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Gerade in der Zeit des Psellos war Attika von dem Rufe eines großen Wundertäters erfüllt, welcher dem schon genug verderblichen Klosterwesen einen neuen Aufschwung gab. Meletios stammte aus dem kleinen Flecken Mutalaska in Kappadokien; er wanderte nach Theben, wo er sich in einem Kloster bei der Kirche St. Georg niederließ. Nachdem er Pilgerfahrten unternommen hatte, nach Rom, zum heiligen Jakobus in Galizien und nach Jerusalem, siedelte er sich an der Grenze Böotiens und Attikas auf dem rauhen Berge Myopolis an. Dort nahm er seinen Sitz im Kloster Symbulon und stiftete zugleich viele Einsiedlerzellen. Um ihn sammelte sich ein Schwarm von Mönchen, die mit der Zeit das Gebirge und die umliegende Landschaft beherrschten. Der byzantinische Patriarch Nikolaus begünstigte den Heiligen, der Kaiser Alexios, der wütende Verfolger der Manichäer, gab ihm Freibriefe und wies ihm sogar öffentliche Einkünfte aus den Steuern Attikas an.Meletios begnügte sich mit der jährlichen Rente von 422 Goldstücken παρὰ τω̃ν τη̃ς ’Αττικη̃ς δασμολογων, wie sein Lebensbeschreiber Theod. Prodromos versichert.
Wir besitzen die Lebensgeschichte dieses höchst einflußreichen Thaumaturgen sogar in drei Redaktionen.Vom Zeitgenossen Theodor Prodromos und von Nikolaus, Bischof von Methone, welcher 36 Jahre nach dem Tode des Meletios seine Biographie schrieb. Beide hat die Russ. Palästinagesellschaft 1885 ediert; eine dritte, neugriechisch bearbeitete, im Νέος Παράδεισος des Kreters Agapias abgedruckt, Vened. 1641, 1644, 1872. Alle drei Lebensbeschreibungen, übrigens Machwerke voll erbärmlicher Nichtigkeiten, verdanke ich der Güte des Herrn Sathas. Er hat sich über Meletios in der Einl. zum Bd. VII seiner ›Mon. Hist. Hell.‹ ausgesprochen. Sie wirft bei Gelegenheit seiner Beziehungen zu Theben und Athen ein leider nur flüchtiges Streiflicht auf diese beiden berühmten Städte. In Theben saß damals der Stratege von Hellas und dem Peloponnes, welchem die Lebensgeschichte den Titel des Prätor, des Anthypatos und sogar des Dux von Theben gibt. Es werden in ihr ein paar Strategen namentlich genannt, Epiphanios Kamateros, Konstantin Choirosphaktos, Hikanatos Bardas, der dreimal jenes Amt verwaltete, und Johannes Xeros. In Athen erscheint ein Athenarch.ο τηνικαυ̃τα αθήναρχος. Dieser Befehlshaber war demnach ein kaiserlicher Offizial, dessen Titel »Archon« wir bereits aus Bleibullen kennengelernt haben. Er muß mit der Verwaltung der Stadt Athen und der Eparchie Attika betraut gewesen sein und die Stellung eines Präfekten gehabt haben, mit polizeilicher und richterlicher Amtsgewalt. Dies zeigt sich bei folgendem Vorfalle. Eines Tages waren Pilger aus Rom auf ihrer Fahrt nach Jerusalem im Golf von Ägina vom Sturm überfallen worden und in den Piräus eingelaufen.εις Πειρεα̃ λίμενα τω̃ν ’Αθηνω̃ν...; der Name dauerte demnach bei den Griechen fort. Sie begaben sich in die Stadt Athen. Der Athenarch sah diese Fremdlinge mit Mißtrauen, weil sie von Rom und aus einem Lande kamen, welches dem Kaiser feindlich gesinnt war; er hielt sie fest, und wahrscheinlich warf er sie ins Gefängnis. Die anonyme Lebensgeschichte des Meletios erzählt sogar, daß die erbitterten Athener jene Römer mit dem Tode bedrohten. Allein sie fanden Mittel, die Hilfe des berühmten Heiligen anzurufen. Er kam von seinem Berge herab, und sein Einfluß war stark genug, den Archon Athens zu ihrer Freilassung zu bewegen, zumal sie auch einen kaiserlichen Paß vorweisen konnten. Meletios nahm die fremden Pilger gastlich in seinem Kloster auf, und sie dankten ihm später dadurch, daß ihre Landsleute oft herüberschifften, um den Heiligen zu verehren.
Prodromos hat von den Athenern bemerkt, daß sie vor Zeiten dem Götzendienst mit Leidenschaft ergeben waren, aber jetzt im Gegenteil noch glühendere Verehrer der allerheiligsten Gottesmutter seien; allein er scheint sie trotzdem, wie wohl Meletios selbst, nicht für ganz rechtgläubig gehalten zu haben, denn er setzte diese Worte hinzu: Wenn ihre Verehrung der Himmelskönigin schon ohne Erkenntnis so groß ist, wie groß würde sie erst mit ihr sein!’Αθήνας, τὰς θερμὰς μὲν πάλαι τὴν ειδωλολατρίαν, ήπερ τις άλλη τω̃ν πόλεων, θερμοτέρας δὲ άρτι κατὰ διάμετρον τὴν εις τὴν υπέραγνον ημω̃ν βασιλίδα καὶ θεοτόκον ευσέβειαν η̃ς γὰρ ο μὴ κατ' επίγνωσιν ζη̃λος τοσου̃τος, πόσον οίεσθε ταύτης ει̃ναι τὸν κατ' επίγνωσιν. p. 43. Ich bemerke die Erwähnung eines damals namhaften Arztes in Athen, Theodosios.
