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Unter Markgraf Hans
(1535–1571)

Markgraf Hans war der zweite Sohn Joachims I. (Nestor) und der der Lehre Luthers eifrig zugetanen Elisabeth von Dänemark. Als Joachim starb, erfolgte jene Landesteilung, die dem älteren Bruder, Joachim II. (Hektor), die Kurmark, dem jüngeren, Johann, die Neumark und die lausitzischen Besitzungen zusicherte.

Johann wurde den 3. August 1513 »zwischen drei und vier Uhr nachmittags« geboren. So genau diese Zeitbestimmung ist, so schwankend ist die Ortsangabe. Leuthinger sagt Angermünde, Angelus sagt Tangermünde, Hänfler sagt Peitz, Rentsch sagt Küstrin, und Kaspar Sagittarius stimmt dem letzteren bei. Es darf aber als jetzt feststehend angesehen werden, daß Markgraf Hans auf Schloß Tangermünde geboren wurde.

Er war seiner Mutter Liebling, die sich denn auch eifrig beflissen zeigte, seiner Erziehung, allen gegenteiligen Bestrebungen zum Trotz, eine protestantische Richtung zu geben. Leuthinger erzählt, »daß sich der Prinz weggeschlichen habe, wenn er mit seinem Vater in die Messe gehen sollte«, und fügt hinzu, »daß er der Überfülle von Symbolen und Zeremonien in der katholischen Kirche von Jugend auf abgeneigt gewesen sei«. In Sprachen und Wissenschaften, besonders in der Mathematik, empfing er einen vorzüglichen Unterricht und erwies sich früh als ein Erbe der väterlichen Wohlredenheit. Um ihn für seinen fürstlichen Beruf vorzubereiten, nahm ihn der Vater bei sich darbietenden Gelegenheiten mit außer Landes. 1521 war er mit in Worms, 1528 in Grimmen (bei Beilegung eines Streites mit dem Pommernherzoge), 1530 in Augsburg. Wenigstens nach Ansicht einiger. Eine gleiche Sorgfalt wurde seiner Ausbildung in den ritterlichen Künsten gewidmet, und er galt später, in seinen Mannesjahren, für einen glänzenden Turnierer. Einzelheiten aus seiner Jugend werden im übrigen wenig berichtet.

So kam das Jahr 1535, und beide Söhne leisteten am Sterbebette des Vaters das Versprechen, der alten Lehre treu bleiben zu wollen. In ihren Herzen aber stand es bereits fest, dieses Versprechen einer höhern Pflicht zu opfern. Ihr Übertritt zum Protestantismus durfte lediglich als eine Frage der Zeit angesehen werden. Johann, der entschiedenere der beiden Brüder, wartete nur seine Vermählung mit Katharina, Tochter des streng-katholisch gebliebenen Herzogs Heinrich von Braunschweig, ab und nahm dann in der Schloßkirche zu Küstrin das Abendmahl unter beiderlei Gestalt. Das war im Jahre 1538, »als am Neujahrstage die Blumen blühten«, und bald darauf reiste der Markgraf nach Wittenberg, um sich von Luther selbst eine Kirchenordnung für seine Neumark zu erbitten. Dieser schlug ihm zwei Prediger zu Superintendenten vor, einen gelehrten und einen bibelfesten, unter denen sich Johann ohne weiteres für den letzteren entschied. »Ein Zeichen«, sagt der Chronist, »daß er wohl wußte, worauf es ankam.«

So waren Haus und Kirche durch ihn bestellt, und wenn das Wort von der »christlichen Ehe« jemalen eine Wahrheit war, so war es in dem Bunde, den Markgraf Hans und seine Käthe geschlossen hatten. Ihr Ansehen war so groß, daß ein junger Herzog von Lüneburg an den Küstriner Hof kam, um »an einem rechten Tugendhofe selber Tugend zu lernen«, und der Hofprediger Buchholtzer schrieb in einer Vorrede: »daß Seines Durchlauchtigen Herrn Ehe denen Potentaten und Regenten ein sonderlich Exempel sein müsse, den Ehestand zu lieben«.

