Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Tum genus humanum primum mellescere coepit.
Lucret.
Auch der standhafteste Beobachter ermüdet endlich bey Barbaren; der Anblick ihrer Unmenschlichkeiten wird ihm verhaßt, und er athmet freyer, nachdem derselbe vorüber ist. Gefühle der reinsten Freude, und unnennbares Vergnügen gewährt nur der Anblick jener glücklicheren Menschen, denen die erste Blüthe des geselligen Lebens sich öffnet. Bisher, mit Milton zu reden, nahmen auch wir unsern Flug durch äußerste und mittlere Finsternisse; jetzt kehren wir in ätherische Regionen zurück, begrüßen die Quelle des Lichts, und fühlen uns, durch ihren mächtigen Einfluß, verjüngt! –
Wir besuchen jetzt die muntern Bewohner des heißeren Erdstrichs; jedoch, ehe wir weiter gehen, wird es unserer Absicht nicht entgegen seyn, einen Blick auf die Grundlage des geselligen Lebens überhaupt zu werfen, um ebenfalls voraus zu bestimmen, welchen Grad der Glückseligkeit, die Kultur mit Recht versprechen könne.
Glücklich seyn ist, überall nach den Umständen, das Bedürfniß eines jeden Menschen. Seine dringenden Naturtriebe lassen ihn bald die Erfahrung machen, daß er, allein, nicht einmal in geringem Grade glücklich werden könne; Vereinigung mit mehrern sey der sicherste Weg, nicht nur den ihm möglichen höchsten Grad der Glückseligkeit zu erlangen, sondern auch im ungestörten Genüsse desselben zu bleiben. Sein Glück, das Werk der vereinten Kräfte anderer Menschen, kann, wie er bald selbst einsieht, ohne ihr Glück nicht bestehen. Wen die Last des Elends und der Schmerzen drückt, und wer mit jeder Anstrengung für fremdes Wohl nur eignen Kummer häuft, wird schwerlich mit Ernst darauf bedacht seyn können, die Summe des Genusses eines andern zu vergrößern. So einfach und innig ist die Verbindung des Wunsches glücklich zu seyn, mit dem Intresse, das Wohl der ganzen Gesellschaft, zu der man gehört, zu befördern.
Der organische Körper des Menschen bedarf Speise, Obdach und Kleidung. Wo diese ohne heftige Anstrengung und ohne Gefahr herbeygeschafft werden können, da ist der Genuß des Lebens angenehm, da ist der Mensch schon physisch glücklich. Allein auch zur sittlichen Glückseligkeit ist der vernünftige, denkende, freye Mensch geschaffen; und er erlangt sie nur alsdenn, wenn er dieser hohen Würde gemäß leben, die Verstandskräfte durch Erziehung und Belehrung üben und erhöhen, die Vorrechte des freyen Willens zu seiner eignen und zur gemeinschaftlichen Befriedigung aller, geltend machen kann. Das nähere Band zwischen ihm und denen, die mit ihm zu einem gleichen Zwecke verbunden sind; dieses Band, welches die Dauer und Vollkommenheit ihres Glückes, beydes im körperlichen und im sittlichen Verstande, sichern soll, erzeugt die Verhältnisse der bürgerlichen Glückseligkeit. Stufen, verschiedene Grade der Annäherung zum vollkommen beglückten Zustande, muß es nach den verschiedenen Umständen geben, worinn Völker und lander sich besinden, wenn gleich völlige Glückseligteit nicht das Loos dieser Welt seyn kann. Je mannigfaltiger und reichlicher die Gegenstände des physischen und moralischen Genusses dem Menschen, oder einer Gesellschaft zugetheilt werden, desto sicherer wird jener große Zweck unseres Daseyns erreicht, desto viel umfassender ist der hohe Grad der Glückseligkeit, den sie bewürken. Hingegen einseitig und geringfügig im sittlichen wie im physischen Verstande, muß das Glück desjenigen bleiben, den das Schicksal auf wenige Gegenstände, auf einen engen Würkungskreis beschränkt. Endlich bestimmt noch die Dauer des Genusses, und die Sicherheit seiner Quellen, den Grad der Zufriedenheit und des Glückes, den er gewähren kann. Mit diesen Voraussetzungen, und mit steter Rücksicht auf die Ursachen, welche den Fortschritt der Völker zur Glückseligkeit beschleunigen oder aufhallen, wird der Zustand der Südländer uns Stoff zu ferneren Betrachtungen darbieten.
Die Natur scheint für glücklich organisirte Menschen in einem sanften Erdstrich, alles mit Macht dahin zu leiten, daß ihre Glückseligkeit befördert und entwickelt wird. Daher die frühe Aufklärung, die Größe und der Glanz der assyrischen und ägyptischen Reiche, die im gemäßigten Erdstriche gelegen sind, und deren Einwohner zu allen Zeiten, ja noch jetzt in ihrem gesunknen, ausgearteten Zustande, ein lebhaftes Temperament, gutes Herz, und leicht auffassende Vorstellungskraft besitzen. Eben diese Eigenschaften waren der Grund jener starken Bevölkerung, jenes Reichthums, jener Glückseligkeit, wovon die alte Geschichte beyder Reiche so laut und vielfältig spricht, und wovon so manches ungeheure Denkmal noch zeugen kann.
Die Bewohner einer Gegend, deren sanftes Klima jenem fast ähnlich ist, und zur Schönheit ihrer Bildung beygetragen hat, können gleichwol, wenn sie etwa von rauheren Himmelsstrichen herstammten, wo ihre Voreltern einen Theil der angeerbten Kenntnisse einbüssen mußten, nur mit Hülfe der Kunst sich zur bürgerlichen Glückseligkeit hinaufschwingen. Kekrops, Triptolem, Theseus, Solon, Pisistrat, Miltiades und Aristides, – das waren die Männer, die in Attika durch Kunst der Nayur zu Hülfe kamen; und gleichwol wurden, unter Anführung und beständiger Mitwürkung der weisesten Menschen, 1130 Jahre erfordert, ehe die Athenienser, unter Perikles, den Gipfel erstiegen, wo sie einmal von der damaligen gesitteten Welt als das glücklichste unter allen Völkern verehrt wurden.
Aber, welchen schöpferischen Geist, und welche unbeschränkte Macht ihm Nachdruck zu geben, erheischt nicht jenes unfreundlichere Klima, damit die zarte Blüthe der Volksglückseligkeit daselbst sich öffnen könne? Damit die harte Fiber biegsam, und die Seele im erstarrten Körper rege werde! Die gewöhnliche Kunst allein vermag hier nichts; nur mit unwiderstehlicher Kraft und Geistesgröße zwingt ein großer Peter sein rauhes, träges Volk in einem halben Jahrhunderte, aus skythischen Finsternissen hervorzugehn, und sich im Angesichte von Europa mit jenem Glanze zu kleiden, der unter dem weisen Zepter seiner großen Enkelin noch täglich sich erhöht.
Auch in den Inseln des Südmeeres giebt es Menschen, denen die Natur, im Verhältniß ihrer Lage, ein sanftes Schicksal bereitet hat; andre, wo ihr die Kunst zu Hülfe kommen muß, ehe sie jenen gleich werden können; und noch andre, die gleichsam einer gänzlichen Umschaffung ihrer selbst und einer neuen Schöpfung um sie her bedürfen, wenn je die Freude sich ihren Hütten nahen soll. Kleinere Schattirungen der Volksglückseligkett lassen sich nicht wohl voraus bestimmen, denn sie beruhe zu sehr auf Nebenumständen, und verschiedenen Verhältnissen; nur so viel ist gewiß, daß beydes, allzu hohe Reizbarkeit und allzu hohe Steifigkeit der Muskelfasern in entgegengesetzten Erdstrichen, der fortschreitenden Kultur im Wege sind. So ist der Bewohner der heissen Zone ein unruhiges Geschöpf, dessen Leidenschaften keinen Zügel kennen; und der Wilde an beyden Polen, ein Gemisch von Dummheit, und träger Gleichgültigkeit. Wie schwer es sey, diese beyden verschiedenen Temperamente umzuschaffen, erhellet schon aus den fruchtlosen Versuchen die Neger der englischen Kolonien sowol, als, anderntheils, die Grönländer und Lappländer im kalten Norden, zu gesitteten Menschen umzubildenVielleicht aber hat man auch bisher die rechten Mittel verfehlt, um dieses erwünschte Ziel zu erreichen..
