Johann Wolfgang von Goethe
Briefe an Charlotte Stein, Bd. 2
Johann Wolfgang von Goethe

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1605

Reise-Tagebuch

Drittes Stück.

Verona,
Vicenza,
Padua.

1786.

Verona d 15. Sept. Ab.

Ja meine Geliebte hier bin ich endlich angekommen, hier wo ich schon lang einmal hätte seyn sollen, manche Schicksale meines Lebens wären linder geworden. Doch wer kann das sagen, und wenn ich's gestehen soll; so hätt ich mirs nicht eher nicht ein halb Jahr eher wünschen dürfen.

Schon siehst du das Format meines Tagebuchs ändert sich und der Innhalt wird sich auch ändern. Ich will fortfahren fleißig zu schreiben, nur schaffe dir Volckmanns Reise nach Italien, etwa von der Bibliotheck, ich will immer die Seite anführen und thun als wenn du das Buch gelesen hättest.

Seit gestern Mittag bin ich hier, und habe schon viel gesehen und viel gelernt. Nach und nach will ich meine Gedancken niederschreiben.

16. Sept.

Nach und nach find ich mich. Ich lasse alles ganz sachte werden und bald werd ich mich von dem Sprung über die Gebirge erhohlt haben. Ich gehe nach meiner Gewohnheit nur so herum, sehe alles still an, und empfange und behalte einen schönen Eindruck.

Nun eins nach dem andern.

Das Amphitheater

Das erste Monument der alten Zeit, das ich sehe und das sich so gut erhalten hat, so gut erhalten worden ist. Ein Buch das nachkommt, enthält gute Vorstellungen davon.

Wenn man hineintritt, oder oben auf dem Rande steht ist es ein sonderbarer Eindruck, etwas Groses und doch eigentlich nichts zu sehn. Auch will es leer nicht gesehn seyn, sondern ganz voll Menschen, wie es der Kayser und der Papst gesehen haben. Doch nur damals that es seine Würckung da das Volck noch mehr Volck war als es ietzt ist. Denn eigentlich ist so ein Amphitheater recht gemacht dem Volck mit sich selbst zu imponiren, das Volck mit sich selbst zum besten zu haben.

Wenn irgend etwas auf flacher Erde vorgeht und alles zuläuft, suchen die Hintersten auf alle mögliche Weise sich über die vordersten zu erheben, man rollt Fässer herbey, fährt mit Wagen heran, legt Bretter herüber und hinüber, stellt wieder Bäncke hinauf, man besetzt einen benachbarten Hügel und es bildet sich in der Geschwindigkeit ein Crater. Kommt das Schauspiel, es sey ein Kampf pp offt an derselben Stelle vor, baut man leichte Gerüste an einer Seite für die, so bezahlen können und das Volck behilft sich wie es mag.

Dieses allgemeine Bedürfnis hat der Architeckt zum Gegenstand, er bereitet einen solchen Crater durch die Kunst, so einfach als nur möglich und dessen Zierrath das Volck selbst ist. Wie ich oben sagte, wenn es sich so beysammengesehen hat, muß es über sich selbst erstaunt seyn. Da es sonst nur gewohnt ist sich durch einander laufen zu sehn, sich in einem Gewühl ohne Ordnung und ohne sonderliche Zucht zu sehn, sieht das vielköpfige, vielsinnige, schwanckende, schwebende Thier sich zu Einem Ganzen vereinigt, zu Einer Einheit gestimmt, in Eine Masse verbunden und befestigt, und zu einer Form gleichsam von Einem Geiste belebt. Die Simplicität des Ovals ist iedem Auge auf die angenehmste Weise fühlbar und ieder Kopf dient zum Maase wie gros das Ganze ist. Jetzt wenn man es leer sieht, hat man keinen Maasstab, man weis nicht ob es gros oder klein ist.

Da es von einem mit der Zeit verwitternden Marmor gebaut ist, wird es gut unterhalten.

Über folgende Punckte mündlich.

Stück der äussern Mauer.

Ob sie ganz umhergegangen?

Gewölbe rings umher an Handwercker vermiethet das Gewölb jährlich um 20-30 f.

Ballon

Als ich von der Arena |: so nennen sie das Amphitheater :| wegging, kam ich einige Tausend Schritte davon, auch zu einem öffentlichen Schauspiele. Vier edle Veroneser schlugen Ball gegen vier Fremde. Sie thun es das ganze Jahr unter sich, etwa 2 Stunden vor Nacht. Diesmal weil Fremde die Gegner waren, lief das Volck unglaublich zu. es können immer 4-5000 Männer, |: Frauen sah ich von keinem Stande :| Zuschauer gewesen seyn. Oben, als ich vom Bedürfniß der Zuschauer sprach, wenn ein Schauspiel auf flacher Erde vorgeht, hab ich das natürliche und zufällige Amphitheater schon beschrieben, auf dem ich hier das Volck übereinander gebaut sah. Ein lebhafftes Händeklatschen lies sich schon von weiten hören, jeder bedeutende Schlag ward davon begleitet, das übrige mündlich.

Porta Stupa oder del Palio.

Das schönste, immer geschlossne Thor; Wenn man auf etliche hundert Schritte davonkommt, erkennt man es erst für ein schönes Gebäude. Als Thor aber und für die grose Entfernung in der es zu sehn ist, ist es nicht gut gedacht.

Sie geben allerley Ursachen an warum es geschlossen ist, ich habe eine Muthmasung. Die Absicht des Künstlers war offenbar durch dieses Thor eine neue Anlage des Corso zu verursachen, denn auf die ietzige Strase steht es ganz falsch; die lincke Seite hat lauter Barracken aber die winckelrechte Linie der Mitte geht auf ein Nonnenkloster zu, das nothwendig hätte müssen niedergelegt werden, man sah das wohl ein, auch hatten die Nobili nicht Lust sich dorthin anzubauen, der Künstler starb vielleicht und so schloß man das Thor damit der Sache auf einmal ein Ende war.


Nun ein Wort was auf die Wercke der Alten überhaupt gelten mag.

Der Künstler hatte einen grosen Gedancken auszuführen, ein groses Bedürfniß zu befriedigen, oder auch nur einen wahren Gedancken auszuführen und er konnte gros und wahr in der Ausführung seyn wenn er der rechte Künstler war. Aber wenn das Bedürfniß klein, wenn der Grundgedancke unwahr ist, was will der grose Künstler dabey und was will er daraus machen? er zerarbeitet sich den kleinen Gegenstand gros zu behandeln, und es wird was, aber ein Ungeheuer, dem man seine Abkunft immer anmerckt.

NB Diese Anmerckung steht zufällig hier, und hat mit dem vorstehenden keinen Zusammenhang.

Theater und Museum.

Das Portal des Theater Gebäudes von 6 Ionischen Säulen ist gros und schön. Über der Thüre, zwischen den zwey mittelsten Säulen durch, erblickt man das marmorne Brustbild des Maffei, vor einer gemahlten Nische, die von zwey gemahlten Corinthischen Säulen getragen wird. Daß Maffei die Büste bey seinem Leben wieder wegnehmen lies, schreibe ich lieber seinem guten Geschmack als seiner Bescheidenheit zu, denn die Büste gehört nicht dahin und es gehört keines Menschen Büste dahin, und noch dazu nicht in der Mauer sondern angekleckt, und mit einer grosen Perrücke. Hätte er sich nur einen guten Platz in den Sälen wo die Philharmoniker gemahlt hängen ausgesucht und seine Freunde veranlaßt daß sie nach seinem Tod das Bild dahin gestellt; so wäre für den guten Geschmack gesorgt gewesen und es sähe auch republikanischer aus.

Hätte man es aber ja thun wollen; so hätte man der Thüre nicht eine gemahlte Säulen Verzierung sondern eine solide Einfassung geben, die Nische in die Mauer einbrechen, die Perrücke weglassen und die Büste Colossalisch machen müssen, und mit allem dem zweifl' ich daß man diese Partie zu einer Übereinstimmung mit den grosen Säulen würde gezwungen haben. Doch diese Harmonie scheint die Herrn Philarmoniker nicht sehr zu rühren.

So ist auch die Gallerie die den Vorhof einfaßt kleinlich und nehmen sich die kannelirten Dorischen Zwerge neben den glatten Ionischen Riesen armselig aus. Doch wollen wir das verzeihen in Betrachtung des schönen Instituts das diese Galerien decken, und indem wir bedencken daß es mit der Architecktur eine gar sonderbare Sache ist, wenn nicht ungeheure Kosten zu wenigem Gebrauch verwendet werden; so kann sie gar nichts machen. Davon in der Folge mehr.

Jetzt wieder zu den Antiquitäten die unter den Galerien aufbewahrt sind.

Es sind meist Basreliefs, die auch meist in der Gegend von Verona gefunden worden |: ia sie sagen sogar in der Arena :| das ich doch nicht begreife. Es sind Etrurische, Griechische, Römische von den niedern Zeiten und neuere.

