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Ich lese gern von mancher tüchtigen Kraft,
Die kühn gefolgt der Größten ew'gem Schimmer. |
H. von Blomberg |
Wie um Neustadt-Eberswalde herum ein »Sparren-Land«, so gab es um Buckow herum, an der Grenze von Barnim und Lebus, ein Pfulen-Land.
Die Pfuels kamen so früh in die Mark, daß sie schon im Jahre 1603 in einer Leichenpredigt, die beim Hinscheiden eines der Ihrigen gehalten wurde, nicht nur ein »fürtreffliches«, sondern auch ein » uraltes Geschlecht« genannt werden konnten, ein Geschlecht, aus welchem »equestris et literati ordinis viri«, »tapfere Kriegsschilde und wohlgelahrte, verständige und versuchte Männer«, hervorgegangen seien.
Sie gehörten zu den »Schloßgesessenen«, insoweit sie die festen Schlösser Quilitz, Ranft und Leuenberg innehatten, und ihr Ansehen war bedeutend genug, um noch am Ende des fünfzehnten Jahrhunderts, also fast hundert Jahre später als die Quitzows, wegen einer rückgängig gemachten Verlobung eine zehnjährige Fehde mit den Mecklenburger Herzögen führen zu können. Ihr Besitz umfaßte damals und später die folgenden Güter teils ganz, teils anteilsweise: Buckow, Dannenberg, Leuenberg, Steinbeck, Altranft, Schulzendorf, Hohenfinow, Prötzel, Tiefensee, Werftpfuhl, Hasenholz, Garzin, Garzau, Dahmsdorf, Obersdorf, Quilitz, Friedersdorf, Kienitz, Münchehofe, Jahnsfelde, Gielsdorf und Wilkendorf.
Von diesem reichen Besitzstande sind der Familie nur die drei letztgenannten Güter geblieben: Jahnsfelde bei Müncheberg und Gielsdorf-Wilkendorf bei Strausberg. Der Name des alten Geschlechts aber lebt noch überall in dem ehemaligen Pfulen-Lande fort, so daß wir in nachstehendem von Dorf zu Dorf, von Kirche zu Kirche wandern und dabei aufzuzeichnen haben werden, was an Erinnerungsstücken aus alter Zeit geblieben ist.
Schulzendorf, eine halbe Meile von Wriezen, kam bald nach 1450 in Pfuelschen Besitz. Es blieb lange bei der Familie. Erst 1837 ist es in andere Hände übergegangen. Die alte Feldsteinkirche enthält außer einem weißgetünchten Schnitzaltar, der das Würfeln der Kriegsknechte um Christi Mantel darstellt, ein großes, sehr interessantes Bild, das, zu Ehren eines Quilitzer Pfuel gemalt, ursprünglich auch der Quilitzer Kirche zugehörte. Nachdem indes diesem Zweige der Familie das letztgenannte Dorf verlorengegangen und nur Schulzendorf noch geblieben war, hatten die späteren Repräsentanten der Quilitzer Linie den Wunsch, das Ehrenbild ihres Ahnherrn nicht mehr in einer ihnen fremd gewordenen Kirche zu sehen. Sie kauften daher das Bild und stellten es in der Schulzendorfer Kirche auf. Es ist sehr groß, wenigstens sechs Fuß zu vier, und stellt eine Kreuzigung Christi dar. Zu Füßen des Kreuzes kniet in blanker Rüstung der alte Pfuel, dem zu Ehren das Bild gestiftet wurde, und blickt betend zu dem Gekreuzigten auf. Weiter unterhalb die Donatoren: vier weibliche und zwei männliche Figuren. Dies wäre das Herkömmliche. Wodurch sich aber das Bild von ähnlichen unterscheidet ist das, daß die Gestalten des Heilands und des in blanker Rüstung knienden Pfuel nicht gemalt, sondern basreliefartig in Holz geschnitten und nun erst an der ihnen zukommenden Stelle auf dem Bilde befestigt sind. Es ist dies das erste und einzige Vorkommnis der Art, dem ich begegnet bin. Mehr eigentümlich als schön. Man könnt es praktisch nennen, indem es die Aufmerksamkeit des Beschauers auf die beiden Gestalten hinzwingt, auf die es ankommt: auf den Gekreuzigten und den betenden Pfuel. Die blanke Rüstung des letzteren ist – ganz wie es sich für eine kleine Relieffigur geziemt – nicht durch Auftragen von Farbe, sondern durch Belegen mit Silberschaum hergestellt.