Die Inseln im Südmeere sind volkreich; allein, dem Berichte aller ältern Reisebeschreiber zufolge waren sie es schon vor 180 Jahren, und dieselbe Stufe von Kultur worauf wir sie fanden, hatten sie auch dazumal schon erreicht. Ihre gesellschaftlichen Verbindungen bestehn folglich schon seit langen Zeiten. Wenn man erwägt, daß die Abstammung dieser Insulaner von asiatischen Völkern so gut als erwiesen ist, so läßt sich ebenfalls mit Gewißheit schließen, daß die ersten Ankömmlinge, die sich im unermeßlichen Ocean, auf kleinen Inseln, so fern von ihrem ursprünglichen Vaterlande niederließen, keinesweges zahlreich gewesen sind. Allein sie fanden ihren Unterhalt mit leichter Mühe, in einem Klima, wo die frühe Mannbarkeit, und die Abwesenheit jenes furchtbaren Heeres von Krankheiten, welches lieber in üppigen Pallästen als unter den mäßigen Hüttenbewohnern wüthet, der Bevölkerung überaus vortheilhaft seyn, und die Inseln schnell mit Menschen anfüllen mußten. Wie leicht, wie ganz natürlich schritt man hier allmählig von der ersten Entstehung des geselligen Lebens, zu den höhern Stufen der Kultur, zu bürgerlichen Verträgen aller Art hinauf! In den ersten Zeiten lieferte das Meer und die wilden Früchte den Einwohnern hinlängliche Speise; bald aber, im engen Bezirke ihres Eilands zahlreicher als zuvor geworden, mußten sie zum Anbau jener Pflanzen schreiten, die ihnen sonst, ohne ihr Zuthun, Sättigung schaften. Das Zuckerrohr, die Kokospalme, der Brodbaum, der Pisang, die Myrobalanen und Jambusen, nebst Jamswurzeln, Pataten und Aronswurzeln sahe man jetzt, hie und dort, in ganzen Feldern angepflanzt. Einzelne Menschen oder Familien hatten mit dieser weisen Veranstaltung den Anfang gemacht, und andre, für ihre Erhaltung eben so besorgt, folgten ihrem Beyspiele. Der Anbau des Landes ward allgemein. Gelüstete es den trägen, den mächtigen, oder den zügellosen Nachbar, die schönen Früchte des fremden Schweißes zu erndten; so verbanden sich die Pflanzer unter einander zu wechselseitiger Beschirmung der Felder, worauf nunmehr ihre ganze Hofnung des Lebensunterhalts beruhte. Der kleine Bezirk, wo jeder seine Bäume, seine Wurzeln mit Mühe und Sorgfalt anpflanzte, kam gleichsam in ein engeres Verhältniß mit seiner eignen Person, mit seinen Blutsverwandten und dem Bunde zu dem er gehörte; es entstand der Begriff von Landeigenthum. Allmälig wurden in dergleichen kleinen Gesellschaften gewisse Einrichtungen genehmigt, und jene Gewohnheitsgesetze gemacht, die man, mehr oder weniger, bey allen Völkern antrift, denen das Eigenthumsrecht bekannt ist.
Auf Inseln ist der Fortgang der Gesittung leichter als auf dem festen Lande; denn wo die Menschen überflüßigen Raum haben sich auszubreiten und im Lande umher zu irren, da zerstreut sie der kleinste Zwist, die unbedeutendste Beleidigung; sie werden von Verbindungen abgehalten, und können sich nicht so leicht zur gemeinsamen Gegenwehr vereinigen. Das wüste, noch unbewohnte Land, hat noch immer Wildpret und Waldfrüchte im Ueberfluß, die eine langwierige und mühsame Handarbeit entbehrlich machen. Auf Inseln hingegen sind die Einwohner schon mehr gezwungen sich zusammenzuhalten; nur würde man, mit Unrecht, in gar zu kleinen Eilanden, wo es an Raum für eine große Volksmenge und weitläuftige oder abwechselnde Pflanzungen fehlt, den nämlichen Grad der Kultur und der wohlgeordneten Verfassung suchen, der auf größern Inseln gewöhnlich ist. Da die Inseln im Südmeere überhaupt von keinem beträchtlichen Umfange sind, so scheint zu folgen, daß die größte unter ihnen, wenn die übrigen Umstände zusammentreffen, die glücklichsten und aufgeklärtesten Einwohner haben müsse.
In dieser Rücksicht besitzt also Taheiti, nebst den benachbarten Societätsinseln, einen ansehnlichen Vorzug vor den übrigen von uns besuchten Inseln. Dort findet man Lebensmittel in größerem Ueberfluß, in mannigfaltigerer Abwechselung als anderwärts im Südmeere. Die Kleidung der Einwohner verräth nicht minder Reichthum; und dies ist schon eine Verfeinerung der Sitten, eine Art von Luxus, den man bey den übrigen Südländern entweder gänzlich, oder doch größtentheils vermißt. Ihre Wohnungen sind rein und geräumig; die der Vornehmeren möchte ich nett und zierlich nennen, in so fern nämlich die Zierlichkeit sich mit der höchsten Einfalt der auskeimenden Kunst verbinden läßt. Mehr als dies alles, – sie haben bereits unzählige Begriffe, die noch kein anderer Insulaner im Südmeere ausser ihnen gedacht hat. Unterricht und stete Uebung erweitern ihren Verstand, und stärken seine Fähigkeit Ideen zu fassen, aufzubewahren, wieder darzustellen, und zu verknüpfen. Bey schneller Vorstellungskraft, und lebhaftem Temperamente, sind sie eifrige Vertheidiger ihrer Freyheit und des Vermögens, frey zu handeln; endlich vereinigen sich in ihnen die Einflüsse einer einfachen aber der Natur angemessenen Erziehung, eines schöngebildeten Körpers, und eines lieblichen Himmelsstrichs, um sie zu den gutmüthigsten, weichherzigsten und mitleidigsten Menschen zu machen. Dem Ausländer gelingt es ohne Mühe ihr Herz zu gewinnen, ohne daß sie den kleinsten Vortheil von seiner Freundschaft zu gewarten hätten; ist er krank, mismüthig, in Noth oder Gefahr, oder auch nur ermüdet, und einiger Erfrischung bedürftig? so wetteifert alles um ihn her, wer ihm helfen, ihn erquicken oder pflegen soll. In der That sind die zärtlichen Empfindungen der Freundschaft, und der innigsten Zuneigung, die, bey einer so gemengten und ausgearteten Menschengattung als die unsrige, nur selten angetroffen werden, den Herzen jener Insulaner gar nicht fremd; denn oft ward uns dort das entzückende Schauspiel der edelsten Liebe, die auf den uns eigennützigsten, zärtlichsten, fast schwärmerischen Gefühlen beruhte. Wer die sanfte Rührung des väterlichen Herzens je empfand, wird hier am treffendsten urtheilen können; und o! wie oft zerfloß das Herz des Europäers, wenn Kinder und selbst größre Knaben, ihn mit unschuldiger Freundlichkeit umringten, so traulich, so unbefangen, so dankbar, für jedes kleine Geschenk sich an ihn schmiegten, durch kleine Gefälligkelten, durch Warnungen sogar gegen einige ihrer unredlichen Landsleute, ihre Liebe ohne Falsch bezeugten! Ein herrlicher Segen ist dieses allgemeine Wohlwollen, welches die Natur so liebreich uns schenkte! Nicht meyne ich den leeren Schall, den der Empfindsame irgend einem Lieblingsdichter entlehnt, nicht das romanhafte Sittensprüchlein, das oft auf den schönsten Lippen nur wie ein wesenloser Schatten spukt; – nein, nur jene Himmelstochter verdient diesen Namen, die in gefühlvollen Herzen thront, und überall, im reinsten Ausdruck der Liebe und Güte, sich ergießt; nur sie schaft aus dem ganzen Menschengeschlechte eine große allgemeine Familie; zaubert Brüder aus den Jünglingen entfernter Himmelsstriche zusammen, schenkt den Vätern eines Volkes, Kinder im andern; nur sie ists, die allen Unterschied der Stände, das Werk des Ehrgeitzes, des übermüthigen Reichthums und der Ueppigkeit, niederreißt, und dem Wandrer aus dem kalten Norden, im heißen Erdstrich der andern Halbkugel einen Freund in die Arme führt! Traurig ist es für uns, daß ein harmloses kleines Völkchen, welches in so mancher Rücksicht den aufgeklärten Europäern nachstehen muß; dennoch, in allem was Herzensgüte und menschenfreundliches Wohlwollen betrift, vor diesen letztern so viel voraus hat, daß ich oft genug zu dem Wunsche veranlaßt wurde; die Bewohner unsres Welttheils mögten doch jene reizende Einfalt und Sanftmuth unsrer Taheitischen Freunde zum Muster wählen!