Die Basreliefs in die Mauer eingemauert und mit den Numern versehn welche sie in dem Wercke des Maffei haben, der sie beschrieb. Altäre, Stücke von Säulen pp stehn in den Interkolumnien.

Es sind sehr gute, treffliche Sachen drunter und auch das weniger gute zeugt von einem herrlichen Zeitalter. Der Wind der von den Gräbern der Alten herweht, kommt mit Wohlgerüchen wie über einen Rosenhügel.

Ein ganz trefflicher Dreyfuß von weißem Marmor steht da, worauf Genii sind, die Raphael in den Zwickeln der Geschichte der Psyche nachgeahmt und verklärt hat. Ich erkannte sie gleich. Und die Grabmähler sind herzlich und rührend. Da ist ein Mann der neben seiner Frauen aus einer Nische wie zu einem Fenster heraus [sieht], da steht Vater und Mutter den Sohn in der Mitte und sehn einander mit unaussprechlicher Natürlichkeit an, da reichen ein Paar einander die Hände. Da scheint ein Vater von seiner Familie auf dem Sterbebette liegend ruhigen Abschied zu nehmen. Wir wollen die Kupfer zusammen durchgehn. Mir war die Gegenwart der Steine höchstrührend daß ich mich der Trähnen nicht enthalten konnte. Hier ist kein geharnischter Mann auf den Knien, der einer fröhligen Auferstehung wartet, hier hat der Künstler mit mehr oder weniger Geschick immer nur die einfache Gegenwart der Menschen hingestellt, ihre Existenz dadurch fortgesetzt und bleibend gemacht. Sie falten nicht die Hände zusammen, schauen nicht gen Himmel; sondern sie sind was sie waren, sie stehn beysammen, sie nehmen Anteil an einander, sie lieben sich, und das ist in den Steinen offt mit einer gewissen Handwercksunfähigkeit allerliebst ausgedruckt. Die Kupfer nehmen das offt weg, sie verschönern, aber der Geist verfliegt. Der bekannte Diomed mit dem Palladio, ist in Bronze sehr schön hier.

Bey den Grabmälern hab ich viel an Herdern gedacht. Überhaupt mögt ich ihn bey mir haben.

Auch steht ein verzierter Pfeiler von weisem Marmor da, sehr reich und von gutem Geschmack.

An alle diese Dinge gewöhnt mein Aug sich erst, ich schreibe nur hin wie mir jedes auffällt.

Morgen seh ichs noch einmal und sage dir noch einige Worte.

Dom

Der Titian ist sehr verschwärzt und soll das Gemählde von seiner geringsten Zeit seyn.

Der Gedancke gefällt mir daß er die Himmelfahrende Maria nicht hinaufwärts sondern nach ihren Freunden niederwärts blicken läßt.

St. Giorgio.

Eine Gallerie von guten Gemählden. Alle Altarbläter wo nicht gleich doch alle merckwürdig.

Aber die unglückseeligen Künstler was mußten sie mahlen? und für wen.

Ein Mannaregen 30 Fus vielleicht lang und 20 hoch, das Wunder der 5 Brodte zum Pendant. Was war daran zu mahlen. Hungrige Menschen die über kleine Körner herfallen, unzähliche andre denen Brod präsentirt wird. Die Künstler haben sich die Folter gegeben um solche Armseeligkeiten nur einigermassen bedeutend zu machen.

Einer der die Hl. Ursula mit den 11/m Jungfr auf ein Altarblat zu mahlen hatte, hat sich mit grosem Verstand aus der Sache gezogen. Die Gestalt der Hl. Ursula hat was sonderbar iungfräuliches ohne Reitz.

Ich endigte nicht drum laß uns weiter gehn.

Menschen.

Man sieht das Volck sich durch aus hier rühren und in einigen Strafen wo Kaufmannsläden und Handwercks Boutiquen an einander sind, sieht es recht lustig aus. Denn da ist nicht etwa eine Thüre in den Laden oder das Arbeitszimmer, nein die ganze Breite des Hauses ist offen, man sieht alles was drinne vorgeht, die Schneider nehen, die Schuster arbeiten alle halb auf der Gasse. Die Boutiquen machen einen Theil der Gasse. Abends wenn Lichter brennen siehts recht lebendig.

Auf den Plätzen ists an Marcktagen sehr voll. Gemüs und Früchte unübersehlich. Knoblauch und Zwiebeln nach Herzenslust. Übrigens schreyen singen und schäckern sie den ganzen Tag, balgen sich, werfen sich, jauchzen und lachen unaufhörlich.

Der milde Himmel, die bequeme Nahrung läßt sie leicht leben, alles was nur kann ist unter freyem Himmel. Nachts geht nun das singen und lärmen recht an. Den Malborrouh hört man auf allen Strasen. Dann ein Hackbret, eine Violin, sie üben sich alle Vögel mit Pfeifen nachzumachen, man hört Töne von denen man keinen Begriff hat. Ein solches Vorgefühl seines Daseyns giebt ein mildes Clima auch der Armuth und macht den Schatten des Volcks selbst noch respecktabel.

Die Unreinlichkeit und wenige Bequemlichkeit der Häuser kommt daher. In ihrer Sorglosigkeit dencken sie an nichts. Dem Volck ist alles gut, der Mittelmann lebt auch vom Tag zum andern fort, der Reiche und Vornehme allein kann darauf halten. Doch weis ich nicht wie es im Innern ihrer Palazzi aussieht. Die Vorhöfe, Säulengänge p sind alle mit Unrath besudelt und das ist ganz natürlich, man muß nur wieder vom Volck herauf steigen. Das Volck fühlt sich immer vor. Der Reiche kann reich seyn, Pallaste bauen, der Nobile darf regieren, aber wenn er einen Säulengang, einen Vorhof anlegt, so bedient sich das Volck dessen zu seinem Bedürfniß und das hat kein dringenderes als das so schnell als möglich loszuwerden was es so häuffig als möglich zu sich genommen hat.

Will einer das nicht haben; so muß er nicht den Grosen Herren spielen; das heist: er muß nicht thun als wenn ein Theil seiner Wohnung dem Publiko zugehöre, er muß seine Thüre zumachen und dann ists gut. An öffentlichen Gebäuden läßt sich das Volck sein Recht nicht nehmen. Und so gehts durch ganz Italien.

Noch eine Betrachtung die man nicht leicht macht –

Und indessen ist das Abendessen gekommen und ich fühle mich müd und ausgeschrieben, denn ich habe den ganzen Tag die Feder in der Hand. Ich muß nun die Iphigenie selbst abschreiben, und diese Blätter dir zubereiten. Diesmal gute Nacht meine Beste. Morgen oder wann der Geist will meine Betrachtung.

16. Sept 86 Abends 10 Uhr.

d 17. Abends

Wenn nur gleich alles von diesem Tage auf dem Papier stünde es ist 8 Uhr |: una doppo notte :| und ich habe mich müde gelaufen, nun geschwind alles wie es kommen will.

Heute bin ich ganz unbemerckt durch die Stadt und auf dem Bra gegangen. Ich sah mir ab, wie sich ein gewisser Mittelstand hier trägt und lies mich völlig so kleiden. Ich hab einen unsäglichen Spas daran. Nun mach ich ihnen auch ihre Manieren nach. Sie schleudern Z. E. alle im Gehn mit den Armen. Leute von gewissem Stande nur mit dem rechten weil sie den Degen tragen und also die lincke stille zu halten gewohnt sind, andre mit beyden Armen. u. s. w.

Es ist unglaublich was das Volck auf etwas fremdes ein Auge hat. Daß sie die ersten Tage meine Stiefeln nicht verdauen konnten, da man sie als eine theure Tracht, nicht einmal im Winter trägt; aber daß ihnen heut früh da sie alle mit Blumen, Knoblauch pp durcheinander liefen ein Cypressenzweig nicht entging, den ich in dem Garten genommen hatte und den mein Begleiter in der Hand trug, |: es hingen einige grüne Zapfen dran und er hatte noch ein Capern Zweigelgen dabey die an der Stadtmauer wachsen :| das frappirte mich. Sie sahen alle Grose und Kleine ihm auf die Finger und hatten ihre Gedancken.

Diese Zweige bracht ich aus dem Garten Giusti der eine treffliche Lage und ungeheure Cypressen hat die alle Nadelförmig in die Luft stehn. |: Die Taxus der Nördlichen Gärtnerey spitz zugeschnitten sind Nachahmung dieses schönen Naturproduckts :| Ein Baum dessen Zweige von unten bis oben, dessen ältester Zweig wie der iüngste gen Himmel strebt, der seine 300 Jahre dauert, |: nach der Anlage des Gartens sollen sie älter seyn :| ist wohl einer Verehrung wehrt.

Sie sind noch meist von unten auf grün und es wärens mehrere wenn man dem Epheu der viele umfaßt hält und die untern Zweige erstickt, früher gesteuert hätte.

