Ferdinand Gregorovius
Geschichte der Stadt Athen im Mittelalter
Ferdinand Gregorovius

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3.

Zum Nachfolger Estañols als Statthalter des unmündigen Infanten Manfred bestimmte der König Friedrich seinen eigenen natürlichen Sohn Don Alfonso Fadrique von Aragona, der sich bisher am Hofe seines Oheims Jayme II. in Spanien befunden hatte. Mit zehn Galeeren und einer zahlreichen Schar von Rittern, Hidalgos, Almugavaren und ohne Zweifel auch von Auswanderern, die, von der sizilianischen Regierung begünstigt, ihr Glück im Herzogtum suchten, landete Don Alfonso im Hafen Piräus. Die Häupter der Kompanie geleiteten ihn nach Athen und huldigten ihm hier mit großer Freude, da sie sich von der Regierung eines jungen, ruhmbegierigen Prinzen des königlichen Hauses neue Siege und Eroberungen versprechen durften.

Der ritterliche Bastard nannte sich voll Stolz von Gottesgnaden »Königssohn« und Präses des glücklichen Heers der Franken im Herzogtum Athen.»Alfonsus Frederici dei gr. seren. Regis Sicilie filius et felici Francor. exercitui existenti in ducatu Athenarum et in aliis partibus Imp. Romanie presidens.« (In Akten und Briefen). Er nahm seinen Sitz vorerst in dieser Stadt, ohne Frage auf der Akropolis. Kaum hatte er sein Regiment angetreten, als er das Machtgebiet des jungen Katalanenstaats so weit als möglich auszudehnen beschloß. Zunächst richtete er seine Blicke auf Euböa, wo derselbe Bonifatius von Verona, welcher nach dem Sturze des französischen Herzogtums die Führung der Kompanie aus ritterlichem Ehrgefühl abgelehnt hatte, Herr von Karystos und einer der größten Barone der Insel war. Auf die Verhältnisse derselben hatte die katalanische Eroberung Athens einen tiefen Eindruck gemacht; in der Kephissosschlacht waren Giorgio Ghisi und Alberto Pallavicini, welche beide dort Lehen besaßen, gefallen; die euböotischen Besitzungen des letztern aber hatte seine Witwe Maria dalle Carceri mit ihrer Hand an den Venezianer Andrea vom berühmten Hause Cornaro gebracht, der im Jahre 1306 Herr der Insel Skarpanto, der alten Karpathos, geworden war und jetzt auch in Euböa wie in Bodonitsa gebietend auftrat. Als nun Bonifatius erkannte, daß die Katalanen infolge ihrer Verbindung mit der Krone Siziliens sich dauernd im Herzogtum befestigen würden, trat er zu ihnen in freundliche Beziehungen und in Opposition gegen die Venezianer und die von der Republik abhängigen Terzieri.Schon im Jahre 1313 verweigerte er, eine Schiffssteuer zu entrichten (Reg. Commem. I, n. 593). Sein Bündnis mit der Kompanie besiegelte die Vermählung seiner jungen Tochter Marulla mit Alfonso Fadrique von Aragon.Muntaner, c. 243, nennt sie »la millior dona e la pus savia« Griechenlands, »e segurament es de les pus belles christianes del mon«. Er kannte sie als Kind von 8 Jahren, als er im Hause ihres Vaters mit dem Infanten Ferdinand von Mallorca gefangen saß.. Zugunsten dieser verkürzte er sogar seinen eigenen Sohn Thomas um sein Erbe, so daß Marulla ihrem Gemahl als Mitgift die Rechte auf Larmena und Karystos in Negroponte, auf Zeitun, Gardiki, die Insel Ägina und alle Lehen mitbrachte, welche ihr Vater einst von dem Herzoge Guido von Athen erhalten hatte.