Nicht nur diese guten Eigenschaften, sondern auch einen richtigen Begrif von den großen Vorteilen der bürgerlichen Vereinigung, bemerkte ich an den Einwohnern von Taheiti. Letztere gründet sich, (so viel ich mit unvollkommner Kenntniß der Sprache, während dem kurzen Aufenthalte unter ihnen, und aus abgerissenen Erzählungen des O-Mai und Maheine abnehmen konnte,) auf das väterliche Ansehen, und war im Anfange patriarchalisch. Ueberall ist die Ehe die erste Verbindung. Bey rohen Völkern entstehet sie lediglich aus thierischem Triebe, und allenfalls aus der Hofnung an der Gehülfin ein Lastthier zu bekommen, welches, nach eingeführtem Brauch die schwerste Arbeit verrichten muß. Ganz anders verhält es sich unter einem gutmüthigen Volke, wo Klima, Bildung und hellere Begriffe die Leidenschaft veredeln, und Bedürfnisse, die sonst mit Hunger und Durst in einer Klasse standen, zu tugendhaften Gefühlen erhöhen. Zärtliche Besorgniß, sanfte Gefälligkeit, gegenseitige Achtung und Liebe, sind eine Folge feinerer Sitten; und das Glück sich in seinen Kindern gleichsam wieder verjüngt zu sehen, giebt dort einen Beweggrund mehr zur Ehe ab, den der Wilde und Barbar nicht kannte. Die Nachkommenschaft so glücklicher Aeltern lernt nach ihrem Beyspiele glücklich seyn, und wird zugleich durch eine liebreiche zwanglose Erziehung dahin geleitet. Die Ausbrüche ihrer Leidenschaften werden gemäßigt, und Ordnung, Fleiß und sanfte Gesinnungen ihren jungen Gemüthern eingeflößt. So habe ich, zum Exempel, in O-Taheiti Mütter gesehn, die ihre Kinder bestraften, und ihnen ihre Fehler vorhielten, obgleich unter diesem Volke die mütterliche Zärtlichkeit sehr groß ist. Mit einem Wort, sie haben Begriffe von Sittlichkeit, Ordnung, kindlicher Unterwürfigkeit, und insbesondre von der Notwendigkeit, diese Grundsätze ihren Kindern frühzeitig beyzubringen. Auch verfehlt diese Sorgfalt selten ihrer Absicht; vielmehr schien in vielen Familien eine jede einzelne Person mit den übrigen auf das engste und zärtlichste verbunden zu seyn, und zur Erhaltung der allgemeinen Eintracht das ihrige beyzutragen. Ehrfurcht bezeugten die Jungen überall den Alten, und bey der geringsten, entferntesten Gefahr sähe man sie jederzeit am ersten für ihre Ältern besorgt; was diese geboten, ward williglich, und mit einer wirklich musterhaften Bereitwilligkeit befolgt. Der Vater war gleichsam die Seele seiner ganzen Familie, der dieselbe mit seiner vorzüglichern Kenntniß, und reiferen Erfahrung regierte. Mit einem Worte: alle unterstützten einander, und nahmen ihren Antheil an der Arbeit, zur gemeinschaftlichen Erhaltung, Sicherheit und Glückseligkeit.
Wenn mehrere Familien die vorzügliche Tapferkeit, Weisheit, Erfahrung und Rechtschaffenheit eines Hausvaters anerkennen, ihn zum gemeinschaftlichen Vater wählen, seinen Rath als Befehl und Gesetz annehmen; so entsteht aus dieser freywilligen Vereinigung jene gute Ordnung, allgemeine Übereinstimnmng, und Zusammenkettung der einzelnen Glieder, die der Aufnahme der Sitten, und dem gemeinen Besten Aller so vortheilhaft ist. Hat dieses Oberhaupt einen Sohn der fähig und würdig ist in seine Fußstapfen zu treten, so folgt er seinem Vater im Ansehen; er wird in seinem kleinen Staate allgemein verehrt, und man gewöhnt sich endlich daran, die Würde eines Anführers und Oberhaupts vom Vater auf den Sohn vererbt zu sehen.
Ein solches Haupt der Gesellschaft, der für ihr gemeines Beste sorgt, der an ihrer Spitze ihre Freyheit vertheidigt, in allen Privatstreitigkeiten entscheidet, und den muthwilligen Störer der öffentlichen Sicherheit bestraft, hat, vermöge seines Amtes, vielfällige Gelegenheit sein Eigenthum zu vergrößern; freywillige Beysteuer seiner Untergebenen, Antheil an irgend einem dem gemeinen Wesen zugefallenen Vortheil, können ihn vor andern bereichern, und ihm auch von dieser Seite ein Uebergewicht von Einfluß und Macht in die Hände spielen. Seine Verwandten gewinnen verhältnißmäßig an allen diesen Vorzügen, und fangen an eine vom gemeinen Volke abgesonderte Klasse auszumachen. Kommt endlich noch der Umstand hinzu, daß irgend eine fremde Nation einen Angriff auf dieses Volk wagte, aber selbst darüber seine Freyheit verlöre, so würde der Zustand dieser Ueberwundenen noch geringer als der des gemeinen Mannes unter den Siegern seyn, und es würde eine neue Klasse, oder ein neuer Stand in ihrem kleinen Staate entstehen. Vielleicht ist auf O-Taheiti, den Societäts- und freundschaftlichen Eilanden, auf diese Art, der Unterschied der Stände nach und nach bewürkt worden.
Das allgemeine Oberhaupt heißt Erih-rahai (großer Erih); alle seine Verwandte sind Erihs, und besitzen gewisse Ländereyen. Einige unter ihnen haben noch den Vorzug, daß sie ganze Distrikte oder Provinzen (Hwennua) regieren, und werden daher nach diesen Provinzen betitelt. So war Happai (der Vater des Königs O-Tu) ein Erih n'o-Parre, Oberhaupt von O-Parre; O-Retti war Erih von O-Hiddia, T'-Ohwa, und Potatau gemeinschaftliche Erihs von Attahuru, O-Ammo (der abgesetzte König der ganzen Insel, jetzt) Erih von Paparra, Toppere von Matavai, und Tumataroa von Tittahah. Nächst den Erihs giebt es eine zwote Klasse, die auch noch Eigenthum an Ländereyen besitzt, nämlich die Manahaunes; und endlich eine unterste Klasse, nämlich die Tautaus.
In der taheitischen Sprache und den verschiedenen südländischen Mundarten trift man mehrere Malayische Wörter an, welche hinlänglich beweisen, daß diese Insulaner, nicht so wohl von den Malayen selbst unmittelbar, sondern vielmehr von einigen mit diesem Volke verwandten Stämmen entsprossen sind. Die Einwohner der Philippinischen Inseln, welche Tagalas und Pampangos heissen, sind ohne Zweifel malayischen Ursprungs, indem einer Seits Gemelli Carreri von ihnen versichert, daß sie von der Halbinsel Malakka dort, hingekommen wären; anderer Seits aber sie selbst bekennen, daß ihr ehemaliger Wohnsitz Borneo gewesen sey.Voyage autour du monde, par Gemelli Carreri. Tom.V. p.64. Die Sprache auf den Diebsinseln, ist mit der tagalischen verwandt.Histoire des isles Marianes par le P. Gobien Paris 1700. 12 me. nebst dem Auszug des 2ten Buchs von Gobien, in des Brosses Hist. des navigassions aux terres australes. Vol.II. p.495. Die geringe Entfernung dieser Inseln von den neuen Carolineninseln, und die große Ähnlichkeit ihrer Sitten, scheint anzuzeigen, daß diese große Inselgruppe, welche dreißig Grade der Länge einnimmt, von einer und eben derselben Nation bevölkert seyn müsse. Von da bis an Byrons-Eiland und einige andre, wo bereits die taheitische Mundart gesprochen wird, ist die Entfernung nicht mehr beträchtlich. Auf diesem Wege sind, meines Erachtens, die ersten Völker nach den östlichen Inseln des Südmeeres gekommen; und da ohnedies die Ähnlichkeit der Sitten und Gebräuche zwischen den Einwohnern der karolinischen und der freundschaftlichen Eilande so auffallend ist, so glaube ich hier etwas mehr als blosse Vermuthung für mich zu haben.
