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General Lestwitz hatte eine einzige Tochter, die Frau von Friedland, gehabt, an die Kunersdorf-Friedland und die dazu gehörigen Güter übergegangen waren. Frau von Friedland hatte wiederum eine einzige Tochter: Henriette Charlotte, die nun das reiche Erbe antrat.
Diese einzige Tochter, Henriette Charlotte von Borcke, geboren zu Potsdam am 18. Juli 1772, vermählte sich am 23. September 1792 mit dem eben damals zum Kriegs- und Domainenrat ernannten Peter Alexander von Itzenplitz, geboren am 24. August 1768 zu Groß Behnitz im Havelland, eine Vermählung, infolge deren das Lestwitz-Erbe an die Familie Itzenplitz überging. Gleich nach der Hochzeit trat das junge Paar eine besonders auch auf landwirtschaftliche Zwecke gerichtete Reise nach Holland und England an. Während dieses Aufenthaltes in England schrieb von Itzenplitz, auf ausdrücklichen Wunsch des damaligen Ministers von Struensee, verschiedene Berichte über landwirtschaftliche und kommerzielle Fragen, worin er seine Beobachtungen und seine Ansichten über das, was sich seinem Auge dargeboten hatte, niederlegte. Diese landwirtschaftliche Reise dehnte sich bis ins zweite Jahr hinein aus. Das junge Paar würde gern auch Frankreich besucht und die Agrikulturverhältnisse dieses Landes kennengelernt haben, wenn nicht die Französische Revolution, die eben damals auf ihrer Schreckenshöhe stand, die Ausführung dieses Planes verhindert hätte. Bei der Rückkehr erwies sich die Reise von den segensreichsten Folgen für die Bewirtschaftung der eigenen Güter. Besonders waren es die englischen Verhältnisse, denen, als einem Vorbilde, nachgestrebt wurde. In allem sah sich von Itzenplitz von seiner Gemahlin unterstützt, die den Geist ihrer Mutter geerbt hatte und namentlich nach dem Tode dieser die Verwaltung der Güter mit einer dort heimisch gewordenen Umsicht und Energie betrieb.
Von 1794 bis 1804 war von Itzenplitz Landrat des havelländischen Kreises. In dieser Zeit machte er auch die Bekanntschaft Thaers, der das junge Itzenplitzsche Paar auf Schloß Kunersdorf, im Hause der damals noch lebenden Frau von Friedland, kennenlernte. Die Beziehungen gestalteten sich so freundschaftlich, daß im Jahre 1803, bei Gelegenheit der französischen Okkupation Hannovers, Thaer seine Frau und Töchter zu größerer Sicherheit nach Kunersdorf schicken konnte, wo sie von dem Itzenplitzschen Ehepaar auf das fürsorglichste aufgenommen wurden. An anderer Stelle habe ich ausführlicher erzählt, wie es vorzugsweise die freundschaftliche Vermittelung Itzenplitz' war, die im Jahre darauf (1804) zur Übersiedelung Thaers von Celle nach Möglin führte. Itzenplitz befürwortete jene günstigen Bedingungen, ohne welche Thaer seine alte sichere Stellung nicht hätte aufgeben können, um eine neue, immerhin unsichere anzutreten.
1804 legte von Itzenplitz sein Landratsamt nieder, um sich ausschließlicher der Verwaltung seiner Güter widmen zu können. 1810 indes zum Geheimen Staatsrat und Generalintendanten der Domainen und Forsten ernannt, gab er sich ganz dieser schwierigen Verwaltungstätigkeit hin, doppelt schwierig und verantwortungsvoll eben damals, wo die Kriegsdrangsale die Veräußerung der königlichen Domainen nötig machten. Er blieb in dieser verantwortungsvollen, das höchste Vertrauen bekundenden Stellung bis 1814, wo er ausschied. Das Jahr darauf ward er wegen seiner in den Kriegsjahren betätigten aufopfernden Vaterlandsliebe in den Grafenstand erhoben, während zugleich auf seinen und seiner Gemahlin Wunsch das Wappen des inzwischen ausgestorbenen Lestwitzschen Geschlechts mit dem Itzenplitzschen Wappen vereinigt wurde.
