Georg Forster
Bemerkungen ... auf seiner Reise um die Welt ...
Georg Forster

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Vierter Abschnitt.

Winde.

Zu den merkwürdigsten Veränderungen des Luftkreises, gehören die Winde, deren Geschichte, ohnerachtet ihrer Allgemeinheit, noch sehr unvollständig ist, und aus Mangel an zuverläßigen Beobachtungen so bleiben muß. Wir eilen oft alsdenn am meisten mit unsern Arbeiten und den Folgerungen aus unsern Erfahrungen, wenn wir die größte Ursach hätten, erst zwey bis drey Jahrhunderte hindurch blos Materialien zu sammlen, und dann die Nachwelt schließen zu lassen. Mit wenigen Thatsachen geht es frisch an ein System, welches auf zweifelhaften Erfahrungen ruht, mit Vermuthungen ergänzt wird, und bald von selbst zerfällt, oder seinen Gegnern den Sieg nicht schwer machen kann. Um diesem Schicksale zu entgehen, schränken wir uns hier alleinig auf Thatsachen ein, überlassen anderen die Entscheidung, und geben unsere Schlüsse für nichts Bessers, als was sie würklich sind, für bloße Vermuthungen aus.

1) Beständige Winde.

Zwischen den Wendekreisen fanden wir die dort gewöhnlichen bestimmten Winde. Im Jahr 1772 verließen wir England in der Mitte des Julius, und erhielten bereits am Cap Finisterre in Spanien einen Nordostwind, welcher uns bis in die Nähe des Aequators begleitete. Wir bekamen daselbst, (Ausgangs Augusts) einen S.S.W, oder Süd-Westwind mit Regen begleitet, womit wir unsern Lauf Südost, oder Südost gen Osten nehmen mußten. Am 8ten September, noch um den Aequator, setzte sich der Wind in Süden und nach Verlauf von zween Tagen in Süd-Südost, so daß wir südwestlich seegeln konnten. Je mehr wir uns dem südlichen Wendekreise des Steinbocks näherten, je mehr wandte sich der Wind ostwärts, bis Ost gen Norden, und Nordost, indem wir am Ende Septembers, bereits jenseits des Wendekreises den Strich nach Süd-Osten halten konnten. Am 11ten October liefen wir Ost gen Süden, und am 16ten völlig Ost, indem der Wind schon aus Norden, auch N. zu W. kam. Am 25sten October kehrte er zwar wieder etwas nach Osten zurück, allein die Westwinde, welche sich zwischendurch, obgleich von kurzer Dauer, einfanden, führten uns auf das Vorgebirge der guten Hoffnung, woselbst wir, nach einer unruhigen Nacht, in der Tafelbay vor Anker legten. Aus diesen Beobachtungen läßt sich der Bezirk, worinn die Passatwinde herrschen, genau abmessen, und ihre verschiedene Richtung beurtheilen. An den Gränzen der entgegengesetzten Winde, gieng nur ein schwaches lüftgen, oder es stellte sich eine kleine Windstille ein.

Auf der Fahrt von Neu-Seeland nach Taheiti erhielten wir am 2osten Julius 1773 um den 30sten Grad südlicher Breite einen Südost, den wir anfänglich für den ächten Passatwind hielten. Die bald erfolgten vielfältigen Veränderungen aber, überzeugten uns von unserm Irrthume; auch fanden wir den beständigen Passat nicht eher als in 19 Graden S.Br. am 7ten August. Die Stärke dieses Windes war sich nicht immer gleich, und pflegte besonders in der Nähe von Inseln abzuwechseln. Er führte uns am 16ten August nach O-Taheiti.