Ein glaubwürdiger philosophischer Reisender,Herr Poivre. hat uns noch ganz neuerlich belehrt, daß unter den Malayen eine Art von Feudalsystem statt findet, welches ohngefähr dieselbe Verschiedenheit der Stände, wie bey den Taheitiern hat. Einige tragen sogar ihre Ländereyen zu Lehen. Der König, oder das höchste Oberhaupt in Taheiti, vertheilt ganze Provinzen oder Bezirke an untergeordnete Befehlshaber; unter dem Ansehen dieser letzteren besitzen die übrigen Erihs, oder Personen vom königlichen Geblüt, ihre Portionen Landes, und die Manahaunes, die nicht von der königl. Familie sind, erhalten ebenfalls gewisse Länder. Die Erihs, sowol die Provinzialbefehlshaber als die übrigen, lassen ihre liegende Gründe von Tautaus oder gemeinen Leuten bearbeiten, die für ihren Herrn die erforderlichen Baum- und Gartenfrüchte ziehen, für ihn auf den Fischfang ausgehen, Häuser und Kähne bauen, Kleidungsstücke verfertigen, in Friedens-und Kriegszeiten seinen Kahn rudern, mit einem Worte ihm in allen Stücken zu Gebot seyn müssen. Für diese Mühe wird ihnen der übrige Vorrath von Früchten und Fischen zu Theil; insbesondre werden die Fische, wenn ein großer Fang geschieht, von dem Erih selbst, mit der genauesten Unpartheilichkeit unter seine Leute vertheilt. Der Manahaune mit seinen Geschwistern und Kindern verrichtet alle seine ländlichen Arbeiten selbst, und ich kann nicht sagen, daß ich je einen Tautau bey ihnen bemerkt hätte.
Die Zurüstungen zum Kriege werden vom Könige anbefohlen, nachdem er mit seinen Verwandten und hauptsächlich mit den Oberhäuptern der Provinzen Rath gepflogen hat. Gemeiniglich geschieht der Angriff zur See, weil nur die Küsten der Inseln bewohnt sind. Zu dem Ende sind Kriegscanots in großer Anzahl vorräthig, welche unter eigends dazu errichteten Schoppen aufbewahrt werden, und ohne Verzug ausgerüstet werden können. Jeder einzelne Erih und jeder Manahaune kommandirt entweder ein solches Kriegsschif, oder thut Dienste an Bord desselben, als Krieger; denn Ruderknechte sind nur die Tautaus.
In ihren Bezirken regieren die Provinzial-Erihs, handhaben die Gerechtigkeit, und stehen völlig in königlichem Ansehen. Gleichwol kann der König in ausserordentlichen Fällen, selbst Befehle ertheilen; ich hörte z. B. den Ori, König von Huaheine, seinem Hoa,Hoa heißt Freund, oder auch einer der vornehmsten Bedienten um die Person des Königs; wir würden ihn allenfalls den Kammerherrn der die Aufwartung hat, nennen. Der König von Taheiti hat deren eine ziemliche Anzahl, die einander ablösen. den er in einen andern Bezirk schickte, befehlen, er solle dem dortigen Erih sagen: dies find die Worte des Erihrahai: »die Diebe in Verhaft zu nehmen, und die gestolnen Sachen (die er zugleich herzählte) zurück zuschicken.« Noch an demselben Tage erhielten wir die Sachen großentheils zurück, die man uns entwendet hatte, und am folgenden Tage wollte Ori die Diebe in unserer Gegenwart bestrafen lassen; allein wir waren bereits unter Segel, und hatten ihn gleich anfangs nicht verstanden.
In O'Taheiti sahen wir die Flotten von zwoen Provinzen die Musterung paßiren. Sie waren bestimmt, einen mächtigen abtrünnigen Vasallen im Distrikt Morea auf der Insel Eimeo zu züchtigen. Man versicherte uns, daß jeder Provinzial-Erih seine bestimmte Anzahl Kähne zu dieser Expedition liefern müsse; ja sogar, daß der Erih-rahai von der kleinen taheitischen Halbinsel Tiarrabu, mit seinen Schiffen pflichtmäßig dazu stossen würde. O-Tu, der König der größern Halbinsel, der vielleicht im Kriegsdienste nicht Erfahrung genug hatte, übertrug die Würde eines Groß-Admirals dem T'Owah, Erih von Attahuru; indessen wollte er doch, wie er uns sagte, die Flotte selbst als blosser Krieger, oder wie wir es nennen würden, als Ritter, besteigen.
Aus allen diesen Umständen erhellet zur Genüge, daß die Regierungeforn, dort feodallsch ist, daß aber die ursprünglichen patriarchalischen Sitten noch vielen Einfluß darauf haben, und den Fehlern dieses sonst so kriegerischen Systems großentheils abhelfen.
Eine andre Art, die Entstehung dieser südländischen Regiemligsform zu erklären, wäre folgende: bekanntlich sind die Erihs, und die Manahaunes in O'Taheiti weisser von Gesichtsfarbe als die Tautaus oder Gemeinen; sie gestehen aber selbst, daß es ehedem auch Menschenfresser unter ihnen gegeben habe. Wie also, wenn die ursprünglichen Bewohner der Südseeinseln, von den schwarzen Papuas und andern Stämmen in Neuguinea herstammten, dergleichen wir noch wirklich in Tanna, Mallikolo und den übrigen neuen Hebriden vorgefunden haben, die noch heutiges Tages Menschenfresser sind? Zufall oder ein vorherbeschlossener Kriegszug, führte höchst wahrscheinlich, die allen Malayen aus ihrer Halbinsel Malakka, nach den Inseln des indischen Meeres; erst über Sumatra nach Borneo, dann nach den Philippinen. Allein, eben so wahrscheinlich ist es auch, daß sie sich hernach weiter über die Diebsinseln, die neuen Carolinen, die Pescadores, und zuletzt nach den freundschaftlichen, Societäts- und Marquesasinseln, ja noch östlicher, bis zur Osterinsel, und südlich nach Neuseeland gezogen haben. Diese Wanderung war freylich nicht das Werk eines kurzen Zeitraumes; Jahrhunderte konnten seit der ersten Reise nach Borneo verstreichen, ehe diese Völker die Osterinsel oder Neuseeland erreichten. Auf jedem neuen Ruhepunkte erhielten sie einen neuen Anstrich von Sitten und Gebräuchen, nach Maasgabe des Himmelsstriches und der Eigenschaften des Landes. Die ursprünglichen Einwohner widerstanden ihnen vermuthlich überall, und liessen sich nicht ohne vieles Blutvergiessen gänzlich unterjochen. Auch sind sie in den größern Inseln, wie z.B. Sumatra, Borneo, Luzon, Magindanao, und einigen Molukken nicht gänzlich bezwungen worden, sondern existiren noch, als abgesonderte Völkerschaften, in den Gebirgsgegenden, unter den Namen, Battas, Benajos, Negrillos, Zambales, Alfuries oder Haraforas, etc. hingegen in den kleinen Inseln des Südmeeres, nämlich den freundschaftlichen und den Societätsinseln konnten sie ihren Bezwingern nicht entgehen. Diese, schon gesitteter und menschlicher, führten eine sanftere Regierungsform, das malayisch- orientalische Feudalsystem ein, und entwöhnten ihre neuen Unterthanen von der wiedernatürlichen Gewohnheit Menschenfleisch zu fressen, die, unter den ursprünglichen schwarzen Rassen von Menschen, in den Südländern allgemein üblich ist. Dieses Unternehmen ist ihnen in der That so vollkommen geglückt, daß man in Taheiti bloß den Namen und eine entfernte Tradition von jener verabscheuungswürdigen Gewohnheit beybehalten hat. Nach eben dieser Voraussehung liessen sich dann auch manche andre taheitische Traditionen erklären, z.B. eine, welcher zufolge eine nahgelegne Insel Mannua von Menschenfressern bewohnt seyn soll, – vermuthlich, weil die dortigen Einwohner noch alle zur ersten schwarzen Rasse von Menschen gehören. In Neuseeland scheinen sich die Malayischen Ankömmlinge mit den ursprünglichen Einwohnern verglichen zu haben, wozu vielleicht das rauhe Klima, das wilde waldigte Land, und dessen ansehnliche Ausdehnung etwas beygetragen haben mag. Solchergestalt blieb die kannibalische Sitte; die übrigen Gebräuche wurden zusammengeschmolzen, und von der Aufklärung der Malayer gieng vieles verloren, obgleich ihre Sprache, mit einigen einheimischen Wörtern gemengt, die Oberhand behielt. Die Wildeninsel (savage-island) deren Einwohner von brauner Farbe, und sehr feindlicher Gemüthsart sind, kann vielleicht ein solches Eiland seyn, welches von den malayischen Stämmen noch nicht bezwungen worden ist. Selbst in den neuen Hebriden, namentlich auf der Insel Tanna, glaube ich Spuren gefunden zu haben, daß die malayische Nachkommenschaft, auch dorthin noch immer sich auszubreiten, und die schwärzeren Völker zu unterjochen sucht. Denn in Tanna kannten einige, die, von ihrer eignen ganz verschiedene, Sprache der freundschaftlichen Inseln, welche, nach ihrem Berichte, doch bereits auf der nahgelegenen Insel Irronan, (die auch Futtuna heißt), gesprochen wird. Doch, dies sind nur Winke für den künftigen Seefahrer, die ihn auf Sprachen, Sitten und Gebräuche, Naturell und Farbe der verschiedenen Inselbewohner aufmerksamer machen, eine genauere Geschichte ihrer Wanderungen, ihres Ursprungs veranlassen, und somit aufmuntern sollen, von dieser Seite über die Geschichte der Menschheit überhaupt ein helleres Licht zu werfen.
