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Ihr lieben Brüder und Schwestern, die Ihr Gottes Freunde seid: – so sehen wir uns denn in schwerer Stunde von Angesicht zu Angesicht wieder. Ich weiß, daß Ihr um mich Sorge getragen habt, weil ein mächtiger Kirchenfürst einen Preis auf meine Gefangennahme ausgesetzt hat. Aber dies ist nur ein Zeichen der Zeit, und ich war nicht weniger besorgt um Euch, und sagte früh und spät zu mir: du mußt ihren Geist aufrichten und sie waffnen gegen das Böse, was gewißlich im Anzug ist. Und so wollen wir uns denn begrüßen im Namen des Herrn, der da gesagt hat: ›In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden‹.
Nun steht die Sache aber so, daß je mehr wir die Welt zum Feinde haben, um so mehr sind wir Gottes Freunde. Es kann also gar nicht anders sein, als daß wir, weit entfernt uns zu fürchten und verzagt zu sein, uns sogar freuen müssen, wenn die Welt – wie gerade jetzt – sich anschickt, uns mörderische Feindschaft zu zeigen. Ja wohl, freuen sollen und müssen wir uns, und tun es auch im Geiste immerdar, wenn es auch zeitweilig dem Fleische schwer fällt. Und warum fällt es dem Fleische so schwer? Weil ›das Fleisch wider den Geist begehrt‹ und ›Gott ist Geist‹. Das Fleisch steht also auf der Seite des Feindes, der Welt, die uns verfolgt. Und es ist nun einmal nicht anders: je ferner der Welt, um so näher Gott; und dies nicht, als ob es zwei getrennte Sachen wären; sondern wie man sagt: das Schiff hält vom Land ab und steuert der hohen See zu, so sind das nicht zwei Bewegungen, sondern eine und dieselbe, ungeteilte.
Eine finstere Zeit erleben wir, und doch sagen wir lieber: eine Dämmerungszeit! Denn das ist ja das Merkmal der Dämmerung, daß, wie der Evangelist schreibt, ›das Licht scheint in die Finsternis‹. Täte es das nicht jetzt, wie könnte ich hier stehen und zu euch reden? Dämmerung – ob es aber gegen Morgen oder zur Nacht dämmert, das ist die Frage. Ist es ein neuer Gottestag, der sich empor- und durcharbeiten will und wird, oder soll es den Mächten der Finsternis gelingen, diese Lichtfunken auszustampfen und die Zeit zurückzuschleudern in das dämonische Dunkel geistesfeindlichen Heidentums, das nur um so verderblicher ist, weil seine tiefe Nacht sich mit der Sternenpracht der christlichen Kirche schmückt, den Bethlehemsstern in der Mitte? Denn es wäre die Nacht, in der ›niemand schaffen kann‹, wie unser Herr Jesus sagt; denn Schaffen ist Geisteswerk; jene Mächte aber sind die des Fleisches.
Da kann ich denn sagen, daß ich doch meine, den frischen Zug des Morgenwindes zu spüren, gerade so wie ich ihn spürte, als ich jetzt in der Dämmerung mich dieser trauten Heimstätte näherte. Ja, da war sogar ein kleines Vöglein im Gebüsche, das begann noch halb im Schlaf einige Töne seines süßen Liedes anzustimmen, als ob es sänge: es will Tag werden! Mag sein, daß mich dies darum so besonders ergriff, weil ich soeben in ein Gemüt hineingeblickt hatte, in dem Licht und Finsternis mit einander rangen, wo es mich aber auch bedünken wollte, als ob eine leise Stimme zu hören sei: es will Tag werden.«
Die Zuhörer blicken einander verwundert an: von wessen Gemüte spricht der Meister da? war er doch dort gerade mit Bischof Ottmar zusammen. Sollte er ihn meinen? Ist es möglich, daß der Himmel in solches Bekehrungswerk vorhabe? Welch ungeheurer Gewinn wäre das für die gute Sache!
Aber eine gibt es, die nicht also fragt: – Renata faltet die Hände und dankt Gott von Herzen.
