Georg Forster
Bemerkungen ... auf seiner Reise um die Welt ...
Georg Forster

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Zweyter Abschnitt.

Zufällige Veränderungen.

Die schöpferische Kunst des Menschen hat nicht die unbeträchtlichsten Veränderungen auf der Erdfläche hervorgebracht. Wo er, als Herr der Schöpfung, es nicht versucht sie anzuwenden, wo er alles unberührt läßt, da verschmachtet die Natur, da behält sie nur den Anschein des Lebens, und wird je länger je mehr durch die Verwilderung entstellt.Hrn. v. Büffons première vue de la Nature; Hist. Naturelle Tome XXVl. de l'édit. in 12mo. In ihren undurchdringlichen Wäldern stehen eine Menge verdorrter Bäume, und noch mehrere umgestürzte vermodern. Ihr Sturz streift den nächstumstehenden die Rinde ab, der Sturm zerbricht ihre Wipfel. Ein Labyrinth von Dornsträuchen und Schlingepflanzen bedeckt das Erdreich, und versagt dem Reisenden allen Zugang; was noch grünen möchte, wird unter Schwämmen und Moosen vergraben und erstickt. Ueberall stockt das Wasser, überall sieht man Moräste, deren grobfaserigte Gewächse den Land- und Wasserthieren gleich wenig Nahrung geben. –

Kaum aber tritt der Mensch in dieser Gegend mit bildenden Kräften hervor, so gewinnt sie eine neue, anmuthige Gestalt. Er vertilgt jene groben Sumpfgewächse, die ihm und andern Geschöpfen unbrauchbar sind. Er schafft sich und seinen Gehülfen Raum. Nahrhafte, oder sonst nützliche Pflanzen vervielfältigen sich durch seine Hand. Der Schutt und Moder zerstümmelter und verdorrter Baume wird sorgfältig weggeräumet, und schon dadurch die Luft von faulen Ausdünstungen gesäubert. Den stockenden Gewässern öfnet er einen Abfluß, und giebt ihnen Bewegung, Leben und Klarheit. Sie werden einer ganzen Welt von Geschöpfen, der sie gleich Anfangs bestimmt waren, wieder geschenkt. Jetzt trocknet allmählig die Erde, und auf ihrer fetten Rinde einsteht der schönste grüne Wasen, mit wohlriechenden Blumen bestreut. Auf jenen lachenden Wiesen, die nur sein Fleiß entstehen ließ, hüpfen schon zahlreiche Heerden. Welkt endlich das neue Elysium, vom brennenden Strahl der Mittagssonne, so leitet der Besitzer den rieselnden Bach auf die lechzende Flur, und labt jede Pflanze mit seiner erquickenden Welle. Der Brodbaum breitet hier seine schattigen Aeste mit Früchten beladen, um sich her. Die stolze Myrobalane (spondias) ringt um den Vorzug mit ihm, und prangt mit goldnen hesperischen Aepfeln. Junge Maulbeerstämme sprossen hier mit schnellem Wachsthum hervor; ihr feiner Splint (liber) wird künftig die Kleidung des Eigenthümers seyn. Schön und reich wird die Natur, wenn Menschenfleiß sie veredelt und benützt! Die geringste Arbeit des denkenden Geschöpfes bewürkt in ihr die glücklichsten Veränderungen! – – – – Wer erkennt nicht an diesen so entgegengesetzten Schilderungen der wilden und der angepflanzten Erde, dort die rauhen Scenen Neuseelands, hier die Zierde des Südmeers, das glückliche Taheiti?

Natürliche Ursachen einiger zufälligen Veränderungen auf unserm Erdboden, sind Winde, Regen, Ueberschwemmungen, Fluth und Strömung des Meeres, unterirdische Feuer und Erdbeben. Allein die kurze Dauer unseres Aufenthalts in den verschiedenen Ländereyen des Südmeeres, gestattete uns nicht, etwas vollständiges über diese Gegenstände aus unsern Beobachtungen zu ziehen. Nur von den drey Volkanen, die wir 1774 gesehen haben, noch einige Worte.