Merkwürdig ist es, daß die Ehrerbietung der Südländer gegen ihre Könige in dem Verhältnisse steigt, in welchem man sich den freundschaftlichen Inseln nähert. In der Osterinsel, wie auf den Marquesas, bemerkt man zwischen dem Unterthan und seinem Oberhaupte, kaum einen andern Unterschied, als in der geschmückteren Kleidung, einem Gefolge, und den Titeln Eriki oder Ekahai. In Taheiti und den Societätsinseln legt man in Gegenwart des Königs (Erih-rahai), als ein Zeichen der Ehrfurcht das Oberkleid ab. In Tongatabbu und HorneilandDalrymples Collection of Voyages to the south sea. Vol. 2 p. 41. 55. hingegen, geht man in Ehrenbezeugungen gegen den Latu oder das Oberhaupt noch ungleich weiter, indem sich die Einwohner vor ihm zur Erde werfen, und seinen Fuß sich auf den Hals setzen. In den Diebsinseln sind die Edlen oder Tamolas ebenfalls in hohem Ansehen, und der gemeine Mann darf sich ihnen nicht nähern, aus Furcht sie zu verunreinigenDes Brosses Hist. des Navigat. aux Terres australes. Tom. II. p. 484 499.. Diese Verschiedenheit scheint anzudeuten, daß die jetzigen Beherrscher der Inseln im Südmeere von ihren ehemaligen Gebräuchen manches abgeändert, und namentlich, je weiter sie von ihrem ursprünglichen (malayischen) Vaterlande ostwärts vorgedrungen sind, desto mehr die sklavischen Ehrenbezeigungen verworfen haben, an denen ihre Vorältern hingen. In Taheiti trift man daher jenes glückliche Gleichgewicht an, welches jeder Klasse von Menschen ihre Vorrechte einräumt, und die Zufriedenheit derselben eben dadurch auf eine sichere Grundfeste erbaut. Dem Könige erweißt man einen geziemenden und nothwendigen Grad von Ehrfurcht. Er kann sein Ansehen, seine Macht, zwar zum Besten seiner Unterthanen äussern, aber keineswegs sie unterdrücken; ein Vater seines Volks, aber kein Tyrann kann er werden. Die Provinzial-Erihs sind zwar die Stützen der königlichen Würde, allein sie halten sie zugleich in Schranken. Der hohe Rath des ganzen Volks besteht aus diesen Heerführern, die, bey wichtigen Angelegenheiten versammelt, über Krieg und Frieden entscheiden. Ohne ihre Zustimmung darf der König nichts unternehmen, was auf die Sicherheit des gemeinen Besten Einfluß haben kann; ohne ihre Einwilligung darf er keinen Vornehmen bestrafen. Mit einem Worte, ohne sie kann er nichts Großes. Sollte er es auch versuchen seine Gewalt zu mißbrauchen, so würden sie ihm entweder die Hülfsvölker ihrer Provinz versagen, oder wohl gar, sich zu der Parthey der Unterdrückten schlagen, und solchergestalt seinem Ansehen und seinen zunehmenden Vorrechten die Wage halten. Der Kriegszug den die Taheitier gegen den Befehlshaber der Provinz Morea, auf der Insel Eimeo, nach unserer Abreise unternehmen wollten, lies uns diesen Theil ihrer Staatsverfassung deutlich einsehen.
Die Unterdrückung der Unterthanen ist, nach eben dieser Verfassung, nicht leicht möglich, da alle Provinzial- Oberhäupter unter dem Könige stehen, und endlich auch die Unterthanen selbst, in Ermangelung seiner, sich Recht schaffen würden. Doch, Nahrungsmittel, Kleidungsstücke, und alles was hier sowohl zum nothdürftigen Lebensunterhalt, als auch zum Luxus und zur Bequemlichkeit erfordert wird, schaft der Unterthan oder Tautau mit so geringer Mühe herbey, daß von Unterdrückung die Rede nicht seyn kann. Verschlimmert der Umgang mit lasterhaften Europäern nicht das gute Herz und die einfachen Sitten dieser Menschen; werden keine neue Bedürfnisse unter ihnen eingeführt, deren Erwerb mit schwerer Arbeit vergesellschaftet ist; so kann das gemeine Volk daselbst noch lange glücklich bleiben. Jeder Menschenfreund wird gewiß mit vollem Herzen wünschen, daß ihre Ruhe und harmlose Zufriedenheit durch keinen eigennützigen Plan der Europäer gestört werden möge!
Es giebt dort Gewohnheitsgesetze und Verordnungen, wodurch die gute Ordnung aufrecht erhalten, das Eigenthum und Leben eines jeden gesichert, und die Friedensstörer und Verbrecher bestraft werden. Der Schildwacht die bey unsern Gezelten auf der Landspitze Venus in Taheiti ausgestellt war, hatte ein Insulaner das Feuergewehr entwendet. Dieser Nachläßigkeit halber, ward der Soldat an Bord geschickt, um daselbst bestraft zu werden. Vor der Execution aber wurden die Kriegsartikel, wie in solchem Falle gebräuchlich ist, vor der ganzen Schiffsmannschaft, auf dem Verdeck verlesen. Die Menge der anwesenden Einwohner, und unter ihnen verschiedene Anverwandte des Königs, bezeugten ein Verlangen zu wissen, was vorgienge, und weshalb man eine so lange Para-Parau, oder Rede hielte? Ich sagte ihnen, dies wäre das Wort des großen Königs unserer Nation. Hierauf nannten sie es alle: Mira; welches folglich bey ihnen ein Gesetz oder eine Verordnung heissen muß. Sie erzählten uns oft, daß Diebe am Leben bestraft würden, und daß man sie mit einem Stein am Halse ins Meer versenke. Doch sind die Beyspiele des Diebstahls unter ihnen selbst, wo so wenige und leicht zu befriedigende Bedürfnisse dieses Laster veranlassen können, vermuthlich nur äusserst selten. Der Mord scheint ihnen fast gänzlich unbekannt zu seyn. Wir sahen zwar öfters Zwist und Schlägereyen zwischen einzelnen Kerlen; doch waren die Umstehenden jederzeit geschäftig, sie aus einander zu bringen, und zu besänftigen. Von einer aufgeschobenen Rache, die mit kaltem Blute entworfen, und zu gelegner Zeit erst ins Werk gestellt würde, weiß ihr redliches Herz noch nichts. Kinder der Natur sind sie, deren Leidenschaften, als Triebfedern der Selbsterhaltung, zwar oft, den wirklichen oder eingebildeten Beleidigungen, erwachen, aber auch eben so leicht von friedlichern Brüdern besänftigt werden.
Es giebt Beyspiele von ungetreuen Eheleuten unter den Erihs, und dieses Laster scheint demnach überall, wie in Europa, hauptsächlich unter den Vornehmen im Schwange zu gehen. Man versicherte uns, daß Ehebrecher am Leben gestraft würden; allein wir sind nichts davon gewahr worden. Im Gegentheil bemerkten wir nur, bey einer Untreue die der Mann begangen hatte, daß seine ziemlich junonische Ehehälfte, ihn mit einem Strom von Schimpfwörtern überhäufte, und in der Hitze ihres gerechten Eifers, der Sünderin, die im Begriff gewesen war, sich ihre Vorrechte zuzueignen, einige derbe Maulschellen gab.
