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Dieselben Beweggründe, welche die zu Christen gewordenen Römer veranlaßten, das Heidentum auf seinen städtischen Hauptsitzen, dem Kapitol und Palatin, auszulöschen, indem sie dort nicht nur Kirchen errichteten, sondern beide Hügel mit solchen umgaben, machten sich auch in Athen geltend. Im Laufe der Zeit wurde die Akropolis nach jeder Seite hin mit Kapellen umringt. Die Erinnerungen an Dionysios, den legendären Schüler St. Pauls und Stifter der Gemeinde Athen, heiligten den neben dem Burghügel liegenden Areopag, auf dessen nördlicher Seite gegen den Theseustempel hin ihm eine Kirche erbaut wurde. Wahrscheinlich befand sich dort an der Stelle, wo das Haus des Heiligen sollte gestanden haben, die älteste Bischofswohnung.Zur türkischen Zeit residierte daselbst der griechische Erzbischof. Babins Brief an Pecoil. Spon, Voyage II, p. 200. – A. Mommsen, n. 42. Daß auch die Agora, als der lebhafteste Sammelplatz der athenischen Bürgerschaft, schon frühe vom Christentum in Besitz genommen wurde, dürften dortige Kirchen dartun, vor allem die Panagia am Portikus des Hadrian.
Wenn man die großen und kleinen heidnischen Heiligtümer zusammenzählt, welche Athen erfüllten, als Pausanias die Stadt durchwanderte – und er hat keineswegs einen vollständigen Katalog von ihnen gegeben –, so wird man über deren Anzahl nicht erstaunen, da sie der Volksmenge und dem polytheistischen Kultus wohl entsprachen. Aber die Zahl der christlichen Heiligtümer Athens in seinem Verfall steht in auffallendem Mißverhältnis zu den Bedürfnissen der Bürgerschaft, selbst wenn man den Zeitraum ihres Entstehens über viele Jahrhunderte ausdehnt. Die Leidenschaft des Kirchenbaues erscheint bei den Athenern fast so groß wie bei den Römern; und sie kann sowohl aus einem zur Natur gewordenen Triebe des Bausinnes als durch die Tatsache erklärt werden, daß die vielen heidnischen Tempel und Kapellen geringeren Umfanges sich ohne Aufwand in Kirchen umwandeln ließen.
Kirchen und Klöster entstanden am Metroon, am Lykeion, am Kynosarges, am Ilissos und dem Stadium wie überall auch vor den Mauern und Toren, an der Gräberstraße vor dem Dipylon, am Kolonos, im Olivenhain. Alte Tempel der Demen im Landgebiete wurden zu Kirchen umgeschaffen. So hat man in derjenigen des heiligen Demetrios im Olivenwalde, welche antike Reste in sich aufnahm, einen von Pausanias bemerkten Tempel der Demeter erkannt.Juleville, p. 492, nach Leake u. Lenormant. So verwandelte sich ein Apollotempel im Paß des Korydallos in die Klosterkirche Daphnion, das Heiligtum der Aphrodite auf dem Hymettos in die Theotokos Kaisariani und das Heraklion Marathons in die Kirche St. Georg.Bursian, Geogr. Griechenl. I, S. 339. So wurde auf den Trümmern des Triptolemos-Tempels in Eleusis die Kirche des Hagios Zacharias erbaut.
Wie in Rom Apostel und Heilige die alten Gottheiten verdrängten oder nur verlarvten, nahmen auch in Athen die Sitze der Götter ein: der Soter und die Panagia, die Apostoli, die Anargyri, die Asomati, der Taxiarchos, Dionysios, Elias, Nikodemos, Nikolaos, Leonides, Irene und andere. Die Anargyren konnten mit einigem Grunde den Asklepios oder die Dioskuren, der neue christliche Meergott konnte den Poseidon, St. Demetrios um des Namens willen die Demeter und der ritterliche Georg den Herakles, Theseus und Mars ersetzen; aber wenn es wahr ist, daß an die Stelle des Altars des Zeus Anchesmios auf dem Lykabettos die Kapelle St. Georgs getreten ist, so ist dessen Beziehung zu Zeus doch ebenso unverständlich wie des St. Johann zum Tempel der brauronischen Artemis oder der Asomati zum Herakles des Kynosarges. Auch der Prophet Elias, welcher als ein Himmelsfahrer sich auf Bergspitzen niederließ und an die Stelle des Helios getreten sein soll, hat doch auf Ägina nicht diesen Gott, sondern den panhellenischen Zeus, auf dem Helikon die Musen, auf dem Menelaion bei Sparta den homerischen Heldenkönig verdrängt.L. Roß, Königsreisen II, S. 212.
