Georg Forster
Bemerkungen ... auf seiner Reise um die Welt ...
Georg Forster

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Vierter Abschnitt.

Berge.

Alle Inseln in den verschiedenen Meeren, welche wir durchschifft haben, können füglich als unter Wasser liegende Gebirgsketten, deren Gipfel hervorragen, betrachtet werden. Die größte Tiefe des Meeres ist die Fläche, auf welcher diese Erhöhungen, theils einzeln theils aneinandergereihet und oft in einerley Richtung liegen. Ich begnüge mich vorjetzt, verschiedene dieser umflossenen Gebirgsreihen anzuzeigen.

Am Vorgebirge der guten Hoffnung erzählte man uns, im November 1772, daß einige französische Seefahrer in dem südlichen indianischen Weltmeere, ohngefähr auf dem Meridian der Moritzinsel (Isle de France) und im 48° der südlichen Breite, ein neues Land entdeckt hätten. Wir suchten dem zufolge, als wir zum erstenmal den antarktischen Polkreis überschritten hatten, in der angegebenen Meeresgegend nach diesem Lande, waren aber, ohngeachtet vieler Merkmale welche uns dessen Nähe wahrscheinlich machten, nicht so glücklich, es zu finden. Bey unsrer Rückkunft ans Vorgebirge der guten Hoffnung, im März 1775, fanden wir daselbst den französischen Capitain Crozet, welcher mit seinem unglücklichen Freunde Marion eine Entdeckungsreise gethan, und ebenfalls im südlich-indianischen Meere einige kleine nebst einer größern Insel gefunden hatte. Diese Inseln, welche alle in der Richtung von West nach Osten liegen, und die obigen, von dem Hrn. von Kerguelen gesehenen, findet man zuerst auf der, unter Aufsicht des Herzogs von Croy herausgekommenen, Charte der südlichen Halbkugel, von Robert de Vaugondy. Vermuthlich wird Capitain Cook auf seiner jetzigen Reise ihre Lage berichtigen,Die Nachricht von des unglücklichen Cooks letzter Reise hat diese Vermuthung völlig bestätigt. Er hat diese Inselgruppe auf der Fahrt vom Vorgebirge der guten Hoffnung nach Neuseeland besucht. und dadurch unsern mißlungenen Versuch, sie aufzufinden, ersetzen. Sie bilden also eine von West nach Osten streichende Gebirgskette unter dem Wasser. Fast in der nämlichen Richtung erstreckt sich jene andre Reihe von Gebirgen, im südatlantischen Meere, welche aus dem Sandwichland, Südgeorgien, den Falklandsinseln, Staatenland, und den vielen Eilanden des Feuerlandes besteht, und theils auf unserer Reise, theils von andern Seefahrern besucht worden ist. – Eine dritte Reihe bilden die niedrigen Inseln ostwärts von Taheiti, die Societätsinseln, die freundschaftlichen Inseln, die Neuen Hebriden, Neukaledonien, und die dazwischen eingestreuten Eilande: Scilly, Howe, Palliser, Palmerston, Savage-Eiland und Turtle Eiland, ferner die Hoffnungs- (hope) und Kokosinseln, des Capitain Carterets Charlotteninseln, nebst vielen andern, welche bis an Neuirrland, Neubritannien und Neuguinea den ungeheuren Raum von mehr als zwey Drittheilen des großen Südmeeres einnehmen.

Als ein Zweig dieser großen Bergkette scheint Norfolk-Eiland und Neuseeland von Nord nach Süden auszugehen; und so gereicht die verschiedene Richtung der Gebirge unter dem Ocean, wie der Knochenbau im Körper, vielleicht zur mehrern Festigkeit und Stärke unserer Erdkugel.

Die Höhe dieser Gebirge kommt zunächst in Betrachtung. Der Berg Egmont im nördlichen Theile von Neuseeland ist, meines Urtheils, der höchste, den wir auf dieser Reise gesehen haben. Sein Gipfel war sehr weit herabwärts mit Schnee bedeckt, und fast beständig in Wolken gehüllt, so daß wir ihn nur selten deutlich sehen konnten.