Ein heftiger Krieg der Katalanen um den Besitz Euböas mit Venedig und den Dreiherren war die Folge dieser Verbindung. Für Negroponte fürchtend, gaben die Venezianer dem Papst willig Gehör, als er ihnen den Vorschlag machte, zur Vertreibung der Spanier einen Bund zwischen den Anjou Neapels, dem Konnetabel Frankreichs und den Johannitern zustande zu bringen.Der venez. Senat beauftragte seine Gesandten, dem Papst zu erklären, »quod hoc subsidium videretur opportunum ad expellendam societatem Catellanorum, scil. quod dom. dux Robertus et fratres, dom. de Castillione et Hospitales ponant equites in terra«. Arch. Ven., Indice fol. 12 (zu Misti V, 67); undatiert, aber am Anfang des Blattes steht das Jahr 1317. Dazu kam es freilich nicht, doch der Krieg entbrannte diesseits wie jenseits des Euripos. Venezianische Galeeren drangen sogar in den Piräus und brachten katalanische Schiffe auf.Commem. IV, fol. 70. Allein die Truppen der Republik wurden auf Euböa selbst überrascht und geschlagen. Andrea Cornaro geriet in so große Bedrängnis, daß er, um seine Besitzungen zu retten, mit Alfonso einen Separatvertrag machte, worauf auch der venezianische Bailo Michele Morosini sich gezwungen sah, mit der Kompanie einen Waffenstillstand abzuschließen. Danach sollte zwischen ihr und Venedig Friede bestehen; nur solche venezianischen Untertanen, die vom Fürstenturn Achaia Lehen besaßen, sollten davon ausgeschlossen sein.Auf diesen Vertrag vom März 1317 bezieht sich König Friedrich von Sizilien in seinen Verhandlungen mit Venedig. Thomas, Diplomat. Veneto-Levantinum, p. 112.

Ungehindert zog Alfonso Fadrique mit 2000 Katalanen von Böotien her über die Brücke des Euripos und nahm die Stadt Negroponte in Besitz. Boten der Dreiherren meldeten dies nach Andravida, wo zu jener Zeit noch Mathilde, die Witwe des Louis von Burgund, als Regentin Achaias residierte. Nach altem Recht aber standen die Terzieri im Lehnsverbande zu diesem Fürstentum. Mathilde schrieb am 28. März 1317 klagend an den Dogen Giovanni Superanzo und forderte ihn auf, dem Bailo Euböas jeden Friedensschluß mit den Katalanen zu verbieten, den Vertrag Cornaros aufzuheben, Truppen nach der Insel zu schicken und mit ihr selbst gemeinsam die Eindringlinge zu vertreiben, in deren Gewalt ganz Euböa zu fallen drohe.Französischer Brief, »escrites ay Andreville, a XXVIII jours de Mars«; Commem. II, fol. 4, abgedruckt von Mas Latrie, Mélanges hist. Choix de doc. I, III; Commerce etc., Paris 1880, p. 32ff. »Li diz messire Andries a fait paix et acort à la compaigne de Castellains qui sunt en ducaume de Staines et les ha mis dedans la cité de Negropont tous ceuz de la compaigne à cheval et a pié, plus de II – Laquelle chose si est moult grans damages à la vostre – hautesse et à nous aussi.«

Unterdes starb Bonifatius von Verona, der reichste, weiseste und ritterlichste Mann seiner Zeit, wie ihn Muntaner gerühmt hat, worauf sein Schwiegersohn Alfonso Karystos und andere Lehen als Mitgift seiner Gemahlin besetzte und jetzt Herr eines großen Teils der Insel war. Die Venezianer aber schickten Paolo Morosini mit zwanzig Galeeren ab, die Stadt Negroponte wiederzugewinnen; dazu hatten sie sogar die ausdrückliche Zustimmung des Königs Friedrich von Sizilien erlangt, welcher aus Furcht vor einer gegen ihn sich bildenden Koalition mit dem Dogen eine Übereinkunft geschlossen hatte und seinem kühnen Sohne gebot, Negroponte der Republik zurückzugeben. Dies geschah durch einen Vertrag, welcher den ersten Waffenstillstand mit der Kompanie erneuerte. Alfonso zog von Negroponte ab, blieb aber im Besitz von Karystos, was die venezianische Signorie stillschweigend hinnahm, doch nicht rechtlich anerkannte. Sie hatte Andrea Barbaro als Bail nach Negroponte geschickt mit einer Aufforderung an den Sechsherrn Jean de Maisy, den Dreiherrn Bartolommeo Ghisi und andere Dynasten, wodurch sie dieselben ermahnte, miteinander sich zu vertragen und einig zu sein, und sie beanspruchte die Besetzung des Kastells und der Stadt Negroponte, da sie mit großem Kostenaufwand jene Barone von den Katalanen befreit habe.»Che havendo essa Signoria nostra con sue gran spese liberati loro dalli Catelani«. – Marco Barbaro, Decreti dell' aggregazione delle Famiglie alla nobiltà Ven. dell' a. 1301 all' a. 1406, c. 119. Lettera Ducale, 6. Dez. 1317, Bibl. Marciana.

