Johann Wolfgang von Goethe
Briefe an Charlotte Stein, Bd. 2
Johann Wolfgang von Goethe

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1110

[Sonnabend 7. Juni]

Ich schicke eben euch zum Thee zu laden. Bergs kommen zwar nicht, sie sind bey Fritsches. Behalte mich nur in einem feinen Herzen. Fritz ist recht gut und glücklich. Adieu ich will ein wenig wegreiten.

d. 7. Jun. 83.

G.

1111

[Montag 9. Juni]

Sey mir willkommen liebe Lotte. Hier schick ich dir Knebels Brief. Wir werden doch heute beysammen seyn. Wenn L. weg ist frag ich bey dir an Lebe recht wohl.

d. 9. Jun. 83.

G.

1112

[Erfurt, Donnerstag 12. Juni]

Du hast gefühlt wie leid es mir that von dir zu gehn ohne dir noch ein herzlich Wort sagen zu können. Wenn du wüsstest was für ein lieber Anblick du mir warst, ich konnte mich nicht satt an dir sehen. Ich reise und habe dich ganz in meinem Herzen.

Mit dem Stadthalter hab ich mich angenehm unterhalten, er ist sehr gut und voll Verstand. Man trifft immer etwas neues bey ihm an.

Adieu. Ich gehe zu Bette, und kehrte lieber mit den Pferden zurück und brächte dir dies Blat selber. Adieu ich komme nicht von deiner Seite. Leb wohl und empfange mich wieder wie du mich verabschiedet hast.

Erf. d. 12ten Jun 83.

G.

1113

[Gotha, Sonnabend 14. Juni]

Ich versäume eine Gelegenheit nicht die sich mir anbietet dir zu schreiben. Ein Bote der nach Weimar geht nimmt diesen Brief mit.

Man hat mich hier sehr freundlich empfangen, es ist alles auf dem alten Fus.

Der Herzog hat ein paar schöne Landschafften von Hackert die ich dir zu sehen wünschte, woran besonders die Fernen, und Himmel unglaublich schön sind. In dem englischen Garten ist es recht anmutig still und ruhig, das Monument das auf der Insel über dem Grabe der Prinzen steht recht hübsch und gut. Anstatt daß unser Herzog neuerdings alle Thüren und Brücken seiner Gärten und Anlagen eröffnet hat, so sind hier die Partien des Gartens gegen einander selbst verschlossen, und stellen Vorhöfe, Tempel und Heiligstes vor. Der Unterschied ist recht karackteristisch.

Wenn ich etwas schönes sehe denck ich an dich, und wenn ich etwas guts geniesse wünsch ich dich zu mir. Schon sehn ich mich wieder zurück.

Heute werde ich die Gyps Abgüsse sehn die der Herzog hat, und diesen Morgen des Prinzen August neues Gebäude und Anlagen besuchen.

Wenn ich doch nur auch etwas von dir hören könnte! Ich kann dir nicht ausdrücken, welche Neigung, welches Verlangen mich zu dir zieht. Adieu liebe Lotte ich muß schliesen. Empfange mich wie du mich verabschiedet hast, und fühle daß mich nichts von dir trennen kann.

Gotha, Sonnabend nach Pfingsten 83.

G.

Grüße Fritzen recht schön und sag ihm er soll mir etwas fertig machen bis ich wiederkomme es sey gezeichnet oder geschrieben.

1114

[Wilhelmsthal, Montag 16. Juni]

Wir sind in Wilhelmsthal. Ludekus ist schon seit Sonnabend angelangt, es ist Montag um halb zwölf Mittag und der Prinz ist noch nicht da. Was Lud. erzählt läßt sich nicht armseeliger dencken.

Es ist mir wohlgegangen und doch hab ich keinen Genuß gehabt. Bey allem guten und schönen gedencke ich nur an dich, was sonst meine Seele erhob, macht ietzo nur den Wunsch rege es mit dir zu geniessen.

Du wirst meinen Brief und das Säckgen von Gotha haben. Da ich arm bin, kann ich dir nur welcke Früchte opfern. Gedencke an mich wann man dir sie aufträgt. Ich kann mich keinen Augenblick von dir entfernen, dein Bild ist mir viel lebhaffter als die Gegenstände die mich umgeben, ich bin eingeschränckter als iemals.

Der Herzog ist auf sehr guten Weegen, wir haben über viel Dinge gar gut gesprochen, es klärt sich vieles in ihm auf, und er wird gewiss in sich glücklicher und gegen andre wohlthätiger werden.

