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Einbruch Timurs in Kleinasien. Die Schlacht bei Angora und die Zertrümmerung des Osmanenreichs. Rückkehr des Kaisers Manuel aus dem Abendlande. Bruderkrieg der Söhne Bajasids. Der Sultan Suleiman. Friedensschluß der Levantemächte mit ihm. Venedig anerkennt Antonio Acciajoli im Besitze Athens. Herstellung des osmanischen Reichs. Mehmed I. Zerfall des Fürstentums Achaia. Die Griechen von Misithra erobern ganz Morea. Bodonitsa. Manuel im Peloponnes. Bau des Hexamilion. Misithra. Der dortige Despotenhof. Gemistos Plethon.
Die Eroberung Athens war dem Sohne Nerios durch eine ungeheure Katastrophe erleichtert worden, welche gerade damals die Macht der Türken mit einem Schlage niedergeworfen hatte und alle Staaten des Abendlandes in fieberhafter Aufregung hielt. Einer jener großen Völkerstürme, welche seit Jahrhunderten von Zeit zu Zeit das Innere Asiens durchtobten, war dort mit der Naturgewalt eines Zyklon aufgestiegen und hatte die Mitte des Weltteils vom Indus und Ganges bis über die Grenzen Chinas, nach Persien und zur Wolga hin mit seinen Wirbeln aufgewühlt. Das furchtbare Haupt dieser Umwälzung war Timur, der hinkende Sohn eines Mongolenhäuptlings; dem Dschingis-Khan vergleichbar, Gebieter eines neuen Weltreichs, zu dessen Mittelpunkt er Samarkand gemacht hatte. Als er seine Eroberungen über Syrien nach Armenien und Kleinasien ausdehnte, stieß er dort mit dem Sultanreich der Osmanen zusammen, der einzigen asiatischen Macht, die ihm eine Schranke zu setzen fähig war. Bajasid rüstete gerade einen neuen Zug nach dem Peloponnes, während er im Plane hatte, auch Konstantinopel anzugreifen, wo Johannes Palaiologos für seinen Oheim, den Kaiser Manuel, die Regierung führte, nachdem dieser im Dezember 1399 als Schutzflehender an die Höfe Europas gegangen war. Da nötigte der Einbruch Timurs in Anatolien den Sultan, vom Bosporos abzuziehen, um sich dort den Mongolen entgegenzuwerfen.
Der Kampf der beiden gewaltigsten Völkergebieter jener Zeit um den Besitz Vorderasiens und die mögliche Weltherrschaft wurde am 20. Juli 1402 in der mörderischen Schlacht bei Angora entschieden. Das trefflich gerüstete und disziplinierte Heer Bajasids wurde von der Sturmflut der mongolischen Völker zermalmt, der stolze Sultan selbst als Gefangener in das Zelt Timurs gebracht. Das türkische Reich lag augenblicklich zerschmettert vor den Füßen des großen Kaisers von Samarkand. Die ganze Christenheit fühlte sich plötzlich erlöst und atmete freier auf; zumal dem bedrängten Konstantinopel wie allen Staaten in Griechenland war wie durch ein Wunder eine neue Lebensfrist gesichert. Zwar konnten Franken und Griechen bei dem Gedanken zittern, daß der furchtbare Herrscher Asiens, wie einst Darius und Xerxes, sein Weltreich über ganz Europa auszudehnen im Sinne habe;Bericht des Ser Giovanni Contarini an die Signorie, Marin Sanudo, Duchi (Muratori XXII, p. 795). woher der byzantinische Reichsverweser eilte, die ihm gestellte Forderung jährlichen Tributs zu bewilligen. Timur hatte Brussa eingenommen und dort unermeßliche Schätze erbeutet; er hatte das kleine blühende Kaisertum Trapezunt zur Vasallenschaft genötigt und die Hafenstadt Smyrna zerstört; allein er machte an den Toren des Hellespont halt, da er, außer 22 trapezuntischen Schiffen, keine Flotte besaß, die seine Horden nach Europa hätte hinüberführen können. Nachdem er das Reich der Osmanen in Kleinasien zerschlagen und die erst von Murad, dann von Bajasid unterjochten seldschukischen Fürsten von Mentesche, Kermian, Aidin und Karaman als seine Vasallen wieder eingesetzt hatte, verließ er noch im Jahre 1403 Vorderasien, um nach Samarkand zurückzukehren.
