Johann Wolfgang von Goethe
Briefe an Charlotte Stein, Bd. 2
Johann Wolfgang von Goethe

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1260

[Mittwoch 19. Mai]

Da ich mit allerley Kram meine Zeit hinbringe und meine liebe vor Tische nicht sehen kann, soll ihr dies Zettelgen einen Grus tragen und hören wie sie diesen Abend leben wird. Ich hoffe du bleibst meinem Garten wie mir getreu. Vielleicht versuchen wir den kleinen Ballon mit einem Feuerkorbe. Sage aber niemanden etwas damit es nicht zu weit herumgreife.

Herders hatte ich eingeladen, sie sind leider bey der Herzoginn Mutter.

Adieu. Ganz dein.

d. 19. May 1784.

G.

1261

[Freitag 21. Mai]

Ach bedarf gar sehr eines guten Wortes von meiner Lotte daß Sie mich recht lieb hat, daß sie gerne mit mir ist und mein bleibt. Leider werde ich bald nicht mehr den Wunsch so leicht befriedigen können von dir ein Paar Zeilen zu haben. Mein Geist wird immer um dich seyn. Lebe wohl. Liebe mich, wenn's möglich komm ich vor zehn Uhr noch.

d. 21. May 1784.

G.

1262

[Sonnabend 22. Mai]

Eben verlangt ich in der Stille recht nach einem Worte von dir. Dancke du beste. Heute früh hab ich mancherley zu thun, dann will ich nach Tiefurt reiten und vorher dich sehen lebe wohl und behalte mich dir immer nah.

d. 22. May 84.

G.

1263

[Mittwoch 26. Mai]

Die Hitze hält mich Ab meine Lotte zu besuchen darum diesen schrifftlichen Grus.

Gegen Abend dächte ich besuchten wir das Prinzgen in Belvedere und führen über Oberweimar wo wir beym alten Docktor absteigen könnten um sein Wetterbeobachtungs Musäum zu besehn.

Lebe wohl, liebe mich. Waitz hat mir auserordentlich schön gezeichnete Knochen gebracht die mir viel Freude machen.

d. 26. May 84.

G.

1264

[Donnerstag 27. Mai]

Hier schicke ich die verlangten Sachen und noch allerley schönes dazu. Mein Herz ist bey dir mein Geist sehr zerstreut und hin und her gezerrt. Lebe wohl auf diesen Abend.

d. 27. May 84.

G.

1265

[Sonnabend 29. Mai]

Sage mir l. L. ob die Stolb[ergs] heute Abend in Tiefurt bleiben werden. Ich gehe nicht hinunter und hoffe dich in meinem Garten zu sehen. Wie freue ich mich der paar geschenckten Tage. Lebe wohl. Behalte immer das Gefühl wie sehr ich dein bin.

d. 29. May 84.

G.

1266

[Mittwoch 2. oder Donnerstag 3.Juni?]

Alles ist eingepackt und ich habe nur noch von dir Abschied zu nehmen, wie sehr fühle ich daß du der Ancker bist an dem mein Schifflein an dieser Rhede festhält! Du innig Geliebte! Möge dir in deiner Ruhe recht wohl seyn, wo du recht zeit hast an den deinigen zu dencken.

Herdern verlaß ich ungern er ist gar gut lieb und herzlich.

Die Stolbergs haben uns noch einen fröhligen verjüngten Tag gemacht, es ist gar hübsch daß ich vor der Abreise noch einmal in ienen Seen der Jugend durch die Erinnerung gebadet worden. Lebe wohl. Von Eisenach mehr. Ich lebe dir ganz.

d. 3. Jun. 84.

G.

1267

Gotha [Sonnabend] d. 5. Jun. 1784.

Diese Paar Tage her konnt ich nicht zu einer Ruhestunde kommen meiner Lotte zu schreiben, nun soll sie wenigstens mit diesem Posttage einige Zeilen haben. Seit ich von dir bin hab ich keinen Zweck des Lebens, ich weis nicht wozu mir ein Tag soll an dem ich dich nicht sehen werde, am meisten quält es mich wenn ich etwas gutes geniese ohne es mit dir theilen zu können.

Fritz ist sehr munter, ich habe ihn an alle Orte allein hingeschickt damit er sich betragen lerne und wie ich höre und mercke macht er es recht gut, es freut mich dir ihn immer besser wieder zu bringen.