Lebe wohl, liebe Lotte. Wenn doch nur alles auf dem Papier stünde was ich für tausend Gedancken in stillen Unterhaltungen an dich richte.

Grüse Steinen und Fritzen.

Mit Sehnsucht verlang ich wieder bey dir zu seyn, denn ich habe nichts eignes mehr. Manchmal wünsch ich es mögte anders seyn manchmal wünsch ich meinen Gedancken eine andre Richtung zu geben. Es ist und bleibt unmöglich. Lebe wohl. Bleibe mir! Wie sehr verlangt es mir einen Buchstaben von dir zu sehen!

G.

1115

[Mittwoch 18. Juni]

Es geht wieder ein Husar ab und ich kann dir abermals schreiben. Wie törig war ich dir nicht einen Weeg anzugeben auf dem ich Nachricht von dir erhalten könnte. Dieser geht zwar wieder zurück allein ich weis nicht ob er mich noch antreffen wird. Gar sehr bedarf ich ein Wort von dir zu hören.

Die Verworrenheit des Prinzen hat noch einige Knoten die mit Geduld gelöst werden müssen.

Der Herzog Georg ist gestern unvermuthet angekommen. Der Landgr. v. Barchfeld wird mit seiner Gem. heute hier speisen.

Mich verlangt sehnlich zurück, der Herzog will auf Meinungen gehn, und ich eile wieder zu dir. Ich habe gezeichnet und ein Capitel zu Wilh. geschrieben.

Der Aufenthalt hier ist nicht angenehm. Nebel und Feuchtigkeit dringen durch Berge Wälder und Wohnung.

Mein Geist ist immer bey dir und wenn es dich freut iemanden ganz zu besitzen; so darfst du dich recht freuen.

Lebe wohl. Vielleicht kann ich schon Morgen früh abgehn. Ich will mir nicht zu geschwind Hoffnung machen. Grüse Fritzen und sage ihm ich hoffe daß er mir etwas fertig machen wird.

Lebe wohl du einziges Band meines Lebens.

Mittwoch früh. 83.

G.

1116

[Weimar, Sonnabend 21. Juni]

Hier l. Lotte ein ostensibles und transmissibles Zettelgen für und an deine Schwägerinn. Ich bitte dich ja mich nicht zu schonen wenn du etwas auf dem Herzen hast. Du bist doch wohl wenn du auch schon nicht gut geschlafen hast. Mich verlangt sehr dich zu sehn. Hier der schöne Kopf, möge er dir Vergnügen machen. Lebe wohl und bleibe mir.

d. 25. Jun. 83.

G.

1117

[Montag 23. Juni]

Ich bin diesen ganzen Morgen noch nicht zur Besinnung gekommen, habe noch nicht so viel Zeit gefunden dir zu sagen wie ich mich auch heute wieder freue dein zu seyn.

Eben kommt dein Zettelgen. Ich dancke dir beste. Diesen Mittag kann ich nicht nach Tiefurt, gegen Abend erwart ich dich mit vieler Freude. Lade doch die Gräfinn Bernsdorf wenn sie in Tiefurt ist zu mir ein. Lebe wohl. Gedencke mein, ich bleibe der deinige.

d. 23. Jun. 83.

G.

1118

[Dienstag 24. Juni]

Hier liebe Lotte endlich den Werther, und die Lotte die auf dich vorgespuckt hat. Das englische gefällt mir gar wohl, was ich gelesen habe ist herzlich, verständig und geschmackvoll übertragen. Wenn es aus dem deutschen übersetzt wäre, könnte ich noch mehr daraus lernen. Mir war's gar anmuthig meine Gedancken in der Sprache meiner Lehrer zu lesen. Adieu. Sey mir tausendmal gegrüßt. Wenn du in dem Teutschen Manuscript Fehler findest mercke sie doch an. Lebe wohl.

Wollen wir heute Abend eine kleine Gesellschafft bey mir im Garten haben oder allein seyn.

24. Jun. 1783.

G.

1119

[Donnerstag 3. Juli]

Hier schicke ich einige Erdbeeren zum Frühstück und lebe in der vergnüglichen Hoffnung dich Mittags bey mir zu sehen.

Das Andencken deiner Liebe ist immer bey mir und meine Neigung zu dir, wie die Furcht Gottes der Weisheit Anfang. Liebe mich, und schreibe mir deinen ganzen Vornahmen. Lebe wohl du süse und sage mir daß du wohl bist.

3. Jul. 83.

G.


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