Derselbe Südost-Passat brachte uns von den Societäts-Inseln nach den freundschaftlichen Eilanden, Eauhwe und Tongatabu (Mittelburg und Amsterdam-Inseln). Verschiedenemal setzte er bey herannahenden Regen- und Gewitterwolken, etliche Striche weit um, kam aber, sobald diese vorüber waren, wieder an seinen rechten Standort zurück. Vielleicht konnten auch diese Veränderungen von einem nahgelegenen Lande entstehen; denn ohnerachtet wir auf dieser Fahrt nur ein niedriges Eiland erblickten , so ist es doch nicht unwahrscheinlich, daß wir in kleiner Entfernung bey verschiedenen andern, die uns ihre geringe Höhe, oder das Dunkel der Nacht verbarg, vorübergefahren sind. Ein etwas nördlicherer Strich, den wir im folgenden Jahre hielten, ließ uns gleich mehrere Entdeckungen machen.

Von Tongatabu bis außerhalb des Wendekreises, zum 32,° S.Br. behielten wir noch immer den nemlichen Passat.

Im Jahr 1774 auf der Rückkehr von dem südlichen Eismeere, fanden wir bereits am 6ten März, in 29.° S.Br. den Südostwind, der uns bis zur Oster-Insel getreu blieb, und noch jenseits derselben begleitete. Am 21sten März aber, um 3 Uhr Nachmittags, ohngefähr in 22°.45' S.Br. kam uns unvermuthet ein Windstoß gerade aus Nordwest entgegen, worauf ein starker Regenguß erfolgte. Kaum war dieser vorüber, als unser Passat zurückkehrte, und, einige regnigte Augenblicke abgerechnet, frisch anhielt, bis wir die Marquesen-Eilande erreichten, wo Regen und harte Windstöße unser warteten. Mit diesem Südost-Passatwinde richteten wir von den Marquesas unsern Lauf S.S.W. hernach S.W. und zuletzt West ½ S. Einige flache Eilande, welche auf unserem Wege lagen, nöthigten uns noch etlichemal, unsere Richtung zu ändern, ehe wir das zweytemal Taheiti erreichten. Auf der zwoten Fahrt von den Societäts- nach den freundschaftlichen Eilanden, diente uns ebenfalls der Südost, der blos in der Nahe einer Insel, oder wenn starke Regenschauer angezogen kamen , nach Westen umsprang. Zuweilen ward es auch windstill. Von der Insel Namocka (Rotterdam-Eiland) gieng die Fahrt zwischen den Inseln Ogbao und Tofua hindurch; allein, wegen des noch immer anhaltenden Südost-Windes, nicht nach Tongatabu, wohin wir anfänglich wollten, sondern nach den neuen Hebriden und Neukaladonien, wo wir viele heftige Windstöße, Regen, und zuweilen Windstillen bekamen. Der Südwind, womit wir Neukaledonien verließen, wandte sich allmälig nach S.S.W., und W. gegen Süd, blieb endlich ganz im Westen stehen und führte uns zum drittenmal nach Charlottensund in Neuseeland.

Im Jahr 1775 verließen wir das Vorgebirge der guten Hoffnung mit einem frischen Südost, der öfters noch mehr ins östliche gieng, und sich zulezt so gänzlich verlohr, daß es vom 10ten, bis in die Nacht des 13ten Mays, Windstille war. Darauf bekamen wir den ächten Südost-Passat, welcher uns nach den Inseln S.Helena, Ascension, Fernando de Noronha, und bis zum 4ten Grade N. Br. führte. Zwischen S.Helena und der Linie kamen zuweilen heftige Windstöße, mit Regen, die in jener Gegend gewöhnlich sind. Im 4ten ° N.Br. erfolgte eine Windstille vom 15ten bis 19ten Junius, welche mit Gewittern anfieng, und von vielem Regen begleitet war. Darauf wehete ein leichtes Nordlüftgen, welches des Nachts zum Nordnordost, und endlich Nordostwinde ward, und immermehr anhielt, je weiter wir nordwärts kamen. Ueber den Wendekreis des Krebses hinaus fanden wir Ostnordost-Winde, die oft nur 5 ½ Grad nördlich blieben, bis wir im 27sten° oder 28sten° N.Br. wieder veränderliche Winde erhielten.