Man begegnet mir hier sehr freundschafftlich und ich kann offen und zutraulich gegen die Menschen seyn ohne mein Herz hinzugeben das in guter Verwahrung ist.

Ich habe die Schneidern besucht, die mich geiammert hat. Sie ist gewiß ein seltenes gutes Geschöpf, das menschlichem Ansehn nach kein halb Jahr mehr leben kann. Sie trägt ihre Übel mit einer Gelassenheit, ist so verständig beträgt sich so artig daß es mich nicht wundert wenn die beyden Prinzen sehr lebhafften Antheil an ihr nehmen.

Was aus dem Herzog werden soll wenn sie stirbt seh ich nicht, Gott bewahre ieden für so einer Lage. Er hofft noch, ich würde nicht hoffen können. Ich habe es recht lebhafft gefühlt daß ich im Stande wäre in gleichem Falle meiner Geliebten Gift an zu bieten und ihn mit ihr zu nehmen.

Man hat mir allerley schöne Sachen sehen lassen die mich unterhalten haben. Gestern Abend vertraute mir die Oberhofmeisterinn Memoires pour servir à l'Histoire de Mr. de Voltaire ecrits par lui meme unter den feyerlichsten Beteuerungen an. Man sagt das Büchlein solle gedruckt werden, es wird entsetzliches Aufsehn machen und ich freue mich nur darauf weil du es lesen wirst, es ist so vornehm und mit einem so köstlichen Humor geschrieben als irgend etwas von ihm, er schreibt vom König in Preusen wie Sueton die Scandala der Weltherrscher, und wenn der Welt über Könige und Fürsten die Augen aufgehen könnten und sollten so wären diese Blätter wieder eine köstliche Salbe. Allein man wird sie lesen, wie eine Satyre auf die Weiber, sie bey Seite legen und ihnen wieder zu Füssen fallen.

Noch von Weimar her einige Worte. Die Herzoginn hat die ältste Gräfinn sehr zu distinguiren fortgefahren. Ich glaube den Vereinigungs Punckt beyder Seelen zu entdecken und wenn ich dir ihn mittheilen werde sollst du urtheilen ob ich recht habe.

Wie die kleine Agnes mir schöne that und bat ich solle noch einen Tag bleiben, warfen ihr die Brüder vor sie thue es nur weil sie dadurch hoffe den Herzog noch einen Tag zurück zu halten und setzten scherzend die Rangordnung fest, daß er der erste der Weimaraner in ihrem Herzen, ich der zweyte und die Göchhausen die dritte sey. Ich nahm es ohngeachtet ihrer Vertheidigung als wahrscheinlich und wahr auf, versicherte daß ich mir fest vorgesetzt habe mit einem Fürsten weder um ein Herz zu streiten noch es mit ihm zu theilen und reiste ab.

Leopold hat mir von Stund zu Stunde besser gefallen und ich hätte wohl gewünscht mit ihm eine Zeitlang zu leben, in den ersten Tagen wenn man mit alten Bekannten wieder zusammen kommt sieht man doch nur das alte Verhältnis biß alsdenn ein weiterer Umgang entwickelt in wie fern sich Menschen verändert haben oder dieselben geblieben sind.

Wie freue ich mich auf einen Brief von dir die ich immer sich gleich und mir nur immer liebevoller gefunden habe. Wie glücklich machst du mich! Denn ich mag irgend ein Gut sehen, davon hören oder lesen; so fühle ich daß ich es in dir habe.

Lebe recht wohl und vergnügt in deiner Stille. Mir haben diese wenigen Tage schon sehr gut gethan ich bin wohl und munter und freue mich auf die Eisenacher Felsen wo ich dein gedencken und wo möglich dir etwas zeichnen werde. Die Nation selbst freut mich nicht und alles, sogar Madm Ackermann wiederzufinden damit man ia glaube man sey zu hause ist nicht das anmutigste wenn man entfernt von der Geliebtesten fühlt daß man sehr weit von Hause ist.

Adieu heute werde ich deinen Ring anstecken, und mich im Stillen deiner Liebe bey dessen Anblick erfreuen. Morgen gehe ich nach Eisenach und du hörst bald wieder von mir.

Die Ottinger hab ich besucht.

Lebe wohl du einzige.

G.

