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Hans Albrecht von Barfus

Der jetzt alles vermag und kann,
War erst nur ein schlichter Edelmann,
Und weil er der Kriegsgöttin sich vertraut,
Hat er sich diese Größ' erbaut.
Schiller

Hans Albrecht von Barfus ward inmitten der Drangsale des Dreißigjährigen Krieges 1635 zu Möglin geboren, und diese Drangsale waren es auch wohl, die seiner Erziehung und Bildung ein fast allzu geringes Maß gaben. Das Militärische trat von Anfang an in den Vordergrund und wurde Schule fürs Leben und Staffel zum Glück.

Hans Albrecht trat früh in Dienst. Es war die Zeit, wo die Söhne des Adels anfingen, den Krieg, aus eigenem Drang heraus, als Metier zu betreiben. Die Höfe lagen wüst, die Zeiten waren unsicher. Zudem entstanden eben damals die stehenden Armeen und brauchten Offiziere. Hans Albrecht diente »von der Pike auf«, ein Umstand, dessen er sich in seinen Feldmarschallstagen gern zu rühmen pflegte.

Seine ersten Feldzüge machte er unter Sparr, Derfflinger und Görtzke. Er focht mit in Polen, in Pommern, in Preußen und am Rhein. Bei Fehrbellin war er höchstwahrscheinlich nicht, da er beim Fußvolk stand, das brandenburgischerseits in dieser Reiterschlacht fast gar nicht zur Verwendung kam. Auch Schöning, aus gleichem Grunde, fehlte bei Fehrbellin. Im übrigen begann schon damals die Differenz zwischen beiden, auch in ihrer äußeren Stellung, hervorzutreten. Es durfte nicht wundernehmen. Schöning war der Ausnahme-, Barfus der Durchschnittsmensch, und wenn jener den Mann der »großen Carrière« repräsentierte, so repräsentierte dieser den Mann der Anciennität und Subalternität. Freilich war er seinerseits wieder ein subalternes Genie und gehörte jener Klasse von Leuten an, die eine mäßige Begabung glücklich und segensreich für sich und mitunter auch für andere zu benutzen wissen. Ihre Tugenden sind Charaktersache, und ihre Genialität heißt: Abwarten, Ausdauer, Konsequenz.

Im Jahr 1670, fünfunddreißig Jahre alt, war unser Hans Albrecht noch Lieutenant, aber sei es, daß die immer rascher sich folgenden Kriegszüge ihm eine wachsende Gelegenheit boten, sich auszuzeichnen, oder daß das Glück, das ihm bis dahin so wenig hold gewesen war, plötzlich seine Gunst ihm zuwandte, gleichviel, mit fünfunddreißig Jahren noch Lieutenant, war er mit dreiundvierzig Jahren bereits Obrist eines Regiments und wenige Jahre später Generalmajor. In der neueren preußischen Kriegsgeschichte bietet vielleicht nur Gneisenau ein ähnliches Beispiel verspäteten und dann sehr raschen Avancements, Gneisenau, der 1806 noch Capitain und 1813 bereits Generallieutenant war. Als solcher machte Barfus zwei Türkenzüge mit, den ersten 1683 behufs Entsatzes von Wien, den andern 1686 wegen Eroberung von Ofen. Die Belagerung dieser Festung und den besonders ruhmreichen Anteil unseres Hans Albrecht daran hab ich unter »Tamsel« bereits ausführlicher erzählt. Schöning wird der Ruhm nicht genommen werden können, Brandenburg damals, sowohl durch sein persönliches Auftreten wie durch den Aplomb, mit dem er seine Truppen in den Vordergrund schob, glänzend repräsentiert zu haben, glänzender wahrscheinlich, als es der ihm unterstellte Barfus vermocht hätte; dem letzteren aber bleibt seinerseits das Verdienst, in der Nähe des »Ofens, der sehr heiß war«, am andauerndsten ausgehalten und zweimal allerpersönlichst die Kastanien aus dem Feuer geholt zu haben. Seine Sturmkolonne war es, die, neben der kaiserlichen des Herzogs von Croy, über das Schicksal Budas entschied.