»Ein Dämmerwesen! Und sind wir das nicht alle? Und ist nicht die ganze Welt ein solches, aus Licht und Finsternis gewoben? Ein Mischkrug, aus dem wir den Trank des Lebens mit den großen Gegensätzen trinken, Honig und Galle. ›Ich sehe die Galle mitten im Honige schweben‹, also sang vor langer Zeit ein edler Sangesmeister und frommer Ritter, Herr Walther von der Vogelweide, als er sein Leben überblickte, seine dahingegangenen Jahre, und sich innig danach sehnte zum heiligen Grabe zu fahren und an dem Kreuzzuge teilzunehmen, zu welchem damals auch der Herr dieser Burg sich rüstete.
›Ich sehe die Galle mitten im Honige schweben.‹
Da sind nun Viele schnell fertig mit ihrem Urteil. Der Honig, das Labende, das ist das Göttliche; die Galle, das Gift, das ist das Teuflische. Aber so einfach, Ihr Freunde, liegen denn doch die Sachen nicht. Gott ist ein Geist und geht in die Dinglichkeit nicht ein, sondern waltet frei. Deshalb kann es auch anders, ja umgekehrt sein.
Ein Beispiel. Als unser Herr und Heiland am Kreuze hing, seufzte er mitten in der argen Pein, die er unsertwegen ausstand: ›mich dürstet‹. Und einer von denen, die da unten standen, lief hin und tauchte einen Schwamm in Essig und hob ihn mittels einer Stange zu den Lippen des Verschmachtenden empor. Dieser Essig sollte Jesum erfrischen, war also eine Labung. Aber warum tat der Mann das? Aus Mitleid und Liebe? O nein, damit der Gekreuzigte so gestärkt würde, daß er die Qual noch länger zu ertragen hätte. Da war also nicht Gott sondern der Teufel im Labetrank; und deshalb wandte auch Jesus, der die Herzen durchschaut, den Kopf ab und wollte von dieser Labung nichts wissen.
Ein zweites Beispiel, ein umgekehrtes. Ihr kennt alle das Gleichnis vom barmherzigen Samariter. Nun wollen wir aber diese Erzählung etwas anders lesen. Nach dem Priester und dem Leviten kam also der Samariter gegangen. Der war ein kundiger Arzt und als er die Wunden des armen Überfallenen untersucht und verbunden hatte, wußte er wohl, daß sie tödlich seien; langsam aber unaufhaltsam, unter großen Leiden sieche das Leben dahin, und keine Kunst und Wissenschaft könne da helfen. Der Verwundete aber mochte dies in seinen betrübten Mienen lesen und fragte ihn aufs Gewissen, und der Arzt konnte die Wahrheit nicht verbergen. Nun fragte ihn der auf den Tod Kranke, ob er, ein so erfahrener Arzt, in seiner Arzeneitasche nicht einen Trank habe, der ihm schnell den Tod bringen und ihm die langen nutzlosen Qualen ersparen könne; und er bat und flehte, ihm davon zu geben. Da sagte der Samariter zu sich selber: ›wenn ich ihm davon gäbe und die Wache käme herbei und ergriffe mich, dann würde ich als sein Mörder gelten und dafür selber den Tod erleiden, denn ich bin hier fremd und unbekannt und ohne Fürsprecher‹. Und der Leidende beschwor ihn noch dringlicher, denn seine Schmerzen wurden unerträglich. Und der Samariter sagte zu sich selber: ›Wenn ich auch jener Gefahr entgehe, werden dann nicht später Gewissenszweifel aufsteigen und mich plagen, weil ich getötet habe?‹ Aber der Kranke jammerte und dauerte den Samariter, und beschämt sagte er zu sich selber: ›Es schweige die Satansstimme in meiner Brust! soll ich mehr an meine Seelenruhe denken als an das Leiden dieses armen Mannes?‹ und gab ihm ein Becherlein zu trinken von dem Tranke, der nur tropfenweise verabreicht wurde; und die Schmerzen schwanden und der Mann segnete ihn ... und verschied in seinen Armen. Hier, meine Freunde, war Gott im Gifte.«