Das Bild hat drei Inschriften: eine erste, die von dem »alten Pfuel« selber, eine zweite, die von dem Donator in Quilitz, und eine dritte, die von der Übersiedlung des Bildes nach Schulzendorf spricht.
Die erste Inschrift am obersten Rande des Bildes ist unleserlich geworden.
Zweite Inschrift: »Dies Epitaphium ist von dem edlen und ehrenfesten Jürgen Pfulenn seinem seligen Vater zum Gedächtnis gesetzet worden. Welchen auch (den ehrenfesten Jürgen Pfuel) der allmächtige Gott in wahrer Erkenntnis seines allerliebsten Sohnes Jesu Christi bis an sein Ende erhalten wolle. Amen.«
Dritte Inschrift: »Aus schuldiger Hochachtung vor dem Stammvater der anitzo im Segen lebenden dreien Gebrüder, als Heine Friedrich Wilhelm, Georg Ludwig Ditloff und Carl Christoph August von Pfuhll, königlich preußischer Lieutenants, ist dies Epitaphium von ihnen aus der Quilitzschen Kirche erkaufet und allhier zum beständigen Andenken aufgerichtet worden den 20. September 1747.«
Garzin war bis vor kurzem noch reich an Erinnerungsstücken aus der Pfuelschen Zeit. Die Mehrzahl dieser Gegenstände hat indessen der gegenwärtige Besitzer von Jahnsfelde, ältester Sohn des 1846 verstorbenen Generallieutenants von Pfuell käuflich an sich gebracht und sie seiner höchst interessanten Familiengalerie eingefügt.
Das Bemerkenswerteste, was der Garziner Kirche geblieben, ist eine 1654 in Hamburg gegossene Glocke. Dieselbe ist einerseits durch ein tellergroßes, in die Glockenwandung eingeschmolzenes Medaillon, das » Urteil des Paris« darstellend, andrerseits durch ihre plattdeutschen Inschriften interessant. Diese sind freilich nur zum Teil verständlich. Die untre, einreihige Inschrift lautet: »Gegaten tho Hamborch Anno Domini 1654 Junius.« Dazu:
In Gades Namen bin ick geflaten (geflossen),
Hans vam Damme het mi gegaten. |
Die obere Inschrift ist viel länger und schwer zu entziffern.
Ick bin gegaten in Gottes Ehr;
. . . . . . . . . . . . . . Wenn ick klinge, so denk zur Stundt, Daß Christ mit der Baß dir bassunen kumpt, Zu fordern alles vor Gericht – Drumb halte di und sundige nicht. . . . . . . . . . . . . . . Vor alle Sunde, de du begahn, Lath Christum den Vorloser (Erlöser) stahn. |
Die Zeile: »daß Christ mit der Baß dir bassunen kumpt«, erscheint mir voll origineller Kraft.
In Garzin lebte Anfang des siebzehnten Jahrhunderts »Melchior von Pfuel, der Nekromant«, dessen Bildnis wir später begegnen werden. Es heißt, daß er vorzugsweise in Garzin seine alchimistischen Versuche machte.
Die Stadt Buckow und ihre schönen Umgebungen habe ich an andrer Stelle (vergleiche Seite 101 etc.) ausführlich beschrieben. Das Schloß – gräflich Flemmingsch – enthält neben andern Sehenswürdigkeiten einen bemerkenswerten Speisesaal, eine Jugendarbeit Schinkels. Dieser Saal zieht sich, nach Art einer rundgewölbten Halle, quer durch die Mitte des Schlosses, das nun, an den beiden ausmündenden Stellen, nach vorn und hinten zu, um einige Fuß vorspringt. Kassetten schmücken die Decke des Saals, der mittelst einer großen, den Bau nach der Gartenseite hin abschließenden Glaswand das nötige Licht empfängt. Über der Halle, in einem Saal von gleichen Dimensionen, befindet sich die Bildergalerie.