Im südlichen Frankreich, unter dem 46°. nördlicher Breite, schmilzt der Schnee nicht mehr in einer Höhe von 3280 bis 3400 englischen Yards (zu 3 Fuß) über der Oberfläche des MeeresEintausend fünfhundert Teisen (3194 Yards) giebt der Abt Giraud-Soulavie für die Höhe der beständigen Schneelinie im südlichen Frankreich an. S. Géographie de la Nature. p. 12. G. F.). Im 28°. nördlicher Breite, auf dem Pik de Teyde, in der Insel Teneriffa, findet man nicht eher beständigen Schnee, als in einer senkrechten Höhe von 4472 englischen Yards (13416 englischen Schuhen) über der Wasserwaage. Nun liegt zwar der Egmontsberg im 39°. südlicher Breite, allein da wir durchgehends die südliche Halbkugel auf gleichen Graden der Breite ungleich kälter als die nördliche befunden haben, so nehme ich an, daß das Klima des Egmonts dem vorerwähnten französischen völlig gleich, folglich die Schneelinie auf 3280 Yards (9840 Fuß) festzusetzen sey. Der Theil des Berges, welcher in der Mitte des Oktobers mit Schnee bedeckt war, schien ohngefähr ein Drittheil der ganzen Höhe zu betragen, mithin beläuft sich dessen ganze Höhe auf 4920 englische Yards oder 14720 engl. Fuß. Nach den Messungen des verstorbnen Dr. Heberden ist also der Pik von Teneriffa nur um ein geringes höher als der EgmontsbergSeine Berechnung giebt dem Pik eine Höhe von 15396 engl. Schuh, Philos. Transact. Vol. XLVII. p. 356. Er bemerkt ferner, daß der Zuckerhut zuoberst auf dem Pik, aber die sogenannte Pericosa, ein Achttheil einer großen Seemeile (league) bis zum höchsten Gipfel beträgt, und fast Jahr aus Jahr ein mit Schnee bedeckt ist. Ein Achttheil Seemeile oder 1980 Fuß von obigen 15396 Fuß, der ganzen Höhe des des Piks abgezogen, so bleiben nach dieser Angabe 13416 Fuß, oder (wie ich schon oben anführte) 4472 Yards, als die senkrechte Höhe der Schneelinie über dem Meere. Allein der Ritter von Borda giebt dem Pik von Teneriffa, zufolge seiner im August 1776 angestellten barometrischen Messung nur 1931 französische Toisen, oder 12340 engl. Fuß; und seine trigonometrische Messung gab ihm beynahe das nämliche Resultat. Also 1980 Fuß, als die Höhe des mit Schnee bedeckten Theils von 12340 abgezogen, bleiben nur 10360 Fuß (3454 Yards) als die Höhe der beständigen Schneelinie über dem Meere in einer nördlichen Breite von 28 Graden und etlichen Minuten. F. Diese Berechnung kommt wieder mit der für Frankreich angegebenen Schneelinie von 1500 Toisen, (nach dem Abt Giraud-Soulavie) oder 3194 Yards mehr überein, indem alsdenn diese Schneelinie in einem gleichmäßig fortschreitenden Verhältnisse sich gegen die Pole zu, der Erd- oder Meeresfläche nähert. Nur würde in solchem Falle der Egmontsberg, nach dem Klima vom Vivarais berechnet, nicht über 2250 Toisen oder 4791 Yards, oder 14373 engl. Fuß hoch, und gleichwohl 2033 Fuß höher seyn, als (nach Bordas Rechnung) der Pik von Teneriffa ist. G.F.). Auch die Gipfel anderer hoher Gebirge im Innern von Neuseeland, beydes in der Gegend von Charlottensund und um Dustybay, sind ziemlich weit herab mit ewigem Schnee bedeckt. Im May 1773 bemerkten wir alle diese Schneekuppen zwischen den beyden benannten Häven; und noch desselben Jahrs im Oktober, da uns der Sturm, an der südöstlichen Küste, beynah bis Banks-Eiland herauf verschlug, erblickten wir sie wiederum auf der südlichen Insel. Es ist also ziemlich gewiß, daß eine ununterbrochene Gebirgskette die ganze südliche Insel gleichsam durchstreicht, deren Gipfel zwischen zwölf und vierzehntausend Fuß hoch sind. In einer so langen Reihe von Bergen lassen sich mit vieler Wahrscheinlichkeit die reichsten und nützlichsten Metalladern vermuthen.

Die Gebirge im Feuerlande, Staatenlande, Südgeorgien und Sandwichland sind beständig mit Schnee bedeckt, mit dem Unterschiede, daß auf den beyden ersteren blos die Gipfel der Berge, auf den letzteren hingegen alles, bis an die Meeresfläche, und zwar mitten im Sommer verschneyet ist. Hier läuft also die beständige Schneelinie ganz niedrig an der Oberfläche des Meeres fort, und bezeichnet die Rauhigkeit dieses Himmelsstriches zur Genüge. Aeusserst merkwürdig ist es, daß beydes, Südgeorgien und Sandwichland, Inseln sind, welche die nasse und mildere Seeluft umgiebt und bestreicht, mithin, sollte man denken, wird daselbst immer noch etwas zur Milderung der Kälte und der rohen Witterung gewirkt.