1268

Eisenach [Montag] d. 7 Jun. 84

In Gotha ist es mir recht gut gegangen, und es hat mir sehr wohl gethan meine Seele auch nur auf einige Tage ausgespannt zu haben. Einigemal überfiel mich ein recht schmerzliches Verlangen nach dir, und nahm mir den Genuß des gegenwärtigen Guten.

Hier habe ich's gefunden wie es zu erwarten war. Die Hofleute klagen über Langeweile, über stehen, gehen, fahren, Staub, Hitze, Berge u. s. w. Loben die Gegend auserordentl. und haben keinen Genuß davon. Die Herzoginn sieht munter und ist von den Menschen sekkirt. Der Herzog streicht in der Gegend herum pp.

Ich bin mit der grösten Gelassenheit angelangt und werde alles eben so gleichmütig abwarten. Wie unterschieden von dem Törigen dunckeln Streben und Suchen vor vier Jahren, ob ich gleich manche anmuthige Empfindung voriger Zeiten vermisse.

Die Berge und Klüffte versprechen mir viel Unterhaltung, sie sehen mir zwar nicht mehr so mahlerisch und poetisch aus, doch ist's eine andre Art Mahlerey und Poesie womit ich sie ietzt besteige.

Voigt ist hier und macht meinen Vorläufer damit ich nur interessante Stellen besuche.

Die Fürsten haben sich besprochen auf dem Inselsberg zusammen zu kommen, ich werde mich mit einer besondern kleinen Gesellschafft gleichfalls dort einfinden.

Zu meiner grosen Freude ist der Elephanten Schädel von Cassel hier angekommen und was ich suche ist über meine Erwartung daran sichtbar. Ich halte ihn im innersten Zimmergen versteckt damit man mich nicht für toll halte. Meine Hauswirthinn glaubt es sey Porzellan in der ungeheuren Kiste.

Wir sind sehr schön und bequem einquartirt. Fritz ist sehr vergnügt und wohl. Die Prinzen haben ihm in Gotha einen grosen Drachen geschenckt, den wir in dem Wagen mit nahmen.

Zum Schrecken aller wohlgesinnten geht die Rede als sollten die Memoires des Voltaire von denen ich schrieb gedruckt werden, mir macht es ein groses Vergnügen damit du sie lesen kannst. Ich soll eins der ersten Exemplare erhalten und ich schicke dir es gleich.

Du wirst finden, es ist als wenn ein Gott |: etwa Momus :| aber eine Canaille von einem Gotte, über einen König und über das Hohe der Welt schriebe. Dies ist überhaupt der Charackter aller Voltairischen Witz Produckte, der bey diesen Bogen recht auffällt. Kein menschlicher Blutstropfe, kein Funcke Mitgefühl, und Honettetät. Dagegen eine Leichtigkeit, Höhe des Geistes, Sicherheit die entzücken. Ich sage Höhe des Geistes nicht Hoheit. Man kan ihn einem Luftballon vergleichen der sich durch eine eigne Luftart über alles weg schwingt und da Flächen unter sich sieht wo wir Berge sehn.

Lebe wohl liebe Lotte, einige Stunden werden nun aus Pflicht verdorben, dann hoffe ich gegen Abend einen anmutigen Spaziergang, wo ich dein mehr gedencken werde als mir gut ist. Du fühlst doch wie ich dich liebe.

Jeder Buchstabe dieses Briefs wird dir es sagen.

Abends.

Ein Tag vorbey! Wie? das wirst du fühlen wenn du dich der letzten glücklichen Zeiten erinnerst, die wir nie so schön zusammen zubrachten. Gute Nacht.

d. 7 Jun. Nachts.

Eh ich zu Bette gehe muß ich mich noch einige Augenblicke mit dir unterhalten ob ich dir schon auf dem vorigen Blatte gute Nacht gesagt habe. Es thut mir so ungewohnt daß ich dir nicht alle meine Gedancken entdecken und mittheilen kann.

Einige Neuigkeiten.

Osann fordert nicht weniger als 800 rh., eine Pension für seine Frau auf den Fall seines Ablebens von 200 rh., für den iungen Hufland auch etwas pp. Insofern es wieder über die Casse geht ärgerts mich, wenn ich's gleich im Grunde billigen muß, denn ein alter Leibmedikus wäre Streiche werth wenn er nicht wüßte daß man zur rechten Zeit seine Bedingungen machen, das Eisen schmieden muß wenn es warm ist. Bleiben sie auf ihren Forderungen; so werden sie ihnen wahrscheinlich zugestanden, überlassen sie es der Diskretion und gehn auf ein unbedingt Versprechen von künftiger Verbesserung ein; so findet sich nie, oder doch so leicht nicht der Terminus a quo da man glaubt es ihnen geben zu können.