Der König von Sizilien bemühte sich, Venedig zu beschwichtigen und von einer Verbindung mit seinen Gegnern zurückzuhalten. Robert von Neapel und seine Brüder Philipp von Tarent und der Fürst Achaias, Johann von Gravina, protestierten beim Papst wie beim Dogen Giovanni Superanzo gegen die Eingriffe Alfonsos in Euböa, und dasselbe tat Thomas, der Sohn des Bonifatius. Sie behaupteten, daß Alfonso dadurch den zwischen Neapel und Friedrich bestehenden Waffenstillstand verletzt habe. Der Doge antwortete ausweichend, daß er dieser Verhältnisse wegen Gesandte an den König Siziliens geschickt habe.Brief Roberts an den Dogen, Neapel 18. März. Ind. I (Commem. II, fol. 24 , in den Regesten Predellis n. 90, und dieser nimmt das Jahr 1318 an): »quod nob. Alfonsus natus dni Frederici de Aragonia... pretextu quorundam matrimonialium contract. manum ponens illicitam in messem alienam, in insula Negropontis aliqua occupavit« – ähnlich Philipp von Tarent u. Joh. von Gravina (fol. 24 , 25). Antwort des Dogen, Venedig 13. April, Ind. I (fol. 25).

Am 8. Mai 1318 schrieb Johann XXII. den Venezianern, er habe gehofft, daß die Kompanie entweder gewaltsam zersprengt oder durch eigene Uneinigkeit zerfallen sei, aber Alfonso, der Bastard Friedrichs, habe sich zu ihr gesellt, sich mit der Tochter des Bonifatius von Verona vermählt, ihren Bruder aus seinem rechtmäßigen Erbe verdrängt, und er stehe im Begriff, ganz Euböa an sich zu reißen, wozu er selbst die Türken herbeigezogen habe. Der Papst ermahnte deshalb den Dogen, die Katalanen sowohl von dort als aus den andern von ihnen besetzten Orten zu vertreiben.Dat. Aven. VIII. Id. Maji Pont. nr. a. II. Commem. II, fol. 31. Am 4. Sept. schrieb auch der Kardinal Nikolaus v. Ostia an den Dogen, daß man aus Romanien dem Papst gemeldet habe, »quod illa gentium dissimilitudo que compagna vocatur plurimum invalescit«. Er möge daher Boten an die Kurie schicken, die Verteidigung jener Lande zu vereinbaren (ibid. fol. 35). Ähnliche Aufforderungen richtete er an Gauthier de Foucherolles in Argos und die Bewohner des Herzogtums Athen.Du Cange, Hist. d. Cp. II, p. 152.

