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Sechstes Kapitel

Exit amicus Dei

»Eine schwere, eine furchtbare Tat!«

Es ist die weiche Glockenstimme des großen Gottesfreundes, die sich vernehmen läßt.

Konrad wischt sich mit dem Ärmel die Schweißtropfen von der Stirn, seufzt und holt tief Atem, bevor er antworten kann: –

»Wohl weiß ich, daß geschrieben steht: wer das Schwert zieht, soll durch das Schwert umkommen. Das sagte unser Heiland zu dem getreuen Jünger, der zu seiner Verteidigung das Schwert zog. Wenn aber auch wegen dieser Tat Dämonen Macht gegeben würde, mich in einen Abgrund zu werfen, der zehnmal so tief wie dieser wäre, so werde ich die Tat dennoch nicht bereuen.«

»Ach Konrad!« ruft Renata, die zur Seite Gertruds kniet, ihren Kopf auf einem Kissen zur Ruhe bettet und ihre Stirn mit Wasser aus einem irdenen Krug besprengt, den ihr der Gottesfreund reicht, »ach, Konrad! die wird auch keinem von uns Rettung bringen.«

»Mit Verlaub, darin irrt Ihr Euch, Herrin. Denn er hat ausdrücklich gesagt, er wäre der Einzige, der wisse, wer der Meister sei und daß er sogar Zeugenaussage dafür habe – womit er wohl mein armes Fräulein gemeint haben mag, die sich durch seine glatte, gleißnerische Zunge hat betören lassen und doch gewiß nur das Beste meinte. Ja, nicht ein Einziger von denen, die jetzt kommen, sagte er, habe eine Ahnung, daß der große Gottesfreund hier auf der Burg sei.«

»Der Hausmeier hat recht!« ruft Ottmar. »Gott lohn' es dem Manne Konrad, er hat für uns alle gedacht und gehandelt. Denn wenn es uns auch gelänge, den Meister aus der Burg fortzubringen, so wäre das verlorene Mühe, wenn der Verräter, der jetzt seine Strafe erhielt, wohlbehalten hier unter uns bliebe und die Bluthunde auf seine Fährte hetzen könnte, welchen Vorsprung würde er dann haben, welche Aussicht, ihnen zu entkommen? Jetzt aber, sintemal niemand die Anwesenheit eines solchen Mannes ahnt, außer deinen Leuten, auf deren Schweigen wir uns wohl verlassen können – ?«

»Das könnt Ihr, Hochwürden,« bestätigt der Hausmeier.

Renata blickt von ihrer Beschäftigung mit dem bewußtlosen Mädchen auf und nickt: –

»Sie sind alle treu.«

»Nun denn, dann sehe ich jetzt, mit der Hilfe der Vorsehung, nichts, was verhindern könnte, daß ein reisender Kaufmann aus Basel mit Geleitsbrief und Empfehlung von mir und mit meinem Siegelring als besonderen Ausweis, daß er sogar in meinem Auftrag von dannen zieht, frei und unbelästigt durch die Reihen der seltsamen Kreuzfahrer gehen könnte, um unverfolgt dorthin zu wandern, wohin ich ihn schicke. Noch bin ich der Bischof von Regensburg, und meine Autorität ist unangefochten. Dazu, denk ich, ist mein Krummstab noch immer tauglich, ein Wanderstab für diesen Apostel zu sein. Jedenfalls ist das der beste Weg. Denn sie werden hier alles durchstöbern, und ein Mann, den sie hier als Gast der Ketzerin verborgen fänden, würde ihnen höchst verdächtig vorkommen.«

Der Gottesfreund ist eifrig damit beschäftigt gewesen, Renata in ihren Versuchen, Gertrud zum Bewußtsein zu bringen, beizustehen.

Er hat das Schlüsselbund der Hausfrau bekommen, den Eichenschrank geöffnet und daraus eine Flasche mit Essig und etliche Leinenstücke hervorgesucht. Eine feuchte Binde ist auf die Stirn der Ohnmächtigen gelegt, und ein mit Essig getränkter linnener Streifen über ihre halbgeöffneten Lippen gebreitet worden.