Wir hatten bereits zween Tage bey Namoka (Rotterdameiland) vor Anker gelegen, als wir zum erstenmal bey Tages Anbruch dreyzehn flache und zwey bergigte Eilande erblickten, von deren Westlichstem ein dicker Rauch aufstieg. Die Einwohner von Namoka nannten dieses Eiland Tofua. Nach zween andern Tagen schifften wir zwischen dieser, und der andern ganz nahgelegenen höheren Insel O-Ghao hindurch. Tofua war bis an die Gipfel des Berges mit Keulenholz (Casuarina equisetifolia) überwachsen; längst dem Strande aber, in der untern Gegend der Anhöhe, standen Kokospalmen und Pisangstämme. Die Einwohner gaben uns auch zu verstehen, daß Brodfruchtbäume und Yamwurzeln (Dioscorea) dort gepflanzt werden, und daß auf der Insel eine Quelle frischen Wassers fließt. Die Ufer bestehen aus schwarzen, fast säulenförmigen und zugleich sehr durchlöcherten Felsen, die allem Ansehen nach vom Feuer verändert sind. Am Strande liegt ein schwarzer Sand, und an den Ufern des nahgelegenen Namoka hatten wir schon angeschwemmte Bimssteine gefunden. Vom Gipfel des Berges wälzte sich eine Rauchwolke herab. Als wir uns unter dem Winde dieser Insel befanden, fieng es an zu regnen, und viele klagten, wenn die Tropfen ihnen ins Auge fielen über eine schmerzhafte Empfindung. Zugleich verbreitete sich ein Geruch von gebranntem Torf, Farrnkraut und andern Gewächsen. Ob ich gleich die ganze Zeit über auf dem Verdecke war, so empfand ich doch weder diesen Geruch, noch die Würkung des Regens. Mit letzterem fiel aber etwas Asche, die aus ganz feinen Bimssteintheilchen zu bestehen schienen. Ein ziemlich großer Theil des rauchenden Berges, an der Nordwestseite, schien erst neulich abgebrannt zu seyn. Ihre schwarze Farbe, ihre entblätterten Gebüsche, die nur an abschüssigen Orten oder Felsenritzen etwas grünes behalten hatten, dienten zum hinlänglichen Beweise. Wir fanden neben diesem Eilande keinen Ankergrund, und sahen uns daher genöthigt unsere Reise fortzusetzen, ohne fernere Bemerkungen über diesen Volkan anstellen zu können.

Unter den neuen Hebriden entdeckten wir südwärts und jenseits der Pfingstinsel, eine schöne große Insel, die sehr fruchtbar und stark angebauet zu seyn schien. Ohnweit des Gipfels ihrer Berge sahen wir an zwo verschiedenen Stellen einen Rauch aussteigen, der viel grauer von Farbe, als der Rauch der gewöhnlichen Feuer war, welche des Abends häufig erschienen, und woran die Einwohner vermuthlich ihre Speisen bereiteten. Die Einwohner der nahen Insel Mallikollo, woselbst wir bald hernach vor Anker legten, nannten jene volkanische Insel Ambrym, und erzählten uns, daß zu oberst aus ihren Bergen Feuer hervorbreche. An der Südostseite dieser Insel, welche sanft abhangend, und dem Anschein nach, sehr reich und fruchtbar ist, rollten weiße Rauchsäulen, mit vieler Heftigkeit, von einem der innersten Berge, welcher gleichwol nicht der höchste war, herab. Bimssteine von verschiedener Größe bedeckten den entgegengesetzten Strand von Mallikollo, woselbst unser zweytägiger Aufenthalt zu keinen fernern Beobachtungen Gelegenheit verstattete.