Auch die Herzogin-Witwe und ihr Vater forderten im Namen der Kinder Walters von Brienne die Signorie Venedigs durch Gesandte auf, ihre bevorstehende Unternehmung gegen die Katalanen zu unterstützen. Sie begehrten die Bewilligung eines Anlehens und Schiffe zur Überfahrt von Truppen nach Negroponte oder Nauplia. Im Falle der Wiedereroberung des Herzogtums verhießen sie der Republik Handelsprivilegien und selbst den Besitz der ganzen Insel Euböa.Als Bevollmächtigte gingen nach Venedig die Ritter Johannes de Vallibus u. Albertus de Lando (Commem. II, fol. 25 , a. D. 1318 m. Aprilis). Der Doge entgegnete, es seien ihm Depeschen vom Bailo Negropontes zugekommen des Inhalts, daß die Lehnsleute (feudati) in Argos und Nauplia sich mit den Katalanen im Einverständnis befänden, weshalb ein Kriegszug dorthin nur nutzlose Kosten verursachen würde.»Quia frustra facerent expensas, se et suos fatigando, quum sui fideles non essent sicuri«. (Ibid. fol. 26).

Der Bastard von Aragon wuchs an Größe und Ansehen; er begann in dem griechischen Lande eine selbständige Haltung anzunehmen, was ihm der Umstand erleichterte, daß sein königlicher Vater nach dem am 9. November 1317 erfolgten Tode des Infanten Manfred das Herzogtum Athen wiederum einem Kinde, seinem Sohne Wilhelm, verliehen hatte. Der Waffenstillstand mit dem Bailo Negropontes und die nachdrücklichen Gebote des Königs Friedrich, der um eine gütliche Auseinandersetzung mit Venedig unablässig bemüht war, hielten Alfonso Fadrique freilich von weiteren Angriffen auf die Insel ab, obwohl jeden Augenblick ein neuer Krieg auszubrechen drohte. Die Kompanie stellte bereits eine Marine auf. Der Piräus, damals Hafen Sithines genannt, wurde ein lebhafter Handelsplatz für die Kauffahrer Barcelonas und Messinas.Portus de Sithines: Commem. IV, fol. 70. Katalanische Händler siedelten sich, wie in Theben, so in Athen an.In dem Akt vom 11. Mai 1321 unterzeichnete sich neben den ersten Männern der Kompanie auch ein »Petrus Gueraldi mercator«. Von hier und von Livadostro aus machten Piraten Katalaniens die Meere unsicher. Sie griffen einmal venezianische Ritter auf, was den Bailo Francesco Dandolo in Wut versetzte. Auf seinen heftigen Drohbrief antwortete Alfonso, er sei schuldlos an dem Vorgange, habe die Ritter freizulassen befohlen, wolle den Frieden mit Venedig halten, aber jeden Angriff zurückweisen.Commem. II, fol. 32. Datum in Athenis, XVIII. Junii Ind. I (1318). Der Bailo schrieb dem Dogen am 26. Juni 1318, daß zu Athen ein Schiff ausgerüstet werde, welches bis zu 1500 Söldner aus türkischen Landen zu holen bestimmt sei. Ein Ruderschiff werde armiert, um Gesandte Alfonsos zum griechischen Kaiser zu führen. Denn eine katalanische Flotte habe bei Kassandreia eine Landung gemacht, um zu plündern, und der Sohn des Kaisers sei mit tausend Reitern gegen die Spanier ausgezogen.»Armata dni Alfonsi (vorher: qui est Athenis) descenderat a Cassandria, et ibat derobando... Dat. XXVI. Junii (1318).« (Commem. II, fol. 31).

Der Bailo ließ katalanische Kreuzer ohne weiteres aufbringen und verbrennen. Doch kam es deshalb nicht zum offenen Kriege. Venedig schützte durch Schiffe und Truppen Negroponte, argwöhnend, daß Alfonso die, wie es hieß, mit ihm verbündeten Türken zu einem Angriff gegen die Insel aufreize. In Wirklichkeit setzte die Kompanie ihre alte Verbindung mit diesen fort; sie scheute sich nicht, türkisches Kriegsvolk aus Kleinasien in ihren Dienst zu ziehen, wo die Emirs von Aidin und Mentesche fortdauernd Korsarenfahrten im Archipel unternahmen.