Seit 1815 lebte Graf Itzenplitz auf seinen Gütern, namentlich auf Kunersdorf. Das Beispiel, das seine und seiner Gemahlin Art der Güterbewirtschaftung sowohl in der Mark wie in Pommern gab, hat in beiden Provinzen höchst segensreich gewirkt und die Agrikultur weiter Distrikte auf eine höhere Stufe gehoben. Aber der im besten Sinne reformatorische Eifer des gräflichen Paares beschränkte sich nicht auf Ackerbestellung und Bodenkultur, auch die schwierigen Verhältnisse der Gutsherrschaft zu den Bauern wurden auf den Itzenplitzschen Gütern durch freies Übereinkommen geregelt und die Hofedienste in mäßige Geld- und Kornabgaben umgewandelt, lange bevor an eine Gesetzgebung von 1811 gedacht war. Ebenso sind bei allen Gemeinheitsteilungen und Servitutsablösungen die Itzenplitzschen Güter immer Muster und Vorbild gewesen.
Graf Peter Alexander von Itzenplitz starb am 14. September 1834 zu Groß Behnitz im Havellande; seine Gemahlin zu Berlin am 13. April 1848.
Die Herrschaft Friedland ging an den zweiten Sohn, den Grafen Heinrich August Friedrich von Itzenplitz (geboren den 23. Februar 1799), über.
Nachdem ich bis hierher die Personen vorgeführt habe, die seit 1763 in Kunersdorf heimisch waren, versuch ich nunmehr, die Lokalität und, anknüpfend an diese, die lokalen Ereignisse während eines halben Jahrhunderts zu schildern.
Lestwitz baute das Schloß. Wie er es baute, ist es noch. Eine Einfahrt von der Dorfgasse her bildet zugleich die Scheidelinie zwischen den ausgedehnten Wirtschaftsgebäuden zur linken und den Wohngebäuden zur rechten Seite. Das Schloß ist in jenem Stil gebaut, der damals in der Mark ausschließlich Geltung hatte und am richtigsten als »verflachte Renaissance« bezeichnet worden ist. Ein Erdgeschoß, eine Beletage, eine Rampe, ein geräumiges Treppenhaus, ein Vorflur, dahinter ein Gartensalon und von dem Salon aus ein Blick in den Park. Das Ganze breit, behaglich, gediegen. 1765 hatte der damalige Oberst von Lestwitz Kunersdorf gekauft, aber erst 1773, wie die Jahreszahl über dem Portal besagt, wurde der Schloßbau beendet. Bis zu diesem Jahre also haben wir unseren Lestwitz, kurze Besuche behufs Inspizierung des Baues abgerechnet, schwerlich in Kunersdorf zu suchen; ohnehin hielt ihn der Dienst bei dem Bataillon Garde, das er kommandierte, in Potsdam fest. Dieser Dienst gestattete auch wohl von 1773 ab einen immer nur gelegentlichen Aufenthalt, und von einem wirklichen Beziehen des Schlosses, von einem Heimischwerden darin konnte wohl erst die Rede sein, als unser Lestwitz, inzwischen zum Generalmajor avanciert, den Dienst überhaupt quittiert hatte. Dies war 1779. Von da ab bis zum Tode des Generals (1788) gehörten die Sommermonate Kunersdorf, während der Winter in der Hauptstadt zugebracht wurde. Die Stadtwohnung war das wohlbekannte Nicolaische Haus in der Brüderstraße.
Vielleicht das wichtigste Ereignis, das in diesen neun Jahren Schloß Kunersdorf und seine Bewohner traf, war die große Oderüberschwemmung im Jahre 1785. Es war dieselbe, der, in dem benachbarten Frankfurt, der junge Herzog Leopold von Braunschweig zum Opfer fiel. Weder vorher noch nachher hat das Oderwasser in diesen Gegenden eine gleiche Höhe erreicht. Ein Pfeil am Kunersdorfer Schlosse zeigt noch, wie hoch damals das Wasser stand. Die Fluten strömten in die Küche ein, und mit ihnen kamen allerlei Fische, groß und klein, und plätscherten ungefährdet und wie zum Spott in den eingemauerten Kesseln umher, aus denen sie dann bei guter Zeit ihren Rückzug antraten. Der Park stand unter Wasser, und in halber Höhe der Rampe, auf der sonst die Equipagen vorfuhren, legten die Kähne an.
