Johann Wolfgang von Goethe
Briefe an Charlotte Stein, Bd. 2
Johann Wolfgang von Goethe

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1570

[Montag 24. April]

Eben wollt ich dir schreiben um etwas von dir zu hören. Heute der Tag wird mir ohne dich hingehn. Doch seh ich dich einen Augenblick.

Du bist mir herzlich lieb, und ich habe dir recht schöne neue Sachen zu erzählen.

d. 24. Apr. 86.

G.

1571

[Jena, Dienstag 25. April]

Wie offt hab ich heute gewünscht diesen Tag mit dir hier zuzubringen, er war ganz köstlich. Ohne in Jena anzuhalten, ritt ich gleich nach dem Durchstich und von da nach Lobeda, und fand die gute Bohl, aber ach wie! Ich muß dir ihre Wirtschafft ihr Wesen und Zustand im Detail beschreiben es ist ein seltsam Tableau. Das Saal Thal hab ich noch nie gesehn in solcher Schönheit, ich bin einen Weeg zurückgekehrt den ich dich führen muß, es ist an einem Platze würcklich ein gros Bild.

Nachher habe ich vielerley Menschen gesehen, bin mit Magister Batsch spazieren gegangen, wo wir über Pflanzen, Infusionen u. s. w. gar viel gutes gesprochen und beyde gelernt haben. Ich werde die besten Bücher mitbringen die über das Infusionswesen geschrieben worden.

Nun bin ich in Paulsens Garten eingekehrt, im Schlosse war mir's unmöglich zu bleiben, es ist ein köstlich schöner Abend.

Mit Knebeln hoffe ich von dir zu hören.

Liebe mich. Alles bringt mich dir näher und deutet auf dich hin. Grüse Fritzen und lebewohl.

d. 25. Apr. 86.

G.

1572

[Weimar, Montag 1. Mai?]

Ich hatte gestern Abend das gröste Verlangen dich zu sehn, zumal da ich dir die köstlichste Geschöpfe zu zeigen hatte. Hätte ich nur meinen Vorsatz ausgeführt, ich wollte nach Hof schicken und dirs sagen lassen. Ich habe nunmer schon Thiere die sich den Polypen nahen fressende Infusionsthiere. Liebe mich.

G.

1573

[Ilmenau, Dienstag 2. Mai]

Ich wünsche dir und mir Glück zum schönen Wetter. Wenn die Sonne Donnerstags so aufgeht so wird sich Merkur gar schön präsentiren. Liebe mich und lebe wohl. Ich habe dich herzlich lieb du einziges Wesen dessen Zärtlichkeit kein qui pro quo zulässt. Adieu.

d. 2. May 86.

G.

Nimm doch ja Fritzen mit.

1574

[Donnerstag 4. Mai]

Wie sehr habe ich mich beym Erwachen gefreut daß die Sonne hell schien und daß du das himmlische Schauspiel recht schön wirst gesehen haben. Zu spät fiel mir's ein daß ich durch mein kleines Perspecktiv auch etwas würde sehen können aber ich sah nur die Sonnenflecken und Merkur war schon verschwunden.

Könnt ich doch den schönen Tag mit dir in Jena zu bringen, es wird mir aber nicht so wohl werden, eh uns das Carlsbad vereinigt mit dir zu seyn und ein ruhiges Leben zu führen.

Der Herzog von Meiningen ist hier.

Was der Herzog thun wird weis ich nicht, ich bleibe bis Ende der Woche. Lebe wohl Liebe mich, grüse Fritzen.

Ilm. d. 4. May 86.

G.

1575

[Freitag 5. Mai]

Von meiner lieben habe ich gar nichts gehört, wenn es ihr nur in Jena recht wohl geworden ist. Hier ist auf Waldweise gelebt worden, doch ziemlich mäsig. Der Herzog ist auf Meiningen mit dem Herzog Georg der ihn hier besucht hat. Heute werde ich noch mit allerley Angelegenheiten zubringen und Morgen bey Zeiten wegreiten wenn ich fertig werde, wonicht so komme ich Sonntags.