Schloß Buckow, wie alles, was es enthält, ist aus verhältnismäßig später Zeit, und nur die Buckower Kirche, die sich malerisch auf einem der Hügel am Ausgange der Stadt erhebt, weist noch einzelne Pfuelsche Reminiszenzen auf. Links neben dem Altar, an einem der hohen Wandpfeiler Gegenüber dem Wandpfeiler, der diese Trophäe trägt, befindet sich, in gleicher Höhe mit den Emporen der Kirche, der ehemalig Pfuelsche Chor- oder Kirchenstuhl, groß und geräumig, nach Art eines Zimmers. An seiner Vorderwandung bemerken wir drei oder vier ineinander verschlungene Goldbuchstaben, die aller Entzifferung spotten, höchstwahrscheinlich aber einen Pfuelschen Namenszug darstellen. Der Kirchenstuhl selber hat etwas unheimlich Geheimnisvolles. Die Fenster sind ausgenommen, und wenn man auf die Brüstung einer der Nebenemporen steigt, um von der Seite her hineinzulugen, so gewahrt man nichts als einen rostigen Kamin, Spinnweb und verstaubte Gewölbekappen, die unter den aufgerissenen Dielen sichtbar werden. Der Aufgang zu diesem Chorstuhl ist vermauert (man erkennt noch die Stelle, wo die Treppe mündete), und wie die Jahre wachsen, so wächst auch der Reiz der Frage: Wer hat diese Dielen aufgerissen? Wer bangte vor diesem Platz? Wer hat ihn vermauert? , befindet sich eine große, sieben bis acht Fuß hohe »Trophäe«, die sich aus in Holz geschnitzten Kanonen, Trommeln, Fahnen, Standarten etc. zusammensetzt und in seiner Mitte das Pfuelsche Wappen trägt. Das Ganze eine ziemlich rohe, bunt bemalte Arbeit mit folgender Inschrift: »Der hochedelgeborne Herr, Herr George Adam von Pfuel, Seiner Kurfürstlichen Durchlaucht zu Brandenburg hochwohlbestallter Generalmajor, Gouverneur und Oberhauptmann der Veste Spandau, auch Obrister zu Roß und Fuß, auf Groß und Klein Buckow, Obersdorf, Möschen, Garzin, Sieversdorf, Hasenholz, Dahmsdorf und Münchehofe, geboren den 15. November 1618, gestorben im Juli Anno 1672, seines Alters vierundfünfzig Jahr weniger fünf Monat.«
Dieser Georg Adam von Pfuel, der in der noch zugänglichen Gruft der Buckower Kirche ruht, machte während des Dreißigjährigen Krieges unter seinem berühmteren Oheim Adam von Pfuel die Kriegsschule durch. Er kommandierte später selbständig, war ein Zeitgenosse Sparrs, Görtzkes, Derfflingers und zeichnete sich während des Polnischen Krieges und bald darauf während des Zuges nach Holstein aus. Die glänzendste Zeit des Großen Kurfürsten erlebte er nicht mehr. Außer der Herrschaft Buckow besaß er die Dörfer Dahlem und Marzahn in der Nähe von Berlin. Sein Bildnis befindet sich in Jahnsfelde.
Durch die Tochter Georg Adams, die den später in sächsischen und preußischen Diensten so berühmt gewordenen Feldmarschall Heino Heinrich von Flemming heiratete, kam Buckow an die Flemmings, die es also seit ungefähr zweihundert Jahren besitzen. Nach andrer Angabe war der Feldmarschall von Flemming ein Sohn aus der Ehe der Pfuelschen Erbtochter mit einem Flemming.
Wilkendorf, eine halbe Meile nördlich von Strausberg, ist seit vor 1536 im Besitze der Pfuels. Das reizend am Abhang gelegene, auf eine Talwiese niederblickende Herrenhaus ist neu, und unter den mannigfachen Kunstschätzen desselben befindet sich nichts, was bis in frühere Jahrhunderte zurückreichte. Einige ältere Familienportraits sind ohne Belang.