Der Sultan Bajasid war um diese Zeit als sein Gefangener gestorben: eins der am meisten tragischen Beispiele von der Unbeständigkeit des Glücks, welches die Geschichte der Eroberer bis auf die beiden Napoleon verzeichnet hat. Seine dem Blutbade zu Angora entronnenen Söhne kämpften alsbald miteinander um den väterlichen Thron, der noch in Adrianopel aufrecht stand und auch in Brussa wieder aufgerichtet werden konnte. Kein Augenblick war daher für die Fürsten und Völker des Abendlandes günstiger, um die Türken aus Europa nach Asien zurückzutreiben. Allein, dieser große, unwiederbringliche Zeitpunkt ging ungenutzt vorüber, weil alle Staaten des Abendlandes mit ihren inneren Revolutionen und Kriegen beschäftigt waren, während das vom Schisma gespaltene Papsttum die moralische Führung der Welt verloren hatte. Die Lebenskraft der durch jene Katastrophe zu heroischer Erhebung aufgeforderten Romäer erwies sich als erstorben, die des osmanischen Staats dagegen als so stark, daß er die tödliche Krisis zu überstehen vermochte.
Der Kaiser Manuel hatte die Kunde der gewaltigen Ereignisse am Hofe Karls VI. in Paris vernommen, wo ihn Boten aus Konstantinopel zurückriefen und ihm sogar ein Bündnis mit Timur in Aussicht stellten. Ehe er nun im Abendlande Mittel und Kriegsvolk zur Heimkehr zusammenbringen konnte, war Suleiman, der älteste der Söhne Bajasids, in Adrianopel zum Nachfolger seines Vaters ausgerufen worden. Nichts zeigte deutlicher die Ohnmacht, die Zersplitterung und die engherzige Selbstsucht aller damaligen Staaten und Gebieter im Osten als ihre Anerkennung der dominierenden Stellung des neuen Sultans selbst in dieser Stunde, wo die Kraft des türkischen Reichs gelähmt und durch innern Zwiespalt gebrochen war. Die griechischen Fürsten beeilten sich, ihr altes Vasallenverhältnis zur hohen Pforte wieder herzustellen. Antonio Acciajoli suchte von Suleiman, an dessen Hof in Adrianopel er sich persönlich begab, die Bestätigung als Herr Athens zu erlangen, und sogar die Republik Venedig betrachtete ohne weiteres den türkischen Sultan als rechtmäßigen Oberherrn Attikas. Sie schämte sich nicht, ihn dringend aufzufordern, durch seine Autorität dahin zu wirken, daß ihr der Usurpator die euböotischen Gefangenen und die Stadt Athen herausgebe.