Laß mich deine Liebe immer gleich finden, es will mit vielem andern nicht recht mehr fort. Lebe wohl grüse Fritzen und liebe mich wie ich dich herzlich liebe.

d. 5. May 86.

G.

1576

[Weimar, Freitag 12. Mai]

Ich dancke dir meine Gute für das überschickte. Es ist Wort für Wort was mir der gute Geist schon lange sehen lassen und ich habe grose Lust mit Hrn. Vicq d Azyr mich zu liiren.

Ich wollte nach Jena. Der Fürst von Dessau ist da. Ich wollte noch zu Mittage mit dir essen, und weis nicht wie es gehn wird ich sehe dich bald. Leb wohl.

d. 12. May 86.

G.

1577

[Jena, Freitag 19. Mai?]

Der Tag war unendlich schön besonders der Abend. Wie sehr wünschte ich dich bey mir, du hättest rechte Lust empfunden zu zeichnen, denn einige neue Gegenden habe ich gesehen die sehr reizend sind. Ich dencke an dich und freue mich deiner Liebe. In Kneb[els] Stübgen ist's gar angenehm, wüsste ich dich nicht drüben ich mögte wohl hier eine Weile bleiben. Adieu. Grüse Fritzen und die Schwester.

G.

1578

[Sonntag 21. Mai]

Wie danck ich dir meine Liebe für das Briefgen, ich bin hier still und wohl. Ich habe einige Geschäffte besorgt und den Wissenschafften obgelegen. Algebra ist angefangen worden, sie macht noch ein grimmig Gesicht, doch dencke ich es soll mir auch ein Geist aus diesen Chiffern sprechen, und wenn ich den nur einmal vernehme; so wollen wir uns schon durchhelfen. Einige botanische Kenntnisse sind auch zugewachsen und so gehts dann immer weiter.

Behalte mich nur recht lieb. Über Ernsten bring ich Starckens Meynung mit.

Die Engländer finden sich hier ganz wohl. Sie haben ein schönes Quartier bey Griesbach bezogen und scheinen eine gute Sorte Menschen.

Knebel grüßt und hofft auf eine Übung zur Italiänischen Sprache. Ich habe eine Stunde bey Valenti mit abgewartet er hat eine gute Methode.

Mein Mund ist besser, ich hoffe bald wieder menschlich auszusehn.

An Wilhelm hab ich geschrieben und bey ieder Seite hoffe ich auf die Freude sie dir vorzulesen. Einige Sorge habe ich doch für dieses Buch.

Lebe wohl Liebe mich, wie du mir im Herzen bist und bleibst.

Grüse Fritzen und Stein und Ernsten und die schwesterliche Liebe. Adieu.

Jena d. 21. May 86.

G.

1579

[Dienstag 22. Mai]

Ich muß noch einige Tage bleiben es ist mir so ruhig und still hier und ich mögte doch die 4 Spezies in der Algebra durchbringen. Es wird alles darauf ankommen, daß ich mir selbst einen Weeg suche über diese steile Mauren zu kommen. Vielleicht treff ich irgendwo eine Lücke durch die ich mich einschleiche. Übrigens hat Wiedeburg eine treffliche Methode.

Wir haben dich öffter zu uns gewünscht die Gegend ist gar annehmlich leider das Wetter nicht zum besten.

Von Personen, Charackteren, Geschichten hab ich dir allerley zu erzählen. Die Engländer bleiben hier es sind gute Leute, doch werden sie nicht das Glück machen wie iener Schweizer.

Ich habe an Wilhelm geschrieben und dencke nun bald auch dieses Buch soll glücken, wenn es nur nicht mit allen diesen Dingen so eine gar wunderliche Sache wäre, es lässt sich daran nicht viel sinnen und dichten, was freywillig kommt ist das beste.

Vielen Danck für dein Briefgen. Grüse auch meinen italiänischen Freund. Knebeln verdriests daß mehrere sind die auch nach diesem Lorbeer laufen.

Heute ist hier Jahrmarckt, leider gar schlecht Wetter, sonst wäre es doch lustig.

Lebe wohl Donnerstag oder Freytag seh ich dich. Behalte mich lieb grüse Ernsten, Steinen und die Schwester.

Jena d. 23. May 86.

G.


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