Ich fand Capern an der Mauer herab hängend blühen, und eine schöne Mimosa. Lorbern in den Hecken pp.

Die Anlage des Gartens ist mittelmäsig und gegen den Berg an dem er hinauf steigt kleinlich. Die Cypressen balanziren allein noch die Felsen. Davon einandermal wenn von andern Gärten die Rede seyn wird.

Ich sah die Fiera die ein würcklich schönes Institut.

Dann die Gallerie des Pall. Eherhardini, wo sehr schöne Sachen von Orbetto sind. In der Entfernung lernt man wenige Meister, offt die nur dem Nahmen nach kennen; wenn man nun diesem Sternenhimmel näher tritt und nun die von der zweyten und dritten Gröse auch zu flimmern anfangen und ieder auch ein Stern ist, dann wird die Welt weit und die Kunst reich. Nur sind die Mahler mit ihren Sujets oft unglücklich. Und die Stücke mit mehrern Personen gerathen so selten. Die beste Composition fand ich hier: einen entschlafnen Simson im Schoos der Delila die eben leise nach der Scheere hinübergreift. Der Gedancke und die Ausführung sind sehr brav. Andres verschweig ich.

Im Pall. Canossa fiel mir eine Danae auf die ich hier nur bemercke. Schöne Fische vom Bolka.

Ich ging noch einmal ins Museum. Was ich von der Colonnade, von der Büste des Maffei pp gesagt, bedarf einiger Einschränckung.

Von den Antiken sag ich nichts, sie sind in Kupfer gestochen, wenn ich sie wieder sehe fällt mir alles wieder ein. Der schöne Dreyfuß geht leider zu Grunde, er ist der Abendsonne und dem Abendwinde ausgesetzt wenn sie nur ein hölzern Futteral drüber setzten. Der angefangne Pallast des Proveditor hätte ein schön Stück Baukunst gegeben wenn er fertig geworden wäre.

Sonst bauen die Nobili noch viel leider ieder auf dem Platz wo sein Pallazzo schon steht also oft in engen Gassen. So wird ietzt eine prächtige Facade eines Seminarii gebaut in einem Gäßgen der entfernten Vorstadt.

Diesen Abend ging ich wieder ins Amphitheater. Ich muß erst mein Auge bilden, mich zu sehen gewöhnen. Es bekräfftigte sich mir was ich das erstemal sagte. Auch müssen die Veronenser wegen der Unterhaltung gelobt werden. Die Stufen oder Sitze scheinen fast alle neu. Eine Inschrift gedenckt eines Hieronymus Maurigenus und seines unglaublichen Fleißes mit Ehren.

Ich ging auf der Kante des Craters auf der obersten Stufe bey Sonnenuntergang herum die Nacht |: Notte, die 24ste Stunde :| erwartend. Ich war ganz allein und unten auf den breiten Steinen des Bra gingen Mengen von Menschen, Männer von allen Ständen, Weiber vom Mittelstande spazieren.

Hier ein Wort vom Zendale den sie tragen und der veste. Diese Tracht ist recht eingerichtet für ein Volck das nicht immer reinlich seyn mögte und doch offt öffentlich erscheinen, bald in der Kirche bald auf dem Spaziergang seyn will. Veste ist ein schwarzer Tafftener Rock der über andre Röcke geworfen wird. Hat das Frauenzimmer einen reinlichen |: meist weißen :| darunter; so weiß sie den schwarzen an einer Seite in die Höhe zu heben. Dieser schwarze Rock wird so angethan daß er die Taille abscheidet und die Lippen des Corsets bedeckt. Das Corsett ist von jeglicher Farbe. Der Zendale ist eine grose Kappe mit langen Bärten, die Kappe halten sie mit einer Maschine von Dräten hoch über den Kopf und die Bärte werden wie eine Schärpe um den Leib hinterwärts geknüpft und fallen die Enden hinten hinunter.

Casa Bevi l'aqua

Schöne, treffliche Sachen.

Ein Paradies von Tintoret oder vielmehr die Krönung Mariä zur Himmelsköniginn in Gegenwart aller Erzväter, Propheten, Heiligen, Engel pp. ein unsinniger Gedancke mit dem schönsten Genie ausgeführt. Eine Leichtigkeit von Pinsel, ein Geist, ein Reichthum im Ausdruck, den zu bewundern und dessen sich zu freuen man das Stück selbst besitzen müßte, denn die Arbeit geht, man darf wohl sagen in's unendliche, und die letzten Engelsköpfe haben einen Charackter, die grösten Figuren mögen einen Fus gros seyn, Maria und Christus der ihr die Krone aufsetzt mögen ungefähr 4 Zoll haben. Die Eva ist doch das schönste Weibgen auf dem Bilde und noch immer von Alters her ein wenig lüstern.

Ein Paar Porträts von Paolo Veronese haben meine Hochachtung für diesen Künstler nur vermehrt.

Die Anticken sind schön. Ein Endymion gefiel mir sehr wohl. Die Büsten die meist restaurirte Nasen haben sehr interessant. Ein August mit der Corona civica. Ein Caligula pp.

Uhr.

Damit dir die italiänische Uhr leicht begreiflich werde hab ich untenstehendes Bild erdacht.

Vergleichungs Kreis der italiänischen und teutschen Uhr
auch der ital. Zeiger
für die zweyte Hälfte des Septembers.

Mittag

Mitternacht

Die Nacht wächst mit jedem Halben Monat eine halbe Stunde. Der Tag wächst m. jed. halb. M. eine halbe Stunde.
Monat. Tag. Wird Nacht nach unserm Zeiger ist Mittern. als dann um Mon. Tag Wird Nacht nach unserm Zeiger ist Mitternacht alsdann um:
Aug. 1. 8 ½ 3 ½ Febr 1. 5 ½ 6 ½
15. 8. 4 15 6. 6.
Sept. 1 7 ½ 4 ½ März 1. 6 ½ 5 ½
15 6. 6. 15. 7. 5.
Octb. 1 6 ½ 5 ½ Apr. 1. 7 ½ 4 ½
15 6. 6 15. 8. 4.
Nov. 1 5 ½ 6 ½ May 1 8 ½ 3 ½
15. 5 7. 15 9. 3.
Von da an bleibt die Zeit stehen und ist Von da bleibt die Zeit stehen und ist
Nacht. Mitternacht. Nacht Mitternacht
Dezemb.
Januar
5. 7. Juni
Juli
9. 3.

Der innere Kreis sind unsere 24 Stunden von Mitternacht bis wieder Mitternacht, in zweymal zwölf getheilt, wie wir zählen und unsre Uhren sie zeigen. Der mittelste Kreis zeigt an wie die Glocken in der ietzigen Jahrszeit hier schlagen nähmlich auch in 24 Stunden zweymal 12. allein dergestalt daß es 1 schlägt wenn bey uns 8 schlägt und so fort, bis die zwölfe voll sind. Morgens um 8 Uhr nach unserm Zeiger schlägt es wieder 1. und so fort.

Der oberste Kreis zeigt nun eigentl. an wie bis 24, würcklich gezählt wird. Ich höre also in der Nacht 7 schlagen und weis daß Mitternacht um 5 ist, subtrahire ich [7 - 5 = 2] ist 2 Uhr nach Mitternacht.

Hör ich am Tage 7 schlagen; so weiß ich daß Mitternacht um 5 Uhr ist und also auch Mittag der Glocke nach ich mache also die vorige Operation [7 - 5 = 2] es ist also 2 Uhr nach Mittag.

Will ich es aber aussprechen; so muß ich wissen daß Mittag um 17 Uhr ist und addire also nunmehr [17 + 2 = 19] und sage neunzehn Uhr, wenn ich nach unserer Uhr um zwey sagen will.

NB. Die Innländer bekümmern sich wenig um Mittag und Mitternacht sondern sie zählen nur vom Abend wenn es schlägt die Stunden wie sie schlagen, und am Tage wenn es schlägt addiren sie die Zahl zu 12.

Wenn du das gelesen hast und meine Tafel ansiehst; wird dirs im Anfang schwindlich im Kopfe werden, du wirst ausrufen: welche Unbequemlichkeit, und doch am Orte ist man's nicht allein bald gewohnt sondern man findet auch Spas daran wie das Volck dem das ewige hin und wieder rechnen und vergleichen zur Beschäfftigung dient. Sie haben ohne dies immer die Finger in der Luft rechnen alles im Kopfe und machen sich gerne mit Zahlen zu schaffen.