Zwei ruhmreiche Türkenzüge lagen hinter ihm. Aber ein dritter, ruhmreicherer stand ihm bevor. Im Jahre 1691 stieß abermals ein Corps Brandenburger als Auxiliartruppe zu den Kaiserlichen, und am 19. August erfolgte angesichts von Peterwardein die große Türkenschlacht bei Szlankamen. Markgraf Ludwig von Baden führte das christliche Heer. Da Barfus diesen wichtigen Tag zu »Ehren der Christenheit« entschied, so ziemt es sich wohl, bei den Details dieses Tages etwas ausführlicher zu verweilen.

Die Türken, 100 000 Mann stark, hatten eine sehr feste, aber zugleich sehr gefährliche Position eingenommen, eine Position, in der sie siegen oder notwendig zugrunde gehen mußten. Sie standen nämlich mit ihrem Fußvolk, 50 000 Mann, meist Janitscharen, auf den Hügeln an der Donau, den Fluß im Rücken, die Ebene vor sich. Auf dieser Ebene standen andere 50 000 Mann, lauter Reiterei, Spahis. Die Janitscharen führte der Großvezier Köprülü, die Reiterei der Seraskier-Pascha. Die kaiserliche Armee war viel schwächer und betrug im ganzen kaum 50 000 Mann. Den rechten Flügel führte Feldzeugmeister Graf Souches, den linken Feldmarschall Graf Dünnewald, im Zentrum aber befehligte Hans Albrecht von Barfus. Siebzehn Bataillone und einunddreißig Schwadronen standen unter seinem Kommando.

Der Plan des Markgrafen Ludwig war vortrefflich. Graf Dünnewald sollte vom linken Hügel her mit fünfundachtzig Schwadronen die Spahis von der Ebene fortfegen und Graf Souches, in Benutzung dieses Moments, die Hügelposition erstürmen. Aber der große Reiterangriff unterblieb, und so griff denn Graf Souches unter sehr ungünstigen Verhältnissen an. Dreimal vordrängend, ward er dreimal zurückgeschlagen, und schon schickte die ganze türkische Reiterei sich an, die Vernichtung des rechten Flügels vollständig zu machen, als Barfus, mit seinen Bataillonen vorrückend, einfach rechts schwenkte und dadurch eine schützende Mauer zwischen den eben angreifenden Spahis und unsrem fliehenden rechten Flügel aufrichtete. Diese eine Bewegung stellte die Schlacht wieder her.

Aber Barfus sollte nicht nur die schon verlorene Schlacht wiederherstellen, er sollte sie bald darauf auch gewinnen.

Der sieghafte Sturm der Spahis war gehemmt, noch eh er seinen vollen Anlauf hatte nehmen können. Die Schlacht stand. Da endlich kam Graf Dünnewald mit dem linken Flügel heran. Markgraf Ludwig stellte sich selbst sofort an die Spitze der Reiterei und brach jetzt von links her in die Spahis ein, während 6000 Kürassiere, die gesamte Reserve des christlichen Heeres, denselben feindlichen Reiterschwarm in der Front angriffen. Dieser Angriff war unwiderstehlich. Die Fortfegung der Spahis, womit die Schlacht hatte beginnen sollen, jetzt war sie vollzogen. Aber kein rechter Flügel existierte mehr, um die Gunst des Moments zu nutzen. Graf Souches selbst lag tot auf der Walstatt.

Nur das Zentrum stand noch. Barfus erkannte die volle Bedeutung des Augenblicks. Was der rechte Hügel nicht mehr konnte, das konnte das Zentrum. Nur noch das Zentrum. Die Aufgabe jenes war auf dieses übergegangen. Barfus rückte vor, und siegreich, wie vor Buda, stieg er die Höhen hinauf. Ein rasendes Gemetzel begann. Was nicht in Stücke gehauen wurde, warf sich in die Donau und ertrank. Der Großvezier Köprülü, der Stolz und Abgott der Türken, der Janitscharen-Aga, achtzehn Paschas, funfzehn Torbaschis der Janitscharen und 20 000 Gemeine bedeckten das Schlachtfeld. Die Heeresfahne des Großveziers von grüner Farbe mit Gold, 145 Kanonen, die Kriegskasse, 10 000 Zelte etc. waren erbeutet, und wohl mochte Markgraf Ludwig berichten, »daß diese Schlacht die schärfste und blutigste in diesem Säculo gewesen, maßen die Türken wie verzweifelte Leut gefochten und mehr als eine Stunde den Sieg in Händen gehabt hätten«. Der Verlust des Christenheeres betrug 7300 Mann, darunter 1000 Brandenburger.