Bey dem Ueberfluß an Dingen die zur Befriedigung der natürlichen Bedürfnisse dienen, sind indeß die Sitten der Taheitier und ihrer nächsten Nachbaren so weit verfeinert, daß sie bereits gewisse Zierrathen und Artikel des Luxus kennen, deren einige in einer oder der andern Insel seltener sind, und daher einen Tausch veranlassen. Die Inseln Borabora und O-Taha sind vorzüglich reich an Kokospalmen, aus deren Nüssen dort das in Ostindien bekannte Kokosöl bereitet wird. Die Taheitier und übrigen Einwohner der Societätsinseln verbrauchen einen großen Vorrath davon, indem sie es mit balsamischen Kräutern und würzhaften Hölzern wohlriechend machen, und dann ihre Zeuge, ihr Haar, und oft den ganzen Leib damit salben. Da nun die Kokospalmen auf ihrer Insel nicht in hinreichender Menge vorhanden sind, um so viel Oel als verbraucht wird zu liefern; hingegen auf Borabora und O-Taha nicht so viel Zeuge als aus O-Taheiti, woselbst der Anbau des Papiermaulbeerbaumes weit stärker ist, verfertigt werden; so reisen jährlich einige Leute von Taheiti nach Borabora und Taha mit großem Vorrath von Zeugen, wogegen sie das Kokosöl, welches statt der Fässer in die knotenförmigen Absätze von Bambusrohr gefüllt wird, eintauschen. Auf den niedrigen Eilanden, die nur aus schmalen mit Sand bedeckten Streifen von Korallfelsen bestehn, welche sich im Kreise um eine Lagune voll Seewassers ziehn, kommt der Maulbeerbaum ebenfalls nicht fort; dagegen besitzen die dortigen Einwohner eine Rasse von Hunden, mit langem weissem Haar, dessen sich die Taheiter zur Verzierung ihrer Brustschilder bedienen. Das wechselseitige Bedürfniß veranlaßt also auch hier ein beständiges Verkehr zwischen den verschiedenen Inselbewohnern, die ihre überflüßigen Landesprodukte vertauschen. Rothe Papageyenfedern sind bey den Einwohnern von Taheiti und den Societätsinseln in hohem Werthe; man schmückt den Anzug der Krieger damit, und verfertigt Quaste davon, die statt der Haarzöpfe den Rücken hinab hängen; auch bedient man sich ihrer in kleinen Sträussern mit Kokosfasern zusammengebunden, während des Gebets, um die Aufmerksamkeit von andern Gegenständen abzuziehn. Die in Taheiti befindliche Papageyenart, hat indeß nur wenige, und zwar braunrothe Federn; allein, weiter nach Westen hin, liegen einige Eilande, wo sich die schönsten rothgefiederten Papageyen aufhallen. Eins dieser Eilande, welches noch dazu unbewohnt ist, liegt ohngefehr zehn Tagereisen weit von O-Taheiti, und wird Hwennua-ura, d.i. das Land der rothen Federn genannt. Dorthin werden von den Societätsinseln, blos dieser Federn wegen, Reisen unternommen, indem die Taheitier für diese kostbarste aller Waaren, alles hingeben. Wir brachten einige hellrothe Federn aus England mit; allein die Insulaner erkannten bald, daß es nur gefärbte Hahnenfedern waren, und legten ihnen keinen sonderlichen Werth bey. Sie nahmen sie zwar an, allein nie wollten sie etwas dafür geben. Im Jahr 1774 aber, da wir zum zweytenmal nach O-Taheiti kamen, hatten wir auf der Insel Tongatabu viele Zierrathen von rothen Federn eingetauscht, wofür man uns jetzt nicht nur eine Menge Schweine, als das schätzbarste ihrer Lebensmittel, sondern auch die schönen Trauerkleidungen verkaufte, wovon auf Capitain Cooks erster Reise mit Hrn. Banks, schlechterdings keine einzige zu erhalten gewesen war. Die Begierde nach diesem Schmucke stieg zu einer so ausschweifenden Höhe, daß Potatau, ein Befehlshaber, dessen edelmüthige Denkungsart wir bis dahin noch nie bezweifelt hatten, sein Weib dafür preis geben wollte.
Seit der Bekanntschaft mit Europäern sind, unter den Einwohnern, auch allerley Eisenwaaren im Handel gangbar geworden. Die Spanier haben diese Insulaner durchgängig mit dem Eisen bekannt gemacht. Mir kommt es sogar wahrscheinlich vor, daß das taheitische Wort, womit sie Eisen bezeichnen, aus dem Spanischen entstanden ist. Als Olivier van Noort im Jahr 16oo. nach der Insel Guaham, einer von den Diebsinseln kam, stiessen die Einwohner, in mehr als zwey hundert Kähnen, mit Kokosnüssen, Pisangfrüchten, Zuckerrohr und Fischen beladen, vom Strande ab, und verlangten gegen diese Erfrischungen Eisen einzutauschen, indem sie überlaut: hierro! hierro! riefen, welches der spanische Name für Eisen ist. Yuri, wie die Taheitier es nennen, ist eben nicht so weit von hierro in der Aussprache verschieden, daß nicht jenes von diesem entstanden seyn könnte, zumal, da sowol die Diebsinseln als auch Taheiti mit den umliegenden Inseln zuerst von Spaniern entdeckt worden sind. Als Roggewyn, 1727, auf dem flachen Eilande o-Anna eines seiner Schiffe verlohr, erhielten die Südländer einen neuen Vorrath von allerley Eisenwaaren. So gelang es ihnen auch die Anker, die der Herr von Bougainville in dem Haven an der taheitischen Provinz O-Hiddia zurück lassen mußte, aus dem Grunde des Meers aufzufischen, und der König von Taheiti schickte eins derselben dem Könige Opuni von Borabora, als eine Seltenheit, zum Geschenke. Die Menge von Eisenwaaren, worunter vorzüglich Beile oder Aexte, Meissel, Hobel, Sägen, Bohrer, große und kleine Nägel von allerley Größe zu rechnen, welche die englischen Seefahrer in jenen Inseln zurück gelassen haben, ist so beträchtlich, daß dieses Metall schwerlich wieder von den Einwohnern vernachläßigt werden, oder ausser Gebrauch kommen, und noch weniger bey ihnen in gänzliche Vergessenheit gerathen wird. Dies ist um so viel gewisser, da wir Beyspiele anführen können, daß die Völker des Südmeeres das Eisen, bis auf die kleinsten Stückgen, mit der größten Sorgfalt aufzuheben pflegen. Als wir auf der Insel Tongatabu an Land stiegen, verkaufte mir ein Insulaner, einen ganz kleinen Nagel, der sehr sorgfältig in einen hölzernen Heft oder Griff gefaßt, und darin, vermittelst einer Schnur von Kokosfasern, befestigt war. Ohne allen Zweifel hatte Tasmann, im Jahr 1643, diesen Nagel hier verhandelt, der sich solchergestalt 130 Jahre lang erhalten hatte, nunmehro aber nebst andern Seltenheiten, im brittischen Museum aufbewahrt wird. Seit unsern wiederholten Seereisen ins Südmeer sind auch Glaskorallen unter den Einwohnern sehr gemein geworden; man vertauschte deren eine unglaubliche Menge gegen Kokosnüsse, Yamswurzeln und Brodfrucht. In O-Taheiti suchte man vorzüglich ungefärbte durchsichtige Glaskorallen; in den freundschaftlichen Inseln schätzte man die schwarzen, in Neuseeland waren grüne Ohrgehänge, nebst grünen und rothen Glaskorallen am willkommensten; so verschieden ist der Geschmack, und der Begriff von Schönheit.
Auch in den westlichern Gegenden des Südmeeres treiben die Einwohner verschiedener Inseln einen Handel mit den Produkten die in einer oder der andern häufiger sind, und als wahre Bedürfnisse, oder als Artikel des Luxus gesucht werden. Keulen oder Streitkolben vom Holze des Casuarbaums (Casuarina equiserifolia) wurden von Irromanga nach Tanna verführt, wohin auch Aexte von festem schwarzem Basalt aus Anattom, und Aexte, deren Klinge aus einem Stück Muschelschale bestand, aus Immèr gebracht wurden.
Der Reichthum einzelner Einwohner, oder ihrer Familien, besteht hauptsächlich in der Menge solcher durch den Tauschhandel erworbnen Sachen; daher ist mancher gemeine Taheitier durch unsere Ankunft bereichert und aus einem armen, ein angesehener und wohlhabender Mann geworden. Das erworbene Guth blieb sein Eigenthum, womit er nach Gefallen schalten konnte. Eben das schien auf der Osterinsel, den Marquesas, Neuseeland, den neuen Hebriden und Neukaledonien auch der Fall zu seyn. In den freundschaftlichen Inseln verhielt es sich anders; Attaha, ein Befehlshaber vom zweyten Range, mußte alle Geschenke die er empfangen hatte, an den Latu-Nipuru abliefern; die andern Befehlshaber alle, mußten sich das nämliche gefallen lassen; nur der Priester war von diesem Tribute befreyt.