Von dieser Samariterarbeit erhebt er sich jetzt und legt seine Hand auf die Schulter Ottmars: –

»Das habt Ihr alles gut und richtig erwogen. Allein Ihr habt Eure Rechnung ohne den rechten Kaufmann gemacht. Glaubt Ihr, ich sei der Mann, der seine Freunde in einer solchen Stunde der Not verläßt?«

Überrascht – und höchst peinlich überrascht – blickt Ottmar ihn sprachlos an. Er muß es sich gestehen, daß er, ungewohnt, wie er ist, seine Verfügungen durch fremden Widerspruch gestört zu sehen, diese an sich so natürliche Weigerung nicht in Betracht gezogen hat und augenblicklich nicht recht weiß, wie er ihr begegnen soll.

Konrad aber räuspert sich und mit einer seltsamen Mischung von Verlegenheit und Entschlossenheit tritt er an den Tisch, wo Ottmar in einen Sessel niedergesunken war, als das jähe Ende seines verräterischen Famulus ihn fast wie ein Schlag traf.

»Mit Verlaub, Herr, es geziemt freilich einem geringen Manne wenig, einem heiligen Meister zu widersprechen. Es steht jedoch geschrieben, daß Gott manchmal aus dem Munde des Unmündigen spricht. Darum sage ich getrost: – Ihr gehört nicht Euch und nicht uns, sondern Gott und den Freunden Gottes. Das sind eben die › Freunde‹, die Ihr in einer solchen Stunde der Not nicht verlassen wollt.«

Die unbewußte Würde des einfachen Mannes ist so eigenartig, daß sie alle überrascht und auf den Gottesfreund sichtlich einen starken Eindruck macht, zumal als die Schlußwendung ihn gewissermaßen im höchsten Sinne beim Worte faßt.

Er will eine abwehrende Bewegung machen; aber bevor er noch ein Wort der Erwiderung finden kann, hat Renata, noch immer kniend, sich von der Ohnmächtigen weggewendet und seine Hand ergriffen: –

»Lieber Herr und Meister! Niemand kann das eindringlicher sagen als es dieser Getreue getan hat. Aber laßt auch Eine, die am besten weiß, was Ihr für eine auf den Tod erkrankte Seele sein könnt, Euch an die Vielen gemahnen, die sich Euch zu Grunde gelassen und jetzt ringsum auf Eure Hilfe warten. Ihr wollt sie nicht vergebens warten lassen, wenn die Vorsehung Euch einen Weg zu ihnen eröffnet.«

»Und das tut sie durch mich«, fügt Ottmar hinzu. »Euer Widerstreben dagegen, fortzugehen und uns unserem Schicksale zu überlassen – selber das Leben – dies kostbare Gut! – zu retten, während wir im Todesschatten zurückbleiben: dies Widerstreben versteh' ich wohl. Sieht es doch aus, als ob Ihr uns verließet, während in der Tat wir es sind, die Euch verlassen müssen, um das leichtere, das bessere Teil zu wählen, das uns gnädig geboten wird. Ihr wißt das sehr wohl. Auch seid Ihr über Vorurteile erhaben. Und doch sind solche Vorstellungen unserem Fleische so tief eingepflanzt, daß Ihr es wider bessere Einsicht fühlt, als ob Ihr eine Handlung der Feigheit begehen würdet, wenn Ihr Eure Person in Sicherheit brächtet. Allein es handelt sich hier nicht um eine Wahl, sondern um eine Pflicht, um Gehorsam, den Ihr nicht verweigern dürft. Und gerade deshalb eröffnet die Vorsehung Euch diesen Weg durch mich, der ich Macht und Befugnis zum Befehlen habe. Denn Ihr habt mir ausdrücklich versichert, daß Ihr Gottesfreunde die Gewalt der Kirche und ihrer Würdenträger anerkennt, sofern sie nichts gegen das Wort Gottes und gegen das Gewissen befehlen.«

Der große Gottesfreund neigt bestätigend das Haupt.

»Nun wohl! Ihr seid hier in meiner Diözese, und als die oberste geistliche Behörde hier befehle ich Euch kraft meines Amtes und im Namen der Kirche, die in dieser Zeit ihrer Erniedrigung Euch, Meister, und Eure Bauhütten zu ihrem Aufbau doppelt nötig hat, Euch unzögerlich von hier fortzubegeben auf die Mission, die Ihr selber am besten kennt, und mit den Briefschaften versehen, die ich Euch dazu sofort ausstellen werde. Denn die Zeit ist uns knapp bemessen, und wir wollen sie nicht mit Worten verlieren.«

So wenig ist Ottmar willens, dies zu tun, daß er noch während er spricht ein paar Pergamentstücke vor sich zurecht legt, sich eine Feder aussucht und eintaucht und zu schreiben anfängt. Alles ist bei der Hand – auch Siegelwachs –, denn Vincentius hat es nicht versäumt, am vorhergehenden Abend seine Siebensachen auf dem Tische schönstens zu ordnen.

