Georg Forster
Bemerkungen ... auf seiner Reise um die Welt ...
Georg Forster

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Fünfter Abschnitt.

Entstehung des Erdreichs.

Den Inseln im warmen Himmelsstriche des Südmeers sieht man es an, daß sie bereits lange Zeit in ihrer jetzigen Fruchtbarkeit bestanden sind. Hingegen sind die südllichen Spitzen Neuseelands, nebst dem Feuerlande, Staatenlande, Südgeorgien und Sandwichlande noch in jenem rohen Zustande, in welchem sie aus dem ursprünglichen Chaos hervorgetreten seyn mögen; jedoch mit dem Unterschiede, daß ihre Verbesserung und Fruchtbarkeit gleichsam mit jedem Schritte merklicher werden, den man von dem Pole nach dem gemäßigtern Himmelsstrich thut, woselbst die Sonne wohlthätiger würkt.

Alle verschiedene Theilgen mineralischer Körper, welcher Art sie immer seyn mögen, sind todt; nur die organischen Körper des Pflanzen- und Thierreichs sind des Lebens fähig. Todesstille, Unfruchtbarkeit, und Schrecken der Verwüstung herrschen, wo nur Mineralien nackt und unbekleidet liegen. Der geringste Zusatz von Kräutern belebt schon eine Gegend; unbeholfne Seehunde, so träg und schläfrig sie auch sind, und Pinguine, wie sie schwerfällig wankend einhergehen, sind doch bewegliche Bilder, die schon einigermaßen den Zuschauer mit Leben erfreuen. Wo aber der Boden in seinem vielfarbigen Pflanzenkleide prangt, wo alles von Vögeln und andern Thierarten wimmelt, da steigt der Gedanke zu den Lebenskräften der Natur empor, und wagt den kühnen Flug hinauf zu ihrem allgewaltigen Herrn! – –

Kein Erdenstäubgen scheint auf den wilden Felsen des Sandwichlands zu ruhen, keine Spur von Gewächsen läßt sich dort erblicken. Eine unermeßliche Last bleibenden Schnees drückt seine öden Scheren gleichsam mit dem Fluche der Natur, und alles ist von immerwährenden Nebeln in Finsterniß gehülltPars mundi damnata a rerum natura, et aeterna mersa caligine.
PLIN. hist. nat. I.4.
.

An der Nordwestspitze von Südgeorgien erblickt man bereits eine kleine Insel mit grünem Rasen bedeckt; zween Felsen in der Posseßionsbay, mit dünnem Erdreich überzogen und mit Pflanzen sparsam bestreut, zeigten uns dort das erste Würken der schöpferischen Natur. Ihre Geschenke, mit karger Hand ausgespendet, bestanden daselbst nur in zwo Pflanzenarten, deren eine ein Gras (Dactylis), die andre ein Pimpernellenähnliches Gewächs, AncystrumIrrig heißt es im Original sowohl, als in meiner Reisebeschreibung 2ter Theil S. 414. eine würkliche Pimpernelle, (Sangnisorba Linn.) G. F., war.

Staatenland und Feuerland, die zunächst nach Westen liegen, können, Aehnlichkeit halber füglich zusammengenommen werden. In den Klüften und Spaltungen dieser aufgethürmten Felsenhaufen, – an solchen Stellen, wo etwas Feuchtigkeit, und ein ganz feiner Sand oder Staub, von dem beständigen Rollen kleiner Bruchstücke, die an den steilen Felsenwänden herabgewaschen oder vom Sturme fortgewälzt werden, liegen bleibt, – da entstehen allmälig einige wenige Pflänzgen, die den algis verwandt sind, und deren Saamen etwa an den Füßen, Schnäbeln oder Federn der Vögel zufälligerweise dorthin geführt wurden. Bald verweset dieser kleine organische Anfang am Schluß des kurzen Sommers, und wird zu Erde, welche solchergestalt ihren kleinen jährlichen Zuwachs erhält. Wind oder Welle, Vogel oder Insekt, trägt dann die Saamen moosartiger Gewächse auf diesen geringen Vorrath, worinn sie Wurzel schlagen und wuchern, sobald es die Jahreszeit mit sich bringt. Ohne würkliche Moose zu seyn, haben einige hier befindliche Pflänzgen in der That eine äusserliche Aehnlichkeit im Wachsthum mit den Moosen. Wir zählen hieher die Ixia Pumilla, die Donatia (ein neues Geschlecht), ein kleines Melanthium, eine Zwergart des Sauerklees (Oxalis), eine kleine Ringelblume (Calendula), die Phyllachne und das Mniarum (zwey neue Geschlechter.)FORSTER, Nova Genera Plantarum Lond. 1776. 410. Alle, oder die mehresten dieser Gewächsarten, haben eine ihrer Heimath besonders angemessene Struktur, wodurch die Vermehrung des Erdreichs vorzüglich befördert wird. Ihre vielen Stengel und Zweige liegen so dicht als möglich aneinandergepreßt, und so wie nach und nach die ältesten Fasern, Wurzeln, Stengel und Blätter vermodern, zu Torf, und zuletzt zu guter Gartenerde sich verwandlen, wächst oben die Pflanze fort, schießt frische Stengel und neue Blätter, und streut ihre Saamen um sich her, bis ein beträchtliches Plätzchen ganz mit ihrem Wasen bedeckt ist. Unter den dicht geflochtnen Fasern dieser Pflanzen verfliegt die Feuchtigkeit des Erdreichs nicht so leicht, sondern versieht jederzeit die obersten Spitzen mit hinreichender Nahrung, bis endlich ein immerwährend Grün ganze Hügel und Eilande kleidet. Sodann keimt unter diese Zwergen des Pflanzenreichs, jedoch ohne ihr Wachsthum zu schmälern, bald ein und andres ansehnlicheres Kraut hervor. Dahin gehören eine ganz kleine Sandbeere (Arbutus) ein kleines Myrtenähnliches Gewächs (Leantria, Banks.), eine Bürstenart (Perdicium), ein kleines kriechendes Dickblatt (Crassula), das gemeine Alpenfettkraut Pinguicula alpina Linn.), eine gelbe Spielart der Sumpfviole (Viola palustris), der Seelavendel (Statice Armeria Linn.), der lapländische Hanenfuß (Ranunculus lapponicus), das wohlriechende Roßgras (Holcus odoratus Linn.), ein Gänsekraut (Arabis herophylla), und die gemeine Selery. Auf diese folgen noch in dem nämlichen Moosartigen Bette, eine Binsenart (Juncus uniglumis), eine schöne Amelle (Amellus) und eine noch schönere scharlachne Chelone, auch selbst einige Staudengewächse, nämlich das Embothrium coccineum (ein neues Geschlecht), zwo neue Saueracharten (Berberis ilicifolia, und minor) eine andre Art Sandbeeren (Arbutus mucronata), und endlich der Wintersrindenbaum, (Drimys Winteri), welcher in den felsigten öden Gegenden des Feuerlandes, von denen hier hauptsächlich die Rede ist, nicht größer als ein ziemlicher Strauch wird, hingegen an der östlichen Küste, um Succeßbay herum, aus sanften Anhöhen und tiefen Schichten fetter Erde, zur Höhe und Stärke des besten Bauholzes hinanwächstUeberhaupt muß wohl gemerkt werden, daß die nordöstliche Küste des Feuerlandes, von dessen übrigen Gegenden, so wie von dem gegenüberliegenden Staatenlande gänzlich verschieden ist. Das stärkere Wachsthum der Pflanzen und die Lage der Berge, welche mit sanftem Abhange fallen, sind hinreichende Beweise, daß daselbst ein milderes Klima herrscht. G. F.. Das abgefallene Laub dieser Pflanzen, die stets von unten auf modernden Moosgewächse, und ähnliche Umstände, vermehren und erhöhen also immerfort die fruchtbare Erdschicht bis sie fähig wird, größere organische Körper zu nähren; das Reich der Pflanzen greift immer weiter um sich, und entwickelt in den leidenden, unförmlichen Theilen der Schöpfung ein neues Leben.