Der Sieg bei Szlankamen, seiner allgemeinen Bedeutung zu geschweigen, war auch von einer sonderlichen Bedeutung für das Haus Brandenburg. Markgraf Ludwig schrieb an den Kurfürsten und drückte sich über die Mitwirkung der brandenburgischen Hülfsvölker in folgenden Worten aus: »Ich kann Euer Kurfürstlichen Durchlaucht den außerordentlichen Valor und das gute Benehmen von Dero Generallieutenant Barfus sowie Ihrer braven Truppen nicht genug rühmen, und ihnen allein hat der Kaiser den Sieg und die Vernichtung der Türken zu danken.«

Eine ähnliche komplimentenreiche Sprache war zwar damals an der Tagesordnung und verfolgte den leicht begreiflichen Zweck, durch freigebig gespendetes Lob die verschiedenen Reichsfürsten und ihre Truppenbefehlshaber bei guter Laune zu erhalten. Im vorliegenden Fall indes drückten diese Worte mehr als ein bloßes Kompliment und in der Tat eine wohlverdiente Anerkennung aus. Dies ergibt sich zum Teil aus der Schlachtbeschreibung selbst, am meisten aber aus der nachfolgenden, überaus gnädigen Haltung des Wiener Hofes. Brandenburg, als es nach der Königswürde zu streben begann, verabsäumte nicht, auf seine siegreiche Mitwirkung am Tage von Szlankamen immer wieder und wieder zurückzukommen, und so mögen denn die Barfuse nicht ganz unrecht haben, wenn sie später noch den stolzen Ausspruch wagten: »ihr Ahnherr, Hans Albrecht, habe, auf dem Felde von Szlankamen, die preußische Königskrone mit erobern helfen«.

Im Jahre 1692 kehrte Barfus mit seinem Hülfscorps nach Berlin zurück. Hier häuften sich jetzt die Ehren auf seinem Haupt. Ohne hofmännische Schulung, ja vielleicht selbst ohne den Ehrgeiz, sie haben zu wollen, trat er nichtsdestoweniger in das Parteigetriebe des Hofes ein. Was eigenes Verdienst ihm nicht erwarb, erwarb ihm die Coterie, der er angehörte. »Eine Hand wusch die andere« wie nicht zum zweitenmal in unserer Geschichte. Er hielt sich von Anfang an zur »Fraktion Dohna-Dönhoff«, und es gereicht ihm zur Ehre, in einer Zeit voll zynisch egoistischen Undanks in Treue bei der einmal erwählten Partei ausgehalten zu haben. Es kam freilich hinzu, daß er seit 1693 mit Gräfin Eleonore von Dönhoff vermählt und dadurch an die Interessen dieser Familie gefesselt war. 1695, ohne daß inzwischen neue Kriegstaten ihm neuen Kriegsruhm erworben hätten, ward er Feldmarschall-Lieutenant und das Jahr darauf Feldmarschall. Wie sein Rang und sein Ansehen, so wuchs sein Vermögen. Er erstand die Quittainenschen Güter in Ostpreußen, die bis dahin dem Feldmarschall Derfflinger gehört hatten, und endlich auch »Schloß Kossenblatt an der Spree«, seinen Lieblingsbesitz, von dem wir in dem nächsten Kapitel ausführlicher zu sprechen haben werden.

Aber erst das Jahr 1697 bezeichnet den Höhenpunkt seines Ruhms. Im November dieses Jahres ward Eberhard von Danckelmann, der bis dahin allmächtig geglaubte Minister, durch die Dohna-Dönhoffsche Fraktion gestürzt, und unserem Hans Albrecht fiel der Gewinn eines Spieles zu, daran sein persönlicher Einsatz, aller Wahrscheinlichkeit nach, ein nur geringer gewesen war. Seine Hand war zu schwer zur Einfädelung einer Intrigue. Er gab das Gewicht seines Namens her und ließ dann die andern machen.

Danckelmann war gestürzt, und Barfus übernahm die Leitung der Geschäfte. War es doch eine Zeit, in der sich jeder zu jedem fähig glaubte, wenigstens bei Hofe. Das bekannte Wort Oxenstiernas wurde wahr an jedem neuen Tag, und was als das Erstaunlichste gelten mag: die Dinge gingen auch so, gingen zum Teil sogar gut.