Die Entstehung athenischer Kirchen aus Tempeln kann heute nur in wenigen Fällen aus der Anpassung der Heiligen an die alten Götter nachgewiesen werden, da die Namen zu sehr gewechselt haben.Außer A. Mommsen und den Notizen in Pittakis' ›Anciennes Athènes‹ verweise ich auf Rangabé, Athènes, la ville ancienne dans la ville moderne (Mem. dell' Inst. di Corr. Arch., Leipzig 1865) u. Julevilles Abhandl. Die Resultate dieser Untersuchungen sind wertlos für die Geschichte und wenig wert für die Topographie Athens. Wie ist z. B. die Ansicht von Rangabé und Pittakis zu erweisen, daß die Kirche der 12 Apostel den Platz des Altars der 12 Götter einnahm oder daß Hag. Lykodemos aus dem Tempel des Apollo Lykaios entstanden ist (Ephim., p. 937)? Namenspielerei ist auch die Vermutung Lenormants (Voie Eleusienne, p. 19), daß Hagia Paraskeue die Stelle des Pompeion einnehme, wo sich die Mysten zu ihrer Prozession rüsteten: ες παρασκευὴν τω̃ν πομπω̃ν. – Die meisten athen. Kirchen sind im Befreiungskriege zerstört und dann nicht mehr aufgebaut worden. Im übrigen bedarf es kaum der Bemerkung, daß die Stiftung der Kirchen Athens eine allmähliche war und sich von Jahrhundert zu Jahrhundert fortgesetzt hat. Von keiner aber ist uns die bestimmte Zeit ihrer Errichtung überliefert worden.
Eine Veränderung von städtischer Wichtigkeit hat Athen durch Justinian erfahren, nämlich neue Befestigungen, die der drohende Ansturm der Slaven gegen die Balkanhalbinsel veranlaßte. Die nördlichen Donauslaven und die vom Dnjepr, Slavinen und Anten sowie das turanische Volk der Bulgaren, welches von der Wolga seinen Namen erhalten zu haben scheint, waren schon im Jahre 493 in Thrakien eingedrungen.Joseph Jirecek, Geschichte der Bulgaren, Prag 1876, S. 8 Seit dieser Zeit drohte die Slavenflut sich über die Balkanhalbinsel und Griechenland so zu ergießen, wie sich die germanische Rasse über das Abendland ergoß. Zum Zweck, das bedrohte Konstantinopel zu schützen, hatte der Kaiser Anastasios I. um 512 die von ihm genannte große Mauer errichtet, welche von Selymbria an der Propontis bis nach Derkon am schwarzen Meere fortging in einer Länge von zwanzig Stadien.Als ein Wunderwerk, das Homer würde angestaunt haben, pries sie der Redner Priskos von Gaza in seinem Panegyrikos (ed. Bonn, p. 510).
Noch während der Regierung Justinians fielen um 539 und 540 die Bulgaren und Slaven, von den Avaren aus ihren Sitzen fortgedrängt, verheerend in Illyrien, Mösien, Thrakien und Makedonien ein. Sie zogen von dort, ohne irgend namhafte Hindernisse anzutreffen, weiter durch den Paß der Thermopylen und drangen sogar bis zum Isthmus vor. Niemand weiß zu sagen, ob sie damals auch Attika und Athen heimgesucht haben.Von diesem Einfall der Hunnen (Bulgaren) im 13. Jahre Justinians: Prokopios, De bello Persico II, 4, p. 168: ούτω τε σχεδὸν άπαντας ‛Έλληνας, πλὴν Πελοποννησίων, διεργασάμενοι απεχώρησαν. Dieser furchtbare Slavensturm muß es gewesen sein, was den Kaiser Justinian bewog, der Mauerlinie des Anastasios noch drei andere Befestigungsgürtel hinzuzufügen, sowohl an der Donau als in Epiros, in Makedonien und Thrakien. Sodann deckte er Hellas durch die neue Verschanzung der Thermopylen, den Peloponnes durch die Herstellung der Isthmusmauer, welche seit den Zeiten Valerians dem Verfall überlassen war.