Das war ein Ereignis. Sonst vergingen die Tage in jener stillen Weise, die das Leben alter Militärs, vielleicht nach einem Naturgesetze, so oft kennzeichnet. Der Lärm und die Leidenschaften des Kriegshandwerks machen sie doppelt begierig nach der Stille des Friedens und des Alters. So war es auch hier. Alte Kameraden kamen oft und waren gern gesehen; im Wort lebte wieder auf (auch wohl ausgeschmückt), was einst Tat gewesen war. Die großen Tage wurden wieder lebendig. Ein Gang durch den Park, ein Ritt ins Feld, die Freuden der Tafel, auch Billardspiel füllten den Tag aus. Zur Jagd war man zu alt; auch war sie nicht Mode unter dem großen König. Der Abend gehörte dem Tarock oder dem Geplauder. Festtage waren die Besuchstage in der Umgegend, zumal bei »Prittwitzens« in dem nahe gelegenen Quilitz. Mit allen Dehors, die dem gegenseitigem Range gebührten, ging man dabei zu Werke; sechs Pferde, nie weniger, wurden vor die Staatskarosse gelegt, der Staub auf dem ziemlich öden und sandigen Wege wirbelte auf, und der Kutscher beschrieb mit möglichster Eleganz die Kurve, die das langgespannte Gefährt auf die Rampe des Quilitzer Schlosses führte. Aber solche Besuche fanden nicht häufig statt. Prittwitz spielte hoch (noch 1790 nahm er dem Herzog von Mecklenburg 30 000 Taler in einer Nacht ab), und Lestwitz war ein guter Wirt und frommer Christ.
So vergingen die Tage in Schloß Kunersdorf bis 1788, vielleicht bis zu der Zeit, wo die Generalin von Lestwitz ihrem Gatten folgte. Von da ab wurd es lebendiger. Sinn und Geschmack der Frau von Friedland lagen nach anderer Seite hin, und statt der »alten Kameraden«, die nichts hatten als ihre Erinnerungen und nichts liebten als ihre Spielpartie, wurden nun – gleichsam eine andere Hinterlassenschaft aus der friderizianischen Zeit her – die Berliner Savants, die Akademiker und Philosophen, in Schloß Kunersdorf heimisch. Zum Teil mochte das Nicolaische Haus, in welchem Frau von Friedland ihre Stadtwohnung beibehielt, eine äußerliche Veranlassung dazu bieten; was aber den Ausschlag gab, das lag tiefer. Die Epoche der geistreichen Zirkel, die später in der Prinz-Louis-Ferdinand-Zeit ihren Höhepunkt erreichte, war eben angebrochen; Geburt war nicht viel, oder sollte nicht viel sein; Talent war alles. Dieser damals herrschenden Anschauung neigte man sich auch in Schloß Kunersdorf zu; Buttmann und Bode, Engel und Spalding, Biester und Nicolai waren gern gesehene Gäste, und die Vertreter historisch berühmter Namen galten wenig, wenn sie nicht ihresteils gewirkt und geschafft und das ererbte Pfund durch eigene Kraft gemehrt hatten.
Der Tod der Frau von Friedland änderte hierin nichts Wesentliches; ihre Tochter, die Gräfin Itzenplitz, trat eben in jedem Sinne die Erbschaft der Mutter an, und alles, was hervorragte, sei es in Staat, Leben, Wissenschaft, fand nach wie vor die gastlichen Tore von Schloß Kunersdorf offen. Wenn sich ein Unterschied zeigte, so war es vielleicht der, daß die einseitige Bevorzugung des Talents, wie es die Zeitströmung mit sich gebracht hatte, nunmehr einer nach allen Seiten hin gerechteren Würdigung des Lebens und seiner tausend Kräfte Platz machte. Die persönlichen Neigungen der Tochter lagen im wesentlichen nach derselben Seite hin wie die der Mutter; die Wissenschaften standen in erster Reihe, unter diesen die Botanik obenan, und Klaproth, Wildenow, Lichtenstein, Erman, beide Humboldts, Leopold von Buch, dazu Savigny, Ranke, Knesebeck, Reden, Marwitz, Oberst von Romberg, vor allem der alte Oberpräsident von Vincke waren Freunde und Gäste des Hauses. Aber, wie schon angedeutet, der Kreis war doch ein weiter gezogener als früher, und die Kunst, deren erstes Dämmern in diesem Lande Frau von Friedland nur eben noch erlebt hatte, fand jetzt ein eingehenderes Verständnis und, soweit es die Zeit und Mittel eines Privathauses überhaupt gestatteten, auch Förderung und Pflege. Rauch, Friedrich Tieck, Wach (der beiden Altmeister Schadow und Weitsch zu geschweigen) traten, teils gesellschaftlich, teils künstlerisch, in nähere Beziehung zu dem Itzenplitzschen Hause, und der Verlauf dieses Aufsatzes wird mir noch Gelegenheit geben, ihre Werke, soweit sie auf Schloß Kunersdorf Bezug haben, aufzuzählen.