Nun kommt aber die Hauptsache. In einem Lande wo man des Tags genießt, besonders aber sich des Abends freut, ist es höchst bedeutend wenn es Nacht wird. Wann die Arbeit des Tags aufhöre? Wann der Spaziergänger ausgehn und zurückkommen muß. Mit einbrechender Nacht will der Vater seine Tochter wieder zu Hause haben pp die Nacht schliest den Abend und macht dem Tag ein Ende, und was ein Tag sey wissen wir Cimmerier im ewigen Nebel und Trübe kaum, uns ists einerley obs Tag oder Nacht ist, denn welcher Stunde können wir uns unter freyem Himmel freuen. Wie also die Nacht eintritt ist der Tag aus, der aus Abend und Morgen bestand, 24 Stunden sind vorbeiy, der Rosenkranz wird gebetet und eine neue Rechnung geht an. Das verändert sich mit ieder Jahrszeit und die eintretende Nacht macht immer merckliche Epoche, daß ein Mensch der hier lebt nicht wohl irre werden kann.

Man würde dem Volck sehr viel nehmen wenn man ihm den deutschen Zeiger aufzwänge, oder vielmehr man kann und soll dem Volck nichts nehmen was so intrinsec mit seiner Natur verwebt ist.

Anderthalb Stunden, eine Stunde vor Nacht fängt der Adel an auszufahren. Es geht auf den Bra die lange breite Strase nach der Porta nuova zu, das Thor hinaus an der Stadt hin, und wie es Nacht schlägt kehrt alles um, theils fahren sie an die Kirchen das Ave maria della sera zu beten, theils halten sie auf dem Bra und lassen sich da die Damen die Cour machen von Cavaliers, die an die Kutsche treten und das dauert denn so eine Weile, ich hab es nie abgewartet biß ein Ende war. Die Fußgänger bleiben aber bis weit in die Nacht.

Es hatte eben geregnet und der Staub war gelöscht, da war es würcklich ein lebendiger und muntrer Anblick.

Witterung.

Es donnerte blitzte und regnete völlige zwölf Stunden dann war es wieder schön heiter. Überhaupt beklagen sie sich hier auch über einen Übeln Sommer. Sie mögen ihn nicht so rein gehabt haben als andre Jahre aber ich mercke auch sie sind höchst unleidsam. Weil sie des guten gewohnt sind, alles in Schuen und Strümpfen und leichten Kleidern herumläuft; so fluchen und schelten sie auch gleich über ein wenig Wind und Regen, über den wir uns erfreuen würden wenn er so sparsam käme.

Ich habe bemerckt daß sich nach dem Regen bald die Wolcken gegen das Tyroler Gebirg warfen und dort hängen blieben auch ward es nicht ganz wieder rein. Das zieht nun alles Nordwärts, und wird euch trübe und kalte Tage machen.

Hierher kommen wahrscheinlich die Wolcken und Regen aus dem Po thal, oder noch ferner vom Meere und so gehts weiter wie ich weitläufig im vorhergehenden gemeldet.

Noch bemerck ich

die Schönheit der Porta del Pallio von aussen.

Das dunckle Alterthum der Kirche des Heil. Zeno, des Patrons der Stadt, eines wohlbehäglichen lachenden Heiligen.

Das Weben der Eidexen auf den Stufen des Amphitheaters in der Abendsonne.


Ich habe Wunder gedacht wie deutlich ich dir die Italiänische Uhr machen wollte und sehe meine Methode war nicht die beste. Indeß ist das Zirckel werck und die Tabelle unten an noch besser als meine Auslegung und wird in der Zukunft dienen.

Verzeichniß der mitgenommnen Steine.

Verona

26.  Rother Veronesischer Marmor
27.  Bronzino.
28.  Weiser Kalckstein von dem sie Statuen arbeiten
29.  Basalt Geschiebe.

Vicenz

30.  Lava vom Monte Berico.
31.  Kalcksteine daher.
32.  Kalcksteine woraus sie in Vicenz schöne Platten arbeiten.
33.  Kalckstein den sie nach Belieben sägen und zuschneiden.
34.  Basalt aus dem sie schöne Platten hauen die Hallen zu pflastern und mit dessen kleinern Stücken sonst gepflastert wird.
35.  Eine Lava die sie auch zu Platten zu hauen.

Vicenz d. 19. Sept.

Vor einigen Stunden bin ich hier angekommen und habe schon die Stadt durchlaufen, das Olympische Theater und die Gebäude des Palladio gesehen. Von der Bibliotheck kannst du sie in Kupfer haben also sag ich nichts nenn ich nichts, als nur im allgemeinen.

Wenn man diese Wercke nicht gegenwärtig sieht, hat man doch keinen Begriff davon. Palladio ist ein recht innerlich und von innen heraus groser Mensch gewesen.

Die größte Schwürigkeit ist immer die Säulenordnungen in der bürgerlichen Baukunst zu brauchen. Säulen und Mauern zu verbinden, ist ohne Unschicklichkeit beynahe unmöglich, davon mündlich mehr. Aber wie er das durcheinander gearbeitet hat, wie er durch die Gegenwart seiner Wercke imponirt und vergessen macht daß es Ungeheuer sind. Es ist würcklich etwas göttliches in seinen Anlagen, völlig die Force des großen Dichters der aus Wahrheit und Lüge ein drittes bildet das uns bezaubert.

Das Olympische Theater ist, wie du vielleicht weißt, ein Theater der Alten realisirt. Es ist unaussprechlich schön. Aber als Theater, gegen unsre ietzigen, kommt es mir vor wie ein vornehmes, reiches, wohlgebildetes Kind, gegen einen klugen Kaufmann der weder so vornehm, so reich, noch so wohlgebildet ist; aber besser weiß was er mit seinen Mitteln anfangen kann. Wenn man nun darneben das enge schmutzige Bedürfniß der Menschen sieht, und wie meist die Anlagen über die Kräffte der Unternehmer waren und wie wenig diese köstlichen Monumente eines Menschengeistes zu dem Leben der übrigen passen; so fällt einem doch ein daß es im moralischen ebenso ist. Dann verdient man wenig Danck von den Menschen, wenn man ihr innres Bedürfniß erheben, ihnen von sich selbst eine grose Idee geben, ihnen das herrliche eines grosen wahren Daseyns fühlen machen will |: und das thun sinnlicherweise die Wercke des Palladio in hohem Grade :| aber wenn man die Vögel belügt, ihnen Mährgen erzählt, ihnen vom Tag zum andren forthilft pp dann ist man ihr Mann und drum sind so viele Kirchen zu Stande gekommen, weil von daher für das Bedürfniß der Sterblichen am besten gesorgt wird. Ich sage das nicht um meine Freunde herunter zu setzen, ich sage nur daß sie so sind und daß man sich nicht verwundern muß wenn alles ist wie es ist.

Was sich die Basilika des Palladius neben einem alten mit ungleichen Fenstern übersäten Kastelähnlichen gebäude ausnimmt, das er sich gewiß zusammt dem Thurm weggedacht hat, läßt sich nicht ausdrucken.

Der Weg von Verona hierher ist sehr angenehm, man fährt Nordostwärts an den Gebürgen hin und hat die Vorderberge, die aus Kalck, Sand, Thon, Mergel bestehn immer lincker Hand, auf den Hügeln die sie bilden liegen Orte, Schlösser, Häuser dann folgt die weite Plaine durch die man fährt. Der gerade, gut unterhaltne, weite Weg geht durch fruchtbares Feld, an Reihen von Bäumen sind die Reben in die Höhe gezogen, von denen sie, als wärens die Zweige, herunter fallen. Hier kann man sich eine Idee von Festons bilden. Die Trauben sind zeitig und beschweeren die Rancken, die lang und schwanckend herunter hängen, der Weg ist voll Menschen aller Art und Gewerbes, besonders freuten mich die Wagen, die mit 4 Ochsen bespannt, grose Kufen fuhren, in denen die Weintrauben aus den Weingärten gehohlt und gestampft werden, es standen meist die Führer drinne und es sah einem bachischen Triumphwagen vollkommen gleich. Zwischen den Weinreihen ist der Boden zu allerley Arten hiesigen Getraides besonders Türckisch Korn und des Sorgo benutzt. Wenn man gegen Vicenz kommt streichen wieder Hügel von Norden nach Süden es sind vulkanische, schliesen die Ebne, und Vicenz liegt an ihrem Fuße, und wenn man will in einem Busen den sie bilden.

20. Sept. Abends 8½
hiesigen Zeig. 1½

Gestern war Oper, sie dauerte bis nach Mitternacht und ich sehnte mich zu Bette. Das Sujet ist aus den drey Sultaninnen und der Entführung aus dem Serail mit wenig Klugheit zusammengeflickt, die Musick hört sich bequem an, ist aber wahrscheinl. von einem Liebhaber, es ist kein neuer Gedancke der mich frappirt hätte im ganzen Stück. Die Ballets dagegen sind allerliebst, ich habe oft an Steinen gedacht und ihm den Spas gewünscht. Das Hauptpaar tanzte eine Allemande daß man nichts zierlichers sehen kann. Du siehst ich werde nach und nach vorbereitet, es wird nun besser kommen. Du kannst dencken daß ich für meinen Wilhelm brav gesammelt habe. Das neue Theater ist recht schön, modest prächtig alles uniform wie es einer Stadt geziemt, nur die Loge des Capitan grande hat einen etwas längeren Überhang oder herübergeschlagnen Teppich. Die erste Sängerinn wird vom ganzen Volcke sehr begünstigt. Wie sie auftritt wird entsetzlich geklatscht und die Vögel stellen sich offt für Freuden ganz ungebärdig, wenn sie etwas recht gut macht, das ihr offt geschieht. Es ist ein gutes Wesen, hübsche Figur, schöne Stimme, ein gefällig Gesicht, einen recht honetten Anstand; in den Armen könnte sie etwas mehr Grazie haben.