Barfus war Premierminister, noch richtiger Universalminister. Er war alles, er tat alles. Auswärtiges, Finanzen, Krieg – jegliches fiel ihm zu. Dazu war er Gouverneur von Berlin, Kommandeur der Garde, Landeshauptmann der Grafschaft Ruppin, und soviel Stellen sich ihm auftaten, soviel Quellen flossen in seinen Schatz. Er wurde sehr reich. Als Gouverneur von Berlin bezog er ein palastartiges Gebäude, das vor ihm der Obermarschall von Grumbkow (der Vater des bekannten) besessen hatte. Barfus ließ es umbauen, erweitern und einen Garten nach der Spree hin anlegen. Es ist dies dasselbe Gebäude, das wir jetzt als »Stadtvogtei« kennen und das, als solches, eine so hervorragende, wenn auch freilich wenig poetische Rolle in unserer Stadt- und Staatsgeschichte gespielt hat.

Hans Albrecht war Universalminister, aber er war es nur durch Zulassung und nicht durch eigne Kraft. Die Dohna-Dönhoffs schoben ihn einfach vor, um nicht in die durch Danckelmanns Sturz entstandene Günstlingslücke einen neuen, vielleicht viel gefährlicheren Günstling einrücken zu sehn, und unserem Barfus fiel es lediglich zu, durch sein bloßes Dasein den Satz zu predigen: Wo ich bin, kann kein anderer sein.

Das ging zwei Jahre lang, aber nicht länger. Der Kurfürst, was immer seine Schwächen sein mochten, war aus zu feiner Schulung, um an der Haltung eines alten Campagnesoldaten, der nicht einmal französisch sprach, auf die Dauer ein Genüge finden zu können. Und die Einführung einer Perückensteuer, wodurch Hans Albrecht den Sitten und Finanzen des Landes gleichmäßig aufzuhelfen trachtete, bezeigte sich schließlich als der allerschlechteste Weg, die schon schwankende Waage zu seinen Gunsten wiederum sinken zu machen. Die neue Sonne: Kolbe-Wartenberg, stieg immer höher. Er begann den Majordomus zu spielen, und der Danckelmannsche Hochmut erschien nun wie Leutseligkeit neben dem Ton des neuen Günstlings. Niemand wurde geschont, kaum die Königin, am wenigsten die alten Parteien des Hofes.

Aber Barfus, der den Hof überhaupt wie ein Schlachtfeld nahm, war ein viel zu guter Soldat, um so ohne weiteres an Flucht oder Rückzug zu denken. Er hatte den türkischen Großvezier besiegt, warum nicht auch den Majordomus von Brandenburg? Die Königin, die Dohna-Dönhoffs dachten ähnlich, und so bereitete sich jene »große Liga von 1702« vor, die keinen anderen Zweck verfolgte, als den tyrannischen Günstling zu beseitigen und das Barfussche Interregnum von 1697 bis 1699, die Zeit der vereinigten Ministerien und der Perückensteuer, wiederherzustellen.

Aber Kolbe-Wartenberg war glücklicher, als es Danckelmann vor ihm gewesen war. Vielleicht weil es die Liga in der Person versah, die sie mit Ausführung der Hauptrolle betraute. Diese Person war der Hofmarschall von Wense. Graf Otto Dönhoff, als er von der Wahl dieses letztgenannten Herrn hörte, zuckte die Achseln und setzte gutgelaunt hinzu: »Wohlan denn, wir müssen dem Glück einen Ochsen opfern!« Er hatte recht gehabt. Nur blieb es nicht bei dem einen Opfer. Alle traf die Ungnade des Königs, und während der Hofmarschall von Wense den Hof mit der Festung Küstrin vertauschte, wurde der Rest vom Hofe verbannt: die Dohnas, die Dönhoffs und auch Barfus.

Dies war des letzteren letzte Aktion – kein Ruhmestag von Szlankamen. Der Hof war nicht sein Feld. Trösten mocht es ihn, daß auch Gewandtere unterlegen hatten. Unser Feldmarschall aber ging nach »Kossenblatt«, wo inzwischen, auf einer Spreeinsel, der Frontbau eines Schlosses entstanden war. Mit sich nahm er zu allem, was er sonst noch besaß, ein Jahrgehalt von 8000, nach Pöllnitz sogar von 12 000 Talern. Aber er erfreute sich desselben nicht lange mehr. Am 27. Dezember 1704 beschloß er sein an Kämpfen und Wandlungen reiches Leben.

In einem schlichten Anbau neben der Kossenblatter Kirche hat er seine letzte Ruhestatt gefunden.

 


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