Markgraf Hans war ein geborener Regierer, und ordnen und aufbauen entsprach so recht dem innersten Zuge seiner Natur. Er fand – wiewohlen das Schlimmste bereits zurücklag – immer noch recht- und gesetzlose Zustände vor, und sein erstes Trachten, nachdem die kirchlichen Fragen im Lande geregelt waren, war darauf gerichtet, ein festes Recht zu gründen und zu handhaben. Zu diesem Behufe schuf er ein neumärkisches » Hof- und Kammergericht«, das lange Zeit in Segen wirkte und auch nach der Wiedervereinigung der Neumark mit der Kurmark als besonderer Gerichtshof fortbestehen blieb. Er widmete diesem Hof- und Kammergericht seine ganz besondere Aufmerksamkeit, wohnte den Versammlungen der Räte bei und zog in schwierigen und wichtigen Fällen auswärtige Rechtsgelehrte hinzu. Von ähnlicher Bedeutung waren seine Polizeiverordnungen, in denen er das bürgerliche Leben in die richtigen Bahnen lenkte, natürlich alles vom Standpunkt eines patriarchalischen Regimentes aus. Ähnlich wie König Friedrich Wilhelm I., an den er überhaupt, in seinen Tugenden und Fehlern, lebhaft erinnert, griff er in Großes und Kleines ein, bestimmte die Preise der Lebensmittel, verbot den Handwerkern, werkeltags in Bierhäusern zu frühstücken, und ordnete die Zahl der Gerichte bei Hochzeiten und Kindtaufen. Selbst die Tafelstunden wurden bestimmt. Daneben war er um alles, was krank, elend und bedürftig war, aufs sorglichste und liebevollste bemüht, und die Armen hatten ein Recht, ihn ihren »Vater« zu nennen.

Er war aber nicht nur ein glänzender Verweser und Verwalter seines Landes, er war auch ein Politiker und beherrschte die nach außen hin liegenden Fragen mit absonderem Geschick. Unter diesen Fragen standen einerseits die Beziehungen zu seinem Bruder, dem Kurfürsten, andererseits die zu dem Bischofe von Lebus und dem innerhalb der Neumark reich begüterten Johanniterorden obenan.

Was die Beziehungen zu seinem Bruder, dem Kurfürsten, angeht, so waren und blieben sie, soweit das Herz in Betracht kam, immer die besten, während es da, wo die Landes- und beinahe mehr noch die Privatinteressen mitsprachen, an ernsten Zerwürfnissen nicht fehlte. Dies war namentlich auf dem diffizilen Gebiete der Zölle, ganz besonders aber der Oder-Zölle, der Fall, in betreff deren oft schwer festzustellen war, ob der Kurmark oder der Neumark das größere Recht zur Seite stehe. An Nachgiebigkeit war nicht zu denken, weil diese Zolleinnahmen für beide Brüder den allerempfindlichsten Punkt bildeten: für den verschwenderischen Joachim, weil er das Geld beständig gebrauchte, für den sparsamen und geizigen Johann, weil er es beständig vermehren wollte.

Ungleich schwieriger noch lagen die Beziehungen zum Orden und zum Bischof, freilich durch eigene Schuld, insofern er von Anfang an bestrebt war, nicht bloß die Macht, sondern vor allem auch den Besitzstand beider zu schmälern. Es sind ihm, was hier gesagt werden muß, all diese Schritte, weil sie nicht nur von einem protestantischen Fürsten ausgingen, sondern zum Teil auch im direkten Interesse des Protestantismus geschahen, in der Geschichtschreibung seiner Zeit eher zum Guten als zum Schlimmen gedeutet worden; ein unparteiisches Urteil aber, das an dem Satze festhält, daß »Rechtsfragen nicht nach jeweiligen Tendenzen gemodelt werden dürfen«, wird nicht umhinkönnen, des Markgrafen Vorgehen gegen Orden und Bischof mit Mißbilligung zu nennen. Um so mehr (und wir kommen darauf zurück), je rücksichtsloser er in der Wahl seiner Mittel war. Rücksichtslos, aber klug.