Die Insel Tanna, welche wir gleich nach Irromanga entdeckten, hat ebenfalls einen Volkan. Nachts vor unserer Ankunft, wurden wir daselbst ein großes Feuer gewahr, welches von Zeit zu Zeit mit Gewalt in die Höhe fuhr. Bey Tages Anbruch, nur noch einige englische Meilen weit von den Ufern entfernt, zeigte sich der Volkan ganz deutlich am Schluß einer Reihe von kleinen Hüqeln auf der Südostseite der Insel, hinter denen eine Gebirgsreihe von wenigstens gedoppelter Höhe lag; der Gipfel des Volkans mochte nicht über 360 bis 450 englische Fuß hoch über der Meereefläche erhaben, und vom Strande nicht über vier englische Meilen entlegen seyn. Er hatte eine gestutzte Kegelgestalt, war völlig entblößt von Pflanzen, rothgrauer Farbe, wie von Asche, Bimsstein und Lava zusammengesetzt. Alle vier oder fünf Minuten stieg eine Rauchsäule von ebenfalls röthlichem Grau, mit großer Schnelle und Gewalt, kerzengerade in die Höhe, und gleich darauf hörte man ein donnerndes Geprassel im Volkan. Wenn die Säule von Rauch, oder besser von glühender Asche, ziemlich hoch gestiegen war, fiel sie durch den Druck der Luft und ihre eigene Schwere, verlohr ihre aufrechte Gestalt, und verbreitete sich in mehrere abgerundete Massen, die zusammen im Umriß einige Ähnlichkeit mit einem großen Blumenkohlkopf haltenNubes (incertum procul intuentibus, ex quo monte; Vesuvium fuisse, postea cognitum est) oriebatur, cujus similitudinem & formam non alia magis arbor quam pinus expresserit. Nam longissimo velut trunco elata in altum, quibusdam ramis diffundebatur. Credo quia recenti spiritu erecta, deinde senescente eo destituta, aut etiam pondere suo victa, in latitudinem vanescebat; candida interdum interdum sordida, prout terram cineremve fustulerat. PLIN. Epist. lib. VI, Ep. XV. . Diese Masse war zuweilen weißlicht, zuweilen schmutzig grau, auch sogar röthlich; letzteres mochte vielleicht von glühenden Aschen, oder vom Wiederschein des Feuers unten im volkanischen Crater, herrühren.

Von dem Hafen, wo wir ankerten, war der Volkan sieben bis acht englische Meilen entfernt. Die Ausbrüche dauerten noch einige Tage fort, und jeder Auswurf mit seinem starken Donnergetöse währte fast eine halbe Minute. Feiner Aschen- und Kohlenstaub fiel die ganze Zeit hindurch auf unser Verdeck, und es schmerzte uns sehr, wenn er ins Auge fiel. Hierauf erfolgte eine ruhige Pause von etlichen Tagen, und auf diese, nach einer regnigten Nacht, neue Ausbrüche des Feuers. Es war früh um 4 Uhr des Morgens, als ich diesen erneuerten Ausbruch zuerst bemerkte. Die Rauchwolken hatten damals alle verschiedene Schattirungen von gelb, orangefarb, roth und dunkelpurpur, welche sich in ein röthliches Grau, und einige dunklere Nuancen verloren. So oft es von neuem aufdampfte, war der Rauch von unten her erleuchtet, und im Glanze dieses Lichtes färbten sich alle nahgelegne Gegenstände mit gelben, orange- scharlach- und Purpurrändern. Dieser zweyte Ausbruch dauerte wiederum etliche Tage, nach deren Verlauf alles stille, und während unsers Daseyns kein Getöse weiter vernommen ward. Die Rauchwolken zeigten sich immer seltner, nur waren sie des Nachts allemal noch von unten illuminirt. Von der Solfatarra und den heißen Quellen, welche wahrscheinlich diesem Volkan ihr Daseyn zu verdanken haben, ist bereits im dritten Abschnitt des ersten, und im ersten Abschnitt des zweyten Hauptstücks hinlängliche Erwähnung geschehen.