Gertrud wagt es kaum, Renata anzublicken, die sehr blaß, aber mit unbeweglichen Zügen dasitzt. Konrad tut es verstohlen. ›Sollte in den bösen Worten Stephans etwas mehr als loses Gerede sein?‹ denkt er, ›dann ist es so: der Meister sagt es uns, um im voraus jeden zu feien, für den Fall, daß ihm solche Anschuldigungen gegen die Herrin zu Ohren kommen sollten.‹
»Wenn Ihr nun in dieser Zeit der Bedrängnis berufen werden solltet, mit der Waffe in der Hand Eure Herrin zu verteidigen, und jemand da sagte: ›es sei fern von mir zum Schwerte zu greifen, denn mit dem Schwerte schlagen und töten, das ist des Teufels Werk!‹ so würde derjenige mehr nach seiner eigenen Seelenruhe fragen als nach der Gefahr seiner Herrschaft. Einem solchen übel Beratenen werde ich besser raten. Und so sage ich euch denn: wer den Feind erschlägt, nicht aus Haß zu ihm, sondern aus Liebe zu denen, die von ihm bedroht werden, der begeht nicht des Teufels Werk, sondern Gottes. Da ist Gott in der Schwertschneide, wie wir ihn vorher im Gifte fanden. Denn Gesinnung ist alles, was heißt das: alles? Gott und Teufel, das nenn' ich alles. Gott und Teufel, Liebe und Haß.
Das hat ein alter heidnischer Meister tief empfunden und gar fein ausgedrückt, wenn er lehrt: es gäbe überall nichts als Liebe und Haß, und die ganze Welt sei nur das Schauspiel ihres Kampfes. Wenn aber die Liebe den Haß gänzlich verdrängt und allein herrscht, so sei dies das Ende der Welt, oder wie wir auch sagen, das Reich Gottes ist da mit seinem Frieden, der über allem Verstand ist.
Gesinnung ist alles. Macht der liebenden Gesinnung aber ist Allmacht, deshalb kann sie den Haß ganz vertreiben und die Welt aufheben. Eben deshalb nennen wir Gott »allmächtig«. Nicht etwa wie die Schulkinder, weil er Himmel und Erde geschaffen habe. Als ob die Welt ein Holzkasten wäre, den er zusammengezimmert hätte und uns, gleich Spänen, hineingeschüttet! So sprachen auch einige alte Meister von der Materie als vom Bauholze dieser Welt und vom Schöpfer als dem Zimmerer oder Baumeister. Da sie aber keine Kinder waren, wußten sie sehr wohl, daß dieser Schöpfer nicht Gott war, sondern ein niedriger herabgesunkener Engel, der sich in seinem Dünkel für den höchsten Gott hielt und sich als solcher anbeten ließ. Dieser, meinten sie, sei der Weltzimmermann, und sein Werk sei danach. Da hat es nun auch Leute gegeben, die an unserer heiligen Schrift deutelten und sagten, daß der Herr Jesus der Sohn eines Zimmermannes war – das hat eben diesen Sinn: er sei der Sohn des Weltschöpfers. Nein, antworten wir, es hat keinen anderen Sinn als den, daß es seiner Demut angemessen war als Sohn eines einfachen Handwerkers auf die Welt zu kommen, und hatte sein Vater ebensowohl ein Schuster sein können. Nein, nicht dadurch zeigt Gott seine Allmacht, daß er diese schlechte Welt gebaut hatte, sondern vielmehr dadurch, daß seine Liebe die Kraft in uns erweckt, diesen in stetigem Verfall begriffenen Bau zu verlassen, um in seiner lichten Gotteswelt zu leben, wo er uns eine ewige Wohnstätte bereitet hat. Da zeigt er sich denn freilich als höchsten Baumeister, den alle unsere frommen Bauhütten überall im deutschen Lande zum Herrn und Werkführer haben, damit sie, wo die Kirche, die der Weltlichkeit verfallen ist, versagt, unter euch erbaulich wirken können.