Und diese Klugheit bewies er auch, als sich aus dem Schmalkaldischen Bunde, dem er zugehörte, der Schmalkaldische Krieg zu entwickeln begann. Norddeutschland, das in ihm einen Hort des Protestantismus sah, erwartete, daß er als der ersten einer auf die Seite der Bündler treten und einer ihrer Führer werden würde, ja seine damals noch lebende Mutter beschwor ihn, »die protestantische Sache nicht im Stiche zu lassen«. Aber vergebens. Er entschied sich für den Kaiser und führte diesem unter der Fahneninschrift: »Gebet dem Kaiser, was des Kaisers, und Gott, was Gottes ist«, 700 Reiter zu, die denn auch den blutigen Strauß bei Mühlberg mit ausfechten halfen. Den ihn für dieses Verhalten treffenden Tadel hat er durch die Versicherung zu beseitigen gesucht, »daß er das bündlerische Vorgehen nicht als einen Glaubens-, sondern als einen Illoyalitätskampf angesehen habe«, Worte, die sein späteres ruhmvolles Verhalten auf dem Reichstage zu Augsburg rechtfertigen zu wollen scheinen. Nichtsdestoweniger möchte ich die größere Hälfte seiner Handlungsweise einer klugen Berechnung zuschreiben. Er war eben eine durch Mein-und-Dein-Fragen auch in seinen Prinzipien stark beeinflußte Natur, und wenn neuerdings, und zwar im Lager der Konservativen selbst, der Satz aufgestellt worden ist, »daß auch das konservativste Blatt immer noch mehr › Blatt‹ als ›konservativ‹ sei«, so wird sich von Markgraf Hans, als dem protestantischsten Fürsten seiner Zeit, vielleicht sagen lassen, »daß er immer noch mehr › Fürst‹ als Protestant gewesen sei«. Einzelne Züge, deren ich noch weiterhin erwähnen werde, sprechen – mit Ausnahme eines, des freilich wichtigsten – dafür.

Er stand ganz in der großen Kontroverse, die den Inhalt seines Jahrhunderts ausmachte, und nahm in Wort und Schrift vielfach daran teil. Mit Bibellesen begann er seinen Tag, und mit Disputationen über die schwebenden Fragen beschloß er ihn. Was ihn nebenher beschäftigte, waren Mathematik und Astrologie. Er hielt zwei Hofastrologen, unter ihnen den durch seine reformatorische Tätigkeit später so berühmt gewordenen Martin Chemnitz, und ließ täglich die Veränderungen im Stand der Gestirne beobachten, um daraus die Gesinnungen der fremden Fürsten gegen ihn kennenzulernen. Seine der Erholung gewidmeten Stunden gehörten der Musik, dem Brettspiel und nur ausnahmsweise der Jagd. Dabei war er von einer ausgesprochenen Neigung, kleine Reisen unerkannt ins Land hinein zu machen, um bei dieser Gelegenheit die Lage des Volkes und seine Stimmung kennenzulernen. Auch wohl, sich von der Zuverlässigkeit seiner Diener, höherer wie niederer, zu überzeugen. So trat er auf der ihm zugehörigen Quartschener Feldmark an einen seiner eigenen Schäfer heran und drang in ihn, ihm heimlich einen Hammel aus seiner Herde zu verkaufen. Und als der Angeredete dies weigerte, begann er nicht nur mit ihm zu zanken, sondern griff auch nach dem Hammel, bis der Schäfer endlich mit seiner Barte so gut und sicher nach ihm warf, daß der Spieß im Sattel des Markgrafen hängenblieb. Damit ritt dieser heim und ließ den Sattel mitsamt dem Bartenspieß in seinem Marstall aufbewahren.

Er kam, wie die meisten unserer früheren Hohenzollern, nicht hoch zu Jahren. Allerlei Krankheit trübte seinen Ausgang, und ein offener Wundschaden am Fuß, den er gegen den Rat seiner Ärzte zuheilen ließ, verschlimmerte seine Leiden. Er suchte Heilung, erst in Hirschberg, dann in Karlsbad, und an letzterem Orte war es, daß noch viele Jahre später ein Stein mit der Inschrift »Markgraf Hans von Küstrin« gezeigt wurde. Aber alle diese Quellen verschafften ihm kaum Linderung, geschweige Besserung, und als er in der ersten Januarwoche 1571 die Nachricht empfing, daß sein Bruder, der Kurfürst, auf seinem Jagdschlosse zu Köpenick plötzlich gestorben sei, mochte er das Herannahen seines eigenen Endes fühlen. Eine Ohnmacht überfiel ihn, und als er aus ihr erwachte, ließ er seinen Hofprediger und Generalsuperintendenten Dr. Cölestinus zu sich rufen. Dieser kam und setzte sich mit an den Tisch, auf dem Speisen aufgetragen waren, und als das Gebet gesprochen, sagte der Markgraf: »Hilf Gott! Wie arme Leute sind wir! Wär ich doch schier in einer Ohnmacht dahingegangen. Ach, was ist das Leben. Dolor et labor. Lieber Gott, gib, daß wir seliglich sterben.«