Die glühenden Steine, welche der Volkan in die Höhe warf, hatten zuweilen eine ungeheure Größe. Sie mußten schon ansehnlich seyn, um in der Entfernung von sieben bis acht englischen Meilen nur gesehen zu werden. Bey unserer Abreise von Tanna bemerkten wir am Volkan einen rauchenden Strich, den wir zuvor, bey unserer Ankunft, nicht gesehen hatten. Die Laven, die ich hier auf einer Klippe, ohnweit dem Strande fand, geben hinlänglichen Grund zu vermuthen, daß jener Strich einen Strom glühender Schlacken andeutete, welche in der Folge zu einer Lava erkalten. Um den Volkan her war alles mit Asche bedeckt; der Sand am Seeufer bestand daraus, und der Boden der nahen Hügel war damit versetzt. Diese Asche ist eigentlich ein Gemisch von ganz kleinen Bimssteintheilchen, von kleinen glänzenden, unregelmäßigen, verglaseten, halb oder ganz durchsichtigen Theilchen, von weißem durchsichtigem Schörl, von faserigen, nadelförmigen, asbestähnlichen Theilen, und endlich von schwarzen undurchsichtigen Stäubchen. Sie fiel 8 bis 10 englische Meilen weit in die Runde, nach der Seite, wohin der Wind stund.

Aus dem vorhergehenden läßt sich folgendes mit Grunde schließen: I) Der Berg, worinn ein Volkan entsteht, braucht nicht zu den höchsten Gebirgen zu gehören; er kann auch in einer niedrigen Kette von Hügeln hervorbrechen. Hiemit wird nicht geläugnet, daß Volkane auch auf hohen Bergen existiren können, sondern nur der Behauptung des Herrn von Büffon widersprochen, der in seiner Theorie der Erde die Volkane ausschließungsweise auf hohen Bergen wissen will. Der Volkan in Tanna war ein Hügel von 150 englischen Ellen (Yards, zu 3 Fuß; also 450 Schuh,) die beyden in Tofua und Ambrym waren nicht viel höher.

2) Viele, wo nicht die mehresten Volkane, liegen auf Inseln, oder doch nicht fern von der See. Zur erstern Classe gehören: Aetna, Stromboli, Lipari und Vulcano, Fuogo, der Pik von Teneriffa, und die azoische Insel Pico; ferner das Volkaneiland unter den Charlotteninseln, die brennenden Berge um Neuguinea, in den Molukkischen und Philippinischen Inseln, in Japan, Ysland, und den neuen rußischen Entdeckungen zwischen Asien und Amerika.

Von der zwoten Classe sind: der Vesuv, die Volkane in Kamtschatka, Kalifornien, den mexikanischen und den südamerikanischen Andesgebirgen. Letztere scheinen einigermaßen Ausnahmen von der Regel zu seyn; indessen ist keiner über zwanzig deutsche Meilen weit in gerader Linie vom Meere entfernt.

3) Volkane entstehen nur in Gegenden, wo Kies und schwefelartige Materien häufig sind. Man findet daher in ihrer Nähe gewöhnlich rothe, ocherartige Schichten. Die rothe Ocher, die wir in Tanna, unweit der Solfatarren entdeckten, sahe einem in starkem Feuer gerösteten und ausgebrannten Kiese vollkommen ähnlich, dessen Bestandteile bekanntlich Schwefel und Eisenerde sind.

4) Der Volkan in Tanna tobte allezeit heftiger nach dem Regen, als vorher. Vielleicht geräth das Regenwasser, indem es durch Ritzen und Spalten ins Innere des Volkans dringt, auf Kiesschichten, und verursacht eine neue Gährung, auf welche neue Ausbrüche folgen.

5) Ansehnliche Veränderungen auf der Erdoberfläche werden vielfältig von Volkanen hervorgebracht. Ihre Asche, ihre Bimssteine häufen sich unaufhörlich an; ihre Lavaströme verwüsten alles, was sie auf ihrem Wege antreffen. Unstreitig hat der volkanische Berg in Tanna ebenfalls an Größe gewonnen, seitdem sich so viele Aschen, Bimssteine und Laven darauf gehäuft haben. Die Asche hat sogar das Erdreich der ganzen Insel verändert. Auch lag ohngefähr 10 englische Meilen östwärts vom Volkan ein Felsen, der aus Schichten von schwarzem Sandstein, voller Bimssteine, rothen ocherigten Steine und Lavastücken, bestand, folglich deutliche Spuren einer merkwürdigen Veränderung zeigte.


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