Ich kann nicht umhin, hier noch die besondre Art des Wachsthums eines gewissen Grases zu beschreiben, welches auf den Neujahrsinseln den Staatenland, und ebenfalls auf Südgeorgien wächst, ich meyne das bekannte Hundsgras (Dactylis glomerata Linn.), oder eine Spielart desselben. Dieses perennirende Gras hält die härtesten Winter aus, und wächst in Büscheln, welche in geringer Entfernung von einander stehen. Jährlich bekommt jedes Büschel, eine neue Krone, durch einen ansehnlichen Zusatz, bis es zuletzt 4 bis 5 Fuß hoch, und oben zwey- auch dreymal breiter als an der Wurzel ist. Die Blätter und Halme sind stark und oft 3 bis 4 Schuh lang. Seebären und Pinguine lagern sich zwischen diese Büschel, wenn sie triefend aus dem Meere kommen; die Zwischenräume sind daher so sumpfigt und kothig, daß man, ohne von einem Büschel zum andern zu hüpfen, nicht fortkommen kann. An einigen Orten findet man die Seeraben (Pelecanus caruncularus) im Besitz dieser Erhöhungen, auf denen sie schaarenweis nisten. Der Auswurf aller dieser Thiere und das Wachsthum der Pflanze selbst muß nothwendigerweise zur Vermehrung des guten Erdreichs vieles beytragen.

In Neuseeland findet man bereits einen ansehnlichern Vorrath fruchtbarer Erde, die natürliche Folge eines milderen Himmelsstrichs, des längeren Sommers, und des stärkern und schnellern Wachsthums der Pflanzen; doch hat die Natur hier offenbar denselben Pfad, wie auf dem Feuerlande, gewandelt. Große Strecken Landes sind mit allerley Farrnkräutern und Moosgewächsen, (hauptsächlich dem Mniaro,) überwachsen, in deren verweseten Ueberbleibseln ein zahlreiches Heer von Sträuchen, in der Folge, Nahrung findet. Alsdenn wächst der reiche Vorrath von Moorerde immer in schnellsteigendem Verhältniß von dem abgefallnen Laube, bis die größren Bäume darinn wurzeln, und zu erstaunlicher Höhe und Dicke wachsen können. Im hohen Alter, wenn ihre Stämme angefault und hohl geworden sind, fällt sie einst ein heftiger Sturm. In ihrem Sturz erdrücken sie unzählige Sträuche und Stauden; alles modert zusammen, und wird aufgelöst, um einer frischen Saat von jungen Bäumen Raum und Saft zu geben, die, ihrer Bestimmung nach, eben so der Verwesung zugeführt, und der spätern Nachkommenschaft aus dem Wege geräumt wird. Solchergestalt gehört diese anscheinende Zerstörung und Verwirrung, zum weisen Haushalt der Natur, welche hier Schätze des besten Erdreichs, vielleicht für die Bedürfnisse künftiger Völkerschaften, sammelt.

Terra nos nascentes excipit, natos alit, semelque editos sustinet semper: novissime complexa gremio, iam a reliqua natura abdicatos, tum maxime ut mater operiens – benigna, mitis, indulgens, ususque mortalium semper ancilla! quae coacta generat! quae sponte fundit! quos odores, saporesque! quos succos! quos tactus! quos colores! quam bona fide creditum foenus reddit! quae nostri causa alit!
PLIN hist. nat. l. 2. c. lxjjj.

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