erzbischofs von Theben zurück. Sie vermittelten eine Übereinkunft zwischen Stammgenossen und alten Freunden, welche ein unseliger Zwist nicht für immer verfeinden durfte.

Die Form der Ausführung und die Bedingungen, die den Besiegten vom Sieger auferlegt wurden, sind für das Wesen des Rittertums jener Zeit sehr bezeichnend. Guido und seine Anhänger unterwarfen sich; sie schworen in die Hände der Mittelspersonen, nie mehr den Fürsten zu bekriegen und diejenige Buße zu vollziehen, die er von ihnen fordern werde. So beugten sich die fränkischen Feudalherren jenseits des Isthmos vor dem gewaltigen Manne. Er kehrte alsbald mit seinem Heerbann nach Nikli zurück, weil es daselbst gutes Weideland für die Reiterei gab, und dorthin entbot er ein Parlament. Sein Sieg hatte ihn augenblicklich zum Haupte Griechenlands gemacht und das Übergewicht des Peloponnes über Athen und das hellenische Festland entschieden wie zur Zeit des spartanischen Lysander.

Zum Tage in Nikli erschien Guido nicht in demütigem Aufzuge des Bußfertigen, sondern mit ritterlichem Glanz.Griech. Chron. von Morea, v. 1999. »Et vint, le plus noblement qu'il pot, tout droit à Nicles.« (Liv. d. l. Conq., p. 110). Der aus peloponnesischen Baronen gebildete Gerichtshof, die »haute cour« Achaias, sollte jetzt über den Großherrn Athens den Spruch fällen; aber dieser fiel nicht so aus, wie ihn Wilhelm erwartet hatte. Wenn sich diese seine Lehnsmannen und Pairs die Befugnis absprachen, über den Megaskyr zu richten, so erklärten sie dadurch, daß sie denselben nicht als ihresgleichen, also nicht als Vasallen Achaias betrachteten.»Risposero, che essi non erano pari, si chè dovessero judicarlo.« M. Sanudo, Ist. d. R. i. R., p. 105. Sie schlugen den König von Frankreich, den natürlichen Schirmherrn der Lateiner im Orient, als Urteilssprecher vor, und Wilhelm II. sah sich genötigt, das anzunehmen. Wenn er Guido sein Land entrissen hätte, so würde er augenblicklich sein eigenes Fürstentum ansehnlich erweitert, aber sich auch dem Widerspruch seiner Barone und neuen Bürgerkriegen ausgesetzt haben. Außerdem verhinderte das Feudalsystem an sich die Bildung eines monarchischen Einheitsstaats.

Als Guido vor Villehardouin erschien und seine Vergebung erbat, gewährte er sie ihm, aber er legte ihm die Verpflichtung auf, sich in Person nach Frankreich zu begeben, um dort von dem großen Könige zu erfahren, welche Strafe ein Vasall verwirkt habe, der sich gegen seinen Lehnsherrn mit den Waffen in der Hand erhoben hatte. Darauf kam Bruyeres. Mit dem Strick um den Hals warf er sich vor dem Oheim nieder. Aber zugleich knieten mit ihm viele Barone, den Fürsten anflehend, nicht auf die Schuld, sondern auf den Wert des verirrten Mannes zu sehen. Wilhelm hatte allen Grund, gegen seinen Neffen erbitterter zu sein als gegen den Megaskyr, denn Bruyeres hatte offenbar zwei heilige Pflichten verletzt, die Verwandtenliebe und das Gebot der Vasallentreue, auf welchem als dem festesten Grunde der Lehnsstaat beruhte. Doch er verzieh ihm und gab ihm sogar sein verwirktes Lehen zurück, freilich nur für seine Person. Mit Turnieren wurde das Versöhnungsfest gefeiert, worauf Guido nach Theben zurückkehrte.Aus einer Münze des Fürsten Achaias: G. PRINCEPS... THEBE, hat man schließen wollen, daß sie Wilhelm II. damals in Theben schlagen ließ. De Saulcy, Numism. de Croisades, p. 143. Schlumberger, Num. de l'Orient latin pl. XII, 14, hält sie für ungeschickten Nachdruck und Kombination eines Tournois von Clarenza mit einer Münze der Herzöge Athens.

