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In derselben Zeit, als die Seerepubliken Italiens mit kaufmännischem Unternehmungsgeist in den Orient eindrangen, als sich Venedig zur Herrscherin des vierten Teils des Romäerreichs machte und sodann mit Genua um das Monopol des Levantehandels stritt, konnte sich das vom Meer abgeschnittene Florenz an jenem nur durch fremde, gemietete Schiffe und durch die Macht des Kapitals beteiligen. Die Florentiner breiteten ihre Wechselgeschäfte über Italien, Frankreich und England, über Ägypten, Griechenland und Kleinasien aus. Die Banken der Bardi, Peruzzi und Acciajoli und viele andere, etwa achtzig an Zahl, beherrschten allmählich den Geldmarkt der damaligen Welt. Schon in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts konnte sich Florenz rühmen, zweihundert Fabriken zu besitzen, welche 80 000 Stücke Zeug im Werte von 1 200 000 Gulden hervorbrachten und 30 000 Arbeiter beschäftigten. Die gewerbtätige Stadt der spekulierenden, mit allen politischen Schwankungen rechnenden Bankiers wurde zugleich ein Hauptsitz der Künste und Wissenschaften, was die andern, auf überseeische Kolonisation und Eroberung gerichteten Republiken, wie Amalfi, Pisa, Genua und Venedig, nicht werden konnten. Erst dadurch, daß sie ihre Geldmacht mit dem geistigen Mäzenat vereinigten, machten sich später die Medici zu Gebietern des Florentiner Staats.
Hundert Jahre vor diesen konnten die Acciajoli, trotz ihres Reichtums und ihrer diplomatischen Geschicklichkeit, nicht zu solcher Stellung gelangen, sowohl weil die Vereinigung jener Kräfte damals noch nicht möglich war, als weil sie ihre persönliche und geschäftliche Verbindung mit dem Hause Anjou erst nach Neapel und dann weiter nach Griechenland hinüberzog. Ihr Popolanengeschlecht stammte von Gugliarello, einem Guelfen Brescias, der sich in der Mitte des 12. Jahrhunderts in Florenz niederließ und hier eine Stahlfabrik gegründet haben soll.Hauptwerk über diese Familie ist die von Donato Acciajoli übersetzte Vita des Niccolo Acciajoli von Matteo Palmieri (Anhang zu Ubaldinis ›Istoria della casa degli Ubaldini‹, Flor. 1588). Hinter dieser Vita die ›Origine della fam. degli Acciajoli, e degli homini famosi in essa‹. Einiges bei den Villani, in den ›Elogia hist.‹ des Gaddi, Flor. 1637, im ›Discorso delle fam. estinte di Napoli‹ von Ferrante della Marra, Neap. 1641. ›Familie Fiorentine‹ des Scipione Ammirato, vol. II. Brauchbares hat Fanelli in seiner ›Atene Attica‹. Die wichtigsten urkundlichen Forschungen über die A. machte Buchon, N. Rech. I und II, mit Benutzung des Archivs des jenem Geschlecht verwandten Hauses Ricasoli, welches Leopoldo Tanfani für seine Biographie des Niccolo Acciajoli, Flor. 1863, nicht benutzen konnte. Die Genealogie bei Litta. Am Ende des 13. Jahrhunderts besaßen die Acciajoli in Florenz ein blühendes Bankgeschäft. Sie bekleideten dort seit 1282, wo ihre Familie zur Magistratur zugelassen wurde, ansehnliche Ämter in der Republik.S. L. Peruzzi, Storia del Commercio e dei Banchieri di Firenze, Fir. 1868, p. 144. Am Anfange des 14. Jahrhunderts, zur Zeit als die Partei der Guelfen Siegerin über die Ghibellinen geworden war, begann die nähere Verbindung jenes Bankhauses mit dem Hofe Neapels. Der König Robert ernannte im Jahre 1323 ein Mitglied desselben mit Namen Acciajoli zu seinem Rat und Familiar. Der einzige Sohn dieses Florentiners, der am 10. September 1310 geborene Niccolo, begründete sodann die Größe des Hauses. Er vermählte sich im Jahre 1328 mit Margarita degli Spini, und drei Jahre später schickte ihn sein Vater nach Neapel, hier die Angelegenheit der Bank wahrzunehmen. Mit ihren Geldern hatte diese im Jahre 1325 den Bruder Roberts, Johann von Achaia, zu seinem Zuge nach Griechenland ausgerüstet und dafür Güter in Morea erhalten, so daß sie bereits festen Fuß im Peloponnes gefaßt hatte. Der junge Niccolo, ein Mann von schöner Erscheinung und von heiterem Temperament, erlangte bald die Gunst des neapolitanischen Hofes. Auch seine Schwester Andrea kam dorthin als Gemahlin des Carlotto Arto, Grafen von Monte Oderisio; es ist dieselbe Frau, welcher Boccaccio sein Buch ›Donne illustri‹ gewidmet hat.Buchon, N. R. I, p. 48.