So suchen wir denn Gott in der Liebe und sagen, er könne eben so gut im Gift wie im Labetrunk sein, denn er ist in der Liebe, die sie darreicht, wer ihn aber anderswo sucht als in der Liebe, der läuft einem Götzenbilde nach, und wenn es die Monstranz selbst wäre. Wie ja die Leute, wenn ein Priester das Allerheiligste zu einem Sterbenden bringt, zu sagen pflegen: er trägt den lieben Gott. Wie! das Pfäfflein trüge Gott? Ein flaches Laibchen, aus Weizen und Wasser gebacken, das ist's, was er trägt und weiter nichts. Erst der Glaube, das ist die Liebe zu Gott, macht solchen Laib zum Leib Gottes und zur geistigen Glaubensspeise. Denn die Liebe nährt sich von Liebe, wie der Leib vom Laib. Sollte aber jemand auch sagen: wer solches lehrt, der ist von der Kirche abgefallen, dem sollt ihr antworten: nicht wir sind von der Kirche abgefallen, sondern die Kirche ist von den Freunden Gottes abgefallen, die immer da waren – wie ja der Herr selber sagt: ›ich nenne euch Freunde und nicht Knechte‹ und gleicherweise der Apostel Jakob von Abraham ›er war ein Freund Gottes‹ schreibt – und ist in die Knechtschaft des Heidentums mit seinen Opferbräuchen und Zaubermitteln zurückgesunken.
Sagen wir nun: ›Gott ist in der Liebe‹, so sprechen wir richtig und gut. Aber noch richtiger und besser sagt es der Jünger, von dem es heißt, daß ihm der Herr in besonderer Liebe zugetan war, wenn er schreibt: ›Gott ist die Liebe.‹ Und das sollt ihr ganz schlicht und im eigentlichsten Sinne verstehen. Nicht als ob er ein von euch verschiedenes Wesen wäre, das diese Eigenschaft besäße. Etwa wie ich ein von euch verschiedenes Wesen bin, das euch gegenübersteht und die Eigenschaft hat, euch zu Herzen reden zu können. Fragt ihr mich freilich aus über das Wesen der überwesenden Übergottheit, dann schweige ich, und dies Schweigen sei euch eine beredte Antwort. Denn ihr Name ist »Namenlos« und ihr Wort – ihr ewiges Wort – ist Schweigen. Aber fragt ihr mich nach dem Wesen und Namen des wirkenden Gottes, so nenne ich ihn mit dem Apostel der Liebe eben »Liebe«, und kenne keinen anderen Namen, und brauche auch einen solchen nicht zu kennen. Deshalb auch, ihr lieben Freunde, wenn ihr in euch die Liebe erglühen fühlt, dann braucht Ihr keinen Beweis für das Dasein Gottes, weder den von Anselm von Canterbury noch von einem anderen Doktor der Gottesgelahrtheit, und werdet euch so wenig darum kümmern wie einer der auf seinen gesunden Beinen läuft, sich nach einem Stelzbein umsieht. Gott ist die Liebe, sei es nun Liebe zum Freund oder zu Frau und Rind, oder zu Kaiser und Reich – wofern es nur lautere Liebe ist, die nicht sich selber sucht, solche Liebe ist Gott. Auch wenn du zu deinem treuen Hunde Liebe hegst – ja noch mehr: die Liebe, die der Hund dir mit rührendem Blicke entgegenbringt, die ist Gott, und ist hoch über alles Erkennen der Gottesgelahrten erhaben.