Aus dieser umständlichen Erzählung ziehen wir nachstehende Folgerungen:

1) Erstrecken sich die Passatwinbe zuweilen auch außerhalb der Wendekreise, bis in die gemäßigten Erdstriche. Dies geschieht aber hauptsächlich in derselben Halbkugel, wo die Sonne steht. Ja, die Gränzen der Passatwinde scheinen sogar, nach der Entfernung oder Annäherung der Sonne, sich allmälig auf einer Seite zu erweitern und auf der andern einzuschränken.

2) Werden die Passatwinde im Südmeere, zuweilen von Windstillen, oder entgegengesetzten Westwinden unterbrochen, wobey Regen und Gewitter nicht selten sind.

3) Aendert oder hemmt ein nahes Land zuweilen den Passat, zumal, wenn es von beträchtlicher Höhe ist.

4) Fallen Windstillen nicht selten, mit Regen begleitet, auf den Gränzen vor, wo das Gebiet oder Revier eines Windes aufhört, und ein anderes anfängt.

Die Sonne, welche um Mittag im heißen Erdstrich fast beständig über dem Scheitel steht, und die Luft erstaunlich verdünnt, wird für die Ursache der östlichen Winde gehalten, welche in den großen Meeren zwischen den Wendekreisen herrschen. Durch das Fortrücken auf der Bahn der Ekliptik kommt sie jeden Augenblick über einen andern Punkt des Erdbodens zu stehen; die verdünnte Gegend des Luftkreises rückt folglich ebenfalls weiter von Osten nach Westen, und so wie die Ursache jener Rarefaction (die Sonne) fortrückt und an einem Orte aufhört, so stürzt die nächstangränzende dickere Luft in die verdünnten Räume, um das Gleichgewicht zu ersetzen. Durch diese Strömung der Luft entsteht also der Passatwind, und erhält sich beständig in und bey den Wendekreisen. Die Nähe eines Landes, oder die Gegenwart elektrischer Wolken, sind gleichwol vermögend, diesen steten Zufluß auf eine Zeitlang zu hemmen.

Die Inseln im Südmeere genießen, ohnerachtet ihrer unbeträchtlichen Größe, den angenehmen Wechsel der See- und der Landlüfte. Der herrschende Passat weht mehrentheils nur bey Tage, und hauptsächlich nur an der Ostseite der Insel; er folgt sodann dem Umriß der Küste, so daß er sich fast aller Orten genau landwärts richtet, und zuweilen an der Westseite der Insel, eine kleine Strecke in die See, eine dem ordentlichen Passat gerad entgegengesetzte Richtung erhält. Zur Nachtzeit kehrt derselbe Wind gleichsam wieder vom Lande in See zurück. Doch sind die Gränzen dieses Landwindes sehr eingeschränkt, und nach Umständen, z.B. der Größe des Landes, sehr verschieden.

Die Westwinde herrschen zwar vorzüglich außerhalb der Wendekreise, jedoch ist ihre Beständigkeit beydes an Stärke und an Richtung nicht mit der fast immer gleichen Kraft des östlichen Passatwindes im heißen Erdstrich zu vergleichen.

So oft wir recht weit gegen den Südpol drangen, und bald in der Nähe, bald innerhalb des südlichen Polkreises schifften, fanden wir dort wiederum herrschende Ostwinde.Dergleichen Ostwinde haben auch andre Seefahrer in der Nähe beyder Pole gefunden. Recueil des Voyages, qui ont servi à l'établissement de la Compagnie des I.O. Vol. I. (In der dritten Reise des Barentz.)– DALRYMPLE'S Collection of Voyages in the Southern Atlantick Ocean. Capt. HALLEY'S Journal, p.32 – BARRINGTON'S Probability of reaching the Northpole p. 104 – Summary Observation and Facts, by Mr. VALTRAVERS, p. 20. Die gewöhnliche Strömung in jenen Meeren, kommt von Osten her, und ist sehr schnell und stark.