Unter den Inseln des Südmeeres innerhalb der Wendekreise, hat O-Taheiti so viel ich weiß, den höchsten Berg, und zwar ist es derjenige, welcher im Mittelpunkt der größern Halbinsel, oder Tobreonu liegt. Eine große Anzahl sehr tiefer Thäler durchschneidet ihn auf allen Seiten; ihre Richtung ist gerade von dem Mittelpunkte ab, wo die höchste Spitze emporragt, fast wie Strahlen eines Zirkels nach der Küste hin. An vielen Orten steigt man bequem auf einer sanften Anhöhe hinan zur höchsten Spitze, welche nach einer ziemlich genauen Berechnung ohngefähr sieben englische Meilen von der Landzunge Venus, oder der nördlichsten flachen Spitze der Insel entfernt ist. Cooks CharteHawkesworths Samml. in 4to. zweiter Band. giebt zwar die Distanz von 9 Meilen an; allein ich finde diese Angabe, nach zwey verschiedenen Reisen auf den Berg, um so mehr übertrieben, da das Thal, in welchem der Matavaistrom fließt, kaum sechs Meilen lang, und demohngeachtet beynah eben so weit, als der Gipfel dieses Berges von der See entfernt ist, landeinwärts dringt. Der Sternkundige am Bord unsers Schiffs, Herr Wales, maß den Winkel, welchen der Berg mit der Meeresfläche macht, in seiner Sternwarte auf der Landspitze Venus, und fand ihn genau 15°. Läßt sich nun auf diese beyden gegebenen Größen hinlänglich fußen, so giebt die gewöhnliche trigonometrische Berechnung dem Berge eine Höhe von 9565 Engl. FußDie Würkung der Strahlenbrechung abgerechnet, ist die Höhe nur 9530 Fuß. Sollte aber die Grundlinie 9 Engl. Meilen betragen, wie die Charte ausgiebt, so wäre der Berg 12252 Fuß hoch.. Auch die kleinere taheitische Halbinsel, oder Tiarrabu, ist im Mittelpunkte eine große Felsenmasse, deren Gipfel aber so steil, schroff und an einigen Orten so seltsam aufgethürmt sind, daß man ihnen eine heftige Erschütterung und Veränderung durchs Feuer oder durch andere gewaltsam würkende Mittel ansehen muß.

Auf allen übrigen Inseln des Südmeeres zwischen den Wendekreisen sind die Berge von mäßiger Höhe, und wenigstens um ein Drittheil niedriger als in Tobreonu; hoch genug, um Wolken anzuziehen, jedoch tief unter der Schneelinie wegstreichend, welche in Peru unter dem Equator bekanntlich erst in der Höhe von 16020 Engl. Schuhen über dem Meere eintritt.

Es ist hier der Ort, etwas über diese verschiedene Höhe der Schneelinie zu sagen, welche an den Polen die Meeresfläche berührt, und von da bis zum Equator immer höher in der Atmosphäre steigt, um, wo möglich, nach obigen Bemerkungen, ihre muthmaßliche Entstehungsursach zu errrathen. Erstlich müssen die Sonnenstrahlen wo sie senkrecht fallen, eine größere Hitze verursachen, als an denjenigen Orten wo die schiefere Richtung ihre mechanische Kraft vermindert. Zweytens erhitzen die von den Ungleichheiten des Erdbodens abprallende Strahlen, die sich auf verschiedene Art durchkreuzen, den Dunstkreis nahe an der Erdfläche weit mehr als in der Höhe. Endlich drittens, ist nach den Gesetzen der Schwere die Luft je näher am Erdboden je dicker, mithin mit Dünsten reichlicher beladen, welche die ihnen mitgetheilte Hitze länger in sich halten könnenInferiora quoque repent, primum terrarum halitu, qui multum secum calidi affert, deinde quia radii solis replicantur et qousque redire potuerunt, replicato calore beniguius fovent. SENEC. Nat. Quaest. 1. 2. c. 10.. Das Gegentheil muß in der höhern Luft statt finden, welche dünner und unfähig ist, die Wärme an sich zu haltenWenn Crawfords neue Lehre gelten soll, könnte man dies auch so erklären, daß eine dünnere Luft blos eine reinere Luft ist, in deren größern Feuerräumen (wenn man sich so ausdrücken darf,) also mehr Feuer oder Wärme stecken kann, ohne gleichwohl fühlbar zu werden. S. Götting, Magazin erster Jahrgang. G.F.. Aus diesen Grundsätzen lassen sich die Erscheinungen der Schneelinie erklären. Zwischen den Wendekreisen ist Erde sowohl als Luft erhitzter als gegen die Pole, indem die Sonne dort mehr senkrecht, hier aber in schiefern Winkeln folglich nicht so thätig würkt. Im heißen Erdstrich ragen demnach die Berge in einer erhitztern Dunstkugel empor, und jene Linie, über welche hinaus der Schnee nicht mehr schmilzt, muß daselbst unstreitig höher über der Erdfläche erhaben seyn als an den Polen, wo die Würkung der Sonne weder kräftig noch dauernd ist. Die Luft, als Flüßigkeit betrachtet, welche den ganzen Erdkörper umgiebt, ist mit diesem einerley Naturgesetzen unterworfen. Die Schwere, welche unter dem Equator bekanntlich geringer als gegen die Pole hin ist, äußert also auch zwischen den Wendekreisen eine geringere Kraft auf den Luftkreis, als ausserhalb jenen Gränzen. Ist nun die Luft, theils von der Sonnenwärme theils durch die verringerte Anziehungskraft, im heißen Erdstriche mehr ausgedehnt, und höher über die Erdfläche gestiegen, so folgt auch daraus, daß die Schneelinie dort höher über der Erde fortstreifen müsse. Warum es aber in der südlichen Halbkugel, in gleichen Graden der Breite, kälter als in der nördlichen seyn mag, werde ich in einem der folgenden Abschnitte, wo von der Entstehung des Eises die Rede ist, zu erklären suchen.


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