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Und das Gold schwamm auf den Feldern,
Und des Segens war kein Ende Im gelobten Hamyar. |
Chr. Friedr. Scherenberg |
Eine Nachtfahrt hat uns an Rüdersdorf und Müncheberg vorbei bis in das Städtchen Seelow geführt. Wir gönnen uns eine Stunde Rast und fahren nun, in nördlicher Richtung, bei Morgenlicht und Lerchenjubel in das tief vor uns gelegene Bruch hinein. Halben Weges, ebenda, wo das Plateau abzufallen beginnt und eine Pappelallee ihre Vorposten hoch hinaufschickt, halten wir, um uns an dem Landschaftsbilde zu freuen, das sich jetzt in überraschender Schönheit vor uns ausbreitet. Der Gottessegen berührt hier das Herz mit einem ganz eigentümlichen Zauber, mit einer fromm gestimmten Freude, wie sie die Patriarchen empfinden mochten, wenn sie inmitten menschenleerer Gegenden den gottgeschenkten Segen ihres Hauses und den Reichtum ihrer Herden zählten. Wo die Hand des Menschen in harter, nie rastender Arbeit der ärmlichen Scholle ein paar ärmliche Halme abgewinnt, da kann die Vorstellung in ihm Platz greifen, als sei er es, der diesen armen Segen geschaffen habe; wo aber die Erde hundertfältige Frucht trägt und aus jedem eingestreuten Korne einen Reichtum schafft, da fühlt sich das Menschenherz der Gnade Gottes direkt gegenüber und begibt sich aller Selbstgenügsamkeit. Ein Blick von dieser Seelower Höhe läßt uns in solchen Gottessegen schauen. Die ohnehin dicht gelegenen Dörfer rücken in dem endlosen Coulissenbilde immer dichter zusammen, und alles verschmilzt zu einer weitläufig gebauten Riesenstadt, zwischen deren einzelnen Quartieren die Fruchtfelder wie üppige Gärten blühen. Wer hier um die Sommerzeit seines Weges kommt, wenn die Rapsfelder in Blüte stehn und ihr Gold und ihren Duft über das Bruchland hin ausstreuen, der glaubt sich wie durch Zauberschlag in ferne Wunderländer versetzt, von denen er als Kind geträumt und gelesen. Unvergeßlich aber wird der Eindruck für den, den ein glückliches Ohngefähr an einem Pfingstheiligabend an diesen Höhenrand führt. Die Feuchte des Bruches liegt dann wie ein Schleier über der Landschaft, alles Friede, Farbe, Duft, und der ferne, halb ersterbende Klang von dreißig Kirchtürmen klingt in der Luft zusammen, als läute der Himmel selber die Pfingsten des nächsten Morgens ein.
Die Pappelallee geleitet uns bergab und macht erst am Fuße des Hügels einem breiten Kastanienwege Platz, der uns bis an den Eingang des Dorfes führt. Dieses Dorf ist Gusow, eins der größten und vornehmsten jener alten Wendendörfer, die, lange vor der Urbarmachung, die sumpfige Niederung des Bruches in weitem Zirkel umspannten. Schon um die Mitte des funfzehnten Jahrhunderts, unter Kurfürst Friedrich Eisenzahn, saßen hier die reichbegüterten Schapelows und verblieben im Besitze bis 1649, wo die beiden minderjährigen Söhne des von einem seiner Knechte erschlagenen Maximilian Wilhelm von Schapelow das verschuldete Gut nicht länger zu behaupten vermochten. Gusow kam zu gerichtlicher Versteigerung und wurde von dem bis kurz zuvor in schwedischen Diensten gestandenen Obersten Georg von Derfflinger, der sich schon drei Jahre früher mit einer von Schapelow vermählt hatte, teils sub hasta erstanden, teils freihändig angenommen.