Den Winter über rüstete er sich zur Fahrt nach Frankreich. Er ernannte seinen Bruder Otto zum Bail während seiner Abwesenheit, schiffte sich im Hafen Livadostro ein, landete in Brindisi und eilte von dort zu Pferde nach Burgund. Derselbe Sohn des Pons de la Roche, welcher als abenteuernder Jüngling aus der Franche Comté nach Hellas gezogen war, kehrte jetzt als Großherr Athens in sein Vaterland zurück. Dort lebten seine Vettern, die Söhne seines Oheims Otto und andere Verwandte in hohen Stellungen.Um 1266 war Amaury de la Roche Komtur der Templer in Frankreich. Mas Latrie, Hist. de Cypre II, p. 1, p. 71. Er traf damals neben alten Freunden in Frankreich auch den jungen Hugo von Brienne, welcher sich später mit seinem eigenen Hause verschwägern sollte.

Bis zum Frühjahr 1260 blieb der Megaskyr in Burgund. Sein seltsamer Auftrag an den König mußte seine Landsleute in Erstaunen setzen. Damals herrschte über Frankreich Ludwig IX., der mächtigste Mann in Europa, seitdem das deutsche Reich im Kampfe mit dem Papsttum und den Guelfen Italiens erlegen und der große Hohenstaufe Friedrich II. gestorben war. Sein Kreuzzug in Ägypten und Syrien, sein Unglück in der Schlacht bei Mansura, wo er in die Gefangenschaft des ägyptischen Sultans geraten war, seine Tugenden wie seine Regentenkraft woben einen Nimbus um das Haupt dieses frommen, aber kraftvollen Herrschers. Mit Güte empfing er den gedemütigten Herrn Athens und die Boten des stolzen Fürsten Achaias, der ihn als den ersten Ritter Frankreichs und den höchsten Wächter des Feudalrechts ersuchte, über einen Fall den Spruch zu tun, welchen er selbst als Felonie ansah.

Ludwig IX. kannte den Fürsten Wilhelm II. persönlich, denn im Mai 1249 hatte ihn dieser auf Zypern begrüßt, wohin er mit einer Flotte von 24 Schiffen und 400 Rittern gekommen war, den Herzog Hugo IV. von Burgund begleitend, welcher den Winter an seinem Hof zu Andravida zugebracht hatte.Mas Latrie I, p. 351. Der König hatte ihm damals das Recht verliehen, Geld im Werte der französischen Münze in Clarenza zu prägen.Marin Sanudo, p. 102. Die bekannten Tournoisen mit dem Glockenturm des St. Martin zu Tours und der Aufschrift D CLARENZA. Aber der Fürst von Achaia hatte so wenig kreuzritterliche Leidenschaft gezeigt, daß er nicht an den Kämpfen in Ägypten teilnahm, sondern nach einer flüchtigen Anwesenheit in Damiette nach Hause zurückkehrte. Vielleicht war ihm das vom Könige nicht verziehen worden.

Die vor Ludwig IX. sich stellenden Parteien aus dem fernen Griechenland waren Franzosen, und sie anerkannten noch voll Pietät den Lehnsverband, in dem sie selbst ehemals und um ihrer französischen Güter willen noch jetzt zum Könige standen. Dieser entbot in der Osterzeit 1260 die Streitenden vor ein Parlament, welches er gerade versammelte. Der hohe Gerichtshof Frankreichs entschied hier zugunsten des Sire Athens. Die von Bonifatius, dem Könige von Thessalonike, hergeleiteten Ansprüche des Fürsten von Achaia auf die Oberhoheit über jenen wurden zwar, wie es die Chronik von Morea darstellt, im Prinzip nicht für unbegründet erfunden, allein Guido konnte dartun, daß er dem Fürsten selbst niemals persönlich den Lehnseid geleistet hatte. Der König erkannte demnach, daß der Beklagte, wenn er auch eine Verschuldung auf sich geladen hatte, diese durch die auf des Fürsten Befehl unternommene weite Reise nach Frankreich ausreichend gesühnt habe.Griech. Chron. von Morea.