Niccolo wurde der Rat und Kammerherr, wahrscheinlich auch der Geliebte der ehrgeizigen und energischen Kaiserin Katharina von Valois, einer Virago unter den Frauen Italiens jener Zeit.Palmieri (Muratori XIII, p. 1206) sagt von ihr: »viro longe magis ac mulieri persimilis«. Matteo Villani, Le Vite d'uom. ill. Fior. (ed. Dragomanni), p. 52, lehnt dies Liebesverhältnis ab, Giov. Villani, lib. XII, c. 75, läßt es unentschieden. Litta glaubt daran. Während sonst Fürstenhöfe ein schlüpfriger Boden für Günstlinge sind und Liebschaften mit königlichen Frauen ihnen Verderben bringen, diente ein solches Verhältnis dem geschmeidigen Acciajoli als sichere Leiter zum Glück. Nachdem der Gemahl Katharinas, der Titularkaiser Philipp von Tarent, am Ende des Jahres 1331 gestorben war, übernahm Niccolo mit Genehmigung des Königs Robert die Verwaltung des Vermögens der kaiserlichen Kinder Robert, Louis und Philipp, deren Hofmeister er wurde.Brief des N. an Angelo vom Jahre 1364, welcher einen Überblick seiner Laufbahn enthält (bei Tanfani, p. 211ff.). Mit staatsmännischer Klugheit sicherte er die Rechte des Erstgeborenen auf das Fürstentum Achaia, indem er Johann von Gravina bewog, Morea mit Durazzo zu vertauschen und außerdem als Entschädigung eine Geldsumme anzunehmen, welche die Bank Acciajoli hergab. Infolge dieses Vertrages wurde der junge Robert als Despot Romanias und Fürst Achaias anerkannt.
An dies Fürstenhaus, dem er mit seinen Talenten und Geldern diente, knüpfte seither Niccolo sein eigenes Glück. Schon im Jahre 1334 ließ er sich von der Bank Acciajoli alle Güter übertragen, welche diese in Morea von Johann von Gravina erhalten hatte. Er kaufte andre Besitzungen, und Katharina belieh ihn mit moreotischen Ländereien, mit Armiro, Kalivia, Andravilla, Prinitsa; sie nahm ihn sogar in die Reihe der Lehnsvasallen Achaias auf.Akt vom 1. Febr. 1336, Buchon, N. R. II, 65, n. V. Dort erschien der mächtige Günstling mit fürstlichem Glanz, als er im Oktober 1338 jene Kaiserin und ihren Sohn Louis nach Clarenza begleitete. Drei Jahre blieb er als Bail in Morea.Genannter Brief bei Tanfani, p. 228. Die Erhaltung dieses Landes im Besitze des Hauses Anjou-Tarent war bereits zu einem Finanzgeschäft der Acciajoli geworden, die ihre Wechselbanken in Clarenza, auf Rhodos, in Famagusta, selbst in Tunis eingerichtet hatten. Der kluge und tatkräftige Emporkömmling vermochte den anarchischen Zuständen Moreas Einhalt zu tun, die widerspenstigen Barone, deren manche Jayme II. von Mallorca, den Sohn Ferdinands und der Isabella von Sabran, als Prätendenten aufstellten, zu ihrer Pflicht zurückzurufen und den Angriffen der Griechen von Misithra, der türkischen Piraten und der Katalanen standzuhalten.