Allein, wenn gleich die taheitischen Befehlshaber ihren Untergebenen oder den Tautaus nicht mit Gewalt entwendeten, was diese gegen Lebensmittel, Kleidungsstücke, Hausgeräthschaften und Waffen eingetauscht hatten; so hatten wir doch Ursach zu glauben, daß nach Verlauf einiger Zeit ihr ganzer Reichthum entweder als ein freywilliges Geschenk, oder unter einem andern Vorwande, in den Schatz ihrer Herren fliessen mußte. Wenigstens schienen diese Befehlshaber die einzigen Besitzer der Aexte und Beile zu seyn, und solche ihren Unterthanen nur den gewissen Gelegenheiten, und vermuthlich nicht ohne Vergeltung, zu leihen. Dies kommt mir um desto wahrscheinlicher vor, da eben diese Gewohnheit auch in den Carolinischen Inseln statt findet, woselbst die Einwohner alles Eisenwerk, welches sie aus verunglückten Schiffen aufsammlen, ihren Tamoles oder Befehlshabern zustellen, die daraus Werkzeuge von verschiedener Größe verfertigen, und solche an ihre Unterthanen um hohe Preise vermiethenDes Broffes Hist. des Navigations aux Terres australes. Tom. II. p.485. – In Neuguinea geben die Papuas oder Küstenbewohner, den Haraforas, die tiefer lm Lande wohnen, Aexte und andre Werkzeuge von Eisen; wofür die Empfänger ihnen lebenslänglichen Tribut zollen müssen. Forrest's Voyage to New Guinea. G.F.. Gestohlne Sachen pflegten die taheitischen Erihs entweder ganz und gar zu confisciren, oder wenigstens mit ihren Tautaus zu theilen.
Der eigentliche Reichthum der Einwohner von Taheiti und den Societätsinseln, von den Marquesas, den freundschaftlichen Inseln, und der Osterinsel besteht jedoch in Landeigenthum. Die Manahaunes (Vasallen) bauen ihren Antheil davon, mit Beyhülfe ihrer Familien, selbst; hingegen die Erihs und der König überlassen dieses Geschäft ihren Tautaus. Diese Leute müssen die Schweine und Hunde ihrer Herren füttern und hüten; die Pisang-Brodfrucht- und Apfelbäume, nebst andern nützlichen Vegetabilien, pflanzen, den Maulbeerbaum anbauen, und die Rinde verarbeiten; von dem Mahei, oder aus Brodfrucht bereiteten sauergegohrnen Teige, einen großen Vorrath anfertigen, mit einem Worte, sie müssen ihren trägen Erihs Kleidung und Speise schaffen. Je größer demnach die Anzahl der Tautaus die ein solcher Erih besitzt; und je weitläuftiger seine liegenden Gründe sind, für desto reicher und wohlhabender wird er gehalten. Die Tautaus aber sind ein würkliches Eigenthum der Erihs, welches sie auch nach Gutbefinden veräussern können, wie solches aus dem Umstande abzunehmen war, daß die Verwandten unseres jungen Freundes Maheine, in O-Taheiti, ihn mit einem Knaben von 13 bis 14 Jahren beschenkten, der Poe tea-tea (weisse Glaskoralle) hieß, und von Stund an sein eigner Tautau ward, der seinem neuen Herrn, und dessen Freunden an Bord des Schiffs, sogleich mit vieler Treue anhing.
Es ist merkwürdig, daß Hunde und Schweine, die vorzüglichsten taheitischen Reichthümer, nicht einmal auf allen Inseln des Südmeeres vorhanden sind. Die Bewohner der niedrigen Eilande besitzen zwar durchgehends Hunde, aber keine Schweine; hingegen hatte man Schweine auf den freundschaftlichen Inseln, ohne Hunde anders als dem Namen (Ghurri) nach, zu kennen; vermuthlich ist das Thier bey ihnen ausgestorben. In Neuseeland fehlten ebenfalls die Schweine; in Neukaledonien aber, fehlten beydes, Schweine und Hunde. Auch in Tanna hatte man nur Schweine allein. Den Taheitiern schenkten wir das erste Ziegenpaar, welches sich bey unserer zweyten Ankunft daselbst, bereits um zwey vermehrt hatte. Den Einwohnern von Tonga-tabbu und Tanna schenkten wir die ersten Hunde, den Neuseeländern, Schweine und Hüner; den Neukaledoniern ein paar Hunde und ein paar Schweine. Diese beyden Thierarten, die an und für sich schon so schnell und stark sich vermehren, kommen unter dem sanften Himmelsstriche in den Südländern um desto besser fort, und erreichen frühzeitig ihr völliges Wachsthum. Demohngeachtet fanden wir sie so häufig nicht, daß die Einwohner sie zur gewöhnlichen Speise hätten brauchen können; im Gegentheil lebt der größte Theil der Nation von vegetabilischer Nahrung, welche sie sich, durch Fleiß und mäßige Anstrengung, in genugsamer Menge verschaffen. Auch in dieser Einrichtung, die vielleicht von besondern Umständen herrührt, scheint mir eine Spur jener unendlichen Weisheit merkwürdig, welche im ganzen Umkreise der Schöpfung, nichts geringeres, als die höchste Vollkommenheit des Ganzen bewürkt.
Das Thierreich ist nemlich nicht so sehr in unsrer Gewalt, als das Pflanzenreich; wir können es nicht nach Willkühr fruchtbarer machen; die unveränderlichen Gesetze der Natur, halten die Vermehrung und Fortpflanzung einer jeden Thierart in gewisse Schranken. Lebte der Mensch überall blos vom Fleisch der Thiere, und bliebe er im Hirtenstande, so würde diese Lebensart dem Fortschritt des ganzen Menschengeschlechts zu den höhern Stufen, physischer sowohl als sittlicher und bürgerlicher, Glückseligkeit offenbar entgegen stehen. Die Quelle aller irdischen Vervollkommnung ist der Ackerbau. Alle Pflanzen, hauptsächlich aber die bereits in verschiedenen Ländern angebauten Gattungen, können durch menschlichen Fleiß zum Erstaunen vermehrt werden. Die Lebensmittel aus dem Pflanzenreiche sind überdies gesund, und der Einrichtung unseres Körpers angemessen; sie sind auch so mannigfaltig und wohlschmeckend, daß man ihrer nicht überdrüßig wird. Noch mehr; durch anhaltende Kultur gewinnen die Pflanzen an Wohlgeschmack, wovon wir an den unzähligen Apfel- Birn- Kirschen- Pflaumen- Pfirsichen- und Aprikosensorten, an Rüben, Kohl, Kartoffeln, und so vielen andern Früchten, Wurzeln und Gemüßkräutern die auffallendsten Beyspiele sehen. Diese Vortheile des Anbaues erleichtern das gesellige Leden, und werden Veranlaßungen zur wechselseitiger Hülfsleistung und Mittheilung der Erfahrungen, Verbesserungen und Ideen. Je höher man es in jener Kunst bringt, desto fester wird das Band der Gesellschaft geknüpft, desto lebhafter und feiner alle Menschenfreundliche Empfindungen, desto mehr gewinnen Ordnung und Friedensliebe den vorhin ungezähmten Leidenschaften ab. Die neue Stimmung der Gemüther wird Gesetz für die Nachkommenschaft; Denkungsart und Sitten werden sich in jedem einzelnen Mitbürger ähnlicher, und der Einfluß der Tugend und des Lasters auf das Glück eines jeden insbesondere, so wie auf die Ruhe des Ganzen, fängt an ihnen deutlich einzuleuchten. Diese Empfindungen, der Sittlichkeit und des Gewissens bereiten endlich den Menschen zu den höhern Stufen der Vervollkommnung.