Indeß komm ich doch nicht wieder. Ich spüre denn doch daß ich zum Vogel verdorben bin.

Dagegen hab ich heute wieder an des Palladio Wercken geschwelgt. Ich komme auch sobald nicht weg, das seh ich schon und laß es sachte angehn. Ich habe ohne dieß an der Iphigenie viel zu thun und sie abzuschreiben. Wo ich das thue ist eins, und besser hier als wo ich mehr in Lärm und Tumult verwickelt werde.

Die Vicentiner muß ich loben daß man bey ihnen die Vorrechte einer grosen Stadt geniest, sie sehen einen nicht an, man mag machen was man will, sind aber übrigens gesprächig, gefällig pp

Besonders wollen mir die Frauens sehr wohlgefallen. Die Veroneserinnen will ich nicht schelten, sie haben eine gute Bildung, vorgebaute Gesichter aber meistens bleich, und der Zendal thut ihnen Schaden weil man unter der schönen Tracht auch was schönes sucht. Hier aber find ich gar viel hübsche Wesen, besonders die schwarzhärigen haben ein eigen Interesse für mich, es giebt auch eine blonde Art die mir aber nicht behagen will.

Was mir wohlgefällt ist ein freyes allgemeines Wesen, weil alles immer unter freyem Himmel ist und sich herumlehnt, wird man einander so gewohnt. Heut in der Kirche Madonna del Monte hat ich ein artig Begegniß, konnt es aber nicht fortsetzen.

Heut Abend ging ich anderthalb Stunden bis es ganz Nacht war auf dem Platze hin und wieder. Die Basilika ist und bleibt ein herrliches Werck man kann sich's nicht dencken wenn man's nicht in der Natur gesehn hat, auch die vier Säulen des Pallasts des Capitan sind unendlich schön. Der Platz hat zwischen diesen Gebäuden nur 40 Schritt Breite und sie nehmen sich nur desto herrlicher aus. Davon einmal mündlich, denn es ist alles in Kupfer gestochen doppelt und dreyfach beschrieben und erinnert einen also leicht. Ich schicke dir auch zwey Büchlein mit aus denen du dich erbauen kannst.

Auch hab ich heute die famose Rotonda, das Landhaus des Marchese Capri gesehn, hier konnte der Baumeister machen was er wollte und er hats beynahe ein wenig zu toll gemacht. Doch hab ich auch hier sein herrliches Genie zu bewundern Gelegenheit gefunden. Er hat es so gemacht um die Gegend zu zieren, von weiten nimmt sich's ganz köstlich aus, in der Nähe habe ich einige unterthänige Scrupel.

Wollte Gott Palladio hätte einen Plan zur Madonna del Monte gemacht und Christen Seelen hätten ihn ausgeführt da würden wir was sehen, von dem wir jetzt keinen Begriff haben. Nun ein Wort von den Aussichten. Die Rotonda liegt wo so ein Gebäude liegen darf, die Aussicht ist undencklich schön ich mag auch da nicht beschreiben. Vicenz überhaupt liegt ganz herrlich und ich möchte wohl eine Zeitlang hier bleiben, aber freylich nicht im Wirtshause, aber gut eingerichtet irgendwo und sich's dann wohl seyn lassen, die Luft ist herrlich und gesund.

21. Abends.

Ich habe heute den alten Baumeister Scamozzi besucht der des Palladio Gebäude herausgegeben und ein gar braver Mann ist. er gab mir einige Anleitung. Ich werde morgen auf's Land fahren, ein' Landhaus des Conte Tiene zu sehen, pp.

Du erinnerst dich vielleicht daß unter den Gebäuden des Palladio eins ist das la casa di Palladio genennt wird, ich hatte immer eine besondere Vorliebe dafür; aber in der Nähe ist es noch weit mehr, ist es erst was man sich gar nicht abwesend dencken kann. Wenn ich komme wird davon viel Redens seyn. Wenn es nicht gleich Aufsehens machte und ich meine humilem personam nicht kompromittirte; so lies ich es zeichnen und illuminiren wie es dasteht mit einigen Nachbarhäusern.

Ich gehe nur immer herum und herum und sehe und übe mein Aug und meinen innern Sinn. Auch bin ich wohl und von glücklichem Humor. Meine Bemerckungen über Menschen, Volck, Staat, Regierung, Natur, Kunst, Gebrauch, Geschichte gehn immer fort und ohne daß ich im mindsten aufgespannt bin hab ich den schönsten Genuß und gute Betrachtung. Du weißt was die Gegenwart der Dinge zu mir spricht und ich bin den ganzen Tag in einem Gespräche mit den Dingen. Ich lebe sehr mäsig. Den rothen Wein der hiesigen Gegend, schon von Tyrol her, kan ich nicht vertragen, ich trincke ihn mit viel Wasser wie der Heil. Ludwig, nur schade daß ich zum Heiligen zu alt bin.

Heut hab ich den Dr. Tura besucht. Wohl fünf Jahre hat er sich mit Passion aufs Studium der Botanick gelegt, ein Herbarium von der Flora Italiens gesammelt, unter dem vorigen Bischof einen Botanischen Garten angelegt. Das ist aber alles hin; die Medicinische Praxis vertrieb die Naturgeschichte, das Herbarium wird von Würmen gefressen, der Bischoff ist todt und der Botanische Garten ist wieder, wie billig, mit Kohl und Knoblauch bepflantzt. Dr. Tura ist ein gar feiner guter Mann, er erzählte mir mit Offenherzigkeit, Reinheit und Bescheidenheit seine Geschichte, sprach überhaupt sehr bestimmt und gefällig dabey, hatte aber nicht Lust seine Schräncke aufzumachen, war bald fertig und ließ mich gehn.

Gegen Abend ging ich wieder zur Rotonda die eine halbe Stunde von der Stadt liegt, dann zur Madonna del Monte und schlenderte durch die Hallen herunter, wieder auf den vielgeliebten Platz, kaufte mir für 3 Soldi ein Pfund Trauben verzehrte sie unter den Säulengängen des Palladio und schlich nach Hause als es dunckel und kühl zu werden anfing.

Heut Abend ist wieder Oper ich kann mich aber nicht entschließen das Opus noch einmal zu leiden, ob ich gleich die Ballette die heute verändert sind wohl gerne sähe.

Wir wollen die Nacht zum Schlafen anwenden um den morgenden Tag desto besser zu nutzen.

Hier die Inschrifften der Rotonda wie sie an den vier Frontons stehn.

Marcus Capra Gabrielis F.
Qui aedes has arctissimo primogeniturae gradui subjecit.
Vna cum omnibus censibus agris vallibus et collibus citra viam magnam
Memoriae perpetuae mandans haec dum sustinat ac abstinet.

Das Ganze, besonders der Schluß ein herrlicher Text zu künftigen Unterredungen.

d. 22ten S.

Noch immer in Vicenz und wohl noch einige Tage hier. Wenn ich ganz meinem Geiste folgen dürfte, legt ich mich einen Monat hierher, machte bei dem alten Scamozzi einen schnellen Lauf der Architecktur und ging dann wohl ausgestattet weiter. Das ist aber für meinen Plan zu ausführlich und wir wollen ehstens wieder fort.

Heute früh war ich in Tiene das nordwärts gegen das Gebirge liegt und wo ein neu Gebäude nach einem alten Riße aufgeführt wird, ein trefflich Werck, bis auf weniges was ich zu erinnern habe. Es liegt ganz trefflich, in einer grosen Plaine, die Kalck Alpen ohne Zwischen Gebirg hinter sich. Vom Schlosse her an der graden Chaussee hin, fliest zu beyden Seiten lebendiges Wasser und wässert die weiten Reisfelder durch die man fährt.

Heut Abend war ich in einer Versammlung welche die Akademie der Olympier hielt. Ein Spielwerck aber ein recht gutes, es erhält noch ein Bißchen Salz und Leben unter den Leuten.

Der Saal ist neben dem Theater des Palladius, anständig, wohl erleuchtet, der Capitan und ein Theil des Adels war zugegen. Übrigens ein Publicum von den obern Ständen, viele Geistliche, ohngefähr 500.