Wiederum neigt der Gottesfreund sein Haupt als Zeichen des Gehorsams.

Sein Blick ruht in dem Renatas, die noch immer, zu seinen Füßen knieend, seine Hand hält. In diesem Blicke liegt die ganze bittre Wehmut des Abschiednehmens von einer geliebten Tochter, aber auch der Trost, sie noch beim Scheiden ob ihres Loses beneiden zu dürfen. Denn es ist ja wahr, daß diese Beiden das leichtere und bessere Teil erwählen. Als ein Gnadengeschenk wird es ihnen geboten, und es ist ihr gutes Recht, es anzunehmen. Scheiterhaufen werden – Gott sei es geklagt – bald genug aufflammen. Diese dürfen in einer sanfteren Glut verlöschen. Er dankt Gott, daß er, indem er selber einem dunkeln und drohenden Schicksal entgegengeht, seine Tochter geborgen weiß; daß ihr der Gefängnisschmutz und die rohen Henkershände erspart bleiben. Diese Beiden ruft die Doppel- Euthanasie mild von dannen. Zum Abschiede drückt ihnen das Leben noch eine Gabe in die Hand als Entschädigung für alles das, was es ihnen versagte: das sarazenische Fläschchen, das Vermächtnis des heidnischen Mädchens als Gegenstück zum Fluche des Kreuzritters.

Ottmar spricht wieder, während die Feder über das Pergament gleitet, bedachtsam, zurückhallend gar; denn die Schrift muß leicht zu lesen und von stattlicher Form sein: –

»Der beste Weg, der Euch am schnellsten aus dem Haufen führt und auf dem Ihr Euch am frühesten beritten machen könnt, ist der nach dem Kloster St. Jakob. Kennt Ihr den? Ich meine den Fußpfad, der wenige Minuten von dem Burgtor vom Langensteiner Weg rechts abbiegt und über die Waldblöße um die Höhe des Berges führt.«

»Ich kenne ihn sehr wohl von meinen früheren Aufenthalten her.«

»Vortrefflich ... Ach, Hausmeier! ein Licht zum Versiegeln!«

Konrad geht in das Gemach, wo er schon im Alkoven eine Kerze auf dem kleinen Tische neben dem Bette findet. Es ist keine ganz leichte Sache, mit dem Feuersteine Licht zu schlagen. Seine Hand zittert heftig. Sein Leben lang ist er ein Mann des Friedens gewesen und nicht an Gewalttaten gewöhnt. Mit Schaudern erinnert er sich jenes Abends – es ist noch keine Woche her! – als der Famulus kam. wie er selber da drinnen am Türpfosten stand und sah, daß der Schwarze seine Herrin anschielte und sich wie vor einer Hexe unter dem Tische heimlich bekreuzte ... und wie gleichzeitig aus der Nacht draußen das Gebraus der Stromschnellen so ungewöhnlich laut hereindrang und die Lust, den ungebetenen Gast zum offenen Fenster hinauszuwerfen, in ihn fuhr ...

Und jetzo hat er's getan!

Er muß einen Augenblick das Feuerzeug hinlegen und wieder den Schweiß von der Stirn wischen. Die Tropfen hängen in den Brauen und blenden ihn.

Nicht daß er die Tat bereut! Es ist, wie er gesagt: nicht, wenn er sie auch durch eine Höllenstrafe büßen sollte. Ein seltsames Wort, das er einst vom Meister gehört, kommt ihm in den Sinn: ›Der Mensch kann in der Hölle genau so geborgen sein wie im Himmelreiche!‹ Ja, so würde es mit ihm stehen, wenn er wegen dieses Mordes in die Hölle käme. Nein, bereuen tut er es nicht.

Aber was wird jetzt geschehen? Wird es dem Meister gelingen, frei von dannen zu gehen? Es muß gelingen! Nicht umsonst hat Konrad seine Hände mit Blut befleckt. Auch hält ja der Bischof seinen Krummstab schützend über den Meister. Aber was wird aus Ottmar selber werden? und aus der Herrin? und aus Fräulein Gertrud, der Ärmsten, die er schon als Kind auf dem Arm getragen? Aus ihm selber? daran denkt er nur wenig. Die Burg zu halten, ist unmöglich. Wenn die Männer Belials hereindringen, werden sie mit ihm kurzen Prozeß machen, falls sie es herauskriegen, daß er es war, der eigenmächtig den Famulus in die andere Welt schickte. Mögen sie's tun!