Als venezianischer Bevollmächtigter begab sich Pietro Zeno, der Herr von Andros, dessen geschickte Dienste die Signorie schon in der Angelegenheit der Argolis gebraucht hatte, nach Adrianopel, wo ihm am türkischen Hofe ein Gesandter Antonios entgegenwirkte. Zeno setzte dann seine Unterhandlungen in Gallipoli fort.»Copia aliquor. capitulor. insertor. in litteris D. Petri Geno domini Andrensis missorum ducali Dominio.« Ein verwirrtes italien. Schriftstück ohne Datum, in Pacta IV, fol. 129. Seine eigene schwierige Lage in Europa wie in Kleinasien, wo der seldschukische Fürst von Karaman und andre Dynasten ihm feindlich waren, nötigte den Sultan, zunächst alle Verwicklungen mit den Levantemächten friedlich beizulegen. Wenn er auch keinen Kreuzzug von Frankreich, Italien, Deutschland und England zu fürchten hatte, so stand ihm doch eine keineswegs gering zu achtende Liga entgegen, welche die Venezianer und Genuesen, die Johanniter von Rhodos, der Herzog von Naxos aus dem Hause Crispi und der Reichsverweser Johannes miteinander vereinbart hatten. Er gewährte diesen verbündeten Feinden den Erlaß bisher gezahlter Tribute, Handelserleichterungen und andre große Zugeständnisse. Dem griechischen Kaiser gab er sogar das wichtige Thessalonike mit Gebieten Makedoniens, die Inseln Skopelos, Skiathos, Skyros, ganz Thessalien, die Landschaften im Peloponnes und selbst die festen Städte am schwarzen Meer zurück. Den Rhodesiern trat er Salona ab; der Republik Venedig versprach er den Wiederbesitz Athens und eine Landschaft von fünf Millien Ausdehnung auf dem griechischen Festlande am Euripos, Negroponte gegenüber.Hopf versteht darunter Lykonia. Die undatierte Urkunde, aus dem Türkischen ins Venezian. übersetzt, im Archiv Ven., Pacta VI, fol. 128 , ist abgedruckt in Mél. Hist. III, p. 178ff., n. XXII. Der Herausgeber setzt sie zwischen 9. März 1403 (Tod Bajasids) und 1. April 1405 (Tod Timurs). Thomas und Hopf setzen sie ins Jahr 1403; Hammer II, S. 607, irrig ins Jahr 1408. Der Vertrag mit dem Sultan fällt sicher vor 31. März 1405, vor dem Frieden Venedigs mit Antonio, davon weiter unten. Im § 17 heißt es, »che io le debbia render e darli Setines.« So bedeutend war denn doch der Eindruck, welchen der Bund dieser Staaten auf den Sultan machte; und was wäre damals nicht erreicht worden, wenn sich das Abendland entschlossen hätte, ein Kriegsheer über die Donau in das Balkanland einbrechen zu lassen, um die Niederlage bei Nikopolis zu rächen!
Die in jenem Friedensvertrage bedingte Herausgabe Athens konnte die venezianische Signorie von Antonio nicht erlangen. Sie mußte vielmehr eine gute Miene zum bösen Spiele machen, und schon seit dem Herbst 1402 hatte sie mit dem Usurpator wegen eines Abkommens unterhandelt.Am 30. Okt. 1402 bevollmächtigte der Doge Michel Steno den Provisor Negropontes Tommaso Mocenigo, den Daniele Sexendolo und Marco Polano, »ad tractandum cum egregio Antonio de Azzaiolis domino Thebarum pacem, concordiam vel treugam« (Arch. Ven., Sindicati I, 439).
Der Papst Innozenz VII., der König Ladislaus von Neapel und der einflußreiche Kardinal Angelo Acciajoli verwendeten sich eifrig zu seinen Gunsten, während Antonio selbst dringende Gesuche an den Dogen richtete, ihn als Lehnsmann in den Staatsverband der Republik aufzunehmen. Indem diese die Kosten und Anstrengungen, welche ihr die gewaltsame Vertreibung Antonios aus Athen verursachen mußte, mit dem wirklichen Nutzen ihres direkten Dominiums dort abwog, kam sie zu dem Entschluß, auf den tatsächlichen Besitz Attikas zu verzichten und dies Land dem Sohne Nerios als ihrem Vasallen zu überlassen. Der Vertrag wurde am 31. März 1405 zu Venedig abgeschlossen.Commem. X, fol. 3–4 . Bevollmächtigter Antonios war Francesco