Das war am 12. Januar. Die Nacht darauf schied er aus dieser Zeitlichkeit. Schon fünfzehn Jahre vorher hatte er sich unter dem Marmoraltar seiner Küstriner Schloßkirche ein Grabgewölbe herrichten und demselben auch eine Inschrift geben lassen. Und zwar standen an einer in die Wand eingelassenen Messingtafel die folgenden Worte: »Johannes, Markgraf zu Brandenburg, ein Sohn Markgraf Joachims I., Kurfürsten zu Brandenburg, hat durch Gottes Vorsehung im Jahre 1536 angefangen, die reine Lehre des Evangelii und Wortes Gottes, inhalts Augsburgischer Konfession, nach prophetischer und apostolischer Schrift allhier zu Küstrin öffentlich lehren zu lassen, und ist in solchem Bekenntnis, Er und die Seinigen, aus Gnaden des Allmächtigen beständig geblieben. Solus spes mea Christus.«

In dieser Gruft wurde Markgraf Hans in feierlicher Weise beigesetzt, und die Chronisten geben eine Beschreibung davon, nicht viel kürzer als die Beschreibung seines Lebens. Er war ohne männliche Deszendenz gestorben, und so fiel die Neumark, nach einer verhältnismäßig kurzen Trennung von der Kurmark, wieder an diese zurück.

Es erübrigt uns noch ein Blick auf seinen Charakter, den anzudeuten schon die vorstehende Schilderung seines äußeren Lebensganges Gelegenheit bot, weshalb einige Aussprüche sich an dieser Stelle wiederholen werden. Er war klug und scharfblickend, ein Mann der Ordnung und des Gesetzes, ein glänzender Haushalter und ein unermüdlicher Begründer eigenen und fremden Wohlstandes. Das machte ihn volkstümlich. Aber alle diese Tugenden grenzten an ebenso viele Fehler. Sein Scharfblick, in Argwohn und Mißtrauen ausartend, ließ ihn den Spruch:

Unter Tausenden trau einem recht,
Bis du erkennst ihn treu oder schlecht,

zu seinem Lieblingsspruche wählen, und die Handhabung des Gesetzes trieb er mit einer eisernen Strenge und Unnachsichtigkeit, daß er den Beinamen Severus erhielt und verdiente. Es war zu rühmen, daß er sich beflissen zeigte, das Räuber- und Mordbrennerwesen, das an der Tagesordnung war, mit Stumpf und Stiel auszurotten, aber es war zu streng, zu streng auch aus dem Geiste seiner Zeit heraus, Flucher, die schon wiederholentlich wegen Fluchens bestraft worden waren, schließlich hinrichten zu lassen. Sooft er Todesurteile zu bestätigen hatte, tat er es mit dem Worte: »Auferas malum e medio populi tui«, und wer für Verbrecher zu bitten kam, erhielt einfach die Antwort: »Fiat justitia et pereat mundus.«

Sein Kardinalfehler war der Geiz, in den seine weise Sparsamkeit beständig ausartete. Wenn sein Kanzler Barthold von Mandelsloh in seidenen Strümpfen vor ihm erschien und er ihm zurief: »Bartholde, ich hab auch seidene Strümpfe, aber ich trage sie nur sonn- und festtags«, so mag das als ein humoristisch anklingender Zug lächelnd und dankbar hingenommen werden, wenn er aber, nach Art mancher modernen Adeligen, das Prinzip verfolgte, Rechnungen auf lange Zeit hin unbezahlt zu lassen, so wird ihm dies schwerlich als Zierde angerechnet werden können. Sein Nürnberger Büchsenmacher kannte diese Sonderbarkeit des hohen Herrn und richtete deshalb folgendes Schreiben an ihn: »Guten Tag, Herr Markgraf. Eure Büchse ist fertig. Schickt Ihr mir Geld, so schick ich Euch die Büchse. Schickt Ihr mir das Geld nicht, so schick ich auch die Büchse nicht. Hiermit Gott befohlen.«