Gegen Abend fing ich einen Spaziergang nach alter Art an, gerade zu über Zäune Hohlweeger, Thäler und Felsen, ein Regen hies mich abbrechen, ich that es gern da er der Erde so erwünscht kommt.

Ein schön Mineralienkabinet bey Appelius habe ich gesehn! Nur einen Teil. Es sind schöne Sachen darinne die ich noch nicht kannte. Es wird mich noch manchmal unterhalten.

Sodann habe ich den grosen Schädel zu studiren angefangen und finde mehr als mir lieb ist, wieder neues und neues, und doch studirt man darum die Natur. Nun im Ernste gute Nacht du beste du einzige.

d. 8. Jun. Abends.

Deine lieben Briefe sind angekommen, und ach ich bin deiner Gegenwart so gewohnt daß sie mir kalt vorkamen, daß ich erst wieder mich gewöhnen musste deiner Handschrifft eben den Sinn zu geben den die Worte von deinen Lippen haben. Schreibe mir ia recht fleisig und viel.

Wir haben einen Improvisatore hier gehabt, den ich nur kurz gehört habe, er macht seine Sachen recht gut, ich hätte gewünscht ihn länger und in seinem Glanze zu sehen.

Deinen Ring hatte ich in Gotha angesteckt, und die Leute konnten glauben ich freute mich darüber als Kleinod. Es war dein lieber Buchstabe meine Lotte der meine Lust und mein Stolz war. Hier muß ich ihn verborgen halten und mein alter gewohnter Gefährte fehlt mir auch.

Wenn ich dich in Kochberg dencke wie sehr wünsche ich bey dir zu seyn! Wie sehr würde ich mich freuen dich zu unterhalten und dir tausend Gedancken mitzutheilen.

Sehr wohl habe ich auf unsern letzten Spaziergängen gefühlt wie schlecht ich deine Abwesenheit würde ertragen können. Schon heute hab ich Projeckte gemacht ob es nicht möglich sey dich auf einen Tag zu besuchen. Dann habe ich mich gescholten daß ich dich nicht beredet mit hierher zu gehen und finde daß es so schön angegangen wäre, daß es so natürlich gewesen wäre.

Tausendmal Adieu. Ich bin mehr als iemals dein.

Fritz streift herum. Dieser Aufenthalt wird ihn sehr bilden helfen, nochmals lebewohl, du weist wie ich nicht von dir kann. Mein Herz lässt keinen Augenblick von dir. Adieu.

1269

[Mittwoch 9. bis Sonnabend 12. Juni]

Mittwoch d. 9ten Jun 84 Abends.

Werde es nur nicht müde zu hören daß mir deine Abwesenheit unerträglich ist und daß ich den Tag über tausend närrische Einfälle habe um dich zu sehen.

Heute habe ich bey den Felsen den ersten Besuch abgelegt und bin davon wohl zufrieden, es werden mir auf dieser Reise allerley Lichter aufgehen, man muß nur suchen und immer wiederkommen.

Unsre Geschäffte gehn einen leidlichen Gang, nur leider aus nichts wird nichts. Ich weis wohl was man statt all des Rennens und Laufens und statt der Propositionen und Resolutionen thun sollte.

Indessen begießt man einen Garten da man dem Lande keinen Regen verschaffen kann.

Wie eingeschränckt ist der Mensch bald an Verstand, bald an Krafft, bald an Gewalt, bald an Willen.

Die Stunden die dein gehören bring ich alleine zu; so freundlich mir die Menschen sind kann ich doch nichts mit ihnen verkehren. Ich binn nun eingewöhnt und verwöhnt dir anzugehören und bin auf diesen Punckt abgeschnitten, das heist nach Lavaters Terminologie so gut wie wahnsinnig.

Heute habe ich ganz köstliche Weege durchwandelt nicht ohne Beschweerde, und habe wie immer bey iedem schönen Gegenstande dich mir herbey gewünscht. Leider würdest du, wenn du auch hier wärest die meisten nicht sehen können.

Durch den italiänischen Improvisator belebt hab ich im Spazieren versucht auch aus dem Steegreife Verse in deutscher Sprache hinzugiesen, es hat ungleich mehr Schwierigkeiten, doch müsste es auch, mehr oder weniger gehn, wenn man sich drauf legte.

