Johann Wolfgang von Goethe
Briefe an Charlotte Stein, Bd. 2
Johann Wolfgang von Goethe

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1420

[Donnerstag 2. Juni]

Lebe wohl geliebte das nächstemal scheide ich freudiger in der Hoffnung dich ienseit den Bergen wieder zu finden. Tausendmal Adieu. Liebe mich.

d. 2. Jun. 85.

G.

1421

[Ilmenau, Donnerstag 2. Juni]

Meiner Geliebten muß ich durch den zurückkehrenden Postillon einen guten Abend sagen, den sie zum guten Morgen erhalten wird. Wir sind im Regen angekommen und es trieft gewaltig. Fritz mit Voigts ist noch nicht da; sie haben in Stadt Ilm gefüttert. Wir werden mancherley zu thun finden und wollen erst die Stubengeschäffte abthun, bis dahin giebts gut Wetter.

Knebel freut sich auf die Berge und in den Bergen, er ist ein gar guter Gesellschaffter. Lebe wohl. Gedencke an mich. Ich liebe dich mit lebhaffter, innig bleibender Liebe und freue mich immer auf die Tage, da ich am Fuse der alten Granit Berge mit dir wohnen werde, wie auf eine himmlische Aussicht. Lebe wohl.

Ilm. d. 2. Jun. 85.

G.

1422

[Sonnabend 4. oder Sonntag 5. Juni?]

Da ich eine Gelegenheit nach Weimar habe, sage ich dir nur meine beste daß ich recht wohl bin, und schicke dir eine Schachtel hiesiger Botanick. Unsre Sachen gehen gut. Wir haben schön Wetter. Fritz ist wohl und du bist mir durch ihn immer nah, wie du mir auch ohne ihn bist. Du liebe meine durch Herz und Sinn. Lebe wohl. Ich erwarte auch ein Wort von dir. Hundertmal adieu.

G.

1423

[Dienstag 7. Juni]

Du wirst nun auch meinen zweiten eilfertigen Brief mit den Schwämmen erhalten haben, ich schreibe dir den dritten immer auf dein Papier. Wärest du mit mir du würdest dich meines Wohlseyns freuen, wenn ich nur auch des deinigen versichert seyn könnte. Ich habe wieder einige Capitel an Wilh. dicktirt, und etwas an meiner Gebürgs Lehre geschrieben. Eine neue englische Mineralogie hat mich wieder aufgemuntert. Der Todt der W[erthern] ist wohl unvermuthet. Der Bergsekretair brachte ihn voreilig Knebeln vor, der sehr frappirt war. Das ist das wunderlichste an dem Zusammenhang der Dinge daß eben die wichtigsten Ereignisse die dem Menschen begegnen können keinen Zusammenhang haben. Kl[inckowströms] Gesellschafft im Karlsb. wird wohl entbehrlich seyn, wenn er nur ein wenig Lufft zu Hause kriegt. Ich dencke er läufft auch nicht lange.

An Wilhelm habe ich fortgefahren vielleicht thut er diesmal einen guten Ruck. Ich dencke immer dabey an die Freude die ich dir damit machen werde. Der Anfang dieses Buchs gefällt mir selbst. Sonst sind wir fleisig hinter den Steinen her und Knebel wird recht wacker.

Liebe mich du gute. Das nächstemal daß ich Felsen besteige bist du mir näher.

Staff hat mir die schönsten Morgeln geschenckt um mich zu bestechen. Ich bringe sie mit, um sie mit dir zu verzehren.

Fritz ist lustig und gut. Lebe wohl. Grüse Steinen und wünsche ihm Glückliche Reise wenn es noch Zeit ist.

Auch der Herzoginn empfiehl mich noch einmal.

Dienstag, d. 7. Jun. 1785.

G.

1424

[Dienstag 7. Juni]

Da ich eine Gelegenheit finde; schicke ich dir die Schwämme, hebe einen Theil davon auf, daß wir sie zusammen geniessen. Du kannst mir durch den Boten antworten, denn er wird drinne warten. Die Tage werden schön. Wir waren heute in Elgersburg. Wie wünschte ich daß es deine Wohnung seyn mögte. Unsre Expeditionen gehen gut und unsre Liebhabereyen laufen so gütlich nebenher, es wäre Menschen und Geschäfften geholfen, wenn es immer so werden könnte. Ich bin recht wohl, habe an Wilh. weiter dicktirt, und habe Freude dazu.

Lebe wohl. Liebe mich und sey meiner Liebe versichert. Täglich und stündlich freue ich mich auf unsre Carlsbader Reise.

Ilm. d. 7. Jun. 1785.

G.

1425

[Sonnabend 11. Juni]

Nach dem Anschein unsrer Expeditionen kommen wir vor künftigen Donnerstag nicht zurück. Es wird der 16te seyn und alsdann brauchen wir noch acht Tage um uns einzurichten und nach dem Fichtelberge zu gehen. Ich wünsche also daß du vor dem 24ten nicht abgehn mögest. Wir sind recht wohl und vergnügt bewegen uns viel und schlafen gut wenn wir nicht zuviel essen.

Mein Verlangen dich wiederzusehen wächst mit iedem Tage und meine Hoffnungen den nächsten Monat ganz an deiner Seite zuzubringen werden mir mit iedem Augenblicke theurer.