Der Heilige mag immerhin in Athen noch manche Ketzer aufgespürt haben, versteckte Anhänger des Manes oder der neuplatonischen Lehre. Die Geheimwissenschaft der Magie, mit welcher freilich auch die Medizin verbunden war, scheint dort einen ihrer Sitze gehabt zu haben, denn es wird von einem Astrologen Katanangis erzählt, daß er zur Zeit des Kaisers Alexios I. von Athen nach Konstantinopel kam, wo sich seine Prophezeiungen als falsch erwiesen.Anna Komnene, Al. VI, 7, 243. Die fanatische Askese des Meletios und seine Leidenschaft, das bestehende Klosterwesen zu reformieren, erregten bei den Basilianern sicherlich Eifersucht und Widerspruch, wie das aus einer Andeutung seiner Beziehung zu dem Kloster Daphni im Paß des Korydallos auf der Straße von Eleusis hervorgeht.Μονὴ του̃ Δαφνίου: die erste mir bekannte Erwähnung dieser berühmten Abtei. Er siedelte immer mehr Mönchskolonien auf dem Berge Myopolis an und stiftete Klöster auf dem Helikon, in der Megaris und Argolis und selbst in Elis, welche mit der Zeit zu wirklichen Bergfesten wurden, von denen aus die Mönche das Land wie Klephten unsicher machten.Sathas, a.a.O., p. XXII, behauptet, daß Meletios in der Stadt Margai in Elis, von welcher dieser Forscher den Namen Morea ableitet, ein Kloster Myopolis gründete, das Pontikokastron des Mittelalters. Die Stiftungen jenes Schwärmers gingen nicht nach seinem Tode unter, sondern sie vermehrten sich. Das Kloster Symbulon bauten seine Anhänger prächtig aus, und noch am Ende des 12. Jahrhunderts war dasselbe berühmt.Michael Akominatos, der Erzb. Athens zu jener Zeit, hat mehrere Briefe an den Kategumenen dieses Klosters του̃ κυ̃ρ Μελετίου gerichtet. Op. des Akom., gesammelt von Sp. Lambros, Bd. II.
Einige Jahre nach dem Tode des Thaumaturgen verfaßte der bekannte Theodor Prodromos seine Leichenrede, wenigstens hat seine Biographie eine solche Form. Dieser Byzantiner mit dem Zunamen des Bettlers – auch seine Schriften rechtfertigen denselben – war vielleicht selbst Mönch im Meletioskloster gewesen.χθὲς γὰρ καὶ τρίτην ημέραν μεθ' ημω̃ν διη̃τατο καὶ τὰ τη̃ς ’Αττικη̃ς περιενόστει χωρία. Das »vorgestern« ist freilich nicht wörtlich zu nehmen. Er spricht von der niedrigen Abstammung des Wundertäters aus einem Dorfe Kappadokiens und richtet diese Apostrophe an seine Zuhörer oder Leser: »Du, Eupatride, lachst, ich weiß es, über Mutalaska, der du mit Bauwerken aus geglättetem Steine und gebranntem Ton, mit gewaltigen Mauern und Türmen und mächtigen Gräben und mit deinen Helden prunkst und von dort her deine Ahnen herleitest und den Adel heftest an große Maße, an die Breite der Straßen, die Höhe der Säulenhallen, die Schönheit der Theater, die Rennbahnen und Gymnasien. Ich aber lache über dein von den Göttern erbautes Troja und das durch den Klang der Leier zusammengefügte Theben, und ich staune mein Mutalaska an.« Dies Bild einer so mächtigen Stadt mit ihrem stolzen Adel, der noch die Schauspiele der Wagenrennen liebte und in den Theatern noch mimische Fabeln des Altertums darstellen sah, kann nicht auf Athen, nur auf Konstantinopel passen.
Meletios hatte dem Mönchtum in Griechenland neue Lebenskraft gegeben, und dieses verdankte überhaupt schon seit lange sein Wachstum der Reaktion gegen die Reform der bilderstürmenden Kaiser, die den sinkenden Staat durch die gewaltsame Ausrottung des Klosterunwesens vergebens zu retten gesucht hatten. Die ersten Komnenen schlossen ein Bündnis mit ihm, um sich selbst auf dem Throne zu befestigen: Sie statteten die Klöster mit Gütern und Privilegien aus und stellten bereitwillig die weltliche Gewalt in den Dienst der Ketzerinquisition. Im 12. Jahrhundert beherrschte das Mönchtum die gesamte byzantinische Gesellschaft, die Kirche und den Staat. Das bürgerliche Leben der Griechen wurde von ihm erstickt. Scharen von raubsüchtigen Klosterbrüdern zu Pferd, mit Keulen und Bogen bewaffnet, von einem wilden Troß ihrer Dienstleute gefolgt, durchzogen brandschatzend das Land. Sie tauften mit Gewalt Ketzer, sie trieben die Dämonen aus den Leibern des Volks und die Besitzer aus ihren Gütern und Ackern. So hat sie noch gegen das Ende des 12. Jahrhunderts der geistvolle Erzbischof Eustathios von Thessalonike in seiner Abhandlung vom Mönchsstande mit vorsichtiger Zurückhaltung und doch mit Freimut geschildert.Abgedr. von Tafel, Eustathii Opuscula, und von ihm ins Deutsche übersetzt, Berlin 1847. – Bei Migne, Patrol. CXXXV, p. 729ff.