Die Kirche ist alt und zeichnet sich durch einen mit Geschmack und Pietät restaurierten Schnitzaltar aus. Interessanter noch als dieser ist der aus einem großen Granitblock ausgemeißelte Taufstein, der vor dem Altar steht. Er ist ungewöhnlich groß und hat über drei Fuß Höhe bei zwei Fuß Durchmesser. Solche granitnen Taufsteine waren in der ersten Zeit der Christianisierung des Landes sehr häufig; allerorten auf den Feldern umherliegende Rollsteine, wie sie das Material zu den Kirchen selber boten, wurden ausgehöhlt, und die »Taufe« war fertig. Die Bearbeitungskunst bleibt aber unter allen Umständen erstaunenswert, wenn man erwägt, wie geringe technische Hülfsmittel damals zu Gebote standen. Jetzt begegnet man solchen »Taufen« nur sehr selten noch.
Gielsdorf – durch den schönen Ihland-See von Wilkendorf getrennt – ist seit 400 Jahren im Besitze der Familie. In einen der alten Kirchenpfeiler wurde, mit Bezugnahme darauf, eine Steintafel eingemauert, die folgende Inschrift trägt: »Zur Erinnerung an die 1460 unter Kurfürst Friedrich geschehene Belehnung des Werner Pfuel mit Gielsdorf und an den vierhundertjährigen Besitz seiner Erben. Gustav von Pfuel, 1860.«
Auch in der Gielsdorfer Kirche befindet sich ein ausgemeißelter Taufstein, doch ist derselbe ersichtlich aus spätrer Zeit, nicht so groß wie der Wilkendorfer und, statt in Granit, in bloßem Kalkstein (wahrscheinlich aus dem benachbarten Rüdersdorf) ausgeführt. In Front trägt der Stein ein flach gearbeitetes Kreuz und als Umschrift um dasselbe, in Form eines Kranzes, die Worte: » non glorior nisi in cruce domini.«
Die Emporen der alten Kirche ruhen auf kurzen, grobgeschnitzten Holzpfeilern; in einen derselben sind die Worte eingeschnitten: » Bertramb v. Pfuel. anno MDCX.« Dieser Bertramb von Pfuel war ein Vetter Kurt Bertrams von Pf., der während des Dreißigjährigen Krieges eine Rolle spielte und auf den wir weiterhin zurückkommen.
Unter dem Altar der Gielsdorfer Kirche soll ein anderer Pfuel (Christian Friedrich) bestattet sein. Eine Stückkugel riß ihm, beim Sturm auf Kaiserswerth, den Kopf weg, und Rumpf und Glieder wurden in Gielsdorf begraben. Das war 1702. Er war Oberst in einem Infanterieregiment. Sein Bild befindet sich in Jähnsfelde. Ein Spruch in der Jahnsfelder Kirche gedenkt sein. Dieser von Friedrich la Motte Fouqué herrührende Spruch lautet:
Italien hat und Niederland
Den edlen Kämpfer oft geschaut. In vieler wilden Schlachten Brand Hat er das Feld mit seinem Blut betaut. Als letzter Kranz ward ruhmvoll ihm beschert Zu sterben, vorbewußt, im Sturm auf Kaiserswerth. |
Dieses »vorbewußt« bezieht sich auf folgenden Vorfall, der als Tradition in der Familie fortlebt. Am Tage vor dem Sturm auf Kaiserswerth will Pfuel in sein Zelt treten. Die vor dem Zelt stehende Schildwacht salutiert nicht, erblaßt aber und zeigt nur auf das Innere des Zelts. Pfuel tritt jetzt ein und sieht sich selber, schreibend, am Tische sitzen. Er tritt hinter die Gestalt, blickt dem ruhig Weiterschreibenden über die Schulter und liest sein Testament. Dann verschwindet die Gestalt. Pfuel wußte jetzt, daß er andern Tages sterben werde. Er setzte sich auf den Feldstuhl, auf dem eben sein Doppelgänger gesessen, schrieb an seine Frau und nahm Abschied von ihr. Andren Tages fiel er an der Spitze seiner Sturmkolonne.
Es ist sehr wahrscheinlich, daß diese Geschichte zu Chamissos schönem Gedichte »Die Erscheinung« Veranlassung gegeben hat. Wenigstens ist die Situation dieselbe. Chamisso war mit Fouqué befreundet, und Fouqué seinerseits kannte die Familientradition des ihm verwandten Pfuelschen Hauses.