Ich bin weit entfernt, hier zu behaupten, daß man wegen der Vortheile, zu denen der Ackerbau so sichtbar führt, die Viehzucht gänzlich vernachläßigen sollte. Ein mäßiger Antheil von animalischer Speise, mit Nahrung aus dem Pflanzenreiche vermischt, scheint im Gegentheil unserm Körper besonders zuträglich zu seyn, mithin die Viehzucht mit dem Ackerbau vereint werden zu müssen, wenn ein Volk den höchsten Grad möglicher Glückseligkeit erreichen soll. Wohl also den Taheitiern, denen es weder an wohlschmeckenden, gesunden Früchten und Wurzeln, noch an Hausthieren fehlt, zumal seitdem auf Cooks letzter Reise zu ihren einheimischen Thieren, nicht nur Schaafe, sondern auch Rindvieh und Pferde hinzugefügt worden sind. Brächte man ihnen noch Reis, besonders die Gattung, welche auf bergigtem Boden wächst, und nicht, wie gemeiner Reis, überschwemmt werden muß, nebst türkischem Korn oder Mays, Ananas, Kastanien, Datteln, Orangen, Zitronen, und vor allen die Sagopalme, so würde dieses Geschenk unfehlbar das vernünftigste seyn, welches ein Volk dem andern machen kann; ja es wäre die beste Erwiederung für die mannigfaltigen Erfrischungen, die unsere Weltumsegler in solchem Ueberfluß aus den Händen ihrer vortreflichen, gastfreyen Freunde empfingen, und wodurch sie sich in Stand gesetzt sahen, Schiffarthen zu vollenden, welche in den Jahrbüchern der Welt nie ihres gleichen finden werden. Der Glückliche, der jene Pflanzen nach Taheiti, und überhaupt in alle Südländer brächte, und die Einwohner ihren Anbau und Nutzen lehrte, würde unter die Wohlthäter des Menschengeschlechts gerechnet, und neben Orpheus, Triptolem, und andern Helden, von einer dankbaren Nachwelt verehret werden!
Aus allen bisher angeführten Bemerkungen wird der Vorzug der Bewohner von Taheiti und der Societätsinseln vor allen übrigen südlichen Völkern offenbar. Ihre bürgerliche Vereinigung ist sogar gewisser massen, von einem Grade von Patriotismus und public SpiritEs fehlt uns hier ein Wort, um eine Empfindung auszudrücken, die den alten Vorfahren bekannt genug war. Der Uebersetzer. beseelt. Denn, zu geschweigen daß wir oft gesehen haben, wie ein Taheitier sein kleines Mahl von Brodfrucht oder dergleichen, mit den Umstehenden so lange theilte, bis nichts mehr zu theilen war; so scheint die Sorgfalt, mit welcher die Erihs sich bemühten, ihren Unterthanen einen guten Preis für Lebensmittel und andre Waaren, welche diese uns zum Verkauf brachten, auszuwürken, Beweises genug. Auch gehören hieher wechselseitige Hülfleistungen, wovon wir öfters Zeugen waren; der Abscheu, den die Vornehmeren gegen alle Diebe und Räuber blicken liessen; die merkliche Verbesserung ihrer häußlichen Umstände, die wir acht Monate nach unserm ersten Besuch in Taheiti bemerkten, und die man mit Recht der genaueren Aufsicht und Aufmunterung ihres Königs O-Tu zuschreiben muß; ferner eben dieses Königs edles Betragen, indem er sich der Anführung der Flotte begab, und blos als Freywilliger, unter To-Hwa, streiten wollte; endlich die Bereitwilligkeit dieses eben genannten braven, von der Gicht geplagten Alten, die Expedition gegen Eimeo zu wagen, und die Klugheit womit man die vom Capit. Cook angetragene Hülfe unsrer Schiffe, zur Wiedereroberung dieser revoltirten Insel, verbat.
Das Bild, welches wir hier von der Verfassung der Taheitier und der Bewohner der Societätsinseln entwerfen, läßt sich auf die übrigen Insulaner im Südmeere nicht anwenden. – Zwar treibt man auf den freundschaftlichen Inseln den Anbau noch um einen merklichen Schritt weiter, man verwendet viele Zeit und Mühe auf Hecken und Verzäunungen, wodurch eines jeden Eigenthum sehr sorgfältig abgesondert wird; allein die Regierungsform nähert sich dem orientalischen Despotismus; denn man erzeigt dem Latu und den übrigen Oberhäuptern sklavische Ehrfurcht. So wie jene genaue Bestimmung des Eigenthums eine Folge der starken Bevölkerung dieser Inseln ist, so scheint, auf der andern Seite, die bey ihnen übliche Sklaverey die nähere Abstammung der Einwohner von ihrem ursprünglichen Vaterlande zu beweisen. DortIn den asiatischen Inseln. ist noch heutiges Tages kriechende Unterwürfigkeit gegen Fürsten und Große üblich; von elenden Schmeichlern erfunden, forderten tyrannische Unterdrücker sie als ein Recht, und machten sie zum Gesetz.
In den freundschaftlichen Inseln sahen wir vielfältig, daß die Einwohner sich vor ihrem Befehlshaber zur Erde niederwarfen; allein von der eigentlichen Verfassung ihres kleinen Staats, und von ihren Gesetzen, konnten wir, während unseres kurzen Aufenthalts, keine hinlängliche Kenntniß erlangen. Ein Mann, Namens Attahà, schien an unserm Landungsorte aus der Insel Tongatabu in großem Ansehen zu stehen; indessen gab es unstreitig verschiedene Befehlshaber von noch höherem Range, weil er in deren Gegenwart, aus Ehrerbietung, es nicht wagte, mit uns zu Tische zu sitzen. Unter diesen Vornehmen hatte einer, hauptsächlich bey denen Insulanern die in Kähnen zu uns ans Schiff kamen, viel zu sagen; daher pflegten unsre Matrosen ihn den Großadmiral zu nennen. Das Ansehen des Priesters aber war um nichts geringer, wie schon zur Gnüge aus dem Umstände erhellet, daß die übrigen Befehlshaber die Geschenke welche sie von uns erhielten, dem Latu einhändigen mußten, der Priester aber die seinigen für sich behalten durfte. Oftmals sahen wir die Vornehmeren dem Volke etwas anbefehlen, und dieses letztere gehorchte allezeit willig; inzwischen sähe man doch nicht, daß sich diese Vorgesetzten, über die Früchte und Maaren des gemeinen Mannes, irgend eine Gewalt anmaßten; eben so wenig foderten sie ihnen auch die Sachen ab, die jene durch den Tauschhandel mit uns gewonnen hatten; folglich giebt es, wahrscheinlicher weise auch hier, einige Verordnungen die das Privat-Eigenthum sichern.
Auf den Marquesas- und auf der Osterinsel war der Unterschied zwischen den Vorgesetzten und den Unterthanen kaum merklich; jene hatten ausser dem Titel, nebst einem kleinen Gefolge, und einer (vielleicht um der Fremden willen angelegten) auszeichnendern Kleidung vor den übrigen nichts voraus. Ihr Ansehen, soweit wir solches aus einigen Ereignissen während unseres kurzen Aufenthalts beurtheilen konnten, schien mit dem Ansehen eines Vaters, die nächste Aehnlichkeit zu haben, sich mehr in Ermahnungen als in gebieterischen Befehlen auszulassen.
In den westlicher gelegenen Inseln, Mallikollo, Tanna, und Neukaledonien, fanden wir zwar Oberhäupter unter dem Titel, Elighi oder Eriki; allein, weder Ansehen noch sonst ein Unterscheidungszeichen schien, im Ganzen genommen, sie über den großen Haufen zu erheben. Vielleicht ist also die ganze Würde weiter nichts, als ein angeerbter Titel. Von den Gesetzen dieser Völker, könnten wir, denen es an Zeit, Gelegenheit und Sprachkenntniß mangelte, nicht ohne Vermessenheit sprechen. Wir sahen, daß sie Pflanzungen angelegt hatten, und fanden verschiedene kleine Familien mit der Ausrottung einzelner kleiner Bezirke Waldes beschäftigt; daß die Früchte ihres Schweisses ihr Eigenthum sind, läßt sich folglich wenigstens vermuthen.
O-Taheiti nebst den benachbarten Societätsinseln, sind solchergestalt die einzigen Inseln im Südmeere, wo der Anbau einigen Fortgang gehabt hat, ohne daß auf der andern Seite die Mängel der Staasverfassung diesen Vortheil überwiegen. Ueberhaupt aber vermuthe ich, daß jene Völker, sich selbst überlassen, zwar nicht leicht auf eine geringere Stufe der Vervollkommnung zurück sinken, jedoch, wegen des unbeträchtlichen Umfanges ihrer Inseln, auch nie mit schnellen Schritten zu höherer Kultur gelangen werden, wofern nicht etwa ausserordentliche Mittel hinzukommen. Sollte der Eroberungsgeist mehrere Inseln zu einem Staatskörper vereinigen, so dürfte es immer noch ganze Jahrhunderte erfordern, ehe die Feindseligkeit und Eifersucht zwischen den Siegern und den Unterjochten sich verlieren, und ein großes mächtiges Volk entstehen könnte. Ohne eine solche Vereinigung aber, sind, in den Wissenschaften, in der Sittlichkeit, in Künsten, in Manufakturen und im Ackerbau, die höchsten Gipfel der Aufklärung nicht zu erreichen.