Gleich vielen Städten in Nordgriechenland ließ er auch dort die namhaftesten befestigen, Korinth, Platää nebst anderen Orten Böotiens und Athen, deren Wälle entweder wie jene Korinths durch Erdbeben zerstört oder durch Alter und Vernachlässigung verfallen waren.Prokopios, De Aedificiis IV, c. 2ff. Justinian stellte demnach die athenischen Stadtmauern wieder her und versah wohl auch die Akropolis mit stärkeren Befestigungen.Es ist ein Irrtum, wenn Zinkeisen I, S. 645, behauptet, daß nach Alarich Achaia ein nutzloser, unbeachteter Teil der Statthalterschaft Illyrien geblieben sei. Neuere Forscher sind der Ansicht, daß die alten, schon seit langem verfallenen Mauern der Unterstadt zur Zeit jenes Kaisers entweder ganz verlassen oder doch auf den sehr kleinen Halbkreis zusammengezogen wurden, welcher vom Eingange der Akropolis 500 Schritte weit nordwärts zur Agora und zum Keramikos fortging, dann ostwärts bei der Panagia Pyrgiotissa umlenkte, um 600 Schritte in gerader Richtung weiterzugehen und dann bei der Kapelle des Demetrios Katiphori, welche heute nicht mehr vorhanden ist, zur Burg zurückzukehren. Diese Mauer war mit mächtigen Quadern bekleidet und mit mancherlei Material antiker Monumente ausgefüllt, die sie auf ihrem kurzen, aber zerstörenden Laufe angetroffen hatte. Trümmer von Säulen, Architraven, Altären, Inschriftstafeln und Statuen waren dazu verwendet worden, während gewaltige Bauwerke wie die Stoa des Attalos so in die Mauer aufgenommen wurden, wie es in Rom mit der Pyramide des Caius Cestius geschehen ist.Curtius, Attische Studien I, S. 77, und erläuternder Text zu den 7 Karten zur Topographie Athens, S. 57. Wachsmuth, Stadt Athen, S. 705, S. 723, wo man die Literatur über diese Frage findet, die für die Geschichte Athens keine Wichtigkeit beanspruchen kann.
Der Mauerzug überschritt sogar dort, wo er die Akropolis wieder erreichte, das Dionysostheater und scheint auch das Odeion der Regilla benutzt und sich dann an das Kastell des Westeinganges der Stadtburg angelehnt zu haben. Der geringe Umfang der bezeichneten Mauerlinie setzt aber ein Zusammenschrumpfen der Unterstadt Athen voraus, wie es für das Zeitalter Justinians nicht wohl annehmbar ist. Auch konnte die Pietät der Athener für ihre Altertümer noch nicht so tief gesunken sein, um die massenhafte Zerstörung derselben zum Zweck des Mauerbaues zu gestatten.Curtius glaubt diesen Mauerring, welchen man den valerianischen zu nennen pflegt, entstanden nach dem Verfalle der attischen Gymnasien, die durch Justinian geschlossen wurden. W. Vischer, Kleine Schriften II, S. 385, verwirft entschieden die valerianische Benennung des Kumanudis (Jahresber. der Archäol. Gesellsch., Juni 1861) und schreibt die Mauer erst den fränkischen Herzögen zu, wie Wachsmuth, Stadt Athen, S. 705, S. 724, und Hertzberg, Gesch. Griechenlands unter den Römern III, S. 152.
Die französischen Ausgrabungen im Jahre 1852 haben eine untere Burgmauer an den Tag gebracht, welche 36 Meter von den Propyläen absteht, und ein in der Achse des Mitteleinganges dieser gelegenes, von zwei viereckigen Türmen gedecktes Tor hat. Als Material dieser Schanze sind tumultuarisch zusammengeraffte Bruchstücke antiker Denkmäler verwendet, und selbst von der Dreifußstraße hatte man dazu Marmorblöcke herbeigeschafft.Beulé, L'Acropole d'Athènes, Paris 1853, I, p. 107. Man hat in diesem unteren Torabschluß der Burg eine Befestigung aus byzantinischer Zeit erkannt, als der Kultus des Heidentums mit seinen panathenaischen Festprozessionen erloschen und die Akropolis zu einem Heiligtum der Jungfrau Maria geworden war.Curtius, Der Aufgang der Akropolis, Archäol. Zeit., 1854, S. 198ff. Der Treppenbau beginnt innerhalb dieser Befestigung. – Der Eingang der Akropolis war immer unter dem Pyrgos der Nike, und hier nimmt Burnouf, La ville et l'acropole d'Athènes, p. 119, den Stützpunkt der Befestigung Justinians an. Bursian (Geogr. Griechenl. I, S. 360; Rhein. Mus. N. Folge, X, S. 485ff.) schreibt das Beulésche Kastelltor Justinian zu. Wachsmuth, S. 721, versetzt die Befestigung schon in die Zeit, wo das Asklepieion zerstört wurde (nach 485). Es konnte immerhin Justinian sein, welcher dieses untere Kastell erbauen ließ.
Die Akropolis diente wohl schon seit dem 3. Jahrhundert als Festung. Wie sie für die Byzantiner eine solche (ein φρούριον) war, so verlor sich mit der Zeit ihr Begriff aus dem Gedächtnis der Menschen, und an seine Stelle trat der Name Kastell Athen oder Athenisborg, wie später die skandinavischen Seefahrer, oder Kastell Setines, wie die Franken sagten.In die Zeit der Antonine oder des Septimius Severus versetzt man eine in der Burg gefundene Inschrift, wonach sich ein Ungenannter um das Kastell Athens durch Bauten verdient machte: κόσμον τω̃ φρουρίω... οικείοις αναλώμασιν κατεσκεύασεν. C. J. Att. II, 1, n. 826. – Bursian, Berichte der Sächs. Gesell. der Wiss. 1860, S. 215.