Die eben genannten Namen haben uns fast bis an die Grenze der Gegenwart geführt. Aber noch haben wir in aller Kürze von Tagen zu erzählen, die dem Anfange dieses Jahrhunderts angehören, der Epoche von Jena bis Leipzig. Auch Kunersdorf hat seine Erinnerungen und sogar seine kleinen historischen Momente aus jener Zeit her.
Die Schlacht von Jena war geschlagen, und die Sieger gingen wie eine Welle über das Land. Indessen scheint Kunersdorf von dieser ersten Not des Krieges wenig oder gar nicht berührt worden zu sein, und erst der Rückschlag der Welle, wie er dem Frieden von Tilsit folgte, brachte den Feind auch in diese Gegenden. Die Marken, unter allerhand Vorwand, blieben okkupiert, trotzdem der Wortlaut des Friedens alles Land östlich der Elbe dem besiegten Preußen gelassen hatte, und von den okkupierenden Truppen kamen die berühmten Kavallerieregimenter, die die Division Nansouty bildeten, in die Oderbruchdörfer zu liegen. Die Wahl war gut getroffen. Wo hätten die 10 000 Pferde sich wohler fühlen können als in der Korn- und Heukammer der Provinz? In Schloß Kunersdorf allein lagen achtundvierzig Franzosen in Quartier, darunter wenigstens zehn Offiziere. Einzelne gehörten guten Familien an, die meisten aber waren roh und ungebildet und machten es der Itzenplitzschen Familie unmöglich, mit ihnen zu leben. Zehn Monate lang lag diese »schwere Kavallerie« (schwer in jedem Sinne) in den Oderbruchdörfern; endlich rückte sie westwärts. Liebesaventuren, Händel, Hasard und Pistolenschießen hatten plötzlich ein Ende, und Schloß Kunersdorf wurde gelüftet und gebadet, als wäre der Böse darin gewesen. Die Regimenter zogen nach Spanien, später, wenigstens teilweis, nach Rußland.
Aber wenn man im Oderbruch und speziell in Kunersdorf dieser schweren Kavallerie nicht vergaß, so vergaß auch diese nicht, wie »fette Weide« sie hier gefunden hatte. Im Januar 1813 kamen Quartiermacher durch das Dorf und gaben Zettel im Schloß und auf dem Schulzenamt ab, in denen die nahe Ankunft der »Nansoutyschen« und ihrer Anverwandten (nunmehr, wenn wir nicht irren, unter dem Oberbefehl des General Sebastiani) fast wie ein bevorstehendes freudiges Ereignis angekündigt wurde. Aber ob nun diese nachrückenden Reiter, die meist keine Reiter mehr waren, eine andere Route nahmen oder ob diese Zettel einzig und allein den Zweck verfolgten, die Gegenden, durch die man kam, immer noch an das Vorhandensein einer Grande armée glauben machen zu wollen, gleichviel, die schwere Kavallerie kam nicht. Wer kam, das waren andere.
Am 18. Februar, als man es mit gutem Grunde längst aufgegeben hatte, die Nansoutyschen wiederzusehn, hielten plötzlich, unvermutet und unangemeldet, struppige Pferde vor jedem Ausgange des Dorfes, und auf den kleinen abgetriebenen Gäulen saßen seltsame Leute mit Pelzmützen und Piken, wie sie seit den Tagen von Zorndorf und Schlachten-Kunersdorf in diesen Gegenden nicht mehr gesehen worden waren. Es waren Kosaken.