Konrad hat die Kerze angebrannt und trägt sie hinein.

Der Bischof schreibt. Gertrud liegt noch auf der Diele ausgestreckt, den Kopf auf dem Kissen. Der Meister spricht gedämpft mit Renata, die vor dem offenen Schrank an einem Tischlein steht, worauf sie den Ebenholzschrein gestellt hat, dessen Deckel zurückgeschlagen ist. Sie füllt gerade jetzt eine ganz kleine Flasche mit Wasser aus dem irdenen Krug und der Gottesfreund reicht ihr ein längliches, goldig glitzerndes Kristallfläschchen, das er inzwischen für sie gehalten und geöffnet hat.

Konrad, sieht das zierliche, fremdartige Gefäß zum ersten Mal, aber erkennt es sofort nach dem Hörensagen: das Sarazener Elixir des Kreuzfahrers Valentin von Langenstein.

Sorgfältig träufelt Renata fünf Tropfen des braunen Inhaltes in die kleine Flasche, deren Wasser sich gleich dem Rauchtopas färbt. Dann gibt sie dem Gottesfreund das Elixrir zurück, pfropft die Flasche zu und reicht sie dem überraschten Konrad.

»Du mußt jetzt das arme bewußtlose Kind zu der guten Ursula hinuntertragen. Grüße Ursula, wir werden uns nicht mehr wiedersehen. Sie soll Gertrud dieses zu trinken geben, sobald sie zu sich kommt. Es wird ihr einen tiefen Schlaf bringen, dessen sie sehr bedarf, und der auch sonst notwendig ist. Denn es geht nicht an, daß sie in ihrem verworrenen Zustande nach dem Meister fragt oder vom großen Gottesfreunde spricht, ob er in Sicherheit sei oder ähnliches, wenn fremde und mehr als ungeladene Gäste ihre Fieberrede vernehmen können.«

Ottmar blickt von seiner Arbeit auf: –

»Das ist in der Tat wohl bedacht.«

Er unterschreibt den letzten Brief mit seinem kraftvollen Schwung, zieht den Rubinring vom Finger und fängt an, die Pergamente mit seinem Siegel zu versehen.

»Unsere Balken und Riegel werden dem Haufen länger Widerstand leisten, als sie erwarten,« sagt Renata zum Hausmeier. »Jedenfalls aber mache ich dich dafür verantwortlich, Konrad, daß kein anderer Widerstand stattfindet. Davon hängt die Sicherheit Aller ab. Kommen sie friedlich in die Burg herein, diese verirrten Bauern und Bürger, dann dürfen wir erwarten, daß kein Blut weiter vergeudet wird. Ich denke, sie werden sich mit dem Opfer begnügen, das sie hier vorfinden. Du selber wirst gut tun, dich so wenig wie möglich sehen zu lassen.«

»Und vergiß nicht,« fügt Ottmar hinzu, indem er seinen Siegelring in das weiche, duftende Wachs drückt: – »alle hier in der Burg müssen wissen, daß es der Bischof selber war, der, empört über das verräterische Zeichen am Fenster, seinen Famulus in den Abgrund stürzte.«

Renata nickt: –

»Diesmal kann ich sagen: ›Das ist wohl bedacht.‹ Niemand kann ja von unten den Täter erkannt haben.«

Ottmar hat beide Briefe geschlossen und ist gerade daran, die Aufschrift zu vollenden, als ein Ortsname, der in gedämpftem Gespräch zwischen dem Gottesfreund und dem Hausmeier gewechselt wird, seine Aufmerksamkeit fesselt.

»In Merswins Fluchthaus,« sagt der erstere, »könnt Ihr immer meinen Aufenthalt erfahren, wenn ich genötigt wäre, mich längere Zeit verborgen zu halten. »Ich glaube, Ihr könnt nach dem grünen Wörth im Illflusse Euren Weg finden.«

»Des grünen Wörths werde ich gewißlich mein Lebtag nicht vergessen, mag auch mein Ende nah oder fern sein.«

Bei diesen Worten Konrads begegnet sich sein Blick mit dem Ottmars.

Der Bischof erhebt sich.