Der Präsident hatte die Frage aufgegeben: ob Erfindung oder Nachahmung den schönen Künsten mehr Vortheil gebracht habe? Du siehst daß wenn man die beyden trennt und so fragt, man hundert Jahre hinüber und herüber reden kann. Auch haben sich die Hrn. Akademiker dieser Gelegenheit weidlich bedient und in Prosa und Versen mancherley vorgebracht, worunter viel Gutes war. Und überhaupt es ist doch ein lebendig Publikum. Die Zuhörer riefen Bravo, klatschten, lachten. Wenn das meine Nation und meine Sprache wäre ich wollte sie toll machen.

Du kannst dencken daß Palladio an allen Ecken war, und einer hatte den guten Einfall zu sagen die andern hätten ihm den Palladio weggenommen er wolle den Franceschini loben |: ein groser Seidenfabrikant :| und fing nun an zu zeigen was die Nachahmung der Lioner und Florentiner Stoffe ihm und Vicenz für Vortheile gebracht habe. Du kannst dencken daß es viel Gelächter gab.

Überhaupt fanden die, die für die Nachahmung sprachen, mehr Beyfall denn sie sagten lauter Dinge die der Haufe denckt und dencken kann, ob sie gleich der schwächere Theil waren. Einmal gab das Publikum, mit grosem Händeklatschen, einem recht groben Sophism seinen herzlichen Beyfall. Einer der für die Erfindung sprach sagte recht gute Sachen, die aber grad nicht sentirt wurden. Mich freut es sehr auch das gesehen zu haben. Es geht mir alles gut. und den Palladio nach soviel Zeit von seinen Landsleuten wie einen Stern verehrt zu sehn ist doch schön pp Viel Gedancken darüber mündlich.

Ich habe nun erst die zwey Italiänischen Städte gesehn, Töchter Städte |: um nicht zu sagen Provinz Städte :| und habe noch fast mit keinem Menschen gesprochen aber ich kenne meine Italiäner schon gut. Sie sind wie die Hofleute, die sich fürs erste Volck der Welt halten und bey gewißen Vortheilen die sie haben, sichs ungestraft und bequem einbilden können.

Überhaupt aber eine recht gute Nation, man muß nur die Kinder und die gemeinen Leute sehn, wie ich sie jetzt sehe und sehen kann, da ich ihnen immer exponirt bin und mich ihnen exponire.

Wenn ich zurückkomme sollst du die besten Schilderungen haben. Und was das für Figuren für Gesichter sind.

Ich war lang willens Verona oder Vicenz dem Mignon zum Vaterland zu geben. Aber es ist ohne allen Zweifel Vicenz, ich muß auch darum einige Tage länger hier bleiben. Lebe wohl. Ich sudle heut Abend wild, aber es ist besser etwas als nichts. Federn und Dinte und alles ist strudelich.

d. 23. S.

Ich schleiche noch immer herum, thue die Augen auf und sehe, wie natürlich, täglich mehr. Von Gebäuden nichts weiter, wenn wir die Kupfer zusammen ansehn dann gar viel.

Schönes Wetter diese Tage her, heute bedeckt und kühl, doch keine feuchte Kälte die uns im Norden tödtet.

Ich schreibe nun an meiner Iphigenie ab, das nimmt mir manche Stunde, und doch gibt mirs unter dem Fremden Volcke unter denen neuen Gegenständen ein gewißes Eigenthümliches und ein Rückgefühl ins Vaterland.

Meine angefangne Zueignung ans deutsche Publikum werf ich ganz weg und mache eine neue, sobald die Iph[igenie] fertig ist.

Die Frauen tragen sich hier reinlich. Ein weises Tuch das der niedre Stand über den Kopf schlägt und wie in einen Schleyer darein wickelt, thut den Gesichtern nicht gut, es muß eins recht hübsch seyn wenn es dadurch nicht zu Grunde gerichtet werden soll. Wenn man ausser der Zeit des Gottesdiensts in eine dunckle Kirche kommt und so ein Paar verschleierte fromme Seelen drin sitzen oder knien, siehts Gespenstermäsig genug aus.

Die Art der geringen Fraun Leute sich das Haar zurück zu binden und in Zöpfe zu flechten ist den Jungen vorteilhaft den Aelteren schädlich, die Haar gehen aus und die Vorderseite wird kahl.

Die Weiber tragen an einem Bügel oder Bogen von schwanckendem Holze, Körbe, Eimer pp was sie zu tragen haben.

sie können sich es gar bequem machen, indem sie, wenn es schwere Sachen sind, auch zugleich die Henckel mit den Händen fassen können, wie obenstehende Figur ausweiset. Das Volck selbst ist gewiß von Grund aus gut, ich sehe nur die Kinder an und gebe mich mit ihnen ab, auch mit den alten. In meiner Figur, zu der ich noch leinene Unterstrümpfe zu tragen pflege, |: wodurch ich gleich einige Stufen niedriger rücke :| Stell ich mich auf den Marckt unter sie, rede über jeden Anlaß, frage sie, sehe wie sie sich unter einander gebärden, und kann ihre Natürlichkeit, freyen Muth, gute Art p nicht genug loben. Von allem diesem in der Folge mehr und wie das mit dem was man von ihrer Arglist, Mistrauen, Falschheit, ja Gewaltthätigkeit sagt zusammenhängt mündlich, wenn wir sie erst mehr gesehen haben.

Ich bin recht wohl und munter, nur gegen Abend muß ich mich in Acht nehmen, da kann ich ein klein wenig traurig werden und die Sehnsucht nach dir, nach Fritzen, Herdern, irgend einer subalterneren teilnehmenden Seele nimmt überhand. Ich laß sie aber nicht aufkommen, beschäfftige mich und so gehts vorüber.

d. 24. S.

Es geht immer den alten Weg.

Früh wird an der Iph. gearbeitet und ich hoffe sie soll euch freuen da sie unter diesem Himmel reif geworden, wo man den ganzen Tag nicht an seinen Körper denckt sondern wo es einem gleich wohl ist. Gestern ging ich mit dem Stück in der Tasche auf den Campo Marzo und sah am Berge gegenüber ein Paar gar artige Gegenstände, ich zeichnete sie geschwind auf das vordere und hintere weiße Blat des Stücks und du erhälst sie mit diesem. Viele Hundert ia tausend solcher Blätter und Blätgen könnte man im Bezirck einer Stunde hier zeichnen, ich darf mich nur jetzt nicht drauf einlassen.

Heute sah ich die Villa Valmaran die Tiepolo dekorirt und allen seinen Tugenden und Fehlern freyen Lauf gelassen hat. Der hohe Styl gelang ihm nicht wie der natürliche, und in diesem letzten sind köstliche Sachen da, im Ganzen aber als Dekoration gar fröhlich und brav.

An der Architecktur geh ich denn immer so hin, mit meinem selbstgeschnitzten Maasstab und reiche weit, freylich fehlt mir viel, indeß wollen wir damit vorlieb nehmen und nur brav einsammeln. Die Hauptsache ist daß alle diese Gegenstände, die nun schon über 30 Jahre auf meine Imagination abwesend gewürckt haben und also alle zu hoch stehn, nun in den ordentlichen Cammer und Haus Ton der Coexistenz herunter gestimmt werden.

Ich lebe sehr diät und halte mich ruhig damit die Gegenstände keine erhöhte Seele finden, sondern die Seele erhöhen. Im letzten Falle ist man dem Irthum weit weniger ausgesetzt als im ersten. Und dann freu ich mich dir zu schreiben, wie ich mich freue vor den Gegenstand mit dir zu sprechen und meiner Geliebten alles in die Ferne zuzuschicken was ich ihr einmal in der Nähe zu erzählen hoffe. Dann macht es mir auch einen frohen Gedancken daß du das Gegenwärtige und noch mehr in 6 Wochen längstens haben kannst.

Doch muß man auf alle Fälle wieder und wieder sehn, wenn man einen reinen Eindruck der Gegenstände gewinnen will. Es ist ein sonderbares Ding um den ersten Eindruck, er ist immer ein Gemisch von Wahrheit und Lüge im hohen Grade, ich kann noch nicht recht herauskriegen wie es damit ist.

Ich sehe immer mit Betrübniß das Tyroler Gebirg trübe, wahrscheinl. habt ihr übel Wetter, hier regnets einmal, doch ists bald wieder schön. Die Morgende und Abende sind kühl.

25. S. Abends 22.
nach unsrer Uhr 5.

Noch einmal von Vicenz. Ich verlasse diesen Ort ungern, es ist gar viel für mich hier. Wäre es möglich mit dir eine Zeit in dieser Gegend zuzubringen! Allein wir sind auf ewig daraus verbannt; man müßte, wenn man hier leben wollte, gleich katholisch werden, um Theil an der Existenz der Menschen nehmen zu können. Alles ladet dazu ein und es ist viel Freyheit und Freymütigkeit unter ihnen.

Ich war auf der Bibliotheck, die Büste des berühmten Juristen Bartolius zu sehen, die aus Marmor gearbeitet oben steht. Es ist ein festes, freyes wackres, schönes Gesicht von trefflicher Bildung und freut mich auch diese Gestalt in der Seele zu besitzen.