Katharina belohnte ihn für diese Dienste mit Lehen in der Baronie Kalamata. Sodann führte er die Kaiserin im Sommer 1340 nach Apulien zurück, kam aber selbst als ihr Bail wieder nach Morea und verwaltete dies unruhige Land etwa bis zum Juli 1341. Daß er bald darauf nach Neapel heimgekehrt war, zeigt der von Boccaccio aus Florenz am 28. August 1341 an ihn gerichtete Brief, worin der berühmte Dichter seine Freude über die Rückkehr Acciajolis in übertriebenen Phrasen ausgesprochen hat.Buchon, N. R. II, 114.
Das Haus Niccolos war auch in Florenz reich begütert und zu hohem Einfluß gelangt, denn sein Vetter Angelo wurde dort im Jahre 1342 Erzbischof. In die große Finanzkrisis, welche seit 1340 den Sturz mehrerer Florentiner Banken zufolge hatte und sich unter dem tyrannischen Regiment Walters von Brienne, des Titularherzogs von Athen, noch schrecklicher wiederholte, waren auch die Acciajoli verwickelt, doch richteten sie sich bald wieder auf.Villani XII, c. 55. Peruzzi, Storia del Commerc. di Firenze, p. 145, 457. Niccolo selbst scheint seine Angelegenheiten voll Klugheit sichergestellt zu haben. Nach Griechenland ist er nicht mehr zurückgekehrt, wenn er auch fortan seine Dienste den Anjou von Neapel und Tarent widmete. Nach dem Tode des Königs Robert im Jahre 1343 bestieg den Thron dessen Enkelin Johanna, die Tochter Karls von Kalabrien. Im Oktober 1346 starb auch Katharina, worauf ihr ältester Sohn Robert, der Fürst Achaias, Titularkaiser von Konstantinopel wurde und sich mit Maria von Bourbon, der Witwe des Königs Guy von Lusignan, vermählte. Der zweite Sohn Katharinas, Louis von Tarent, erlangte die Krone Neapels, da er sich nach der frevelvollen Ermordung des jungen Andreas von Ungarn, des Gemahls Johannas, im Jahr 1346, mit dieser vermählte. Es war Niccolo Acciajoli, der diese Verbindung zustande brachte und seinem Mündel zur Krone verhalf. Als sich sodann nach dem Einbruche des Bluträchers Ludwig von Ungarn in Neapel, im Jahre 1348, die schuldbeladene Königin Johanna von allen verlassen sah, glänzte Niccolo durch die treuen Dienste, die er ihr leistete. Er folgte ihr und ihrem Gemahle Louis auf der Flucht nach Avignon.Genannter Brief bei Tanfani, p. 244. Noch nach dem Tode des Acciajoli erinnerte die Signorie von Florenz die Königin Johanna an jene Zeit, wo Niccolo ihr »fidus Acates« gewesen war (p. 236). Er führte dort ihre Sache und bemühte sich um ihre Freisprechung durch das päpstliche Tribunal. Er bahnte ihr auch die Wege zur Rückkehr auf den Thron Neapels. So wichtige Dienste belohnten Johanna und Louis reichlich; Niccolo wurde zum Großseneschall des Königreichs Sizilien erhoben und nach und nach mit den schönsten Grafschaften, mit Terlizzi, Meifi, sogar mit Malta und Gozzo beliehen. Endlich sollte ein grenzenloses Glück sein Haus auch in Korinth und in Athen zu fürstlicher Macht erheben.