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Biographisches
über Hans Hermann von Katte

Hans Hermann von Katte wurde den 21. Februar 1704 zu Berlin geboren. Diese Zahlen sind zuverlässig. Auf dem Familiengute Wust findet sich folgende, bald nach der Geburt Hans Hermann von Kattes in das dortige Kirchenbuch eingetragene Notiz: »Anno 1704 den 21. Februar ist des Herrn Obristwachtmeisters (von Katte) Söhnlein zu Berlin geboren und den 22. getauft und mit Namen Hans Hermann benennet worden. Dessen Paten waren der hochgräfliche Herr Feldmarschall von Wartensleben und dessen Frau und Sohn.«

Über die Jugend Hans Hermanns ist nur weniges und nur ganz Allgemeines bekannt geworden. Daß er seine Schulzeit in Königsberg – allwo sein Vater bald nach Abschluß des Spanischen Erbfolgekrieges ein höheres Kommando antrat – zugebracht haben muß, dafür spricht folgende Stelle eines weiterhin im Wortlaute mitzuteilenden Briefes: »Sein Portrait«, so schreibt der Vater im Dezember 1730, »haben hier in Königsberg zwei Leute, eines davon der Maler, wo er zeichnen lernte.« – Welcher Art im übrigen sein Unterricht war, kann nur gemutmaßt werden. Er war sehr begabt, weshalb ihn denn auch der Vater für den Zivildienst, und zwar für die Justizcarrière, bestimmte. Reisen unterstützten früh seine wissenschaftlichen Studien. Der König sah aber den Eintritt in den Zivildienst nicht allzu gern, und da seine Gnade nur für diejenigen zu hoffen war, die Militärs wurden, so kam Hans Hermann von Katte schließlich zur Armee. Wann dies war und ob er gleich anfangs bei den »Gensdarmes« oder vielleicht erst in ein Königsberger beziehungsweise ostpreußisches Kavallerieregiment eintrat, alle diese Dinge sind in Dunkel gehüllt und werden es mutmaßlich bleiben. Als er 1729, damals fünfundzwanzig Jahr alt, zuerst genannt wird, scheint er bereits geraume Zeit hindurch der Berliner Garnison angehört zu haben.

Von seiner äußeren Erscheinung, wie zugleich von seinem Charakter, gibt Pöllnitz folgendes Bild: »Er war klein und sonnenverbrannt und hatte von den Blattern außerordentlich gelitten. Dazu dicht zusammengewachsene Augenbrauen, was ihm ein finsteres Ansehen gab. Er besaß Geist, aber wenig Urteil und war ehrgeizig und dünkelhaft. Die Gunst des Kronprinzen verrückte ihm vollends den Kopf, und er betrug sich dabei wie ein indiskreter Liebhaber in Ansehung seiner Geliebten. Überall zeigte er die Briefe des Prinzen vor, erhob ihn bis in die Wolken und tadelte dagegen jegliches, was der König tat. Seine Sitten waren nicht regelmäßiger als sein Verstand; er debauchierte und brüstete sich, gar keine Religion zu haben. Vielleicht, daß ihn reifere Jahre geändert hätten. Um diese Zeit aber (1730) war er so, wie die vorstehende Schilderung ihn gibt. Er war es hauptsächlich, der die Unzufriedenheit des Prinzen nährte, denn er ward von demselben in allen Stücken zu Rate gezogen. Nichts geschah, ohne daß Katte befragt worden wäre, und dabei war er klug genug, dem Prinzen immer nur das anzuraten, was dieser wünschte. Es wäre für beide gut gewesen, wenn sie einander nie kennengelernt hätten.«

Mit dieser Schilderung stimmt überein, was die Prinzessin Wilhelmine (Markgräfin) von ihm schreibt: »Sein Gesicht war mehr abstoßend als einnehmend; ein Paar schwarze Augenbrauen hingen ihm fast über die Augen. Sein Blick hatte etwas Unheimliches, etwas, was ihm sein Schicksal prophezeite. Eine dunkle, von den Blattern bezeichnete Hautfarbe vermehrte seine Häßlichkeit. Er spielte den esprit fort und trieb die Liederlichkeit bis zum Exzeß. Viel Ehrgeiz und Keckheit begleiteten dieses Laster. Zugleich aber«, so fährt sie fort, »besaß er Geist, Belesenheit und Welt. Die gute Gesellschaft, in der er sich ausschließlich bewegte – so namentlich auch im Hause des französischen Gesandten Grafen Rothenburg –, hatte seine Sitten gebildet, was damals in Berlin sehr selten war.«