Ich erkläre mir nun den allgemeinen Zusammenhang der Winde, nach obigen Bemerkungen, folgendermassen: Der Ostpassat entsteht zwischen den Wendekreisen, von der Verdünnung der Luft, durch die im Scheitelpunct stehende Sonne. Die dadurch zuwege gebrachte beständige Strömung der Luft, muß an den Gränzen der gemäßigten Erdstriche einen Rücklauf (eddy) verursachen, wodurch nördliche oder südliche, und endlich weiter hin westliche Winde entstehen, welche in diesen mittleren Gegenden herrschen. Diesem Luftstrome, der sich hier ostwärts fort bewegt, hält alsdenn ein neuer Gegenwind von Osten her, in den kalten Erdstrichen das Gleichgewicht.

2) Veränderliche Winde.

Wenn im vorhergehenden von herrschenden Winden der gemäßigten und kalten Erdstriche gesprochen ward, so ist damit noch nicht gesagt, daß solche keinem Wechsel unterworfen sind. Die Beyspiele vom Gegentheile sind leicht gefunden. Zwischen 40° und 46° S.Br. im Südmeere, fanden wir 1773 ganz unvermuthete Ostwinde, welche uns auf unserer damaligen Fahrt sehr zuwider waren. Es war dabey merkwürdig, daß so oft der Wind sich änderte, welches zwischen dem 5ten Junius und 5ten Julius viermal geschah, er allmälig um den halben Compaß, und zwar unfehlbar in der, dem Laufe der Sonne entgegengesetzten Progression, fortrückte.

Um Neuseeland sind die Winde größtentheils westlich, und im Winter oft äußerst heftig.

Im Jahr 1774 herrschte der Westwind im November und December, von Neuseeland bis zum Feuerlande zwischen 42° und 54° S.Br. Andere Seefahrer haben in der Gegend des Feuerlandes mit stürmischen Meeren gekämpft. Wir fanden hier eine ruhige See und gelindes Wetter. Einige hier empfundene Windstöße waren nicht stärker, als wir sie bereits in andern Meeren ausgehalten hatten.

3) Sturm.

Das Wetter war während unserer ganzen Reise so leidlich, daß wir nur zweymal eigentlichen Sturm gehabt haben.

Am 23sten November 1772. als wir das Vorgebirge der guten Hoffnung verließen, und nach Süden schifften, hielten die Sturmwinde mit hochgethürmten Wellen, fast drey Wochen lang an.

Im October 1773 an der östlichen Küste von Neuseeland, wuchs der Wind, welcher bereits heftig war, allmälig zu einem völligen Sturme. Wir mußten alle Seegel einziehen, und mit den bloßen Masten uns den Wellen, welche sehr lang waren, preisgeben. Der Sturm, der von den Gebirgen mit Gewalt herabfuhr, heulte im Tauwerk, und versetzte unserm Schiffe die heftigsten Stöße. An den Seiten, und ganz übers Verdeck brachen die Wellen hinein. Auf dem Gipfel einer mächtigen Woge erblickten wir große Strecken des tobenden Meeres, und uns zu jeder Seite einen Abgrund, vom Winde aufgerissen: dann gleichsam in das Thal versenkt, wurden wir fast von den Fluthen ersäuft. Im Sturme wird der Schaum jeder brechenden Welle so gleich in Atomen von Dunst zertheilt, die sich, wie ein Nebel, dicht an der Oberfläche des Meeres verbreiten. Diese traurige Lage dauerte einige Tage hindurch, bis wir endlich das Glück hatten, nach verschiedenen mislungenen Versuchen, in einem gemäßigtern Zwischenraume, den erwünschten Hafen zu finden.


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