Damit hatte es folgenden Zusammenhang. General Tschernyschew, der Führer der russischen Avantgarde, nachdem seine Vorhut unter Oberst von Tettenborn bereits am Tage zuvor bis Werneuchen und Altlandsberg vorgedrungen war, hatte am 18. in der Mittagsstunde die Oder passiert. »Ein Alliierter von Rußland her«, so schreibt Friedrich Adami, »hatte ihm und seinen 2000 Pferden die Brücke dazu gebaut: die Oder trug noch ihre Eisdecke. Wenige Stunden später, um vier Uhr nachmittags, brach das Eis, auf dem drei russische Regimenter: Kosaken, Dragoner, Husaren, ihren Übergang bewerkstelligt hatten. Es hatte, so schien es, nur eben noch die Landsleute des harten, nordischen Winters hinüberlassen wollen. Diese 2000 Reiter erschienen jetzt in den Dörfern zwischen Wriezen und Möglin. Tschernyschew selbst übernachtete in Kunersdorf.«
In Schloß Kunersdorf selbst erzählt man den Hergang etwas abweichend. Danach erschien Tschernyschew nicht spätnachmittags, sondern bereits früh am Morgen, übernachtete auch nicht im Schloß, sondern brach nach kurzer Rast und nachdem alle 2000 Reiter im Dorfe gefuttert hatten, in der Richtung von Strausberg und Herzfelde auf. Dafür, daß alle 2000 Reiter Kunersdorf passierten, scheint allerdings der Umstand zu sprechen, daß, nach einer noch fortlebenden Erinnerung, an jenem einem Vormittage siebzehn Wispel Hafer verfuttert wurden.
Das Jahr 1813 brachte noch einen andern Gast nach Schloß Kunersdorf, und mit seinem Besuche schließen wir wie mit einem Idyll. Dieser Gast war Chamisso.
Chamisso, bekanntlich infolge der Französischen Revolution aus Frankreich emigriert Zwei ältere Brüder Adelberts von Chamisso: Hippolyte und Karl, waren Leibpagen im Dienste Ludwigs XVI., und Karl war unausgesetzt um die Person des unglücklichen Monarchen in dessen bedrängtesten Lagen, namentlich am 10. August 1792. Bei einem Auflauf zerschlagen und verwundet, wurde Karl von Chamisso nur mit Mühe gerettet. Der König verkannte das Verdienst nicht, das sich der Page um ihn erworben hatte, und fand Gelegenheit, ihm einen Degen zuzustecken, den er, der König, in glücklicheren Jahren getragen hatte. Zu gleicher Zeit schrieb er auf einem nur etwa talergroßen Zettelchen: »Ich empfehle Herrn von Chamisso, einen meiner treuen Diener, meinen Brüdern. Er hat mehrere Male sein Leben für mich auf das Spiel gesetzt. Ludwig.« Dies Zettelchen und der Degen befinden sich bis diesen Tag in Händen der Familie. Der älteste Sohn Adelbert von Chamissos besitzt beides. , hatte als preußischer Offizier die unglückliche Campagne von 1806 und speziell die Kapitulation von Hameln mit durchgemacht. Seitdem lebte er ausschließlich den Wissenschaften, besonders dem Studium der Botanik. Im Frühjahr 1813 waren seine Mittel erschöpft, und Professor Lichtenstein, dem Itzenplitzschen Hause befreundet, empfahl den jungen Botaniker nach Kunersdorf hin, wo er, nach bald erfolgtem Eintreffen, die Anlegung einer großen Pflanzensammlung unternahm, eines Herbariums, das einerseits die Flora des Oderbruchs, andererseits alle Garten- und Treibhauspflanzen des Schlosses selbst enthalten sollte. Chamisso verweilte einen Sommer lang in dieser ländlichen Zurückgezogenheit und unterzog sich seiner Aufgabe mit gewissenhaftem Fleiß. Das von ihm herrührende Herbarium existiert noch. Die Mußestunden gehörten aber der Dichtkunst, und im Kunersdorfer Bibliothekzimmer war es, wo unser Chamisso, am offenen Fenster und den Blick auf den schönen Park gerichtet, den »Peter Schlemihl«, seine bedeutendste und originellste Arbeit, niederschrieb.