Innliegenden Brief an Herdern lies mit den Einlagen dann schick ihn ihm. Du wirst allerley daraus sehen. Die Fürstin G[allizin] kommt mit zwey guten Freunden, du hast dir doch nur einen ausgesucht. Der kleinen W[erthern] wollt ich auch lieber eine Wohnung bey ihrem Geliebten in Afrika als im Grabe gönnen. Ich glaub es nicht. Zu unsrer Zeit ist ein solcher Entschluß seltner, wir würden es auch balde in den Zeitungen lesen. Knebel und Fritz grüsen.

Donnerstag Abend wenn nichts merckliches dazwischen kommt sind wir in Weimar. Adieu du Geliebteste. Ich dencke immer an dich.

Ilm. Sonnab. d. 11. Jun. 1785.

G.

1426

[Dienstag 14. Juni]

Mit Schmerzen erwart ich den Donnerstag der mich wieder zu dir bringen soll, ich habe nun keine Ruhe mehr hier. Der morgende Tag geht zum Schlusse mit mancherley Arbeiten schnell vorüber.

Ich habe mich deiner Briefe sehr gefreut und immer noch einen erwartet. Besser wird's seyn wenn wir zusammen sind und des Schreibens nicht bedürfen.

Fritz ist munter und brav, es interessirt ihn alles, und auf eine gute Weise, er wird in wenig Jahren unglaublich unterrichtet seyn.

Ich freue mich seiner um deintwillen immer mehr.

Die Tage sind schön, ich beneide die jetzigen Carlsbad Gäste. Wir haben hier eine Art von Höherauch der sich an den Gebürgen schön zeigt.

Hier schicke ich einen Brief von Kaysern der gute Hoffnung giebt.

Lebe wohl und liebe mich du einziges Wesen.

Dienstag.

G.

1427

[Weimar, Sonntag 19. Juni]

Wie sehr betrübt es mich daß ich schon Morgen um diese Zeit dir nicht werde einen guten Tag sagen können. Nur die Hoffnung tröstet mich dich in fremden Landen bald wieder zu finden. Heute will ich zum Abschiede mit dir essen. Lebe recht wohl.

d. 19. Jun. 85.

G.

1428

[Montag 20. Juni]

Dieses Blat soll dich in Carlsbad bewillkommen, wo du wohl keinen Brief von mir erwartest. Wenn du ihn erbrichst rücke ich dir schon näher und habe lange so keine freudige Aussicht gehabt als dich zwischen den Bergen zu finden. Sorge daß wir nicht weit auseinander wohnen und daß wir zusammen essen können.

Ich wünscht dir schönes Wetter und Gesundheit. Lebe wohl. Liebe mich ich bleibe dein.

Hierbey ein Liedgen von Mignon aus dem sechsten Buche. Ein Lied das nun auch mein ist.

W. d. 20. Jun. 1785.

G.

1429

Neustadt an der Orla d. 27 Jun. 85.

Ich schreibe dir gleich um dich aus der Sorge zu bringen in der du meintwegen seyn musst. Leider sind wir noch hier und verpassen die schönen Tage.

Du kannst dencken wie weh es uns anfangs that, die solang gespaarten und so glücklich herbeygekommenen Stunden so schlecht zuzubringen.

Es war ein Übel ienem im Winter ähnlich, nur nicht so starck noch so schmerzhafft. Jetzt ist es meist vorbey der Backen nur noch geschwollen NB. es ist die Gegenseite, die Rechte. Loder war heute hier und hat mir allerley zurückgelassen das weiter helfen soll. Bis hierher hatte ich selbst gepfuscht.

Alles kommt darauf an sagt Hamlet daß man gefaßt ist. Es waren böse Tage, an sich selbst und durch den Gegensatz des was wir hofften.

Gestern war die Hendrich bey mir und Mingen.

Wenn ich dich nur wohl antreffe das ist meine nächste Sorge.

Wir wollen doch über Hof gehn um nur unsre solange sehnlich im Geist besuchten Gipfel wenigstens in der Ferne mit Augen zu sehen. Knebel hält gar treulich aus. Er sagte: Unsre Reise konnte nicht ganz gut ablaufen sie war gar zu vorsichtig und klug ausgedacht. Grüse Herders.

Diese Tage sind fast ganz für mich verlohren. Ausser daß ich Hamlet viel studirt habe.

Heut ist das schönste Wetter von der Welt. Ich erlaube mir kein Murren. Wird die Sonne doch schön leuchten wenn wir im Grabe liegen, warum sollt es uns verdriesen daß sie ihre Schuldigkeit thut, wenn wir Stube und Bette hüten müssen.

Ich rechne künftigen Donnerstags von hier abzugehn, du erhältst auf alle Fälle noch einen Brief von mir eh ich dich sehe.

Knebel hat schon einen ganzen Kasten Steine zusammen gebracht. Der alte Büttner war mit Lodern hier. Das ist all mein neues. Lebe wohl du liebes a und o du Inbegriff meiner Freuden und Schmerzen, da ich dich nicht habe was kann ich besitzen, da du mein bist was kann mir fehlen.

G.

Mein Mikroscop bring ich mit, es ist die beste Zeit die Tänze der Infusionsthiergen zu sehen. Sie haben mir schon groses Vergnügen gemacht. Lebe wohl.

Ach wer die Sehnsucht kennt!


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