»Jetzt weiß ich, Hausmeier, wo ich Euch vorher gesehen habe. Ihr wart mit Eurem Herrn Hugo von Laufen, als ich mit ihm auf dem grünen Wörth den Zweikampf hatte, und er, sehr gegen meinen Wunsch, die unselige Wunde erhielt. Deshalb habt Ihr mich immer so feindselig angeblickt.«

»Deshalb und wegen des Preises, den Ihr auf das Haupt des Meisters gesetzt.«

»Den hat mir der Meister verziehen. Wollt Ihr mir jenen Streit mit Eurem Herrn auch verzeihen? oder wollt Ihr im Zorn von mir scheiden?«

»Von Euch, der Ihr den großen Gottesfreund rettet?« ruft Konrad und drückt die ihm dargebotene Hand wie in einer Eisenschraube.

»Ja, das hoffe ich sicher zu tun ... Hier sind die beiden fertigen Schreiben, Meister. Dies ist ein offener Geleitsbrief, bestimmt, jedem vorgezeigt zu werden, der Euch ausfragt oder sich anschickt, Euch Hindernisse in den Weg zu legen. Er tut kund, daß der Inhaber dieses Briefes und Träger meines Rubinringes, der Kaufmann Johann Rinck aus Basel, von mir in einer wichtigen Mission ausgeschickt ist, die Sache des großen Gottesfreundes betreffend –«

Ein nachdrückliches Verweilen bei diesen Worten und ein Aufleuchten des Auges bezeugt, daß Bischof Ottmar trotz dem Ernste der Lage nicht umhin kann, den Doppelsinn des Ausdruckes mit seiner verborgenen Selbstironie weidlich zu genießen.

» – die Sache des großen Gottesfreundes betreffend, von dem es männiglich bekannt ist, daß ich einen Preis auf seine Gefangennahme ausgesetzt habe, weshalb ein jeder, der sich des Vergehens schuldig macht, besagten Kaufmann unterwegs aufzuhalten, der Kirchenbuße oder in schwereren Fällen dem kleinen Bann anheimfällt ... Dieser Brief aber ist an den Prior in Sankt Jakob, einen braven, mir sehr ergebenen Mann, gerichtet; es wird ihm darin mit derselben Begründung ans Herz gelegt, auf jede Weise Eure Reise zu fördern, die in diesen unruhigen Zeiten mit Verzögerungen bedroht sein könnte, insbesondere aber Euch mit einem guten Reittier zu versehen und Euch einen zuverlässigen Mönch als Wegweiser mitzugeben.«

Ottmar überreicht die beiden Briefschaften dem Gottesfreunde, der sie in seiner am Gürtel hängenden Ledertasche verwahrt.

Dann ergreift er seinen Rubinring, der auf dem Tisch neben dem Siegelwachse liegt.

»Und nun laßt Euch diesen Ring an den Finger stecken. Ihr werdet ihn zuerst als Ausweis tragen, später aber zur Erinnerung an diese Stunde und an einen dankbaren Freund, der nicht mehr ist. Er paßt sehr gut zu dieser Hand, scheint mir; denn er wurde mir von einem welschen Kardinal geschenkt, an den ich denken mußte, als ich auf dem Kalvarienberg in Euren Armen erwachte. Bei ihm sah ich nämlich ein Bild des barmherzigen Samariters, das er unter allen seinen Besitztümern am höchsten schätzte; und der Samariter war Euch ähnlich. Aber auch dieser Ring war ihm sehr wert. Der Rubin stammt aus der Levante und hat den Ruf, ein starker Talisman zu sein. Möge er seine Kraft bewahren und Euch beschützen!«

»Wenn Gott Gebrauch für mich als Arbeiter in seinem Weinberge hat, dann wird der Ring wohl seine Tugend üben,« antwortet der große Gottesfreund und legt seine Hand auf die Schulter des Bischofs.

»Das denk ich auch. Und so geht denn Euren guten Weg, mein teurer Meister, ausgerüstet zu solcher Wanderung von der Kirche selber, so gut wie sie es in diesen Zeiten vermag.«

Das krause Lächeln, womit seine Lippen diese Abschiedsworte äußern, wird noch krauser, als sie hinzufügen: –

»Von jeher war ich ein Mann der Gegensätze, ein Geist, der seine Freude an der aufstachelnden Kraft des Paradoxons und an der Spannung des Selbstwiderspruches hatte. Daß ich nun dem Manne, auf dessen Kopf ich einen Preis setzte, das Leben rette und selber den Tod als mein Los und meinen Lohn erküre: – dies sei mein letzter Widerspruch, den Gott einheitlich in Wohlgefallen auflösen wolle!«


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