Wann die Prinzessin ihn kennenlernte, ist nicht bestimmt ersichtlich, wahrscheinlich im Herbst 1729, als der König von einer nach Lübbenau hin unternommenen Reise zurückkehrte. Vom Mai 1730 an sahen sie sich jedenfalls häufig. Er überbrachte schriftliche und mündliche Botschaften hüben und drüben und nahm an den Aufführungen und literarisch-musikalischen Abenden teil, die, wenn der König in Potsdam oder Wusterhausen war, im königlichen Schloß oder in Schloß Monbijou stattzufinden pflegten. Einmal wurden sie überrascht. »Katte ergriff Flöte und Noten und sprang mit Quantz beiseit, um sich zu verstecken.«

Daß er der Prinzessin jemals mehr gewesen wäre als der Freund und Vertraute ihres Bruders, ist aus nichts ersichtlich; ihre eigenen Schilderungen sprechen dagegen. Katte seinerseits scheint sich freilich in jener grenzenlosen Eitelkeit, die sein hervorstechendster Charakterzug war, vor aller Welt das Ansehen gegeben zu haben, als ob ihr Verhältnis ein intimes gewesen sei. Die Prinzessin erfuhr davon, und vertraut mit der Tatsache, daß der Berliner Hof damals so recht eigentlich ein Klatschhof war, verhielt sie sich ablehnend gegen ihn und seine Huldigungen. Es handelte sich dabei ganz besonders um ein Medaillon- oder Dosenportrait, das er von ihr besaß, trug und zeigte. Sie verwies es ihm und wollte es zurückhaben. Aber er weigerte sich dessen. Der Charakter Kattes tritt einem in diesem eigentümlichen Verhalten am frappantesten entgegen. »Eines Tages«, so schreibt die Markgräfin, »benachrichtigte mich die Bülow, daß Katte, anderer Unbesonnenheiten zu geschweigen, auch mit einer Dose prunke, in der sich das Portrait des Kronprinzen und das meine befände. In der Tat war durch dies und ähnliches in seinem Benehmen unsere Verlegenheit auf den höchsten Grad gestiegen, weshalb ich es für notwendig hielt, der Königin Mitteilung davon zu machen. Diese zeigte sich denn auch sehr aufgebracht und gab meiner Gouvernante, dem Fräulein von Sonsfeld, Befehl, bei dem Herrn von Katte mein Portrait in aller Verbindlichkeit zurückzufordern. Und die Sonsfeld unterzog sich diesem Auftrage noch am selben Abend. Katte entschuldigte sich, so gut er konnte, aber wie viele Vorstellungen ihm meine Gouvernante auch machen mochte, das Portrait selber wollte er ihr nicht einhändigen, versicherte sie vielmehr seiner Diskretion für die Zukunft und bat sie, die Königin zu beruhigen. Dies geschah auch. Indessen, die abschlägige Erklärung verstimmte uns doch so, daß wir längere Zeit nicht mit ihm sprachen.

Aber«, so fährt die Prinzessin fort, »dies währte nicht lange. Am 11. August hatten wir Konzert in Monbijou. Auch Katte, der nie fehlte, war zugegen. Als ich in ein Nebenzimmer ging, folgte er mir dorthin und beschwor mich um meines Bruders willen, ihm einen Augenblick Gehör zu schenken. Und so hatten wir denn wieder ein längeres Gespräch.

›Ich bin in Verzweiflung‹, sagte er, ›über Eurer Königlichen Hoheit Ungnade. Man hat Ihnen falsche Nachrichten über mich gebracht. Man beschuldigt mich, den Kronprinzen in seinen Fluchtplänen zu bestärken. Umgekehrt, ich hab es ihm abgeschlagen, ihm zu folgen. Und ich stehe Ew. Königlichen Hoheit mit meinem Kopf dafür, daß er diesen Schritt nicht ohne mich unternehmen wird.‹

›Ich sehe Ihren Kopf schon zwischen Ihren Schultern wackeln‹, replizierte ich. ›Und wenn Sie nicht bald Ihr Benehmen ändern, so werd ich ihn leicht vor Ihren Füßen sehen.‹ Er wollte antworten, aber ich fuhr fort: ›Ich leugne Ihnen nicht, daß wir, die Königin und ich, sehr unzufrieden mit Ihnen sind, weil Sie die Pläne meines Bruders ausschwatzen; vor allem aber ziemt es sich nicht für Sie, mein Portrait zu besitzen und damit zu prunken. Die Königin hat es Ihnen abfordern lassen, und Sie hätten die Pflicht gehabt, ihr zu gehorchen und es uns wieder zuzustellen.‹

Er wußte sich jedoch geschickt herauszureden und versicherte nur immer wieder, daß er das Portrait lediglich als eine Probe seiner Arbeit gezeigt habe, es auch härter als den Tod empfinden würde, wenn er sich davon trennen müsse.