Bey den Dominikanern steht eine antike Statue die als Iphigenie genannt ist. Es ist aber völlig die Idee der Vestalinnen von denen wir eine grose und kleine im Abguß besitzen. Weil die Hände angedruckt und in das Gewand verwickelt sind; so haben diese Statuen weniger gelitten, der Kopf ist aber neu und viel zu gros.

Noch einige Gebäude hab ich besehn und mein Auge fängt sich gut an zu bilden, ich habe nun Muth dem mechanischen der Kunst näher zu treten. Was mich freut ist daß keine von meinen alten Grundideen verrückt und verändert wird, es bestimmt sich nur alles mehr, entwickelt sich und wächst mir entgegen.

Ich war noch einmal auf dem Berge der Madonna. Das Cabinet eines der pp. Serviten hat vieles aber nicht viel. Von einem Balkon seines Zimmers aber ist eine Aussicht die man nur stumm betrachten kann. In der Höhe, in der sogenannten Foreseria, wo vornehme Fremde bewirthet werden ist sie noch weiter, da hat man auch Vicenz und die Tyroler Gebirge.

Wenn man wieder herunter steigt hat man einen Hügel zur lincken Seite der spitz ist, frey steht und bis auf den Gipfel mit Reben angelegt ist, einige grose Lauben stehen auch da und oben schliest ein Trupp Zypressen. Ich habe ihn diese acht Tage her immer mit Freuden angesehn.

Übrigens gefallen mir die Vicentiner immer sehr wohl; sie haben eine freye Art Humanität, die aus einem immer öffentlichen Leben herkommt. Auch gehts von einem zum andern Kirchen, Marckt, Spazirgang, Wallfahrt, |: so nenn ich die Promenade zur Mutter Gottes :| Theater, öffentliche Specktakel, Carnaval pp. und das weibliche Geschlecht ist im Durchschnitte schön, und leben so ohne Coquetterie vor sich hin, sind durchaus reinlich gekleidet. Ich habe sie alle recht scharf angesehn und in denen acht Tagen nicht mehr als Eine gesehen, von der ich gewiß sagen mögte daß ihre Reitze feil sind.

Auch die Männer find ich höflich und zuvorkommend. Ich trete in einen Buchladen und frage den Mann nach einem Buche, das er sich nicht gleich besinnt, es sitzen verschiedne Personen von gutem Stande herum geistliche weltliche. Einer fängt gleich mit dem Buchhändler zu reden an, hilft ihm und mir zurechte und das alles ganz grade hin, als wenn man sich lange kennte und ohne weiters.

Das hab ich an ihnen bemerckt. Sie sehen einen von Kopf biß zu Fuße an, und scheinen einen trefflich Phisiognomischen Kleiderblick zu haben. Nun ists mein Spas sie mit den Strümpfen irre zu machen, nach denen sie mich unmöglich für einen Gentleman halten können. Übrigens betrag ich mich gegen sie offen, höflich, gesetzt und freue mich nur so frey ohne Furcht erkannt zu werden herumzugehn. Wie lang es währen wird.

Ich kan dir nicht sagen was ich schon die kurze Zeit an Menschlichkeit gewonnen habe. Wie ich aber auch fühle was wir in den kleinen Souverainen Staaten für elende einsame Menschen seyn müssen weil man, und besonders in meiner Lage, fast mit niemand reden darf, der nicht was wollte und mögte. Den Werth der Geselligkeit hab ich nie so sehr gefühlt und die Freude die meinigen wieder zu sehn, in der Entfernung, nie so lebhaft.

Die Gebäude hab ich wieder und wieder besehn und begangen.

Bey den Dominikanern gefiel mir auf dem Bilde der Anbetung der 3 Könige, der unschuldige, obgleich nicht christlich erhabne Gedancke, daß sich das Kindlein vor dem Alten fürchtet, der es kniend verehrt, und ein ängstlich Mäulgen zieht.

Der Kirchen und Altarblätter kriegt man so satt daß man manches Gute übersieht und ich bin nur im Anfange.

Hier will ich eine Bemerckung hersetzen, über den Punckt, in dem so manche Reisende fehlen, in dem ich auch sonst gefehlt habe.

Jeder denckt doch eigentlich für sein Geld auf der Reise zu genießen. Er erwartet alle die Gegenstände von denen er so vieles hat reden hören, nicht zu finden, wie der Himmel und die Umstände wollen, sondern so rein wie sie in seiner Imagination stehen und fast nichts findet er so, fast nichts kann er so genießen. Hier ist was zerstört, hier was angekleckt, hier stinckts, hier rauchts, hier ist Schmutz pp so in den Wirthshäusern, mit den Menschen pp.

Der Genuß auf einer Reiße ist wenn man ihn rein haben will, ein abstrackter Genuß, ich muß die Unbequemlichkeiten, Widerwärtigkeiten, das was mit mir nicht stimmt, was ich nicht erwarte, alles muß ich bey Seite bringen, in dem Kunstwerck nur den Gedancken des Künstlers, die erste Ausführung, das Leben der ersten Zeit da das Werck entstand heraussuchen und es wieder rein in meine Seele bringen, abgeschieden von allem was die Zeit, der alles unterworfen ist und der Wechsel der Dinge darauf gewürckt haben. Dann hab ich einen reinen bleibenden Genuß und um dessentwillen bin ich gereißt, nicht um des Augenblicklichen Wohlseyns oder Spases willen. Mit der Betrachtung und dem Genuß der Natur ists eben das. Triffts dann aber auch einmal zusammen daß alles paßt, dann ists ein großes Geschenck, ich habe solche Augenblicke gehabt.

Ich schreibe dir eben immer so fort weil ich weiß daß es dir Freude machen wird. Alles wird sich bester und bestimmter sagen lassen. Mein ganzes Gemüth ist bey und mit dir und meine beste Hoffnung ist dich wieder zu sehen.

Padua d. 26. Abends.

Du kannst immer dencken daß ich dir bey einbrechender Nacht schreibe, denn da ist mein Tagewerck vollbracht.

In vier Stunden bin ich von Vicenz heute früh herübergefahren. Wie gewöhnlich auf ein einsitzig Chaischen |: Sediola :| mit meiner ganzen Existenz gepackt. Man fährt sonst bequem in vierthalb Stunden, da ich aber den köstlichen Tag gern unter freyem Himmel genoß war es mir lieb daß der Vetturin seine Schuldigkeit nicht that. Es geht immer in der schönsten Plaine südostwärts, man hat wenig Aussicht weil man zwischen Hecken und Bäumen hinfährt. Biß man endlich die schönen Gebirge von Este, eine vulkanische Reihe, die von Nord gegen Süden streichen, zur rechten Hand sieht.

Auf dem Wege wünscht ich dir nur die Fülle des Hängewercks der Pflanzen über Mauern, Hecken, an Bäumen herunter mit einem Blick zeigen zu können. Die Kürbiße auf den Dächern pp

Nun denn in Padua! und habe in fünf Stunden was Volckmann anzeigt meist gesehen; nichts was mich recht herzlich gefreut hätte aber manches das gesehen zu haben gut ist.

Diesmal will ich Volckmannen folgen den du im 3. Theil auf der 638. Seite nachschlagen wirst. Ich nehme an daß du die Artickel liesest, und ich mache nur meine Anmerckungen.

p. 639. erschreckliche Erdbeben Die Nähe der Gebirge von Este mag daran Schuld seyn, sie liegen nur 6 Ital. Meilen von hier ab, und sind noch warme Bäder hierherwärts. Da mögen noch so alte böse Reste in den Eingeweiden oder vielmehr unter der Haut der alten Mutter gesteckt haben, ob ich gleich noch keine rechte Idee davon habe.

Benachbarten Hügel keine nähern als die Berge von Este. Die Stadt liegt herrlich, ich sah sie vom Observatorio. Gegen Norden die beschneiten und in Wolcken halb versteckten Tyroler Gebirge, an die sich gegen Nordwest die Vicentinischen Vulkanischen Berge anschließen und endlich gegen Westen die nähern Gebirge von Este, deren Gestalt und Vertiefung man deutlich erkennen kann. Gegen Süd und Ost eine grüne See ohne eine Spur von Erhöhung Baum an Baum Busch an Busch, Pflanzung an Pflanzung bis an den fernsten Horizont, und aus der Grüne sehen unzähliche weiße Häuser, Villen, Kirchen pp heraus.