Unter der Regierung Alfonsos von Aragon erhob sich der Katalanenstaat Athen zu einer kriegerischen Kraft, welche alle Nachbarn in Schrecken setzte. Er machte Streifzüge nach der Argolis und Achaia, nach Epiros und Thessalien. Er versuchte auch Bodonitsa mit Athen zu vereinigen; jedoch dies gelang nicht in der Weise, wie es mit Salona gelungen war. Denn Maria von Verona, die Witwe des letzten in der Kopaisschlacht gefallenen Markgrafen von Bodonitsa aus dem Hause der Pallavicini, hatte sich im Jahre 1312 mit Andrea Cornaro vermählt und so in den Schutz Venedigs gestellt. Die Kompanie griff auch die genuesischen Dynasten von Chios an. Bartolommeo, der Sohn des dort gebietenden Martino Zaccaria, geriet in ihre Gefangenschaft, worauf ihn Alfonso nach Sizilien schickte. Der Papst aber forderte und erhielt seine Befreiung vom Könige Friedrich.Raynald 1318, n. 34, führt den Brief des Papstes an vom 26. Juli 1318.

Die Angriffe der Katalanen richteten sich im besondern gegen die Sanudo von Naxos, Guglielmo I. und seinen Sohn Niccolo. Diese Herren der klassischen Eilande des Ägäischen Meeres oder des Archipels oder Hagiopelagos, wie man jenen Namen verdorben hatte, waren zwar Untertanen und Bürger der Republik Venedig, aber sie standen seit langer Zeit unter der prinzipiellen Lehnshoheit des Fürstentums Achaia. Die Kompanie war aus diesem Grunde vollkommen in ihrem Recht, wenn sie jene Inseldynasten feindlich behandelte, denn aus dem Vertrage zwischen ihr und dem Bailo Euböas waren nicht nur alle diejenigen ausgeschlossen worden, welche zu irgendeiner Zeit Gegner der Katalanen gewesen, sondern ausdrücklich auch solche Venezianer, die vom Fürstentum Achaia Länder zu Lehen trugen.»Omnes illi Venetici, cujuscunque conditionis et status existant, qui tenent feuda et prestant homagia principatui Achaye.« Nun hatte gerade Niccolo Sanudo unter den Fahnen Walters von Brienne in der Kephissosschlacht mitgekämpft; er war dort verwundet in die Gefangenschaft der Sieger geraten und dann ausgelöst worden. Als Vasall der Fürstin Mathilde von Achaia hatte er sich später auch an jenem mörderischen Gefechte bei Clarenza beteiligt, in welchem der Infant von Mallorca sein Leben verlor.Dies erklärten die Boten Friedrichs an den Dogen, im Sept. 1318. »In conflictu proelii inter dictum comitem (Brenne) et ipsam societ. dictus Nicolaus fuit percussus duob. ictib. in facie et in manu ac... captus.« Weiter: »Personaliter interfuit prelio inito inter... Fernandum... tunc principem Achaye, in quo... Fernandus extitit interfectus.« Die Boten bewiesen, daß die Sanudo Vasallen des der Kompanie feindlichen Fürstentums Achaia seien. Ambaxiata dom. Frederici reg. Sicil., Commem. II, 38, bei Thomas, Dipl. Ven.-Levant., n. 64.

Die Flotte Alfonsos führte demnach ohne Rücksicht auf die Venezianer Raubzüge nach den Inseln des Archipels aus; namentlich wurde Melos überfallen und geplündert, von wo die Katalanen siebenhundert Einwohner in die Gefangenschaft fortschleppten. Menschenraub und Sklavenhandel war das alte Handwerk nicht bloß der katalanischen, sondern aller andern Freibeuter auf den griechischen Meeren. Ihren eigenen Untertanen mußte die Republik Venedig verbieten, Sklaven auf den Markt des Sultans von Ägypten zu bringen.»Super paganis et sclavis non portandis per nostros fideles ad terram soldani.« (Libro d'Oro II, 122 , 29. Mai 1292). Als im Jahre 1310 ein sizilianisches, mit Sklaven betrachtetes Schiff diese in Negroponte ans Land zu setzen gewagt hatte, erhob sich dort das Volk in Wut und befreite die Unglücklichen.Der Doge Pietro Gradenigo an König Friedrich 28. März, 8. Ind. (Lettere di Coll. fol. 93): »Insonante fama vel infamia potius, quod dictus Henricus (der Schiffscapitän) dictos sclavos volebat in Egyptum traducere populus civitatis... sclavos ipsos sub quodam furioso impetu liberavit.«