Acciajoli, Bastard Donatos; dazu ernannt am 22. Juni 1404 durch Instrument, geschrieben zu Athen vom Kanzler Nikolaus Marori (richtig lautet der Name Makri). Prokuratoren Venedigs: Marco Giustinian und Silvestro Morosini. Die Republik nahm aus Rücksicht auf jene großen Fürsprecher Antonio zu Gnaden als ihren Sohn an; sie genehmigte, daß er Land, Burg und Stadt Athen, die in »moderner Zeit Sythines genannt werde«, mit allen ihren Gerechtsamen und Zubehör als ihr Lehnsmann besitze.»De gratia consentientes dicto magnifico Antonio, quod ipse dominetur, habeat et teneat et possideat terram, castrum et locum Athenarum, moderno tempore vocatum Sythines.« Dieser Name stand nunmehr fest; so sagt auch Stefano Magni, Estratti degli Annali (Chron. Gréco-Rom., p. 204): »Antiqua e bella cittade de Greci Atene... chiamata nel presente Setines.« Zu dessen Zeugnis, so wurde festgesetzt, sollen er und seine Erben fortan der Kirche San Marco in Venedig jährlich am Weihnachtstage ein seidenes Pallium darreichen, 1000 Dukaten an Wert. Er soll Freund der Freunde, Feind der Feinde Venedigs sein; keinem Gegner der Republik Durchzug durch sein Land gestatten, solchen aber ihren Kriegsvölkern nebst dem Markt von Lebensmitteln gewähren. Wenn venezianische Besitzungen angegriffen werden, soll er Hilfe leisten. Der Handelsverkehr zwischen seinem Staate und Venedig wird durchaus freigegeben; eine wechselseitige Auslieferung flüchtiger Kolonen wird festgestellt. Das Eigentum der während des Krieges beschädigten venezianischen Untertanen hat Antonio zu ersetzen, wie auch alle Munition, die bei der Einnahme Athens in seine Gewalt gekommen war. Die Güter des ehemaligen, schon verstorbenen Rektors Athens, des tapfern Vetturi, hat er den Erben zurückzugeben. Ausdrücklich verlangte die Republik von Antonio, daß er den Erzbischof Makarios als Feind und Verräter der Christenheit aus allen seinen Landen verbanne und ihn nach Venedig ausliefere, wenn er seiner habhaft würde.»Qui stetit in carceribus Venetiarum«; demnach war Makarios daraus entkommen. Alle früheren Verträge, wie sie seit alter Zeit zwischen dem Herzogtum Athen und Negroponte bestanden hatten, wurden durch diesen Frieden erneuert und in denselben auch der Markgraf von Bodonitsa als Bürger und Freund Venedigs eingeschlossen.
Es war im Grunde eine empfindliche Niederlage der Republik S. Marco, daß sie vor dem Glücke eines entschlossenen Abenteurers die Waffen niederlegte, diesen unter ihre Bürger aufnahm und als Gebieter Athens anerkannte. Ihr Rückzug aus Attika geschah in einer Zeit, wo ihr Dominium in der Levante wieder im Steigen und ihr maritimes Übergewicht noch vollkommen unbestritten war. Sie gebot damals über Kreta und die ganze Insel Euböa; sie besaß im ionischen Meere Korfu, in Dalmatien und Albanien Durazzo und eine Reihe anderer Seeplätze und Inseln; sie erwarb die Stadt Lepanto im Jahre 1407 und bald darauf sogar Patras mit seinem Gebiet.Sathas, Mon. Hist. Hell. I, p. 1408, 28. Aug. und folgende Urkunden. Im Peloponnes gehörten ihr Modon und Koron, Argos und Nauplia. Ihr Kolonialbesitz war demnach so groß, daß sie unter der Regierung des Dogen Tommaso Mocenigo den Gipfel ihrer Herrschaft auf dem Meere und ihre größte Handelsblüte erreicht hatte, während die Seemacht ihrer Nebenbuhlerin Genua bereits untergegangen war.Canale, Storia del commercio... degli Italiani, Genova 1866, p. 169. Dann ermattete Venedig in dem immer schwierigeren Kampfe gegen die unaufhaltsam vordringenden Osmanen, die alle bisherigen Machtverhältnisse in der Levante veränderten, und schon unter dem Dogen Francesco Foscari suchte die vorsichtige Republik in dem Erwerb der italienischen Terrafirma die festen Grundlagen ihres nationalen Staates zu gewinnen.