Vom Observatorio könnt ich durch den Tubus ganz deutlich den Markus Thurm von Venedig und die andern geringern Thürme sehn.

p 641. Das Pflaster der Stadt pp es ist Lava von den Estischen Bergen ich habe welche mitgenommen.

rother Marmor ein rother ziemlich fester Kalckstein wie der Veroneser.

p 642 Marie von Giotto Hab ich nicht finden können. Sakristey war zu.

p. 642. St. Antonio Von diesem barbarischen Gebäude mündlich.

p. 646. Kardinal Bembo Es ist nur gut daß man den Heiligen Kirchen gebaut hat; so hat man doch auch einen guten Ort wo man vernünftige und edle Menschen aufstellen kann. Es ist ein schönes, wenn ich so sagen soll mit Gewalt in sich gezognes Gesicht und ein mächtiger Bart. Die Büste steht zwischen Ionischen Säulen die mir von dem Grabmal des Porto in Vicenz |: s. p. 677 :| nachgeahmt scheinen. Die Inschrifft ist schön:

Petri Bembi Card. imaginem
Hier. Guirinus Ismeni F.
in publico ponendam curavit
ut cujus Ingenii
monumenta aeterna sint
ejus corporis quoque memoria
ne a posteriate desideretur.

Eine würdige Inschrifft dem Manne der nicht gern in der Bibel las um seinen lateinischen Styl, wahrscheinlich auch um seine Imagination nicht zu verderben.

p. 647. Helena Cornara Wohlgebildet nicht liebenswürdig, wie sich's einer Minerva-Geweihten geziemen will.

p. 644. Hl. Agathe von Tiepolo Das Gesicht nicht erhaben aber erstaunend wahr, physischer Schmerz und getroste Duldung schön ausgedruckt. Wenn die Martyrthümer nur nicht immer die fatalen armen Sünderschafften mit sich schleppten.

p. 647. Enthauptung Ioh[annis] von Piazetta. Ein recht brav Bild. Immer des Meisters Manier vorausgesetzt. Ioh. kniet die Hände vor sich hinfaltend mit dem rechten Knie an einem Stein, er sieht gen Himmel, ein Kriegsknecht der ihn gebunden hat fährt an der rechten Seite herum und sieht ihn in's Gesicht als wenn er über die Resignation erstaunte womit der Mann sich hingiebt. In der Höhe steht ein anderer der den Streich vollführen soll, hat aber das Schwerdt nicht sondern nur die Hände aufgehoben wie einer der sich zu dem Streiche vorbereitet, das Schwerdt zieht einer tiefer unten aus der Scheide. Der Gedancke ist neu und die Composition frappant übrigens auch wieder eine Armesünderschafft.

p. 648. Scuola del Santo. Die Bilder von Titian wundernswürdig wie sie der alten deutschen Holbeinischen Manier nah kommen. Von der sich ienseits der Alpen keiner erhohlt hat. Eine erstaunende alles versprechende Wahrheit ist drin. Sie haben mich, wie überhaupt mehr alte Gemälde viel zu dencken gemacht.

p. 649. Marter d. Heil. Justina von Paul Ver[onese] Er hat den Fehler den ich schon in Vicenz bemerckte zu viel Figuren auf so ein Bild zu bringen und sie zu klein zu machen, die haben nun von so einem Hoch Altar herunter keine Gegenwart das übrige sagt Volckmann.

650. Zimmer des Abts Ein schön Bild von Quercin da Cento Gerechtigkeit und Friede.

ibid. Auserlesne Bücher. ist nicht zu läugnen. Alte Schrifftsteller, die Italiänischen Dichter. Kirchenväter verstehn sich von selbst, pp. Was ich so flüchtig übersah war alles gut und brauchbar.

ibid. Prato della valle Sie haben rings um den Platz ihren berühmten Männern Bildsäulen gesetzt und auch Privatleuten erlaubt einem verdienten Mann aus seiner Familie eine Statue zu setzen wie die Inschrifften zeigen. Die Messe die hier gehalten wird ist berühmt.

p. 655. Abnehmung vom Kreuz von Bassan recht brav, und so edel als er etwas machen konnte.

ibid. Salone. Wenn man so etwas nicht gesehn hat glaubt mans nicht oder kann sichs nicht dencken.

p. 658 il Bo ist mir lieb daß ich darin nichts zu lernen hatte. Man denckt sich auch diese Schul-Enge nicht wenn mans nicht gesehn hat besonders ist das Anatomische Theater würcklich als ein Wunderwerck anzusehen. Es ist über alle Beschreibung.

Der Botanische Garten ist desto artiger und muntrer, obgleich ietzt nicht in seiner besten Zeit. Morgen soll ihm der größte Theil des Tags gewidmet werden. Ich habe heut im Durchgehn schon brav gelernt.

Gute Nacht für heute! Ich habe gesudelt was ich konnte um nur etwas aufs Papier zu bringen.

Padua d. 27. Mittag.

Heute früh ward noch einigs nachgehohlt. aus dem botanischen Garten vertrieb mich ein Regen. Ich habe drin schöne Sachen gesehn und dir zum Scherz einiges eingelegt. Der fremden Sachen laßen sie viel im Lande stehn gegen Mauern angelehnt oder nicht weit davon und überbauen alsdann das Ganze gegen Ende Oktobers und heitzen es die wenigen Wintermonate.

Abends. 27. S.

Wie gewöhnlich meine liebe wenn das Ave Maria della Sera gebetet wird, wend ich meine Gedancken zu dir; ob ich mich gleich nicht so ausdrücken darf, denn sie sind den ganzen Tag bey dir. Ach daß wir doch recht wüßten was wir an einander haben wenn wir beysammen sind.

Auch hab ich heute die Wercke des Palladio gekauft einen Folioband. Zwar nicht die erste Ausgabe aber einen sehr sorgfältigen Nachdruck den ein Engländer besorgt hat. Das muß man den Engländern lassen daß sie von lang her das Gute zu schätzen gewußt haben. Und daß sie eine vornehme Art haben vornehm zu seyn.

Heute hab ich die Statuen auf dem Platze nochmals durchgesehn, sie sind meist von Partikuliers und Zünften auch Fremden gesetzt. So hat der König von Schweden Gustav Adolphen hinsetzen laßen, weil man sagt, er habe einmal in Padua eine Lecktion angehört. Der Erzherzog Leopold dem Petrarch und Galiläi. u. s. w. Die Statuen sind in einer modernbraven Manier gemacht. Wenige übermanierirt, einige recht natürl. Die Innschrifften gefallen mir auch recht wohl, sie sind lateinisch und ist nichts abgeschmacktes oder kleines darunter. Päpste und Dogen stehen an den Eingängen. Es kann ein recht schöner Platz werden wenn sie die hölzerne Fiera wegschaffen und eine von Stein jenseits des Platzes bauen wie der Plan seyn soll.

Heute Abend setzte ich mich in die Kirche der Hl. Justina die zwar in keinem grosen Geschmack aber doch groß und Einfach gebaut ist, in einen Winckel und hatte meine stille Betrachtungen. Da fühlt ich mich recht allein, denn kein Mensch auf der Welt der in dem Augenblick an mich gedacht hätte, würde mich in diesem Winckel gesucht haben.

Die Stadt ist groß und wenig bevölckert jetzt noch leerer, da Vakanzen der Schule sind und der Adel auf dem Lande wohnt. Man muß sich deswegen an die Vorfahren auf dem Prato della Valle halten.

Schöne Bestätigungen meiner botanischen Ideen hab ich wieder gefunden. Es wird gewiß kommen und ich dringe noch weiter. Nur ists sonderbar und manchmal macht michs fürchten, daß so gar viel auf mich gleichsam eindringt dessen ich mich nicht erwehren kann daß meine Existenz wie ein Schneeball wächst, und manchmal, ists als wenn mein Kopf es nicht fassen noch ertragen könnte, und doch entwickelt sich alles von innen heraus, und ich kann nicht leben ohne das.

In der Kirche der Cremitaner habe ich Gemälde von Mantegna eines der älteren Mahler gesehen vor denen ich erstaunt bin! Was in den Bildern für eine scharfe sichre Gegenwart ist läßt sich nicht ausdrucken. Von dieser ganzen, wahren, |: nicht scheinbaren, Effecktlügenden, zur Immagination sprechenden :| derben reinen, lichten, ausführlichen gewißenhaften, zarten, umschriebnen Gegenwart, die zugleich etwas strenges, emsiges, mühsames hatte gingen die folgenden aus wie ich gestern Bilder von Titian sah und konnten durch die Lebhafftigkeit ihres Geistes, die Energie ihrer Natur, erleuchtet von dem Geiste der Alten immer höher und höher steigen sich von der Erde heben und himmlische aber wahre Gestalten hervorbringen. Es ist das die Geschichte der Kunst und jedes der einzelnen grosen ersten Künstler nach der barbarischen Zeit.

Die Baukunst steht noch unendlich weit von mir ab, es ist sonderbar wie mir alles darin so fremd, so entfernt ist, ohne mir neu zu seyn. Ich hoffe aber auch diesmal wenigstens in ihre Vorhöfe gelassen zu werden.

Nun wäre auch hier einmal wieder eingepackt und morgen früh gehts auf der Brenta zu Wasser fort. Heute hats geregnet nun ists wieder ausgehellt und ich hoffe die Lagunen und die ehmals triumphirende Braut des Meers bey schöner Tagszeit zu erblicken und dich aus ihrem Schoos zu begrüßen jetzt gute Nacht.


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