Er war von Kopf zu Fuß ein Finanz- und Börsenmann und lieh Geld auf Zinsen. Niedere und hohe, je nachdem. Innerhalb seines eigenen Landes wurd er dabei sehr wahrscheinlich von der nicht unlöblichen Absicht geleitet, Bedrängten Hülfe zu leisten, ohne geradezu schenken zu müssen, nach außen hin aber fielen diese Rücksichtsnahmen fort und entschied nichts als der eigene Vorteil. Und diesem Vorteile hing er derart energisch nach, daß es ihn unter Umständen nicht kümmerte, mit seinen sonstigen Rechtsanschauungen in den sichtlichsten Widerspruch zu geraten. Auch darin ganz wie Friedrich Wilhelm I., der kein furchtbareres Verbrechen kannte als Desertion und dennoch seine Werber beständig anhielt, in fremden Ländern dazu zu verführen. Alles nur um seiner dominierenden Leidenschaft, der Leidenschaft für große Soldaten, ein Genüge zu tun. Markgraf Hans, in sehr ähnlicher Weise, verpflichtete sich, wenn auch unter gewissen Reservationen, gegen ein Jahrgehalt von 5000 Talern in Philipps II. und des katholischen Spaniens Dienste zu treten. Seine dominierende Leidenschaft: der Hang nach dem Gelde, war eben stärker als sein Protestantismus.

Am häßlichsten erwies sich diese seine Leidenschaft in seinem Verhältnisse zum Johanniterorden, weil sie sich in diesem speziellen Falle bis zu Rachsucht und Grausamkeit steigerte. Es ist unerläßlich, bei diesen Vorgängen, deren Opfer der Herrenmeister Franz Neumann und sein Anhang war, einen Augenblick zu verweilen.

Franz Neumann war Ende des fünfzehnten Jahrhunderts zu Sagan in Schlesien geboren. Er kam nach Krossen, wurde Rektor daselbst und wußte, bei Gelegenheit eines festlichen Redeakts, den Markgrafen durch glänzende Beredsamkeit derartig hinzureißen, daß er ihn nicht nur zu seinem Küstriner Rat und Kanzler ernannte, sondern auch seine Wahl und Ernennung zum Herrenmeister des hochadeligen Johanniterordens durchsetzte. Eine hohe Stellung, die nie vorher von einem Bürgerlichen bekleidet worden war. Und so läßt sich denn mit einer an Gewißheit grenzenden Wahrscheinlichkeit annehmen, daß all dies nur auf bestimmte Versprechungen hin erfolgte, die zu halten der kaum ernannte Herrenmeister sofort ein Widerstreben zeigte. Die Herausgabe von Ordensländereien, vielleicht auch viel anderes noch, unterblieb und führte schließlich, bei fortgesetzter Weigerung, zu einer allerheftigsten Erzürnung des Markgrafen. Er begann, dem Herrenmeister – in dem er vielleicht eine bloße Kreatur, gewiß einen durch Amts- und Lehnseid an sich geketteten Diener sah – nach Freiheit und Leben zu trachten, und ließ ihn bei sich bald darbietender Gelegenheit durch einige seiner Mannschaften aufheben und auf das Sonnenburger Schloß bringen. Hier gedachte er ihn seine Rache fühlen zu lassen. Als es aber dem kaum gefänglich Eingebrachten glückte, seine Flucht zu bewerkstelligen, richtete sich des Markgrafen Zorn gegen alle diejenigen, die sich zwischen ihn und den angeblich Schuldigen gestellt hatten. Zunächst gegen den Sonnenburger Schloßhauptmann von Winning. Dieser wurde angeklagt, die Flucht begünstigt zu haben, und als von Winning leugnete, ward er auf die Folter gelegt, an deren Folgen er starb. Aber des erzürnten Markgrafen Rachegelüst ging weiter, und als ihm bald darauf die Meldung kam, daß Christoph von Döberitz, ein Schwiegersohn Franz Neumanns, harte Worte gegen ihn gebraucht habe, ließ er demselben den Prozeß machen und ihn hinrichten. Dies das Tatsächliche. Zeitgenössische Geschichtschreiber haben auch hier die Handlungsweise des Markgrafen erklären beziehungsweise entschuldigen wollen, einige, weil der Wortbruch seines ehemaligen Kanzlers und Günstlings, andere, weil die landesverräterischen Umtriebe desselben (Auslieferung von Ordensbesitz an den Kaiser) ihn aufs äußerste gereizt hätten, aber was immer auch die Schuld Franz Neumanns selbst, eines mutmaßlich zweideutigen Mannes, gewesen sein möge, die Tortur des von Winning und die Hinrichtung des von Döberitz werden schwerlich jemals gerechtfertigt werden können. Der Groll, sich in seinen Plänen gehemmt, in seinen Interessen geschädigt zu sehen, trübte sein Urteil und riß ihn zu jähzornigen Entscheidungen fort.