Die Korsarenzüge der Katalanen und alle anderen Feindseligkeiten hinderten trotzdem nicht den Abschluß eines Vertrages zwischen Venedig und dem Könige Friedrich II., dem Oberherrn des Herzogtums Athen. Dieser rechtfertigte seinen Sohn und die Kompanie gegen die Klagen des Dogen, welcher für die seinen Untertanen zugefügten Beschädigungen Ersatz forderte und vor allem die Besitznahme von Karystos und Larmena durch Alfonso Fadrique als rechtlos erklärte. Die Furcht vor einem Bündnis aller Feinde der Kompanie mit der Republik, welches auch sein Land Sizilien großen Gefahren würde ausgesetzt haben, nötigte den König, auf die Bedingungen des Dogen einzugehen. Er schickte an diesen im September 1318 Bevollmächtigte, worauf der Senat den Bailo Negropontes anwies, mit Alfonso ein neues Abkommen zu treffen. Die Republik Venedig hütete sich, den durch die katalanische Eroberung Athens und die Besetzung einiger Gebiete Euböas neugeschaffenen Zustand förmlich und rechtskräftig anzuerkennen, wenn sie auch mit der Tatsache selbst rechnen mußte; sie machte deshalb mit der Kompanie niemals einen dauernden Frieden, sondern nur zeitweise Waffenstillstand auf Kündigung oder Erneuerung.

Am 9. Juni 1319 wurde der frühere, noch als fortdauernd angesehene Vertrag mit Alfonso Fadrique bis zu Weihnachten verlängert. Um der Seeräuberei eine Schranke zu setzen und zugleich die entstehende katalanische Marine im Keime zu ersticken, verpflichtete die Republik die Kompanie dazu, fortan keine Korsaren in ihren Häfen aufzunehmen, ihrerseits keine Piratenschiffe auszurüsten, auch »im ganzen Meere Athens«, in allen andern Negroponte nahen Gewässern und wo immer die Katalanen augenblicklich Gebieter waren, keine neuen Schiffe aufzustellen, die schon vorhandenen aber abzutakeln und die Geräte derselben auf die Stadtburg Athens zu bringen. Nur die Schiffe im Hafen Livadostro sollten dort verbleiben, doch unbemannt. Das seltsame und höchst lästige Gebot, Schiffsausrüstungen nach den Waffenmagazinen der Akropolis fortzuschaffen, dürfte, wenn es nicht überhaupt eine den Gebrauch erschwerende Maßregel war, dartun, daß es damals keine Schiffsarsenale mehr im Piräus gab.»Que in continenti debent facere trahi in terram et de eis accipi et trahi unam tabulam de subtus et corredi lignorum ipsorum debeant collocari in castro Athenarum.«

Diesen Waffenstillstand beschworen der Bailo Negropontes mit seinen Räten, die Inseldynasten Johannes de Noyer, Herr von Maisy, Pietro dalle Carceri, Andrea Cornaro und Bartolommeo Ghisi; endlich Alfonso mit den Räten und Syndici der Kompanie. Auch die Sanudo wurden in den Frieden mit eingeschlossen.Treuga facta cum Catellanis de Compagna, 9. Juni 1319, Nigropontis, Commem. II, 55; Thomas, Diplom. Veneto-Lev., n. 70. Mas Latrie, Mélang. histor., Commerce III. Die Unterschriften fehlen.

Der Vertrag des Jahres 1319 war die erste ernstliche Auseinandersetzung der Republik Venedig mit dem Katalanenstaat Athen. Zwar mußte dieselbe dem Königssohn Alfonso die Burg Karystos stillschweigend überlassen, allein sie beherrschte fortan die Insel Negroponte so vollkommen, daß die dortigen Dreiherren von dem Bailo ganz abhängig wurden.


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