Kannst du dir denn nichts ersinnen uns hier zu besuchen.

d. 10 Jun. 84.

Heute habe ich einen angenehmen Tag zugebracht. Die Herzoginn ist mit der Wedel allein nach Wilhelmsthal ich bin zu Mittage hinausgeritten und komme erst iezo halb eilfe zurück. Erst fand ich den Prinzen von Barchfeld und dann waren wir allein. Sie war anmutig und offen, und ich konnte mit ihr reden wie ich mit dir rede, einige Punckte ausgenommen die deine Regalien sind.

Unsre Geschäffte scheinen einen schnelleren Gang zu gehen als wir hofften, doch will ich mich nicht zu frühe erheben, ich habe es schon öffter erlebt, daß sie sich wieder in's weite lenckten. Fritsch will gerne auf sein Gut und befördert also was er kann. Ich mag mir gar nicht dencken wie glücklich ich wäre. Gute Nacht.

d. 11. Jun.

Ich habe dir noch nicht gesagt daß die Bechtolsheim, die so gesund aussah als sie uns das letztemal verlies, sehr kranck niedergelegen. Sie bessert sich. Es thut mir leid um sie daß sie die ganze schöne Hofepoque auf dem Bette verpassen muß.

Man sagt mir ich könne in 31 Stunden in Franckfurt seyn, und ich kann nicht den flüchtigsten Gedancken haben dorthin zu gehn. So hast du meine Natur an dich gezogen daß mir für meine übrigen Herzenspflichten keine Nerve übrig bleibt.

Mit der fahrenden sende ich dir allerley Sachen, besonders einen Traum von Fritz Stolberg in Hexametern. Ein recht himmlisch Familienstück. Man muß sie kennen, sie zusammen gesehen haben um es recht zu geniesen.

Mein Himmel ist einsamer, du machst den ganzen Kreis desselben aus.

Du glaubst nicht wie schreibfaul ich bin, an dich allein mag ich schreiben wie ich allein mit dir reden mag. Wenn ich mit andern selbst vernünftigen Menschen spreche, wie viel Mittel Töne fehlen die bey dir alle anschlagen. Alles was die Menschen suchen habe ich in dir.

Major Niebecker dessen du dich von Alters vielleicht erinnerst, er wohnte hier, hatte drey Töchter die sich durch Sonderbarkeiten auszeichneten, erbt einen Verwandten in Paris, der ihm im gewissen dreymalhunderttausend Thaler hinterlässt, andre sprechen gar von 2 Millionen Livres. Die Famielie hatte wenig Hoffnung zur Erbschafft dieses Mutterbruders, der ihnen im Leben wenig Guts erzeigte, und von dem man glaubte er habe von einer Maitresse Kinder die er zulezt für die seinigen erklären und ihnen das Vermögen zu wenden würde.

d. 12ten.

Heute haben wir eine mineralogische Spazierfahrt gemacht, und uns auf gut bergmännisch wacker erlustigt. Der einfache Faden den ich mir gesponnen habe, führt mich durch alle diese unterirdische Labyrinthe gar schön durch, und giebt mir Übersicht selbst in der Verwirrung.

Ich möchte dich nur immer von meiner Liebe unterhalten. Wie einsam ich bin lässt sich nicht mit Worten ausdrucken. Ich sehe niemand, und wenn ich iemand sehe ist nur eine Gestalt von mir in der Gesellschafft.

Ich ging in die Commödie nur um Menschen zu sehen, und konnte zuletzt nicht mehr bleiben das Stück war unendlich, und mein Vorrath Communikabilität alle aufgezehrt.

Stein sagt mir er habe Briefe von dir, ich habe noch keine heut, noch hoff ich immer darauf, es wäre mir gar zu betrübt wenn ich leer ausgehn sollte, und du über deiner Wirthschafft und Häuslichkeit mich vergäsest.

Fritzen geht es sehr wohl. Er ist mit soviel neuen Gegenständen umgeben mit denen er spielen kann, mag und darf.

Lebe wohl meine Lotte ich darf nicht weiter schreiben, denn der Brief muß auf die Post. Lebe wohl, Liebe mich, Sage mir's und mache mich in dir glücklich. Wie befindest du dich? Es fällt mir manchmal ein du könntest nicht wohl seyn. Adieu.

G.


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