Der beglückte La Roche warf sich seinem Richter zu Füßen und bat ihn, das gnädige Urteil urkundlich ausfertigen zu lassen. Nachdem dies geschehen war, ließ ihn Ludwig zu sich rufen und stellte ihm die Wahl einer Gnade frei. Guido bat um die Verleihung des Titels »Herzog von Athen«, da sein Land von alters her ein Herzogtum gewesen sei.Chronik von Morea, v. 2131. Dies gewährte der König. So ging der Besiegte von Karydi aus seiner Niederlage mit hohen Ehren hervor; seit 1260 nannte er sich Herzog von Athen.Die Franken gebrauchten für Herzogtum das Wort »ducheaume«, und die Griechen bildeten daraus δουκιάμος. Die beiden dort regierenden La Roche hatten bis zu dieser Zeit nur den bescheidenen Titel »dominus« oder »sire d'Athènes« geführt, und Guido selbst hatte sich vor dem Urteilsspruch in Frankreich urkundlich so genannt.»Nos Guis de la Roche, sire d'Athènes«. Zwei Urk. v. Febr. 1260, Buchon, Rech. hist.II, p. 385ff. Auch auf seinen Münzen steht DNS. ATHEN. um ein Portal, auf dem Revers: THEB. CIVI um ein Kreuz. Schlumberger, p. 337, pl. XII, 30, 31. Die von de Saulcy, Num. de Crois. pl. XVII, 3, 4, dem Guy I. zugeschriebenen Münzen mit »Guiot Dux Athen«. schreibt Schlumberger Guido II. zu. Es gibt keine Münzen von dem ersten Megaskyr.

Die Chronik von Morea hat den Herzogtitel Athens aus dem Altertum hergeleitet, und dieselbe auffallende Ansicht findet sich sonst nur bei dem byzantinischen Geschichtsschreiber Nikephoros Gregoras, einem Zeitgenossen jenes Chronisten. Er behauptet, daß Konstantin der Große an seine Magnaten Hoftitel verteilt, den Befehlshaber von Rußland zum Truchseß, den des Peloponnes zum Princeps, den von Böotien und Theben zum Princeps, den von Attika und Athen zum Großherzog, den Siziliens zum Rex ernannt habe. Jetzt, so bemerkt er weiter, werde der Archegos von Attika und Athen statt Großherzog nur Herzog und der von Böotien und Theben irrtümlich Megaskyr genannt. Es ist erstaunlich, daß ein so gelehrter Geschichtsschreiber, wie Nikephoros war, solche Fabeln von Konstantin berichten konnte, und noch mehr, daß er zu seiner Zeit, wo die Katalanen das Herzogtum Athen beherrschten, dieses in zwei selbständige Gebiete trennte.Hist. Byz. VII, 5, p. 239. Du Cange (in der Note dazu) verlacht das als unsinnig. Surmelis, Katastasis Synopt., p. 18, hat aber diese Fabel angenommen, wie lange vor ihm Meursius, De Fortuna Athen., p. 106, und später andere.

Wenn ein byzantinischer Beamter in Athen solchen Titel wirklich geführt hätte, so würde es doch auffallend sein, daß seiner nirgends von den griechischen Geschichtsschreibern erwähnt wird. Die Byzantiner hatten das lateinische Wort Dux in ihre amtliche Sprache aufgenommen. Dasselbe war seinem Begriffe nach dem Eparchos und Strategos gleichbedeutend.Tafel, De Thessalon., p. 161. Du Cange zum Wort δουξ. Es finden sich Befehlshaber mit dem Titel Dux bezeichnet in einigen Provinzen und in Städten wie Antiochia, Trapezunt, Durazzo, Nikaia, Sardika, Attalia. Michael Akominatos im besonderen hätte Gelegenheit gehabt, in seinen offiziellen Anreden und Denkschriften des Dux von Athen zu erwähnen, wenn es diesen zu seiner Zeit gab. Aus Bleisiegeln haben wir erkannt, daß es einen Archon Athens gegeben hat; aber der Rang eines solchen kaiserlichen Militärbeamten konnte keineswegs eine Auszeichnung für Athen sein, da sich auch ein Archon von Euripos vorfindet. Wenn aber den Griechen dieser Begriff gleichgeltend mit Dux war, so hätte sich Guido von Athen höchstens nur auf solche Übereinstimmung beziehen können und sich demnach mit einem byzantinischen General vergleichen müssen.Prokopios, De Aedificiis, III, 3, p. 252, sagt von Justinian: στρατιωτικοὺς καταλόγους τη̃δε ιδρύσατο, οι̃ς δὴ άρχοντα ες αεὶ εφεστάναι διώρισεν, όνπερ δου̃κα ‛Ρωμαι̃οι τη̃ Λατίνων καλου̃σι φωνη̃. Das bezieht sich auf den Befehlshaber der Grenzfestung Artaleson in Armenien. In der Biographie des hl. Meletios (zweite Hälfte des 11. Jh.) kommt der Archon Athens vor (’Αθηνάρχης), was Sathas (Mon. Hist. Hell. VII, p. XXI) mit »duc d'Athènes« übersetzt. In derselben Heiligengeschichte finde ich aber auch den Δούκας τω̃ν Θηβω̃ν, unter dem doch der Stratege oder Prätor von Hellas zu verstehen ist.