›Sie spielen ein großes Spiel‹, schloß ich, ›und ich fürchte sehr, daß ich in allem, was ich Ihnen gesagt habe, nur ein allzu guter Prophet gewesen bin.‹

›Wenn ich den Kopf verliere‹, antwortete er, ›so geschieht es um einer schönen Sache willen. Aber der Prinz wird mich nicht im Stiche lassen.‹

Nach dieser Unterredung« – so schließt die Prinzessin – »trennten wir uns. Es war das letzte Mal, daß ich ihn sah, und ich glaubte damals nicht, daß sich meine Voraussagungen so bald erfüllen würden.«

Dies Zwiegespräch fand am 11. August statt. Am 16. ward er verhaftet. Was danach folgte, ist in den voraufgegangenen Abschnitten dieses Kapitels erzählt worden.

Es erübrigt nur noch die Frage: Welche Dinge sind vorhanden, die den Namen Kattes in der einen oder anderen Weise bis diesen Tag festhalten: Baulichkeiten, Hausgerät, Bilder.

Briefe (wenn nicht das Staatsarchiv einiges davon bei den Akten hat) scheinen originaliter nicht mehr zu existieren; das »Wachtlokal« in der Kaserne des Regiments Gensdarmes ist, wie die Kaserne selbst, längst vom Schauplatz verschwunden, und das Küstriner Torhäuschen, in dem er die Nacht vor seinem Tode zubrachte, wurde neuerdings bei Wegräumung des Tores mit niedergerissen. Auf Schloß Retzin dagegen befindet sich noch eine silberne, das Kattesche Wappen tragende Zuckerdose, die der Gefangene mit in sein Gefängnis genommen haben soll, und drei Bilder sind noch vorhanden – an übrigens sehr verschiedenen Stellen –, die den Anspruch erheben, Bildnisse Hans Hermann von Kattes zu sein.

Das erste Katte-Portrait ist königliches Eigentum und befindet sich zu Schloß Charlottenburg in dem, soviel ich weiß, bis diesen Augenblick unberührt erhaltenen Arbeitscabinette König Friedrich Wilhelms des Vierten. Es hing, als ich es vor einer Reihe von Jahren zum ersten Male sah, über der Eingangstür.

Das zweite Katte-Portrait ist im Besitz von Gustav zu Putlitz auf Schloß Retzin in der Prignitz. Er schreibt darüber folgendes: »Kattes Halbschwester war meine Urgroßmutter, und aus der Nachlassenschaft einer Tochter derselben (meiner Großtante) kam dieses Bildnis in unser Haus. Ich entsinne mich deutlich noch des Tages, als es mit vielem anderen uralten Hausgerät ausgepackt wurde. Es machte einen großen Eindruck auf mich, trotzdem ich noch ein Kind war, denn ich kannte die Geschichte Kattes, die mir von der alten Tante als eine Familientradition oft erzählt worden war. Das einsame, abgeschlossene und meist ereignislose Leben jener Zeit erhielt die Familiengeschichten durch Generationen hin lebendig und gab ihnen besondere Wichtigkeit.«

Das dritte Katte-Portrait befindet sich inmitten anderer Familienportraits aus jener Zeit in dem großen Empfangssaale des Herrenhauses zu Wust.

Sind diese Bildnisse zuverlässig? Keines stimmt mit der charakteristischen Personalbeschreibung, die sowohl Pöllnitz wie die Markgräfin von von Katte gegeben haben. »Häßlich, blatternarbig, mit breiten, buschigen Augenbrauen« und infolge davon »finster, melancholisch, unheimlich«. Vergleichen wir damit die Portraits, so zeigen uns dieselben einen eher hübschen als häßlichen, eher fröhlichen als finsteren, eher anheimelnden als unheimlichen jungen Mann. Wenn wir, trotz der daraus entstehenden Zweifel, auf diese Bilder hingewiesen haben, so geschah es, um an einem glänzenden Beispiele zu zeigen, wie viel oder wenig es mit derartigen Echtheitsversicherungen König Friedrich Wilhelm IV. soll das Charlottenburger Katte-Bild, als er es erwarb, für echt, später aber für unecht gehalten haben. Geheimer Hofrat Bußler in Berlin, dem alle diese Dinge unterstehen, hält es für unecht. Schon um der Uniform willen, die er etwas später setzt. auf sich zu haben pflegt.

Der Strom der Tradition, solang er ununterbrochen fließt, kann unter Umständen ebenso wertvoll, ja wertvoller sein als das verbürgteste Aktenstück. Aber nichts ist seltener als solche Kontinuität der Überlieferung. Und nur einen Tag unterbrochen, bemächtigten sich Willkür und Einbildungskraft des Gegenstandes, und das Chaos der Meinungen beginnt.


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