Darüber hat uns ein heidnischer Meister, mit Namen Homerus, ein überaus tiefes und schönes Gleichnis gegeben. Er erzählt uns nämlich, wie der König Ulisses vom Kriegszuge gegen die Stadt Troja nach langen Irrfahrten die Heimat erreichte. Er war von Wind und Wetter mitgenommen und in Bettlerlumpen elend gekleidet, so daß ihn niemand, auch seine Frau nicht, erkannte. Da war aber sein Hund Argus, den hatte Ulisses einst selber gezogen und zu allen Künsten abgerichtet. Nun war der Hund alt, und von Allen vernachlässigt lag er auf einem Abfallhaufen elend da; und als der König wie ein Bettler anzusehen vorbeiging – und wir wissen alle, daß ein Hund fremden Bettlern wenig hold ist – da winselte der Hund Argus und kroch heran und erhob den Kopf, um seine Hand zu belecken. Nun bedenkt, wie viel klüger die Dienerschaft und die Frau waren, als das arme unvernünftige Vieh, bei diesem jedoch war die treue Liebe größer, und deshalb erkannte es seinen Herrn, den die Anderen nicht erkannten, woraus zu erlernen ist, daß die Liebe das Erste und recht eigentlich Göttliche, das Erkennen aber, auch das höchste Gottes-Erkennen, nur das Zweite und Kreatürliche ist.
Ist nun Gott die Liebe und ist Liebe unser eigener Wesensgrund, so sind wir, sobald wir dies recht erkennen, unserem tiefsten Wesen nach eins mit Gott, wie denn auch die heilige Katrei, nach erlangter Erleuchtung, Meister Eckehart mit dem freudigen Ausruf begrüßte: »Freut Euch, Meister, ich bin Gott geworden!« Daß aber Liebe wirklich unser Wesensgrund ist, das zeigt sich darin, daß wir in Liebe erzeugt sind, wären wir nun aus lauter Liebe erzeugt, die nicht sich selber noch ihre Befriedigung und Lust sucht – so wie unser Herr Jesus Christus, der von einer Jungfrau geboren ward und »im Gleichnis eines Menschen befunden wurde« – dann wären wir nicht fleischliche Wesen in den Banden des Fleisches, sondern reine Geister, wie Gott selber, die Liebe, ein Geist ist; wir wären lauter Leben, statt Leben und Tod, lauter Liebe, statt Liebe und Haß, lauter Gott statt Gott und Teufel zugleich. So aber ist zwar unser Wesensgrund Gott selber. Da herum hat sich jedoch der Schlangenknäuel des alten Satan geschlungen, und über dem Fünkchen der Liebe ist die Finsternis des Hasses gelagert, was Wunder dann, wenn dieser Haß sich auch sichtbar von außen wider uns erhebt und uns bedrängt, wie er sich jetzt anschickt es zu tun. Aber da sollt ihr wissen, daß der Haß von draußen nur dem Haß in uns etwas anhaben kann und nur das zerstört, was unser wahres Wesen verdeckt. Und wenn uns dieser Haß bis zum Scheiterhaufen verfolgt, so kann doch solch feindliches Feuer nur unseren fleischlichen Teil verzehren, von dem ich sagte, daß er ein Verräter ist, der auf der Seite des Feindes, der uns verfolgenden Welt, steht, und uns ein wahres Fegefeuer zu unserer Läuterung werden soll, damit die Schlacken verzehrt werden und das reine Goldkorn unseres Wesenskernes befreit werde. Denn wenn es uns, solange wir in dieser Welt sind, nicht möglich ist, einen Tag, ja auch nur eine Stunde lang gänzlich und ungeteilt Liebe zu sein, so haben wir die Verheißung, daß wenn wir völlig aus der Welt scheiden, unser Wesensgrund, der Liebe ist, mit Gott im ewigen Leben eins wird und bleibt. Denn wenn schon jener alte heidnische Meister, der doch allein durch das Licht der natürlichen Vernunft geleitet wurde, einen solchen seligen Endzustand voraussah, in welchem die Liebe durch ihre Allmacht den Haß gänzlich vertrieben und die Weltausspannung aufgelöst hatte, um selbst alles in allem zu sein: – wie viel zuversichtlicher dürfen dann wir, denen durch Gottes Sohn die Offenbarung zuteil wurde, jener Seligkeit entgegenharren!
Daß diese Vergottung mit uns allen vorgehen möge, nicht nach unseren eigenen kurzsichtigen Wünschen, sondern nach göttlichem Ratschluß, wie es uns am besten frommt – das walte der Gott, dessen Walten ist Allmacht der Liebe in Ewigkeit, Amen!«