Da Guido vom französischen Gerichtshof freigesprochen war, so lag es nahe, daß er seine Herrschaft auch durch eine höhere Würde bestätigt zu sehen wünschte. Weil Achaia ein Fürstentum war, konnte sein Ehrgeiz nur nach dem Range des Herzogs streben, wie ihn der Sanudo als Gebieter von Naxos erlangt hatte und ihn der venezianische Regent Kretas führte. So passend erschien übrigens der Herzogtitel für den Gebieter Athens, daß ihn der Chronist von Trois Fontaines schon dem ersten La Roche beigelegt hatte. Dichter des Abendlandes gebrauchten denselben wie einen antiken Begriff sogar für den mythischen Stadtgründer Athens. Gibbon hat bemerkt, daß Boccaccio in der Theseide, Chaucer in einem der Canterbury-Tales und Shakespeare im Sommernachtstraum den alten Theseus Herzog von Athen genannt haben.Gibbon, C. LXII, p. 25, Pariser Ausgabe von 1840. Schon Dante, der ein Zeitgenosse der La Roche war, läßt im 12. Gesange des Inferno Virgil zum Minotaurus sagen:

                                            Forse
Tu credi, che sia 'l duca d'Atene,
Che su nel mondo la morte ti porse?

Auch Ramon Muntaner, der Geschichtsschreiber der Katalanen, ein Zeitgenosse Dantes, stellte sich den homerischen Menelaos als »Herzog von Athen« vor. Er erzählt nämlich, daß auf dem Kap Artaki in Kleinasien eins der Tore Trojas gestanden habe unweit der Insel Tenedos, zu welcher in einem gewissen Monat des Jahres die edlen Männer und Frauen Romanias zu pilgern pflegten, um ein Götterbild zu verehren. Als nun auch eines Tages Helena, die Gemahlin des Herzogs von Athen, mit hundert Rittern dorthin wallfahrtete, habe sie der trojanische Königssohn Paris erblickt, ihr ganzes Gefolge von hundert Rittern erschlagen und die schöne Herzogin entführt.Muntaner, c. 214. Er nennt Helena »Arena muller del duch de Tenes«.

Die unerwartete Auszeichnung Guidos durch den Monarchen Frankreichs mußte den Fürsten von Morea tief verwunden, wenn er nicht zugleich durch andere Bestimmungen Ludwigs IX. versöhnt wurde, von denen wir indes nichts wissen. Es ist aber doch wahrscheinlich, daß ihm damals die Lehnshoheit über Theben und Athen zugesichert wurde. Die Erhebung des Megaskyr stand übrigens mit einer Katastrophe in Griechenland im Zusammenhange, welche den Sieger bei Karydi plötzlich vom Gipfel seiner Größe herabstürzte, den Besiegten aber augenblicklich dort zu einem Dynasten von solcher Wichtigkeit machte, daß der König von Frankreich Grund hatte, die Stellung des Gebieters von Athen noch zu verstärken. Die Nachricht von diesem Ereignis mußte Paris lange vor Ostern 1260 erreicht haben, und bald erschienen Boten aus Morea, welche Guido nicht nur zur schleunigen Rückkehr aufforderten, sondern ihm seine Ernennung zum Bail Achaias in Aussicht stellten. Lange genug hatte er in Frankreich verweilt, mancherlei Angelegenheiten mit französischen Großen ordnend, denen er zum Teil verschuldet war. Wenn er sich unter anderm in der unangenehmen Lage befand, vom Herzoge von Burgund die Summe von zweitausend Livres für die Bedürfnisse seines Landes zu leihen, so konnte diese Tatsache dartun, daß ihn überhaupt der Besitz Athens nicht reich gemacht oder daß der Krieg gegen Achaia seine Mittel erschöpft hatte.»Por les besoignes de notre terre«: Buchon, Rech. II, p. 384. Du Cange, Hist. de Cp. I, p. 436ff. Pariser Kaufleute forderten von ihm Ersatz für Schädigung durch Korsaren von Nauplia, und dies wirft Licht auf die Handelsbeziehungen von Paris zu Griechenland.


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