All dieser seiner Fehler unerachtet war der Markgraf ein bedeutender Fürst und ein Mann voll mutiger Überzeugung, wovon er, vor eine letzte Entscheidung gestellt, ein vollgültiges und ihm zu ewigem Ruhme gereichendes Zeugnis ablegte. Das war 1548 in Augsburg, als auf dem Reichstage daselbst die für Katholiken und Protestanten bestimmte Vereinigungsformel: das »Augsburger Interim«, zur Vorlage kam. Keinem gefiel die Vorlage. Aber der Kaiser bestand auf ihrer Annahme, und die besiegten protestantischen Fürsten schwiegen und – unterschrieben. Nicht so Markgraf Hans. Er las das Schriftstück; dann erhob er sich und erklärte vor Kaiser und Reich, »daß er dies verführerische Gemisch von Wahrheit und Trug nicht annehmen wolle. Lieber Beil als Feder, lieber Blut als Tinte«, und damit schob er das Schriftstück zurück. Der Kaiser sah ihn zornig an und gebot ihm, den Reichstag zu verlassen – eine Verbannung, der er gern gehorchte. Und heimgekehrt in seine Stadt Küstrin, schrieb er über die Tür seines Arbeitszimmers:

Hast du Feind' und fehlt dir Glück,
Hab guten Mut, weich nicht zurück.
In steter Hoffnung leb und trag,
Was dir auf Erden begegnen mag.

Um dieser seiner Standhaftigkeit willen ward er damals als ein Hort und Retter jener Glaubensbefreiung angesehen, der er in der Tat sein Leben gewidmet hatte, und dem Urteil eines seiner Biographen wird auch heute noch zuzustimmen sein: »daß sein Einfluß auf das Schicksal des Protestantismus in Deutschland ein sehr bedeutender gewesen sei, viel bedeutender, als selbst unsere märkischen Spezialgeschichten hervorzuheben pflegen«.

In dem neumärkischen Lande aber, das er ein Menschenalter lang regiert, lebt sein Andenken fort bis diesen Tag, freilich nicht in seiner Eigenschaft als Führer und Beschützer der protestantischen Sache! Was er nach dieser Seite hin getan, konnte nicht Wurzel fassen in den Gemütern eines Stammes, von dem in Lob und Tadel gesagt worden ist, »daß er keine Heiligen hervorgebracht, aber auch keine Ketzer verbrannt habe«. Er lebt fort in dem, was diesem tüchtigen, aber durchaus nüchternen Mischvolk zu beiden Seiten der Oder allezeit das Wichtigste war, in Fragen der Ordnung und der Vorsorge, des Häuslichen und des Wirtschaftlichen. Und das spiegelt sich in den Sagen, die bis heute von ihm umgehen. »In den Kasematten von Küstrin«, so heißt es, »steht sein Bett, das hängt in Ketten, und ein altes Mütterchen ist ausdrücklich gehalten, es jeden Tag aufs sorglichste zu machen. Des Morgens aber ist eine Grube darin und eine warme Stelle, als hätte wer darin gelegen.« – »Und fremdes Volk«, so plaudert die Sage weiter, »mag er in seiner Stadt nicht leiden, am wenigsten einen Feind. Das hat manche französische Schildwacht erfahren müssen, und ging sie zu nah am Rande des Wallgangs, der zwischen Bastion König und Bastion Brandenburg läuft, so war er bald neben ihr und sprach mit ihr und stieß sie hinunter.«

Und mit diesen Sagen gemeinschaftlich werden die Geschichten erzählt von dem Quartschner Schäfer und dem Nürnberger Büchsenschmied, und Markgraf Hans ist noch jetzt der »Regente« des Landes, das er streng, aber segensreich regiert.


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